O'zapft is! - Margarete Prijak - E-Book

O'zapft is! E-Book

Margarete Prijak

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Beschreibung

Aus dem Tagebuch einer Wiesn-Bedienung

Margarete Prijak ist eine Institution der Augustiner Festhalle und kennt das Oktoberfest wie ihre Dirndltasche: Seit 1987 konnten sie bisher nur ein Kniebruch, die Geburt ihres Sohnes und zwei Jahre Pandemie von ihrer Arbeit als Wiesn-Bedienung abhalten. Ihre Erlebnisse auf der Theresienwiese passen kaum in einen Abend und auch nur gerade so zwischen zwei Buchdeckel.

„O’zapft is!“ ist ein erzählerisches Panorama des größten Volksfests der Welt, es versammelt lustige Anekdoten, skurrile Fakten, unverzichtbare Insider-Tipps, Trachtenkunde, Bayrisch-Lektionen für Preißn, Wiesn-Hitlisten, Selbsttests und vieles mehr.

Da ist der Geschäftsmann, der Maggy jedes Jahr bereits vor dem Anstich 2000 Euro auf ihr Privatkonto überweist, damit er im Rausch der Sinne nicht seine Existenz verliert. Da ist die Fundgrube, die empirisch auswertet, was alles verloren wurde und Statistiken über verlorene Toupets oder Gebisse führt. Da sind die personalisierten Holzglubberl mit den kultigen Aufschriften, die Wildbisler und der Kotzhügel, die Noargerl-Maß-Zamschütter, und da ist das Drama des Wiesn-Attentats 1980, das dem Feiern die Unschuld nahm.

Margarete Prijak liefert das allererste Buch einer waschechten Wiesnbedienung und den Survival-Guide für die 5. Münchner Jahreszeit!

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Seitenzahl: 209

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Buch

Margarete Prijak ist eine Institution der Augustiner Festhalle und kennt das Oktoberfest wie ihre Dirndltasche. Ihre Erlebnisse auf der Theresienwiese passen kaum in einen Abend und auch nur gerade so zwischen zwei Buchdeckel. „O’zapft is!“ ist ein erzählerisches Panorama des größten Volksfests der Welt, es versammelt heitere Anekdoten, skurrile Fakten, unverzichtbare Insider-Tipps, Trachtenkunde, Bayrisch-Lektionen für Preißn, Wiesn-Hitlisten, Selbsttests und vieles mehr.

Autor*in

Margarete »Maggy« Prijak arbeitet seit 1987 jedes Jahr auf dem Münchner Oktoberfest. Seit ihrem 16. Lebensjahr konnten sie bisher nur ein Kniebruch und die Geburt ihres Sohnes sowie zwei Jahre Pandemie von der Theresienwiese fernhalten. Maggy trat damit in die Fußstapfen ihrer Tante und Mutter, heute sind viele weitere Frauen und auch Männer ihrer Familie feste Größen in der Augustiner Festhalle. Die Wiesn ist Maggys Wohnzimmer, zwischen den Bierbänken hat sie gelacht, geweint und unzählige verrückte, lustige und berührende Geschichten erlebt.

Margarete Prijak

O’zapftis!

Eine Wiesn-Bedienung erzählt: Skurrile Geschichten und Überlebenstipps für die 5. Münchner Jahreszeit

Alle Ratschläge in diesem Buch wurden von der Autorin und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung der Autorin beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.

Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall aufgrund der schlechten Quellenlage bedauerlicherweise einmal nicht möglich gewesen sein, werden wir begründete Ansprüche selbstverständlich erfüllen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Originalausgabe August 2024

Copyright © 2024: Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Unter Mitarbeit von: Angela Kuepper, München

Redaktion: Anna Sulik

Dieses Werk wurde vermittelt durch die

AVA international GmbH Autoren- und Verlagsagentur, München.

www.ava-international.de

Umschlag: Uno Werbeagentur, München

Umschlagmotiv: © FinePic®, München (Himmel, Lebkuchenherz), © istock/FooTToo (Wiesn-Ansicht)Autorinnenfoto: © Dieter Mayr

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

AR ∙ IH

ISBN 978-3-641-31929-8V001

www.goldmann-verlag.de

Meiner Mama gewidmet, ohne die für mich die Wiesn nicht die Wiesn wäre und ohne die ich nicht ich wäre.

