Ob der Urknall laut war? - Karolina Głowacka - E-Book

Ob der Urknall laut war? E-Book

Karolina Głowacka

0,0

Beschreibung

In diesem Buch stellt die bekannte polnische Wissenschaftsjournalistin Karolina Głowacka dem renommierten Astrophysiker Jean-Pierre Lasota gewitzte und auf den Punkt gebrachte Fragen, auf die Jean-Pierre Lasota verständlich, aber fundiert, aus seinem reichen Wissensschatz schöpfend, antwortet. Die Dinge werden nicht über-didaktisiert geglättet; als Leser können wir uns vorstellen, wie die Entwicklung der Erkenntnisse über unser Universum vorangetrieben wurde. Es wird eine Fülle von Themen behandelt: Wie unser Planetensystem und insbesondere die Elemente, aus denen wir bestehen, entstanden sind; was Raum und Zeit sind; welche Rolle darin die Gravitation spielt; wie man die Existenz der Schwarzen Löcher vorgedacht und dann experimentell untermauert hat. Und schließlich fehlen auch nicht interessante Interna aus dem Wissenschaftsbetrieb, die Jean-Pierre Lasota als – auch nach seiner offiziellen Emeritierung – nach wie vor aktivem Mitglied (mit 269 wissenschaftlichen Publikationen) aus erster Hand vertraut sind.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 626

Veröffentlichungsjahr: 2023

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Elf Gespräche über die Geschichte und den Alltag des Universums ...

von

Karolina Głowacka & Jean-Pierre Lasota

Aus dem Polnischen übersetzt von Robert Jaroslawski

IMPRESSUM:

Titel der polnischen Originalausgabe: „Czy Wielki Wybuch był głośny?“

Copyright der polnischen Ausgabe:

© Karolina Głowacka, Jean-Pierre Lasota, 2017

Copyright der deutschen Ausgabe:

© Robert Jaroslawski, Karolina Głowacka, Jean-Pierre Lasota, 2023

Copyright der deutschen Übersetzung © Robert Jaroslawski

Deutsche Übersetzung: Dr. Robert Jaroslawski Lektorat: Dr. Walther Hofherr, Reinhardt Meierhöfer

Umschlaggestaltung Robert Jaroslawski

Titelbilder: Royalty Free Picture von Beate Bachmann & Eikira, Pixabay ®

Illustrationen im Inneren des Buches

© Autoren/Zbigniew Larwa; p. 385, 386, 387 © A. Riazuelo

Satz: Robert Montheureux

Freiburg 2023

Edition Mensch & Natur

Khampa Verlag Freiburg und Eckernförde

Ob der Urknall laut war?

Ob

der

Urknall

laut

war?

Elf Gespräche über die Geschichte und den Alltag des Universums ...

von

Karolina Głowacka & Jean-Pierre Lasota

Aus dem Polnischen übersetzt von Robert Jaroslawski

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur deutschen Übersetzung

Einführung

Lernen wir uns gegenseitig kennen!

I. Wozu brauchen wir das?

II. Woher kommen wir?

III. Wo sind wir?

IV. Was war am Anfang?

V. „Das Wichtigste ist für die Augen unsichtbar”*

VI. Wie vergeht dir die Zeit?

VII. Falle frei!

VIII. Das Zirpen der Schwarzen Löcher

IX. Schwarze Löcher

X. Woher wisst ihr das alles?

XI. Glauben Physiker an Gott?

Ein Lexikon der physikalischen Begriffe, zusammengestellt von Jean-Pierre zur Bildung, Belustigung und Warnung

Danksagungen

Vorwort zur deutschen Übersetzung

Inhaltsverzeichnis

Gelegentlich geschehen diese „zufälligen“ Begegnungen mit Menschen, Situationen und Dingen, – auch mit Büchern –, die auf den ersten Blick nicht sehr wichtig sind. Das vorliegende Buch lag auf dem Schreibtisch meines Vaters – er selbst hatte es als Geschenk von einem der Verfasser, Jean-Pierre Lasota, erhalten – und sprang mich durch seinen witzig-abstrusen Titel an. Ja, tatsächlich, verdient dieser „Urknall“, dieser Anfang aller Anfänge – wenn man einem Teil der Physiker in dieser Sache Glauben schenken will – tatsächlich seine Bezeichnung als „Knall“? Und war der Laut? Heftig genug war er ja vielleicht ... Glücklicherweise müssen wir nicht – wie bei einem Krimi – das ganze Buch lesen, um zu wissen, „wer der Täter ist“. Es wird bald klar, was es mit dem Begriff „Urknall“, als deutsche Übersetzung von „Big Bang“, auf sich hat. Dennoch werden wir weiter lesen, weil es da so viel Interessantes zu entdecken gibt. Und nebenbei lernen wir aus Anekdoten viel über das geteilte und zugleich wechselseitig umkämpfte „Ökotop“ der Astrophysiker und Astronomen und die vielen menschlichen, allzu menschlichen Eigenheiten, aber auch über den brillanten Geist der beteiligten Forscher. Aber ich greife vor!

Mein Interesse war jedenfalls geweckt. Mein Vater schenkte mir dieses Buch weiter; er war zu dieser Zeit 92, praktisch blind, und über das bisschen an Lesekraft, das ihm verblieben war, wachte er sorgsam und widmete es Lektüren, die ihm persönlich zu dieser Zeit noch wirklich wichtig waren. Ich aber las es, und je weiter ich las, desto begeisterter stellte ich fest, dass ich kein so hervorragend aufbereitetes Buch zu den Themen, die es berührt, gelesen habe. Ich wurde Zeuge, wie eine allgemein gut informierte Journalistin mit einem anerkannten, exzellenten Fachwissenschaftler spricht, und ihm durch ihre Fragen, die so gut ihren eigenen Denkprozess spiegeln, dazu bringt, die kompliziertesten Dinge allgemein verständlich zu erklären. Und dabei bleibt es witzig, und vermeidet, was ich am meisten an vielen Versuchen der Popularisierung moderner Physik so wenig schätze: die Über-Didaktisierung. Die Autoren trauen der Leserin und dem Leser zu, selbst weiter nachzuforschen, wenn sie etwas genauer wissen wollen.

Noch während der Lektüre hatte ich die Idee, dass es schön wäre, einen so hervorragenden Text auch dem interessierten Publikum im deutschsprachigen Raum zugänglich zu machen – Das Projekt der Übersetzung dieses Buches war geboren. Klarerweise sollte es die ursprüngliche Form wahren, die ja einen Teil des Reizes dieses Buchs darstellt. Ich habe mir lediglich erlaubt, da und dort Fußnoten einzustreuen, wo ich es als für das Verständnis hilfreich hielt.*

Hier liegt also das Ergebnis dieser Arbeit vor. Ich danke Karolina Głowacka und Jean-Pierre Lasota für die freundliche Genehmigung der Übersetzung; Jean-Pierre hat bereitwillig meine Fragen beantwortet und damit sicherlich zur Klarheit der Übersetzung beigetragen – danke auch dafür. Herrn Dr. Walther Hofherr und Herrn Reinhardt Meierhöfer danke ich für ihr Lektorat.

Robert Jaroslawski

Sölden, 5 Juli 2023

* Die Fußnoten (mit einem *) waren bereits in der polnischen Ausgabe vorhanden. Meine eigenen, in Klammern nummerierten, Anmerkungen befinden sich jeweils am Ende eines Kapitels. RJ

Einführung

Inhaltsverzeichnis

Karolina will endlich wirklich verstehen, worüber Astrophysiker reden und was sie tun, also stellt sie Fragen an Jean-Pierre, der sich damit ziemlich gut auskennt und gerne darüber spricht. Ihre Gespräche sind in diesem Buch transkribiert worden.

Sie spricht über Dinge, die faszinierend, aber manchmal schwer zu verstehen sind. Wir haben uns entschlossen, uns an keinem Zweifel vorbeizuwinden, sehr selten wirst du Jean-Pierre sagen hören, dass „es einfach so ist“. Wir wollen einen ehrlichen Bericht über die aktuellen Errungenschaften der Astrophysik geben. Ehrlich – das heißt, ohne zu sehr zu vereinfachen. Gleichzeitig soll er zugänglich bleiben, obwohl das so ein abgedroschenes Wort ist. Wir hoffen, dass die gewählte Gesprächsform dir erlauben wird, gemeinsam mit Karolina Schritt für Schritt zu überlegen.

Dieses Buch ist kein Lehrbuch, daher ist es auch weit davon entfernt, wie ein Lehrbuch angelegt zu sein. Es wird vorkommen, dass wir über etwas sprechen werden, dessen theoretische Grundlagen erst später erläutert werden.

In den Gesprächen findest du Geschichten über unseren Ursprung, unsere Nachbarschaft, unseren Platz im Universum, seine Anfänge und seine Zukunft, über rote Riesen und weiße Zwerge, über Supernovae, Neutronensterne, Pulsare, Quasare, Schwarze Löcher, große und kleine Planeten ... und schließlich über Gravitationswellen, eine der wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen der letzten Jahre. Es wird auch ein bisschen Theorie geben, und dann nicht irgendeine Theorie – es wird um die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie gehen. Schließlich spricht Jean-Pierre darüber, wie Physiker arbeiten. Wir kommen auch auf das Thema, welchen Platz Gott in der Physik einnehmen kann – oder auch nicht. Unsere Gespräche haben keinen enzyklopädischen Anspruch und es fehlen hier ganz sicher wichtige Themen. Wir bitten, dies im Voraus zu entschuldigen, aber unser Buch musste eine vernünftige Größe wahren.

Die Gespräche werden von Karolina und Jean-Pierre geführt, aber obwohl die Gesprächspartner unsere Namen tragen, sind sie nicht wir. Wir haben dennoch unseren Charakteren viel von uns selbst gegeben. Karolina hat Karolina ihre Neugierde, ihren Wissensdurst, ihre Vision von „Durchschnittswissen“, ihre Ungezwungenheit und – das wollen wir nicht verschweigen – ihren Mut, mit Professoren zu sprechen, verliehen. Und Jean-Pierre verlieh Jean Pierre Wissen, Ansichten, Witz, wissenschaftliche Leistungen, Erinnerungen und die Bereitschaft, sich den Fragen junger und sehr wissbegieriger Menschen auszusetzen. Aber dennoch sind es nicht wir.

Das Buch ist das Ergebnis von Gesprächen und gemeinsamem Schreiben. Viele der Kommentare, die Karolina als Buchfigur hier macht, sind echte Bedenken, die wir in den Gesprächen durchleuchtet haben. Es war für uns ein persönliches Abenteuer, dank dem wir beide wirklich viel gelernt haben. Wenn du im Text auf ein sogenanntes schwer verständliches Wort stößt, schlage es doch bitte im Wörterbuch am Ende des Buches nach. Jean-Pierre hat dafür gesorgt, dass es sich nicht um ein typisch langweiliges Wörterbuch handelt. Er erklärt dort auch die Bedeutung der Einheiten, die zur Messung einiger physikalischer Größen verwendet werden.

Der Rest bleibt dir überlassen.

Lernen wir uns gegenseitig kennen!

Inhaltsverzeichnis

Karolina – will wissen, wie das Universum funktioniert, auch von Kuriositäten, Außerirdischen und Zeitreisen hören. Aber zunächst einmal gibt es ganz konkrete Dinge: Woher wir kommen, woher die Planeten kommen, warum die Dinge so sind, wie sie sind, wie die Vergangenheit und die Zukunft des Universums aussehen. Und was hat es mit der allgemeinen Relativitätstheorie auf sich, von der alle reden? Sie hat ein durchschnittliches und bruchstückhaftes Wissen – aus der Schule, aus populärwissenschaftlichen Artikeln usw. Jetzt möchte sie es richtig angehen.

Sie wird alle Fragen stellen, die ihr in den Sinn kommen. Sie möchte es wirklich verstehen.

Sie ist eine große Verfechterin des logischen Denkens, und sie versäumt nicht, ihren Gesprächspartner daran zu erinnern. Anfangs behandelt sie Jean-Pierre aufgrund seiner Professur mit einem übertriebenen Respekt, das vergeht ihr aber schnell. Als Naturliebhaberin und Vegetarierin glaubt sie, dass wir Menschen uns auf unserem Planeten zu viel erlauben.

Jean-Pierre – ist ein theoretischer Physiker und Astrophysiker. Als Ausländer, aber in Polen ausgebildet, spricht er altmodisches Polnisch. Zum Beispiel benutzt er nicht den Ausdruck „voll peinlich“, obwohl er wahrscheinlich seine Bedeutung kennt.

Obwohl er seit so vielen Jahren Professor ist, hat er nicht vergessen, dass man Zweifel an der Funktionsweise des Universums haben kann. Auch wenn ihn Karolinas Fragen manchmal überraschen oder zuweilen sogar irritieren, wird er sie alle ehrlich beantworten. Er wird zugeben, wenn er die Antwort nicht weiß. Er wird uns sagen, warum er sich bei anderen, manchmal – wie es scheint – sehr seltsamen Dingen sicher ist. Er will wirklich erklären.

Genau wie Karolina ist er ein Anhänger des logischen Denkens, was entgegen allem Anschein manchmal zu Konflikten führt. Nur intellektueller Art. Er mag die Natur nicht, weil er gegen Pollen allergisch ist und – nach dem berühmten französischen Maler François Boucher – findet, dass es in ihr zu viel Grün gibt und dass sie schlecht beleuchtet ist. Er mag seine Rindersteaks blutig.

I. Wozu brauchen wir das?

Inhaltsverzeichnis

Also ein Gespräch darüber, dass Physik und Astronomie schließlich nicht so schwer zu verstehen sind, sowie über den Nutzen, den man aus diesen Lehren ziehen kann.

Karolina: Als wir uns zum Gespräch verabredet haben, war ich voller Enthusiasmus, aber jetzt habe ich Zweifel.

Jean-Pierre: Und warum ist das so?

Es ist so: Ich möchte herausfinden, wie das Universum funktioniert, was genau Schwarze Löcher oder diese berühmten Gravitationswellen sind, warum Planeten Kugeln sind, wie lange die Sonne leben wird ... aber nur aus Neugierde. Ich werde nie davon profitieren. Vielleicht ist es für mich nur eine Zeitverschwendung?

„Nur aus Neugierde“? Aber genau das ist der Punkt! Oder besser gesagt, vor allem darum geht es. So sind wir Menschen, dass wir wissen wollen und müssen, woher wir kommen, nach welchem Prinzip alles um uns herum funktioniert. Schon kleine Kinder fragen: „Warum?“ Die Neugier auf die Welt ist Teil von uns, unserer Kultur und vielleicht auch unserer Natur.

Einst suchten die Menschen Antworten vor allem in der Religion, die aber keine befriedigenden Antworten gab, zum Beispiel auf die Frage, warum sich die Himmelskörper bewegen. Außerdem versuchten die Religionen, selbst jene, die diesen Bewegungen göttliche Attribute zuschrieben, nicht, sie zu beschreiben, trotz oder vielleicht gerade wegen der Tatsache, dass Schamanen und Priester oft hochentwickelte Astronomen und Beobachter waren. Auf der anderen Seite beschreibt die Bibel nur die Erschaffung des Universums, nicht aber seine Funktionsweise. Wir lesen nur, dass Gott gesagt hat: „Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen Zeichen sein und zur Bestimmung von Festzeiten, von Tagen und Jahren dienen; sie sollen Lichter am Himmelsgewölbe sein, die über die Erde hin leuchten.“1 Und dann: „Gott machte die beiden großen Lichter, das größere, das über den Tag herrscht, das kleinere, das über die Nacht herrscht, auch die Sterne. Gott setzte die Lichter an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde hin leuchten, über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden.“2 Und das war’s. Er wies ihnen einen Platz zu, er wies ihnen auch Rollen zu, aber er lenkte ihre Bewegung nicht und schickte auch keine Engel aus, um diese zu überwachen. Aber die hebräische Bibel ist kein Kosmologie-Lehrbuch und es geht darin nicht um Physik.

Die Physik, oder vielmehr die Wissenschaft, begann anderswo. Es waren die alten Griechen, beginnend mit Pythagoras, die versuchten, die Natur durch allgemeine Gesetze und Prinzipien zu erklären. Die Griechen hatten das Wunder vollbracht zu entdecken, dass sich die Natur mathematisch beschreiben lässt. Gleichzeitig verstanden sie nicht erschöpfend, worin dieses Wunder bestand: Sie bemerkten, dass die Welt der Mathematik eine ideale, perfekte Welt war – wir nennen sie heute die platonische Sicht der Mathematik –, während die reale Welt keineswegs ideal war.

Und wo ist hier das Problem?

Ich erkläre es dir gleich. Große Mühe machten ihnen die irrationalen Zahlen, d.h. Zahlen, die nicht der Bruch zweier ganzer Zahlen sind. Sie bemerkten, dass der Satz des Pythagoras impliziert, dass das die Hypotenuse eines gleichschenkligen rechtwinkligen Dreiecks mit den Katheten der Länge 1 gleich der Wurzel aus 2 ist, also eine irrationale Zahl. So war es möglich, ein Dreieck mit zwei rationalen Seiten und einer irrationalen Seite zu erzeugen, also zwei Seiten messen3 zu können und eine nicht. Mit dieser Überlegung kamen die Griechen zu dem Schluss, dass die ‚reine’ Mathematik in der Realität nicht anwendbar ist. Die Krönung des griechischen Denkens – die von Aristoteles im 4. Jahrhundert v. Chr. geschaffene Beschreibung der Natur – war keine mathematische Beschreibung.