Inhalt

Vorwort

Bayerisch für Anfänger

Kapitel 1: Die Wiesn-DNA

Wiesn-Barometer

Der ultimative Wiesn-DNA-Test®

Kapitel 2: Vorglühen

Der Wiesn-Adventskalender

Kapitel 3: O’zapft is

Profitipp

Kleine Dirndl-Kunde

Kapitel 4: Lost & Found

Bayerisch fluchen leicht gemacht

Kapitel 5: Dynastisches

Extra Glubberl-Kunde

Meine persönlichen Glubberl

Kapitel 6: The Dark Side of the Wiesn

Sichere Wiesn

Kapitel 7: Die Wiesn-Mama

Don’ts & Dos

Kapitel 8: Rund ums Bier

Deutsches Kulturgut

Wilder Mix

Meine persönliche Playlist

Kapitel 9: Meine Stammgäste

Tutorial: Wie werde ich Stammgast

Kapitel 10: Nach der Wiesn ist vor der Wiesn

Was ich auf der Wiesn fürs Leben gelernt habe

Nachwort

Danksagung

Anhang

Glossar

Adressen

Quellen

Vorwort

Es gibt für mich auf der Welt nur eine Stadt,

die so viel Herz wie München hat …

Die Kaiserlich Böhmischen

Alle Jahre wieder strömen im September die Horden nach München. Dann füllen sich Busse und Bahnen, auf den Straßen rund um die Theresienwiese schieben sich die Massen voran, und wohin man auch schaut, die Leute tragen Tracht. Wenn es dann endlich so weit ist und am ersten Wiesn-Samstag Punkt zwölf der Oberbürgermeister das Fass mit dem Schlegel traktiert, heißt’s wieder: O’zapft is! Dann beginnt für die Hartgesottenen die fünfte Jahreszeit, mehr noch: 16 Tage Ausnahmezustand, Gefühle rauf und runter, von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt – dann nämlich, wenn man realisiert, dass alles endlich ist, auch die Maß, auch die Wiesn.

Für echte Fans sind diese 16 Tage das Beste, was München, Bayern, ja: die Welt zu bieten hat. Hier kommen die unterschiedlichsten Menschen zusammen, um das pure Leben zu feiern. Um miteinander unter weiß-blauem Himmel oder drinnen im Bierzelt gemütliche Stunden zu verbringen, so richtig Gaudi zu machen und auch mal an die Grenzen zu gehen.

Wiesn, das ist Tradition, Brauchtum, Biergartenkultur. Da ist jeder willkommen. So viel wird geredet über die Spaltung unserer Gesellschaft. Ganz ehrlich? Das fühlt sich bei uns im Biergarten völlig anders an. Da sitzt der Professor Doktor Schlag-mich-tot neben dem Handwerker, der Hells Angel neben der Staranwältin und dazwischen die Familie mit den Kindern, die die Brotzeit selbst mitgebracht hat. Warum auch nicht? Was zählt, ist das Zusammensein. Der Spaß, der Austausch von Mensch zu Mensch. Überhaupt ist doch das, was wir alle gemeinsam haben, viel mehr als das, was uns trennt. Manchmal geht uns das abhanden, dann braucht es den Kitt, um uns Menschen wieder miteinander zu verbinden. Und was die Wiesn angeht, so liefern wir Bedienungen den: in Form einer Maß Bier, einer Apfelschorle oder einem Wasser – auch das gibt’s bei uns und ist alles andere als ein Stimmungskiller. Zu sehen, wie aus völlig Fremden Freunde werden, sei’s für einen Tag oder fürs ganze Leben, gehört für mich mit zu den absoluten Highlights auf der Wiesn.