Aber es gab ja auch die griechische Astronomie, nehme ich an?

Ganz richtig. Nach Aristoteles waren die Himmelskörper aus einer göttlichen Substanz namens Äther gemacht. Man glaubte damals, dass ihre ewige und regelmäßige Bewegung nicht zu ‚dieser’ Welt, sondern zur idealen Welt der Geometrie, also der Welt der geometrischen Figuren, gehörte. Die von Euklid um 300 v. Chr. erstellte Beschreibung der Welt der Geometrie enthielt keine Zahlen. Die Eigenschaften geometrischer Figuren wurden aus Axiomen durch Konstruktion mit Längen, Winkeln, Bögen usw. abgeleitet. Wie auch immer, die euklidische Geometrie wird in den Schulen immer noch gelehrt. Es lohnt sich auch, einen Blick auf Euklids Elemente zu werfen – sie sind leicht im Internet zu finden – dort wird nur anhand von Graphen argumentiert. Obwohl die Geometrie aus der Messung von Längen und Flächen entstanden ist, hat sie sich dank Euklid von der verdächtigen Welt der Zahlen gelöst.

Die Geometrie wurde von Ptolemäus 140 n. Chr. verwendet, um das Universum zu beschreiben, d. h. die Planeten, die Sonne und die Sphäre der Fixsterne, die sich um die Erde dreht. Seine Beschreibung im Almagest-Traktat war für die nächsten 1400 Jahre gültig, bis zum Erscheinen von De Revolutionibus von Nicolaus Copernicus.

So lange?

So lange dauerte es, die reale, irdische Welt von der idealen Welt der himmlischen Sphären zu trennen. Diese Teilung wurde laut Nathalie Deruelle, einer befreundeten, angesehenen Physikerin, durch diese suspekte √2 verursacht.

Seltsame Dinge sagst du da! Schließlich haben die Menschen die Mathematik in der Praxis genutzt – sie haben Felder vermessen, Häuser und Tempel gebaut, Möbel hergestellt.

Oh ja, klar! Aber das waren Ingenieure, Techniker und Handwerker, keine Gelehrten. Nach Meinung der Philosophen eine Spezies von minderwertigen Menschen, die sich nichts aus der fehlenden Definition einiger Zahlen machten – zum Beispiel der Zahl π, die ebenfalls nicht rational ist, wie man es vom berühmten Problem der Quadratur des Kreises her wusste – und die einfach ihre Arbeit gemacht haben: Sie wussten, dass die Messungen sowieso nur Näherungen sein können. Aber es war eine verachtete Praxis. Beachte auch, dass die Wissenschaft damals und noch lange danach nicht auf Experimenten beruhte. Man versuchte ihre Regeln durch reines Nachdenken zu entdecken.

Worum ging es also bei der kopernikanischen Revolution?

Hauptsächlich darum, dass Kopernikus, indem er die Sonne in den Mittelpunkt des Sonnensystems stellte, die Erde in die Himmelssphären verschob. Diese ‚unsaubere’ Erde, die offensichtlich nicht aus Äther gemacht ist! Man kann sagen, dass Kopernikus derjenige war, der Himmel und Erde nach ihrer langen Trennung wieder zusammengeführt hat. Das ging nicht sofort. Es war nicht einmal offensichtlich, dass sich die Sonne im Zentrum befinden muss. Der hervorragende dänische Astronom Tycho de Brahe stimmte mit Kopernikus darin überein, dass sich die Planeten um die Sonne drehen, aber der ganze Haufen drehte sich seiner Meinung nach um die Erde, die ihren zentralen Platz im Universum behielt.

Was für eine seltsame Idee!

Nicht wahr? Und eine vergessene dazu, denn der Assistent de Brahes, Johannes Kepler, stellte ein Modell vor, nach dem sich die Planeten auf Ellipsen um die Sonne bewegen; er entdeckte die berühmten drei Gesetze, die beschreiben, wie diese Bewegung abläuft. Aber das waren keine physikalischen Gesetze, das waren eben Beschreibungen dieser Bewegung. Kepler leitete sie geometrisch aus den Eigenschaften von Polyedern4 ab, und er erhielt sein drittes Gesetz, das besagt, dass „das Quadrat der Umlaufzeit eines Planeten um die Sonne proportional zum Kubus der Entfernung von der Sonne ist“, durch die in seinen Harmonien der Welt vorgenommene Analyse der pythagoreischen Sphärenmusik. Er hat aus falschen Gründen die richtigen Gesetze bekommen.

Seltsam.

Ja, aber bedenke, dass Kepler Beobachtungen beschrieb und nicht nach Naturgesetzen suchte. Für ihn war das Universum, also das Sonnensystem, ein Abbild der Heiligen Dreifaltigkeit: die Sonne als der Vater, die Sternensphäre als der Sohn und der Raum zwischen ihnen als der Heilige Geist.

Erst der große Isaac Newton entdeckte die Naturgesetze, die zu den Keplerschen Bewegungsgesetzen führen. Und obwohl Newton sehr fromm war, gab es in seiner Theorie für übernatürliche Kräfte keinen Platz. Dies war der Beginn der wahren Wissenschaft.

Und Galileo?

Vielleicht hätte ich sagen sollen, dass es Galileo war, der die wahre Wissenschaft einleitete, also die Beschreibung der Welt ohne übernatürliche Kräfte und göttliches Eingreifen. Ich habe Newton gesagt, weil er der erste war, der eine Theorie aufgestellt hat. Das hatten schon andere versucht, z. B. Cartesius, aber sie hatten keinen Erfolg, obwohl Cartesius der Begriff der Trägheit zu verdanken war, der für Newtons Theorie so wichtig war. Aber du hast Recht, nach Galileo zu fragen, denn er war derjenige, der glaubte, dass das Buch, in dem das Universum beschrieben wird, in der Sprache der Mathematik geschrieben ist, und gleichzeitig behauptete er, dass die Wissenschaft aus der Erfahrung kommen muss. Und diese ganze Geschichte, von Pythagoras über Newton bis heute, ist hauptsächlich der menschlichen Neugier entsprungen.

Spürst auch du diese Neugierde?

Ja, nach meinem eigenen Maß natürlich, denn ich habe nicht das Privileg, Naturgesetze zu entdecken.

Privileg?

Nur überlegene Geister können dies tun, und ein solcher Geist ist eine Gabe und daher ein Privileg und kein Verdienst. Das Verdienst liegt im richtigen Gebrauch dieses Geistes ... Jedenfalls passiert es auch mir, dass ich nicht schlafen kann, weil mich ein Problem quält, das mit der Funktionsweise irgendeines Mechanismus im Universum zusammenhängt.

Und wie wurde man mit der Quadratwurzel aus zwei oder mit der Zahl π fertig?

Ha! Erst 1872 erklärte der deutsche Mathematiker Richard Dedekind, was irrationale Zahlen sind, d.h., wie es in der Mathematik üblich ist, gab er ihre strenge Definition an. Darf ich dich mit dieser strengen Definition verschonen?

Für den Augenblick gerne.

Zusammenfassend folgt aus ihr, dass diejenigen Recht hatten, die sich jahrhundertelang nicht um die verdächtige Natur der irrationalen Zahlen kümmerten – die Ingenieure, und in der Welt der Gelehrten diese Galileis, Cartesiusse, Newtons und wie sie alle hießen.

Und weißt du was? Wir haben es immer noch mit zwei Arten zu tun, Physik zu betreiben. Es gibt diejenigen, die der Meinung sind, dass man sich in der Physik nicht zu viele Gedanken über mathematische Exaktheit machen muss, besonders wenn man etwas Neues entdeckt. So eine Art militärische Strategie: Man greift schnell an und hofft, dass der Nachschub mithalten kann. Andere glauben, dass alles genau und streng definiert sein muss, dass mathematische Begriffe mit unsicherem Status, wie es √2 vor 1872 war, nicht verwendet werden dürfen. Interessant ist, dass dies eine typische ‚nationale’ Einteilung ist: Die erste, pragmatische Haltung ist typisch für die Amerikaner, die zweite, rigoristische, für die Franzosen und Polen. Ich erinnere mich an den beinahe hasserfüllten Blick der Studenten der École Polytechnique, als ich in einer Vorlesung sagte, dass bestimmte Elemente in einer Gleichung vernachlässigt, also einfach weggeworfen werden könnten.

Lustig. Aber was bist dann Du?

Ich bin untypisch.

Oho, das verspricht interessant zu werden. Und wie sind die Briten so?

Sie liegen etwa in der Mitte, aber mit einer deutlichen Neigung zu Amerika. Zum Beispiel führte der große Paul Adrien Maurice Dirac die sogenannte δ-Funktion als „bequeme Notation“ in die Quantenmechanik ein, ohne sich darum zu kümmern, dass es sich dabei gar nicht um eine Funktion, sondern um etwas handelte, das später von dem französischen Mathematiker Laurent Schwartz streng definiert und als ‚Verteilung’ bezeichnet wurde. Letzterer erhielt dafür eine Art mathematischen Nobelpreis, nämlich die Fields-Medaille.

Auch Dirac erhielt einen Nobelpreis, allerdings nicht für die δ-Funktion, sondern für die Quantenmechanik, in der diese Verteilung ein wichtiges Element ist. Obwohl viele Physiker keine Ahnung haben, was eine Verteilung ist. Aber eben: Schwartz würde sich gerne in unser Gespräch einmischen. Und zwar sagte er:

„Was nützt die Mathematik? Mathematik ist in der Physik hilfreich. Die Physik hilft uns, Kühlschränke zu bauen. Kühlschränke werden hergestellt, um Hummer zu lagern, die hilfreich für Mathematiker sind, die, indem sie Hummer essen, ihre Fähigkeit erhöhen, Mathematik zu betreiben, was hilfreich für die Physik ist, die uns hilft, Kühlschränke zu bauen, in denen ...” usw.

Jetzt verstehe ich wirklich, wozu Wissenschaft da ist.

Dieser Scherz von Schwartz ist natürlich eine Antwort auf eine sehr häufig gestellte Frage bezüglich wissenschaftlicher Forschung: „Wofür soll das gut sein?” Eine solche Frage kann und sollte ernsthaft mit der Gegenfrage beantwortet werden: „Und wozu ist Mozarts Klavierkonzert, Vermeers Ansicht von Delft oder Dantes Göttliche Komödie gut?“

Na, vielleicht um höhere Erlebnisse zu haben? Um etwas zu hinterlassen? Zum Vergnügen?

Zu all dem, klar. Aber allgemeiner meinte ich, dass die Ergebnisse oder Produkte menschlicher Tätigkeit keinem unmittelbaren Zweck dienen müssen. Natürlich würde der Verkauf eines Gemäldes von Vermeer Hunderte von Millionen Euro einbringen, aber darin liegt doch nicht sein eigentlicher Wert. Wissenschaft ist ein Produkt und Teil unserer Kultur und unserer Zivilisation. Und auf der anderen Seite sind wir als Gesellschaft das, was unsere Vorgänger produziert und bewahrt haben, und was wir selbst erschaffen. Die Wissenschaft ist ein wesentlicher Teil davon.

Na gut, aber werde ich persönlich das Wissen über das Universum für irgendetwas brauchen? Wird es nützlich sein?

Sicherlich. Zunächst einmal, wie du sehen wirst, ist das Wissen über das Universum nichts anderes als die Anwendung der Physik auf das Universum. du kannst das Universum nicht verstehen, ohne die Gesetze der Physik zu kennen. Und die Kenntnis der physikalischen Gesetze kann auch sonst sehr hilfreich sein. Zum Beispiel, wenn du einen elektrischen Kontakt reparieren willst.

Du weißt doch, dass das nicht mein Punkt ist. Das Wissen über ein Schwarzes Loch wird mir nicht helfen, einen elektrischen Kontakt zu reparieren.

Du meinst wahrscheinlich dies: Was habe ich von dem Wissen, dass das Universum expandiert? Denn ich bin sicher, du hast darüber gelesen.

Eben!

Ich habe eine einfache Antwort darauf, eine empirische Antwort, das heißt, eine, die wir überprüfen können. Ich behaupte, dass du nach unseren Gesprächen, wenn du weißt, was Sterne sind und wie sie sich entwickeln, was es bedeutet, dass sich das Universum ausdehnt, was Gravitationswellen sind usw., nicht nur wegen dieses Wissens klüger sein wirst, sondern vor allem, weil du die Art und Weise kennen wirst, wie Physiker argumentieren. Und ich denke, intelligenter zu werden kann doch nützlich sein?

Da bin ich sicher. Wir werden sehen, wie es läuft, aber es ist ein guter Grund, da stimme ich zu.

Aber es gibt noch einen dritten Grund, der banaler ist. Astrophysik und Kosmologie gehören zu den Grundlagenwissenschaften, d.h. zu den Wissenschaften, deren Ziel und Aufgabe es ist, die Naturgesetze zu entdecken, also Gesetze, nach denen die Prozesse in der Natur ablaufen. Das klingt ziemlich pompös, ist aber so. Und die Kenntnis der Naturgesetze ist in der Praxis sehr nützlich, denn ohne sie gäbe es die meisten Erfindungen und die meisten Geräte nicht, an die wir uns so sehr gewöhnt haben, dass wir den Eindruck haben, sie hätten schon immer existiert.

Wenn mich jemand fragt, wozu die Grundlagenwissenschaften da sind, frage ich zurück: „Weißt Du, wer das Prinzip des Lasers entdeckt hat?“ Weißt Du, wer?

Nee.

Du kennst den Namen, du weißt nur nicht, dass er der Entdecker ist.

Es geht um Albert Einstein.

Oh! …

Einstein hatte nicht die Absicht, irgendwelche praktischen Erfindungen zu machen, er versuchte nur zu beschreiben, wenn man es so sagen kann, wie Atome gemäß den Prinzipien der Quantenphysik Photonen absorbieren und emittieren.

Überrascht mich nicht, dass er nicht nach einer Erfindung gesucht hat. Nach dem, was ich gehört habe, war er kein sehr praktischer Mensch.

Weil er keine Socken getragen hat? du wirst dich wundern, wenn ich dir sage, dass Einstein ein Patent auf ein Kühlaggregat hat.

Ernsthaft?

Absolut. Zusammen mit dem aus Ungarn stammenden Physiker Leo Szilard. Die beiden erfanden und patentierten ein Kühlaggregat ohne bewegliche Teile.

Dann hat Schwartz ja nicht nur gescherzt. Und dieses Aggregat funktioniert?

Ja, natürlich! Szilard mochte übrigens Patente. Es gibt eine berühmte Geschichte darüber, wie er in London beim Warten auf die rote Ampel – er wollte bloß auf die andere Seite der Southhampton Road wechseln – die Idee einer Kettenreaktion von Atomkernen empfing und diesen Einfall unverzüglich patentieren ließ.

Er hat die Kettenreaktion patentieren lassen?

Ja, es ist das, was Kernreaktoren zum Laufen bringt und Nuklearbomben explodieren lässt, die landläufig, aber fälschlicherweise, als Atomreaktoren bzw. -bomben bezeichnet werden. Das ist übrigens ein weiteres Beispiel für die Anwendung von Grundlagenforschung, aber ich spreche lieber nicht weiter darüber, weil es einen schlechten Beigeschmack haben könnte.

Wissenschaft bringt nicht immer Gutes, das ist nichts Neues.

Es sind die Menschen, die die Wissenschaft und die Ergebnisse der

Wissenschaft nutzen. Auch das ist keine neue Feststellung.

Einstein entdeckte also, dass neben dem normalen Vorgang der Emission, bei dem im Atom ein Elektron spontan von einem höheren auf ein niedrigeres Energieniveau springt, es auch eine „soziale“ Emission gibt, die man Deutsch als „stimuliert“ bezeichnet, aber der bessere Begriff wäre hier „induziert“. Die Idee ist, dass Photonen gerne aneinander haften, so dass die Emission eines Photons die Emission identischer Photonen stimuliert oder induziert. Spontane Emission kann verschiedene Arten von Photonen emittieren, während stimulierte Emission Photonen in genau demselben Zustand erzeugt. Das ist das Prinzip hinter dem Laser. Dass Photonen gerne zusammenkleben, liegt daran, dass sie ‚Bosonen’ sind, also eine Art von Teilchen, die sich alle im gleichen Zustand befinden können, während dies der anderen Art von Teilchen, den ‚Fermionen’, streng verboten ist. Dies ist eines der grundlegenden Naturgesetze und ohne dieses zu kennen, wäre es unmöglich, einen Laser zu bauen. Was sage ich da bauen! Schon die Idee selbst wäre unmöglich.

Okay, die Idee mit dem Laser geht in Ordnung. Aber wenn du anfängst von diesen Bosonen und Fermionen zu reden, dann wird es sofort ungemütlich. Es ist schwer, sich einen Reim darauf zu machen.