Klar, es gibt sie auch, die Wiesn-Hasser. Für sie ist das Oktoberfest bloß Gerempel, Geschubse, Abzocke. Bei den Stoßzeiten kann ich, was Gerempel und Geschubse angeht, definitiv zustimmen. Da strömen keine Massen, da wälzt sich eine Hammelherde voran. Und zwar nicht in geschlossener Formation: Ständig schert einer aus, um hier eine Tüte gebrannte Mandeln zu erstehen oder dort einen Leberkäs. Die Touristen versuchen wider besseres Wissen ihr Glück im Hofbräuhaus-Zelt, weil’s am bekanntesten ist; andere folgen blind ihrer Nase, die gegrillte Hendl oder Steckerlfisch erschnuppert hat, oder schlängeln sich durch die Nebengassen zu den Fahrgeschäften durch. Das erzeugt Unmut, da werden die Ellenbogen ausgefahren, den Introvertierten bricht der Schweiß aus. In Neuseeland werden die Herden mit Hubschraubern vorangetrieben, mit den Wiesn-Besuchern darf man das nicht.

Es gibt Tage, da wird das Chaos geboren, um fortan zu herrschen. Da muss man schon ein Hardliner sein, um sich noch rundum wohlzufühlen. Und ja, auch ich habe schon gedacht und sogar gesagt: »Den Scheiß mach i nimma mit, des werd mei letzte Wiesn!« Solche Anwandlungen vergesse ich allerdings schnell wieder, sämtliche Kapazitäten meines Gedächtnisses gehen für die Bestellungen und Namenswiederfindungen meiner Gäste drauf.

Seit über 30 Jahren arbeite ich jetzt als Wiesn-Bedienung. Gelernt hab ich vieles von meiner Mama, die hauptberuflich Bedienung war. Apropos die Mama … Als ich ihr erzählt habe, dass ich ein Buch schreibe, meinte sie bloß: »Du spinnst ja völlig. Was host’n do wieda ogstellt. Oans sag i da glei: I woaß nix mehr. Falls dia die G’schichten ausgenga und du mi frag’n mogst. Gar nix woaß i mehr.« So ist sie, die Mama, immer ein freundliches Granteln für ihre Mitmenschen parat. Dabei war sie es ja, die mit dafür gesorgt hat, dass die Wiesn eine feste Größe in meinem Leben wurde. Zum Glück!

Das Oktoberfest ist für mich der totale Wohlfühlort. Die Wiesn und ich – das kommt mehr einer Liebeserklärung gleich als der Beschreibung eines Ortes, an dem man Schwerstarbeit unter zweifelhaften Bedingungen leistet. Allein schon die Stimmung unter uns Bedienungen, die Gemütlichkeit, das Lachen, bis die Bäuche wehtun. Und dann der Duft: am ersten Tag noch nach frisch gezapftem Bier, nach Lebkuchenherzen und Zuckerwatte, nach Hendln, den Zwiebeln von der Steaksemmel. Klar, der Duft wandelt sich zum Geruch, von Tag zu Tag atmet man definitiv flacher. Und trotzdem freu ich mich unbändig, jedes Mal aufs Neue dort aufzuschlagen und die unvergleichliche Stimmung in mich aufzusaugen.

Ob es jetzt am extra fürs Oktoberfest gebrauten Bier liegt oder an der Sonne, die einem aufs Hirn scheint: Die Wiesn kann auch regelrecht poetisch machen. Wie pflegt mein Mann zu sagen?

»Du gehst mittags raus auf die Wiesn, die Sonne scheint, ein paar weiße Wölkchen sind am blauen Himmel zu sehen. Ein leichter Wind weht, ein bisserl frisch vielleicht, es ist ja schon Herbst. Du setzt dich an deinen Platz im Biergarten, vor dir der Tisch mit seiner altvertrauten Oberfläche, orangebraun lackiert, leicht abgeblättert. Und dann siehst du sie kommen, deine erste Maß. Das Glas ist außen kalt und beschlagen, der Inhalt goldgelb, leicht perlend. Die Schaumkrone läuft am Rand ganz leicht über, ein kleines Rinnsal tropft herab. Und dann fasst du mit deinen Händen das Glas, spürst die Kühle des Maßkrugs, sein Gewicht. Du setzt ihn an die Lippen, neigst Krug und Kopf, und runter geht der erste Schluck, rinnt die Kehle hinab: Ahhh! Wohliger Biergeschmack füllt deinen Mund, kräftig, leicht bitter, malziger als sonst und unglaublich erfrischend. Du setzt den Krug wieder ab, wischt dir den Schaum von den Lippen und schaust dich um. Die Leute um dich herum sind glücklich, lachen. Alles passt. Das ist die Wiesn. Das ist Glück.«