Das ist richtig. Immerhin wird ein Physiker, der ein Wissenschaftler sein soll, acht oder neun Jahre lang an der Uni ausgebildet. Aber mit ein bisschen Mühe und gutem Willen von beiden Seiten – von dem Publikum und den Wissenschaftlern – kann man viele Dinge auch Nicht-Experten näher bringen, damit sie verstehen, was Physiker tun, was Physik ist. Ich bin überzeugt, dass man die Kluft zwischen den ‚zwei Kulturen’, von der C. P. Snow schon vor über 50 Jahren in seinem berühmten Vortrag5 sprach, zumindest teilweise überbrücken kann.

Nie gehört.

Dann will ich dir diese Lektüre mit einer kleinen Anekdote aus Cambridge ersetzen, nur dass dieses Cambridge in Massachusetts in den USA liegt und nicht in England, wo jener Vortrag gehalten wurde.

In einem Supermarkt gibt es eine Registrierkasse mit einem gut lesbaren Schild: „Weniger als 10 Käufe.“ Ein junger Mann kommt mit einem prall gefüllten Korb an die Kasse. Kassiererin: „Entweder bist du vom MIT und kannst nicht lesen, oder du bist von Harvard und kannst nicht zählen.“

Das ist natürlich ein Witz, denn Harvard hat mehr zukünftige Nobelpreisträger in Physik hervorgebracht als das MIT, aber das MIT ist ja auch eher eine Fachhochschule als eine Universität. Es ist jedoch wahr, dass oft diejenigen, die rechnen können, nicht lesen, und diejenigen, die lesen, nicht rechnen können.

Du sprichst über den Unterschied zwischen Menschen, die hervorragend ausgebildet sind, nur in verschiedenen Bereichen. Was sollen Menschen tun, die sich nicht im Alltag für Wissenschaft interessieren? Die Kluft zwischen Fachleuten und Laien ist so groß, dass man ihnen kompletten Unsinn erzählen kann. Zum Beispiel über irgendeine Quantenmagie – ich habe solche Bücher gesehen.

Oh! Genau darüber wollte ich jetzt sprechen. Deshalb sind unsere Gespräche wichtig.

Wir werden versuchen, diesen Abgrund zuzuschütten. Ich denke, wenn du siehst und verstehst, – und das ist nicht so schwierig –, wie Physiker überlegen, was Physik ist, welchen Kriterien Aussagen über die physikalische Welt genügen müssen, wirst du gegen solchen Unsinn immun sein. Eigentlich bist du es schon, wenn du es als kompletten Unsinn erkennst. Unsere Gespräche werden dir dabei helfen und Dein Misstrauen gegenüber den Ideen diverser Betrüger stärken.

Aber auf der anderen Seite, woher können wir wissen, dass das, was die seriösen Physiker sagen, alles wahr und nicht eine Ausgeburt ihrer Phantasie ist?

Ganz einfach. Du fliegst mit einem Flugzeug. Du verwendest einen Computer. Wenn alles, was Physiker sagen, eine Erfindung wäre, würden Flugzeuge nicht fliegen, Computer nicht funktionieren und Hummer in warmen Kühlschränken verrotten. Denke etwa an das heute allgemein gebräuchliche GPS, das die Relativitätstheorie von Einstein nutzt, oder an Laser, die auf der stimulierten Emission basieren, die dieser geniale Physiker entdeckt hat. Und andere, weniger geniale, haben andere Naturgesetze entdeckt, die im täglichen Leben Anwendung finden. Und nicht nur das: Glaubst du, dass der PhilaeLander auf dem Kern des Kometen 67P/Churiumov-Gierasimienko hätte aufsetzen können, wenn das, was die Physiker sagen, nur irgend so eine Erfindung wäre?

Na ja, aber es gibt eine Menge wissenschaftlicher ‘News’, die noch nicht angewandt werden. Alles ist jetzt „wissenschaftlich”, wenn auch manchmal widersprüchlich. Woher weiß ich, was gute Wissenschaft ist?

Unsere Gespräche sollen dir dabei helfen, aber du wirst nie eine hundertprozentige Garantie haben, dass etwas gute Wissenschaft ist. Du kannst immer mich fragen, aber auch ich kann hereinfallen, so wie ich auf Gravitationswellen hereingefallen bin, die angeblich von BICEP26 entdeckt wurden. Aber ich kann dich trösten: Warte nur ab, schlechte Wissenschaft verschwindet einfach. In der Regel schnell.

Vielleicht noch eine Frage: Wie sehr ärgert es dich, wenn man dich – einen Astronomen – mit einem Astrologen verwechselt?

Sehr! Aber deine Frage regt mich nicht auf, denn über dieses peinliche Problem muss etwas gesagt werden. Peinlich, weil, obwohl die Astrologie keine wissenschaftliche Grundlage hat, sie von einem erheblichen Teil der Gesellschaft ernst genommen wird – von Politikern, Künstlern, Sportlern bis hin zu Hausfrauen und sogar Pfarrern.

Richtig, Wahrsagen ist nicht besonders verträglich mit dem Katholizismus.

Mehr noch: Die Astrologie wurde von den christlichen Kirchen fast von Anfang an als gefährlicher Aberglaube verurteilt. Nach der Bekehrung Roms zum Christentum erließ Kaiser Konstantin ein Edikt, das für die Ausübung der Astrologie die Todesstrafe androhte. Auch der heilige Augustinus verurteilte sie, und sie wird in dem Katechismus der katholischen Kirche verurteilt, der von Johannes Paul II. bestätigt wurde.

Aber du hast nicht nach der Verbindung der Astrologie mit der Religion gefragt, sondern mit der Wissenschaft. Ich erwähne das alles nur, weil es selten vorkommt, dass etwas, das sowohl von der Kirche als auch von der Wissenschaft scharf und einhellig verurteilt wird, einen solchen gesellschaftlichen Erfolg hat. Ich glaube, das ist das einzige derartige Beispiel.

Und dennoch, bis zum 17. Jahrhundert waren wahrscheinlich alle Astronomen auch Astrologen und widmeten sich der Erstellung von Horoskopen. Kepler war ein Astrologe, aber schon Galilei hielt Astrologie für Aberglauben. Es gibt ein vergnügliches und lehrreiches Missverständnis in diesem Zusammenhang. Also, Kepler glaubte – einigermaßen korrekt –, dass die Gezeiten durch den Unterschied in der Anziehung zwischen Erde und Mond verursacht werden. Galilei hingegen glaubte – fälschlicherweise –, dass die Gezeiten durch die Rotation der Erde um ihre eigene Achse und um die Sonne verursacht werden. Und Keplers Idee, dass der Mond das Wasser der Ozeane beeinflussen könnte, hielt er für albern, ja „kindisch“. Umso mehr, als dass in der Astrologie der Mond mit dem Wasser verbunden ist. Für Kepler andererseits bedeutete die Tatsache, dass der Mond den Ozean beeinflusst, dass er und andere Planeten auch den Menschen beeinflussen können, denn er wusste nicht, woher die Anziehungskraft des Mondes kommt. Heute wissen wir dank Newton, dass es sich um die Gravitation von Mond und Sonne handelt, die dabei ebenfalls eine Rolle spielt. Wir wissen auch, dass der Einfluss der Schwerkraft auf den Menschen unbedeutend ist.

Aber die Astrologie sagt sowieso nichts darüber, worauf dieser Einfluss beruhen soll, und die Regeln für das Erstellen der Horoskope sind völlig willkürlich, wofür es eine Menge Beweise gibt. Mein Freund und Schüler, Professor Marek Abramowicz, ein exzellenter Astronom, Katholik und Rationalist, hatte es satt, bei Diskussionen mit Astrologen Kommentare zu hören wie: „ ...weil Sie, meine Herren, unsere Methoden nicht kennen“. Marek lernte diese Methoden und konnte Horoskope wie ein professioneller Astrologe erstellen. Er beschloss einmal, die Willkür der Astrologie im Fernsehen zu entlarven. Professor Józef Smak*, selbst ein hervorragender Astronom, erzählt darüber auf amüsante Weise in seinem Buch „Geschichten eines alten Astronomen“.

* Józef Ignacy Smak (1936-), Opowiadania starego astronoma, (Erzählungen des alten Astronomen), Toruń 2010

Mark, der dem Fernsehpublikum scheinbar erfolgreich die unwissenschaftlichen Methoden der Astrologie vorgeführt hatte, war, zufrieden mit sich selbst, auf dem Weg nach Hause, als sich dies als unmöglich herausstellte: Vor dem Studio traf er auf eine lange Schlange wartender Fernsehmitarbeiterinnen. Die Nachricht verbreitete sich im Sendehaus wie ein Lauffeuer: Hier ist ein echter Astronom, der weiß, wie man echte Horoskope erstellt!

Ausgezeichnet! Und wie ist die Sache ausgegangen?

Ich weiß es nicht und möchte lieber nicht fragen. Aber, wie du siehst, hilft hier nichts und niemand. Weder die Kirche noch die Wissenschaft noch, Schritt für Schritt zu zeigen, warum die Methode völlig beliebig ist.

Mit mir wirst du es einfacher haben, ich werde nur über Physik und Astronomie fragen. Obwohl dies schwieriger ist als an die Astrologie zu glauben, denn um in der Wissenschaft, in der Physik, etwas zu verstehen, um eine Belohnung in Form von Befriedigung zu bekommen, muss man sich abmühen. Sicherlich muss ich mir während unserer Gespräche auch den Kopf ordentlich verrenken, oder?

Ja, aber ich werde mich bemühen, es nicht zu schwierig zu machen, dafür aber vergnüglich. Du wirst darauf aufpassen, da bin ich mir sicher. Wir haben eine angenehme Situation, denn wir wollen ja kein Lehrbuch schreiben, sondern deine Neugierde befriedigen. Ein wenig Aufwand lohnt sich, versprochen!

II. Woher kommen wir?

Inhaltsverzeichnis

Das heißt, von dem, was wir sind, woher wir kommen und von unserem Platz im Universum.

Ich muss gestehen, ich habe keine Ahnung.

Keine Ahnung von was?

Ich möchte verstehen, wie das Universum funktioniert, aber gleichzeitig kann ich mich nicht als Teil davon denken. Ich erinnere mich, dass die Erde sich im Universum befindet, das mir aber so ganz außerhalb von uns zu sein scheint, so fremd, so sehr außen, zu groß.

Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Du bist nicht die erste, die dieses Problem hat. Blaise Pascal selbst gab dies zu: Er sagte, dass der Raum des Universums „ihn wie einen Punkt aufnimmt“, fügte aber sofort hinzu, dass „er ihn mit dem Gedanken umfängt“. Er behauptete, dass wir im Angesicht der Weite des Universums wie ein Schilfrohr sind, aber dafür ein denkendes Schilfrohr. Das Universum ist riesig, aber habe keine Angst, darüber nachzudenken.

Ich weiß, dass dir ein gutes Zitat in Vorlesungen hilft, aber mir erklärt es nicht viel. Vielleicht ist so ein Zitat ein bisschen tröstlich, das gebe ich zu.

Gut, lass uns das genauer betrachten. Stelle dir zunächst vor, du seist eine Bewohnerin der Erde, die ihrerseits Teil eines Planetensystems namens ‚Sonnensystem’ ist. Dann stelle dir die Sonne als einen Stern wie zig Milliarden andere vor – die meisten Sterne in der Milchstraße ähneln der Sonne. Du befindest Dich bereits auf der Ebene der Galaxie. Davon gibt es wiederum Hunderte von Milliarden ... Und hier beginnt das „Weltall“, das Universum. Obwohl das Universum alles ist, verweist dieses Wort für einen Astronomen auf eine Perspektive, die größer ist als die einer einzelnen Galaxie. Wir sprechen vom Maßstab des Universums, wenn wir seine Expansion beobachten, und diese kann man anhand der sich voneinander entfernenden Galaxien sehen.

Siehst du. Mir dreht sich jetzt schon alles im Kopf.

Das ist, weil du dich auf dieses riesige, ferne, astronomische Universum konzentrierst. Wenn du Schwindel vermeiden willst, denke in Ebenen. Von ganz klein bis ganz groß. Denn dieses ‚Alles’ besteht zunächst einmal aus Elementarteilchen, die größere Teilchen bilden, die wiederum Atome bilden, aus denen wiederum Materiestrukturen bestehen, aus denen du und die Galaxienhaufen zusammengesetzt sind. Wenn du deinen Platz im Universum verstehen willst, beantworte die Frage, woher du kommst: Deine Augen, Haare, Gehirn, Herz, Arm und Bein.

Ich bin dabei. Woher kommt also mein Bein?

Von den Sternen.

Lass uns ernsthaft reden.

Ich bin so ernst, wie ich nur sein kann. Die meisten der Elemente, aus denen dein Bein besteht, wurden vor sehr, sehr vielen Jahren in den Sternen gebildet. Der Stickstoff in unserer DNA, das Kalzium in unseren Zähnen, das Eisen in unserem Blut und der Kohlenstoff in unserem Schwarzbrot7 – so hat es der große Wissenschaftspopularisator Carl Sagan aufgezählt – stammen alle aus Sternenmaterie. Gib mir eine Minute und ich erkläre es dir. Für mich als Physiker besteht dein Bein aus Atomen. In einem Atom haben wir, wie du dich erinnerst, einen Kern, der aus Nukleonen, d.h. Protonen und Neutronen besteht, und Elektronen, die ihn umkreisen. Ein Wassermolekül zum Beispiel, das die Grundlage unserer Existenz ist, besteht aus drei Atomen: zwei Wasserstoffatome und einem Sauerstoffatom: H2O. Wasserstoff ist das einfachste Element – er besteht aus einem Proton und einem Elektron. Sauerstoff ist schon komplexer, und in deinem Bein, so hoffe ich, befinden sich noch komplexere Elemente: Eisen, Magnesium, Kalium. Im Universum gibt es mehrere Dutzend schwerere Elemente.

Das schwerste stabile, d.h. nicht radioaktive Element ist Blei, das 82 Protonen hat und bis zu 126 Neutronen enthalten kann. Alle schwereren Elemente sind radioaktiv, das heißt, sie zerfallen. Wie Uran, das nach einer Reihe von Zerfällen schließlich zu Blei wird. Das Verhältnis der Menge an Uran 238 zu der Menge an Blei wird zur Altersbestimmung der Erde und des Sonnensystems verwendet.

Wenn man die Zerfallsrate von Uran kennt und untersucht, wie viel davon im Verhältnis zu Blei vorhanden ist, kann man abschätzen, wie lange es in Gesteinen oder Meteoriten existiert hat. Um diese Rate zu charakterisieren, verwenden Physiker den Begriff ‚Halbwertszeit’, d. h. die Zeit, die es dauert, bis die Hälfte der Menge eines bestimmten Elements8 zerfällt. Daraus folgt aber, dass das auf der Erde vorhandene Uran schon vor der Entstehung unseres Planeten existierte. Woher kommt es?

Wie alles andere? Vom Urknall?

Eben nicht. Beim Urknall entstanden nur Wasserstoff, sein Isotop Deuterium, etwas Helium, eine Winzigkeit Lithium und Beryllium. Nur die leichtesten Elemente.

Der ganze Rest konnte nicht entstehen, weil die Expansion des Universums damals noch so schnell war, dass die viel langsameren Kernreaktionen keine Zeit hatten, schwerere Elemente zu bilden. Am Anfang hatten wir also ein Universum, das zu fast drei Vierteln aus Wasserstoff, zu etwa einem Viertel aus Helium und in Spuren des Rests bestand.

Jetzt hast du mich neugierig gemacht. Woher kommen also der Kohlenstoff, der Sauerstoff und das Kalium in meinem Körper?

Ich habe es dir gesagt, aber du dachtest, ich mache Witze. Von den Sternen.

Die konkreten Atome meines konkreten „Michs“ stammen von den Sternen? Aber die sind doch unvorstellbar weit weg!

Der nächstgelegene, die Sonne, ist ganz, ganz nah.

Willst du damit sagen, dass meine Atome von der Sonne kommen?

Aber nicht doch. Die Atome von beidem, deine und die der Sonne, stammen von einem Stern, der nicht weit von hier, aber vor sehr, sehr langer Zeit explodiert ist. Die Sonne enthält, wie die Erde, bereits Elemente, die schwerer sind als Helium – zum Beispiel Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff. Sie hat sie nicht selbst hervorgebracht, sie waren von Anfang an dabei, genau wie auf der Erde. Das gesamte Sonnensystem ist aus einer Materiescheibe entstanden, die all diese Elemente enthielt. Irgendwoher mussten sie ja kommen.

Nun, die Sonne gehört nicht zur ersten Generation der Sterne. Vor ihr wurden andere, massereichere Sterne geboren und, was wichtig ist, sie starben auch. Sie starben schneller als die Sonne sterben wird, denn je massereicher ein Stern ist, desto kürzer ist seine Lebensspanne. Die ersten existierten wahrscheinlich einige Millionen Jahre.

Genau in diesen Ursternen entstanden schwere Elemente, die bei dem – mehr oder weniger gewaltigen – Tod dieser Sterne ins All geschleudert wurden und die dort befindliche Materie von Wasserstoff und Helium verunreinigten. Aus den Wolken einer so verunreinigten Materie bildeten sich weitere Generationen von Sternen, darunter die Sonne mit ihren Planeten, und schließlich, auf einem von ihnen, du.

Das ist beeindruckend … aber ich bitte um mehr Details. Zunächst einmal: Wie kam es zur Entstehung der ersten Sterne? Warum ist nicht alles so eine Suppe voller Teilchen geblieben?