Wo Menschen zusammenkommen und ausgelassen feiern, gibt’s eine Menge zu erzählen. So manche Story fällt definitiv unter das ungeschriebene Gesetz: »What happens auf der Wiesn, stays auf der Wiesn.« Oder wie die Mama sagt: »Du kannst doch ned ois erzähln, des geht doch ned.« Logisch. Wohin welche Hände sich unterm Biertisch verirren, welcher Promi mal wieder untern Tisch kotzt und welcher Star mit wem in der Gasse hinterm Zelt verschwindet, das ist Privatsache. Viel spannender sind sowieso all die skurrilen Erlebnisse, die es so nur auf der Wiesn gibt: dort, wo bayerische Gemütlichkeit auf den Rest der Welt trifft, wo die Leute komplett aus sich herausgehen, im Rudel singen, tanzen, philosophieren, Freundschaft für einen Abend oder das ganze Leben schließen. Und genau davon handelt dieses Buch. Vom schönsten und vom schlimmsten Tag. Von den Wiesn-Besessenen, wie zum Beispiel dem Stammgast, der extra einen Ingenieur beauftragte, ihm ein Minizelt zu konstruieren. Warum? Damit er auch bei Regen gut geschützt draußen bei uns im Biergarten sitzen konnte. Vom Gast, der Finderlohn für seine Frau zahlen wollte. Von Heiratsanträgen auf Neuseeländisch, Glubberl-Geheimcodes und verlorenen Bedienungen, von Gästen, die Bodyguards werden, von Verkuppeleien und vielem mehr.

Also:

Kemmt’s rei, setzt euch hi, trinkt’s a Maß und lest’s die G’schichten, die außer uns Bedienungen koana erlebt!

Bayerisch für Anfänger

Denn auch Preußen möchten sich ja mit der Wiesn identifizieren können …

An Guadn: Freundlicher Wunsch der Bedienung an den Gast, sich die servierte Mahlzeit trotz des massiv überhöhten Fett- und Salzanteils schmecken zu lassen, es könnte ja die letzte sein

A Ruah gem: Aufforderung, sich zu beruhigen, die Stimme zu senken und lautliche Unmutsäußerungen einzustellen

A so a Schmarrn: In diesem Punkt erlaube ich mir, anderer Meinung zu sein.

Auf geht’s: Kurz für: Achtung, jetzt rutsch ma a bisserl zam. Zu Deutsch: Da noch weitere zwei bis 17 Gäste auf der beengten Bank Platz finden möchten, bitte ich Sie darum, sich noch ein wenig enger zusammenzusetzen.

Äha: Basiswort der Mama für: wie bitte, alles klar; steht auch für: ein wenig verdutzt sein, sich nicht beeindrucken lassen

Batzerl: ein klein wenig; nicht zu verwechseln mit Batzen und schon gar nicht mit Bratzen

Brezn: Breze, Breze, auf der Wiesn nur in XXL-Format erhältlich, soll ja zur Maß passen

Diridari: Geld. Man beachte: Geld macht nicht glücklich. Außer, d’ kaufst von deinem Diridari Bier bei mir.

Glubberl: Wäscheklammer, kunstvoll beschriftet mit Namen, Telefonnummern, Codes

Hendl: Gallus gallus domesticus, kurz: totes Huhn, am Spieß gebraten und halbiert

Hihogga: höfliche Aufforderung, Platz zu nehmen. Gern in der Wendung: Hogg di hi, sonst gibt’s koa Bier!

Hosnbon langziang: Schläge auf das Gesäß verabreichen

Ja mei: philosophisch; Ausdruck des Sichabfindens mit Dingen, die man definitiv nicht ändern kann

Maß: ein Liter Bier. Üblicherweise als Pluralwort und in Verbindung mit Zahlwörtern wie zwoa, drei, viere …

Noargerl: der letzte Schluck im Bierkrug

Noargerlzuzler: Gast, der Stunden damit zubringt, am Noargerl rumzuzuzeln, um ja keine neue Maß bestellen zu müssen oder aber die Reste zusammenschüttet, um sie zu trinken

Obacht: Achtung! Kurz für: auf’d Seitn, aus dem Weg, schleich di

O’zapft is!: Der Anstich des Bierfasses wurde erfolgreich vollzogen.

Semme: Semmel, Brötchen, Rundstück

Servus: Grußwort für Hallo, Guten Morgen/Abend/Tag, Grüß Gott, Auf Wiedersehen, Lebe wohl, Einen schönen Morgen/Abend/Tag noch. Typische Wendung: Servus mitanand! – Hallo zusammen! Nicht zu verwechseln mit: Ja servus! – So ein Scheiß.

Strawanzen: zu frei habender Zeit flanieren, ein wenig spazieren, irrlichtern

Mit diesen Basics dürfte es leichtfallen, auch den folgenden Satz zu verstehen:

Äha, da hams wieder de Noargerlzuzler gfundn, direkt nach’m O’zapfa hihogga und nimma aufstehn woin!

Kapitel 1

Die Wiesn-DNA

Die Wiesn – eine Liebeserklärung

Während andere Leute in ihrem Urlaub in die Berge oder ans Meer wollen, mal so richtig chillen, Wellness machen, kurz: sich erholen …

… sich nicht gerade drum reißen, schon früh am Morgen mit dem Wasserschieber kraftvoll die Patina aus Bier und diversen Körperflüssigkeiten von Tischen abzuziehen …

… und generell lieber einen Bogen machen um irrlichternde Massen, um Wildpinkler, Kotzende und Hendlhutträger –

… gibt es diejenigen, die laut »Ich!« rufen und sich förmlich drum reißen, den halben Jahresurlaub gegen Arbeit einzutauschen und binnen 16 Tagen mit den Kolleginnen und Kollegen geschätzte sieben Millionen Maß durch die Mengen zu hieven.

Natürlich arbeiten manche vor allem wegen des Zuverdienstes auf dem Oktoberfest. Die in den Medien gern erwähnten zehn- bis 15 000 Euro plus habe ich persönlich noch nie gesehen, und ganz ehrlich: Darum geht’s mir auch nicht. Wie die meisten von uns sitze ich das Jahr über ganz normal im Büro, mit dem kleinen Zusatz im Vertrag, dass ich ganz dringend immer zur Wiesn-Zeit Urlaub brauche.

Für mich gibt es kaum etwas Schöneres, als Jahr für Jahr wieder dabei zu sein. Warum?

Weil es mordsmäßig Spaß macht.

Weil ich nirgends sonst einfach so sein kann, wie ich bin: direkt, ungefiltert, auch mal laut und durchaus frech.

Weil ich Seiten an mir entdecke, die sonst brav den Schlaf des Gerechten schlafen würden.

Weil ich mich so frei fühle auf der Wiesn und mich in dieses unvergleichliche Chaos stürzen kann, das so gar nichts mit dem des Alltags gemein hat.

Weil ich Jahr für Jahr Menschen wiedersehe, die mir ans Herz gewachsen sind.

Weil die Wiesn für mich nicht bloß die fünfte Jahreszeit ist, sondern eben die Zeit mit meiner Wiesn-Familie, die untrennbar zu mir gehört: Verwandte und auch Freunde, die ich auf der Wiesn kennengelernt habe und die ich im Leben nicht missen möchte.

Ursachenforschung

Lange Zeit hat man vom Wiesn-Virus gesprochen, so im Stil von: »Mei, gehst scho wieda auf d’Wiesn heit, warst doch scho gestern da und vorgestern a, da hat dich wohl das Wiesn-Virus dawischt.«

Aber seit Corona, als ein Virus gleich zwei Wiesn ausgeknockt hat, mögen wir das Wort gar nicht mehr. Und überhaupt, Wiesn-Virus, das sind ja eher die Infekte, die da grassieren und sich aufgrund extremer räumlicher Nähe rasend schnell ausbreiten. Nein, ein Virus, das überwindet man in der Regel wieder, das lässt man hinter sich, man baut sogar Abwehrkräfte dagegen auf. Ganz anders mit der Wiesn. Das reicht weit tiefer, bis in die einzelnen Zellen, ach, was sag ich, bis ins Erbgut hinein. 

Ja, es gibt sie tatsächlich, die Wiesn-DNA. Vielleicht existieren noch keine wissenschaftlichen Studien dazu. Aber unter unseren Stammgästen sind auch Ärzte, die würden das mit der DNA gewiss bestätigen, so nach der dritten bis siebten Maß.