Wegen der Schwerkraft. Auf einer großen – und aus unserer menschlichen Perspektive riesigen – Skala ist das Universum immer noch homogen. Ähnlich wie eine Suppe eben. Aber auch in einer solchen Suppe gibt es einige Klumpen, Störungen, die Ur-Wolken erzeugen. In ihnen bilden sich kleinere, dichtere Wolken. Einige von ihnen verdichten sich so sehr, dass sie gravitativ instabil werden. Die Schwerkraft beginnt, die Oberhand zu gewinnen.

Über was die Oberhand gewinnen?

Über den Druck, d.h. die abstoßende Kraft, die durch die Bewegungen der Teilchen in der Wolke entsteht. Unter bestimmten Bedingungen siegt die Schwerkraft, und die Wolke fällt in sich zusammen. Wichtig ist, dass die ersten derartigen Wolken nur aus Wasserstoff und Helium bestanden, weil es zu dieser Zeit im gesamten Universum im Prinzip nichts anderes gab.

Die Masse der Wolke, aus der ein Stern entstehen wird – nach dem berühmten englischen Astrophysiker Jeans9 „Jeans-Masse“ genannt – hängt von ihrer Temperatur ab, die wiederum davon abhängt, wie gut die Wolke abkühlt. Nun, Wasserstoff-Helium-Wolken kühlen miserabel ab, mit anderen Worten: Sie haben Probleme mit der Kühlung. Wobei die Kühlung, die ich im Sinn habe, die Strahlung, die Emission von Photonen ist. Wasserstoff leuchtet miserabel, geschweige denn Helium. Infolgedessen waren die ersten Sterne wahrscheinlich sehr massereich, viel massereicher als die derzeit beobachteten Populationen von Sternen.

Wahrscheinlich?

Wir wissen viele Ding nicht. Erstens: Die Massen dieser Sterne hingen von der Form des Wasserstoffs ab, den sie enthielten. Wenn er in molekularer Form vorlag, also als zwei miteinander verbundene Wasserstoffatome, kühlte er recht gut ab, so dass die ersten Sterne nicht so massereich gewesen sein könnten. Zweitens: Molekularer Wasserstoff könnte durch intensive ultraviolette Strahlung von neu entstandenen Sternen zerstört worden sein. Und drittens: Die ersten Sterne könnten, wie die heutigen, in dichten Molekülwolken entstanden gewesen sein, die sie vor ultravioletter Strahlung abgeschirmt hätten.

Kosmische Sonnenschutzcreme?

So etwas in der Art. Es ist jedoch nicht bekannt, ob – viertens – diese Molekülwolken die ersten Sterne vor der so genannten Photodissoziation des molekularen Wasserstoffs schützte. Du kannst also selbst sehen, wie viele Unbekannte es in dieser Angelegenheit gibt.

Ich sage dir nur, dass ich kürzlich in einer der Veröffentlichungen über die ersten Sterne gelesen habe, dass die Autoren zwei Hypothesen über ihre Massen in Betracht ziehen. Man nimmt an, dass sie zwischen 1 und etwa 100 Sonnenmassen hatten, wie die heutigen Sterne, die andere Hypothese geht von Massen zwischen 140 und 260 Sonnenmassen aus.

Beginnen wir mit dem zweiten Szenario. Woher die Obergrenze von 260 Sonnenmassen?

Weil massereichere Sterne am Ende ihres Lebens nicht explodieren. Sie kollabieren stattdessen und bilden direkt Schwarze Löcher. Unter dem Gesichtspunkt des Hinausschleuderns der Elemente sind sie nutzlos. Man könnte sagen, dass ihre Schwerkraft zu groß ist, um die Explosion zu erlauben.

In Ordnung, also habt ihr eine Obergrenze. Aber das lässt immer noch eine breite Spanne von Möglichkeiten zu. Gib zu, ihr wisst nicht viel darüber, was in den ersten Sternen vor sich ging.

Woher sollen wir das auch wissen? Man kann sie doch nicht direkt beobachten. Sie existierten vor so langer Zeit, dass wir sie nicht einmal in den entferntesten uns zugänglichen Ecken des Universums sehen können.

Vor langer Zeit – heißt wann?

Nach Beobachtungen des Planck-Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation, kurz ESA, entstanden die ersten Sterne, als das Universum etwa 550 Millionen Jahre alt war. Nach denselben Beobachtungen beträgt das Alter des Universums 13 Milliarden und 799 Millionen Jahre. Also, schnell gezählt, sie entstanden vor 13.249 Milliarden Jahren – das ist, du wirst es zugeben, eine lange Zeit.

Wie könnte der Planck-Satellit uns Informationen über die ersten Sterne liefern? Du sagtest gerade, dass sie nicht beobachtet werden können.

Ha! Wir können die Sterne selbst nicht sehen, aber wir können die Auswirkungen ihres Erscheinens sehen, nämlich die Spur ihrer Entstehung in der Hintergrundstrahlung, die der Planck-Satellit gemessen hat.

Von welcher Art von Spuren spreche ich? Siehst du, ursprünglich war das Universum so heiß, dass die Elektronen von den Atomkernen getrennt waren – sie hatten zu viel eigene Energie, um an sie gebunden zu werden. Wir sagen, dass das Universum vollständig ionisiert war. Damals befand sich die heiße Strahlung im Gleichgewicht mit den Elektronen, das heißt, sie hatten durch gegenseitige Stöße die gleiche hohe Temperatur. Doch als sich das Universum ausdehnte, kühlte es ab, bis schließlich die Energie der Elektronen niedrig genug war, um sich mit den Kernen zu verbinden und auf diese Weise Atome entstehen zu lassen. Diese Bildung von Atomen wird als Rekombination bezeichnet. Am Ende fanden sich alle Elektronen in Atomen gebunden und die Strahlung hatte nichts, woran sie streuen konnte. Diese Rekombination fand statt, als das Universum etwa 380.000 Jahre alt war.

Dann gab es eine Periode, die Dunkles Zeitalter genannt wurde, bis das Universum bereits 550 Millionen Jahre alt war und es zu einer Re-Ionisation kam – auch hier gab es Strahlung, die von irgendwoher kam und die Elektronen aus den Atomen riss. Man nimmt an, dass die Quelle dieser Strahlung die ersten Sterne oder vielmehr die ersten Generationen von Sternen waren.

Es handelt sich vorerst um eine Hypothese, aber zukünftige bodengebundene oder Weltraumteleskope werden jetzt oder später gebaut, unter anderem, um sie zu testen.

Und die Masse? Bekommen wir dann die Antwort, wie groß die Massen der ersten Sterne waren?

Ich sehe, du magst diese Spannbreite nicht. Und das zu Recht. Aber die Beobachtungen des Planck-Satelliten sagen uns nur, wann die Re-Ionisation stattgefunden hat. Das ist ohnehin schon viel, denn bis vor kurzem dachte man, dass sie von Quasaren verursacht wurde, also von diesen sehr massereichen Schwarzen Löchern, die in den galaktischen Kernen Materie verschlucken. Das Problem ist, dass diese in den 550 000 000 Jahren der Existenz des Universums keine Zeit hatten, um zu entstehen. Somit verbleiben unter den Verdächtigen nur Sterne. Sie mussten ausreichend heiß sein, damit ihre Strahlung Elektronen aus den Wasserstoffatomen herausreißen konnte, d.h. ihre Temperatur musste über 10.000 Grad liegen. Aber das sagt uns nicht viel über ihre Masse.

Die Temperatur der Sonne beträgt an der Oberfläche wohl 6000 Grad, auch nicht viel weniger.

Genau. Wir können also vorerst nicht entscheiden, ob die ersten Sterne sehr massereich waren oder ob sie mehr oder weniger die gleiche Masse wie die heutigen Sterne hatten.

Wir müssen beide Szenarien berücksichtigen. Vielleicht fange ich damit an, zu zeichnen, wovon ich spreche. Beginnen wir mit einem Szenario, in dem die Sterne sehr massiv sind.

Sterne mit Massen zwischen 140 und 260 Sonnenmassen beenden ihre Entwicklung auf eine ganz besondere, ja einzigartige Weise. Am Ende ihres Lebens befindet sich in ihren Kernen viel mehr Strahlung als in gewöhnlichen Sternen. Dies bewirkt die Bildung von Teilchenpaaren, die aus einem Elektron und seinem Antiteilchen – dem Positron – bestehen. Dieser Vorgang wird kurz Paarbildung genannt. Die Umkehrung davon nennt man Annihilation – Paarvernichtung. Wenn sich ein Elektron und ein Positron treffen, annihilieren sie und werden zu Photonen.