Wie anders sollte man sich auch sonst erklären, dass man derart besessen ist? 16 Tage harte körperliche Arbeit von neun bis 23 Uhr, an den Wochenenden noch länger, das muss man erst mal stemmen. Apropos stemmen, da war doch noch was. Ach ja, der volle Maßkrug mit seinen rund 2,3 Kilo.

Die Wiesn-DNA befähigt einen nicht bloß, sich gleich zehn bis 14 Maß auf einmal zu schnappen und das mit einem breiten Grinsen durchzustehen – sie sorgt auch dafür, dass man alles tut, um im nächsten Jahr wieder mit dabei zu sein. Im Grunde lässt sie einem gar keine Wahl, sie zwingt einen förmlich dazu, sein Leben nach der Wiesn auszurichten. Und das betrifft nicht nur uns Bedienungen, sondern auch so manche Wiesn-Besucher. Was erzählte mir mal einer meiner Gäste?

»Stell dir vor«, sagte er, die Hand fest um den Henkel seiner Maß gelegt. »Mein Neffe, der wollt heiraten. Am ersten Wiesn-Samstag!« Noch immer fassungslos schüttelte er den Kopf. »Ganz ehrlich? ›Des geht ned, des kannst ned machan‹, hab ich ihm gesagt. ›Des geht wirklich ned. Klar kannst heiraten, du kannst machen, was d’ wuist. Aber i bin da ned dabei, des sag i da glei. Des is der erste Wiesn-Samstag, da geh i naus. Da kimm i definitiv ned zu deina Hochzeit. Da kannst machen, was d’ wuist, aber da bin i ned dabei.‹«

Das Ende vom Lied? Der Neffe hat’s eingesehen und die Hochzeit um drei Wochen nach hinten verschoben.

Klarer Fall von Wiesn-DNA.

Unsere Gäste – das Herz der Wiesn

Unsere Gäste – ich liebe sie. Es gibt doch kaum etwas Schöneres, als sie zu beobachten.

Von Anfang an hat mich fasziniert, wie unterschiedlich die Menschen sind, die auf der Wiesn aufschlagen. Da sind die, die alleine kommen, bei einer kühlen Maß Zeitung lesen und einfach ihre Ruhe haben wollen. Dann gibt es diejenigen, die Kontakt suchen, offen auf ihre Banknachbarn zugehen, mit Händen und Füßen mögliche Sprachbarrieren überwinden und sich einfach eine gute Zeit machen. Es gibt die Nachdenklichen, die Philosophen, die Grantler. Und natürlich die Wortreichen, die einem pausenlos was erzählen wollen. Letztere unterteilen sich in die, deren Geschichten man gerne hört, auch zum zweiten oder dritten Mal, und solche, die einem lauter Zeugs erzählen, das man lieber nicht hören würde. Dann gibt es die Horden – Menschengruppen, die nur in Massen einfallen. Nicht zu vergessen die Schönheitsköniginnen, irgendwo zwischen 16 und 96, das lange blondierte Haar offen und an den Füßen mörderische High Heels, mit denen sie regelmäßig im Kies des Biergartens hängen bleiben, das sieht dann weniger elegant aus. Logischerweise gibt es auch die Touristen, und zwar in Massen. Die Promis, aber die lassen wir ja außen vor. Dann die Urmünchner, die schon als kleine Knöpfe mit Mama und Papa auf der Wiesn waren und seither jedes Jahr wiederkommen. Fehlen dürfen auch nicht die Heidis und Seppls, wie sie intern genannt werden, weil sie sich in ihren China-Billigtrachten wie die Helden und ganz authentisch bayerisch fühlen. Und natürlich die echten Trachtler, die in schweren Damastdirndln und feinstem Loden daherkommen.

Alle haben sie eins gemeinsam – die Nervensägen nehmen wir jetzt mal raus: Sie wollen Spaß haben, Erinnerungen schaffen, an Erinnerungen anknüpfen. Einige sind sporadische Oktoberfest-Gänger, lassen auch mal ein Jahr oder gar mehrere aus – eine Spezies, deren Lebensweise sich mir nicht wirklich erschließt.

Viele aber kommen Jahr für Jahr, da ist die Wiesn eine feste Größe in der Jahresplanung. Auch sie müssen ein paar ordentliche Wiesn-DNA-Schnipsel in ihren Zellen haben. Da werden schon Monate vorher Urlaube beantragt, da wird Wiesn-Geld gespart, Tische werden reserviert, Familien-, ja, Lebensevents wie Verlobungen, Hochzeiten, Flitterwochen nach dem Wiesn-Kalender gelegt. Manche heiraten gleich ganz auf der Wiesn und mieten eine Box für ihre Gäste. Das ist dann auch praktisch mit dem Hochzeitstag, den vergisst man nicht so leicht.

Auf der letzten Wiesn kletterte doch tatsächlich einer unserer Gäste, Mitte 20, Brasilianer, von der Bank auf den Tisch. Meine Nichte, ebenfalls Wiesn-DNA-Trägerin, wollte ihn dort runterholen – Tanzen auf den Tischen ist eher was fürs Zelt, im Biergarten draußen sehen wir das nicht so gern. Allein schon der Sturz hinab! Inmitten der Massen fällt man weich, bei uns blitzt harter, gekiester Boden durch.

Jedenfalls sagte mir mein Instinkt, noch abzuwarten und ihn mal machen zu lassen. Und tatsächlich: Nachdem er es geschafft hatte, mitten auf dem Tisch auf die Knie zu gehen, wandte er sich an seine Begleitung, eine etwa gleichaltrige Französin, und machte ihr einen Heiratsantrag. Das übliche Gegröle ringsum wich gespannter Stille, und zur Freude aller Anwesenden sagte sie Ja – oder vielmehr: »Oui!«

Das hob die Stimmung bei uns im Biergarten gleich noch mehr. Die Leute stießen unter großem Hallo mit dem Pärchen an, gratulierten, ließen sie hochleben.

Die beiden waren so was von verliebt. Sie waren sich irgendwo auf der Welt bei Work & Travel begegnet und dann zusammen weitergereist. München und das Oktoberfest sollten die letzte Station ihrer Reise werden – und der Schritt in ein neues Leben.

Das hatte schon seine ganz eigene Romantik, das Teilen eines besonderen Events im Leben mit lauter Fremden, die im nächsten Augenblick zu Freunden wurden.

All diese Momente summieren sich, wenn man Jahr für Jahr auf der Wiesn arbeitet. DNA hin oder her – da ist es doch gar keine Frage, dass man wiederkommen will.

In den über 30 Jahren, die ich dabei bin, habe ich nur zweimal gefehlt. Das eine Mal war mein Sohn gerade zwei Monate alt. Alles war organisiert: Mein Mann hatte sich Urlaub genommen, die Milch war abgepumpt, Kontakte für den Notfall akquiriert und säuberlich aufgelistet. Doch eines Abends kurz vor der Wiesn saß ich da, schaute mir den Zwerg an und heulte bittere Tränen. Da war mir klar: Ich schaff’s nicht, ihn zwei Wochen lang nur nachts zu sehen. Also sagte ich ab.

Und das andere Mal? Erzähle ich später. An dieser Stelle nur so viel: Krücken und Bedienen vertragen sich nicht, auch wenn man es noch so sehr will.

Beruf oder Berufung?

An eine Wiesn-Bedienung werden natürlich gewisse Anforderungen gestellt. Einige können antrainiert werden, bei anderen aber, da landen wir dann wieder bei der Wiesn-DNA.

Zuallererst braucht man Hände und Füße – nicht nur zum Stemmen und Rumrennen, sondern auch, um sich mit den Gästen verständigen zu können. Zum einen liegt es an der herrschenden Lautstärke, irgendwann wird jeder heiser, wenn er bloß schreit. Zum anderen kommen die Wiesn-Besucher aus den hintersten Ecken der Welt, nicht jeder spricht fließend Englisch, ich selbst auch nur bedingt. Und das Bayerische kann sogar für die Nordlichter – die Preußen – eine Herausforderung darstellen. Kurz: Sprachgenies tun sich definitiv leichter als Bedienung. Wir alle haben ein ordentliches Bayerisch-Englisch drauf, kurz: Benglisch, dazu Bitaliano, Bolländisch …

Notfalls nimmt man auch mal den Block zur Hand und kritzelt drauf rum, wie meine Schwester, die mal strahlend zu mir kam und rief: »Ha, ich kann Russisch.« Nachdem sie mit ihrem vorzüglichen Englisch nicht weitergekommen war, hatte sie eine Brezn gezeichnet und prompt das russische Wort dafür gelernt: Крендель.

Spannend wird es, wenn die technikaffinen Gäste aus Fernost ihre kleinen Translatoren zücken – faszinierendes Spielzeug und eigentlich eine gute Idee. Eigentlich, denn die Wiesn hat ihre eigenen Regeln. Die besseren Modelle funktionieren über Sprachsteuerung, was bei den Backgroundgeräuschen à la Turm von Babel eher mäßig funktioniert. Die gängigen Plastikdinger wiederum verlangen, dass man eintippt und liest. Und wenn man dann tatsächlich die Brille gezückt hat, die Worte entziffern kann und mit etwas Fantasie ergänzt, kommen Speisen raus wie: Weißwurst mit Sauerkraut. Äha! Falsche Zeit und Location, kann ich da nur sagen, die gibt’s in der Kombi vielleicht auf irgendeinem Weihnachtsmarkt, aber definitiv nicht bei uns.

Zum Thema Rumrennen: Immer wieder spannend sind die Schritte, die man so sammelt. Mein Neffe, in einem anderen Bereich im Service tätig, haute mich eines Abends nach der Schicht an, deutete auf mein Fitbit und fragte mit der Überheblichkeit der sichtbar Jüngeren und Fitteren: »Na, Tante Margarete, wie viele Schritte hast du denn?«

»Meine Anzahl schaffst du nicht«, gab ich zurück.

»Schaun ma amoi«, meinte er und klopfte auf das Display. Das Ergebnis? Er hatte 23 000 und ich 28 000 Schritte. Das schreibe ich jetzt nicht, um anzugeben, na ja, ein kleines bisschen schon. Die Zahl richtet sich eher an alle, die Mühe mit ihren 10 000 Schritten pro Tag haben. Zugebenermaßen auch ich unterm Jahr, in meinem Büroalltag ist Sitzen angesagt. Selbst wenn mich die Familie inklusive Pferd und Katze auf Trab hält, sind die 16 Tage Wiesn doch ironmanmäßig. Und das, obwohl mein Radius auf rund 50 Quadratmeter im Biergarten beschränkt ist, wo ich bediene, mit gelegentlichen Ausflügen rein ins Bierzelt, um mich an der Essensausgabe anzustellen.

Was die Armkraft von Wiesn-Bedienungen angeht, herrschen die unglaublichsten Fantasien. Viele stellen sich vor, dass sich unter der Dirndlbluse Oberarme in Schwarzenegger-Ausmaßen verbergen. Ja, eine Maß ist ein Liter und wiegt ungefähr ein Kilo, der gläserne Bierkrug schlägt mit 1300 Gramm zu Buche. Meine übliche Runde sind sechs bis acht Krüge – wenn die Sonne scheint, der Durst groß ist und der Garten voll, schleppe ich schon mal zehn bis zwölf, aber nur, wenn ich muss. Denn jeder Gang macht schlank, ich bin schnell, mit Schuhgröße 43 ein Leichtes, und die Schänke ist zum Glück nicht weit. Wer also jetzt von mir als Walküre träumt, den muss ich enttäuschen. Definierte Arme sehen anders aus.

Das A & O ist Durchhaltevermögen. Und sonst? Nerven wie Drahtseile, innere Ruhe, die Fähigkeit, auch am berüchtigten mittleren Wochenende tiefenentspannt daherzukommen. Ferner eine Lotushaut – nicht wegen der Schönheit, sondern wegen des Abperleffekts, – Resilienz gegenüber Geräuschen über der 100-Dezibel-Marke, üblen Gerüchen und anderen Ekelauslösern, und dazu eine gut durchdachte und viel erprobte Ausrüstung vom Blasenpflaster über Schmerztabletten bis hin zu Gummihandschuhen der Marke extrareißfest. Und da wir gerade thematisch wieder mal dicht an den Ekelauslösern vorbeischrammen: Gegen Sägemehl sollte man besser nicht allergisch sein. Mit den Pferden, die traditionell ja auch zur Wiesn dazugehören, hat das wenig zu tun, dafür umso mehr mit menschlichen Körperflüssigkeiten.