Nun, die Paarbildung, also die Umwandlung von Photonen in Elektronen und Positronen, ist für unsere Sterne sehr schädlich. In sehr heißen Sternen kommt der Druck gegen die Schwerkraft eben von den Photonen. Wenn diese sich aber in Elektronen und Positronen umwandeln, muss ein Teil ihrer Energie in die Masse dieser Teilchen umgewandelt werden – mit E=mc2 ist nicht zu spaßen!

Dieser Energieverlust hat katastrophale Folgen: Der Druck wird zu schwach, um gegen die Schwerkraft zu gewinnen. Der Kern des Sterns kollabiert sehr rasch, was zu einer thermonuklearen Explosion und dem vollständigen Auseinanderfliegen des Sterns führt. Darauf beruht die Supernova-Explosion, die durch die Instabilität der Paarbildung verursacht wird.

Alle Elemente, die in einem Stern vor der Explosion produziert worden sind, verunreinigen die interstellare Materie, aus dieser Materie bilden sich Wolken, aus den Wolken entstehen Sterne und Planeten. Dies könnte der Mechanismus gewesen sein, der die Ur-Sterne zur Explosion brachte.

Und was, wenn die ersten Sterne nicht massereicher waren als die heutigen?

Die Entwicklung solcher Sterne würde der Entwicklung von Sternen der folgenden Generationen ähneln, über die ich dir später berichten werde, obwohl es auch wichtige Unterschiede geben würde. Sterne, die wir heute sehen können, enthalten viele verschiedene Elemente, sie kühlen anders, sie verhalten sich anders. Aber die Ur-Sterne waren, wie gesagt, sehr heiß. Die Temperatur erreichte dort mehrere zehn Millionen Grad. Zum Vergleich: Im Inneren der Sonne herrschen ca. 16 Millionen Grad.

Also waren die Ursterne höchstwahrscheinlich sehr massereich und sehr heiß. Oder nicht so massiv, aber immer noch sehr heiß. Sie explodierten dann und verunreinigten den kosmischen Raum mit neuen Elementen. Aber ich weiß immer noch nicht, woher diese neuen Elemente kamen.

Ich werde es dir gleich sagen. Die ersten Elemente, die schwerer sind als Helium, sind durch thermonukleare Reaktionen in den Kernen von Sternen entstanden. Diese Reaktionen beruhen auf der Verschmelzung von Nukleonen, der sogenannten Nukleosynthese. Vereinfacht kann man sagen, dass es so heiß und eng ist, dass Protonen und Neutronen einfach aneinander kleben müssen. Aber stelle dir nicht vor, dass sich hier zwei Neutronen, zwei Protonen treffen und zu einem neuen Kern verschmelzen. Es ist ein komplizierterer Prozess. Für uns ist jetzt wichtig, dass irgendwann in diesem riesigen Ofen, im Kern der Ur-Sterne, aus Wasserstoff Helium-4 entstanden ist, mit zwei Protonen und zwei Neutronen im Kern. Dies war der erste Schritt in der Geschichte der Erzeugung schwererer Elemente.

Ich sehe wohl, wie schwerwiegend dieses Ereignis ist, aber Helium ist noch weit entfernt von, sagen wir, dem Kohlenstoff, auf dem das Leben auf der Erde beruht.

Wohl wahr, aber wir sind auf dem richtigen Weg. So haben wir im Inneren eines Sterns, der zumeist aus Wasserstoff bestand, jetzt also Helium, einen stellaren Kern aus Helium. Und das hätte das Ende sein können, aber zum Glück war es das nicht. Die Ursache für weitere Veränderungen war eine brennende10 Wasserstoffschicht auf der Oberfläche des Kerns. Weil sich der Wasserstoff in dieser Schicht in Helium umwandelt, wuchs die Masse des Kerns, die Temperatur stieg ebenfalls, bis schließlich das Helium selbst zündete. Infolgedessen wurde ein weiteres Element gebildet – Kohlenstoff. Und dies ist der grundlegende Mechanismus, der die Bildung schwererer Elemente bewirkt.

Er funktionierte in Ur-Sternen und er funktioniert in den heutigen Sternen. Denke nur daran, dass wir in heutigen Sternen bereits Beimischungen von schwereren Elementen haben. Sicherlich konnten nur Sterne ab der zweiten Generation alle Elemente bis hin zum Eisen herstellen, denn um einige von ihnen herzustellen, braucht man andere Elemente als den ursprünglich vorhandenen Wasserstoff und das Helium. Ob nach Kohlenstoff weitere Elemente entstehen, hängt heute von der Masse eines Sterns ab: Je massereicher er ist, desto schwerere Elemente kann er bilden. Die nächsten Reaktionen erzeugen Sauerstoff, Neon, Magnesium, Schwefel und schließlich Silizium, aus dem Eisen entsteht. Und Eisen hat einen der am stärksten gebundenen Atomkerne* und kann nicht mehr brennen.

* Die am stärksten gebundenen Kerne sind die von Eisen und Nickel. Der Kern des Nickel-Isotops 62Ni28 ist am stärksten gebunden, aber es gibt 10-mal weniger davon als Eisen – er hat eine solche Struktur, dass er nicht leicht zu bilden ist. Astrophysiker schreiben oft, dass Eisen den am stärksten gebundenen Kern hat. Aber nur weil etwas im Überfluss vorhanden ist, bedeutet das nicht unbedingt, dass es das Stärkste ist.

Okay, aber warum explodiert so eine Sternzwiebel wie diese?

Sie muss. Wenn der Stern massiv genug ist, um einen Eisenkern zu erzeugen, muss er das einfach. Und das liegt daran, dass das Eisen selbst nicht brennt, aber dennoch ständig weiter zunimmt, weil das Silizium um es herum brennt. Die Masse des Eisens wächst und es gibt keine Energiequelle, die den Druck gegen die wachsende Schwerkraft aufrechterhalten könnte. Dann geht alles unglaublich schnell.

In einem massiven Stern brannte Wasserstoff für, sagen wir, zehn Millionen Jahre*. Dann verbrannte das Helium in einer Million Jahren, der Kohlenstoff in tausend Jahren. Und von da an ging es bergab: Neon in einem Jahr, und letztes in der Reihe, das Silizium, verbrennt an einem Tag!

*Zum Vergleich: Die Sonne brennt seit etwa 4 Milliarden Jahren Wasserstoff und hat erst die Hälfte ihres Lebens hinter sich.

Es gibt nur noch brennende Schichten und in der Mitte eine heiße Eisenkugel mit einer Temperatur von einigen Milliarden Grad.

Sie explodieren aus den gleichen Gründen wie die möglicherweise einst mal vorhandenen, sehr massereichen Ursterne? Wie war es nochmal ... wegen der Paarbildung?

Oh, nein. Sterne, von denen wir jetzt sprechen, sind zu dicht, um

Paare von Elektronen und Positronen zu bilden.

Die Katastrophe wird durch etwas anderes verursacht. Stell dir als erstes vor, dass Photonen beginnen, die Eisenkerne zu zerschlagen.

Unmöglich!

Und doch. Die Photonen im Zentrum der Sterne, die auf der Vorstufe einer Supernova stehen, haben so viel Energie, dass sie die am stärksten gebundenen Atomkerne zerschlagen können. Dies wird als Photodissoziation bezeichnet, genau wie bei Wasserstoffmolekülen, nur dass hier die Photonen sogar Atomkerne spalten. In den letzten Momenten des Lebens eines massereichen Sterns, und das sind wirklich Momente, wird all dieses mühsam produzierte Eisen zu Staub zerschlagen.

Was für eine Art von Staub …?

Nicht wörtlich gemeint, eher in Protonen und Neutronen. So eine Art nuklearer Staub. Aber das ist noch nicht das Ende. Bis jetzt war es das Werk der Temperatur. Hierzu gesellt sich der Effekt der Dichte. Nun, Elektronen sind die Quelle des Drucks, aber bei den Dichten im Sternkern ist ihnen zu eng – man kann Elektronen nicht beliebig dicht packen* – also stell dir vor, dass sie sozusagen anfangen, in die Protonen hineinzuspringen, diese in Neutronen zu verwandeln und dabei Neutrinos abzugeben. Es findet eine Neutronisierung der Materie statt. Es hat eine dramatische Wirkung.

Erstens, weil beide Prozesse energieintensiv sind. Die Eisenkerne sind maximal fest gebunden, und das bedeutet, dass Energie benötigt wird, um sie aufzubrechen. Wie du dich erinnerst, gibt die umgekehrte Reaktion, die Fusion, Energie ab.

Zweitens verbrauchen auch Elektronen, die in Protonen hineinhüpfen11 (5), Energie. Hier haben wir also eine Situation, in der Kernreaktionen nicht nur keine Energie erzeugen, sondern sie wegnehmen. Und am schlimmsten sind diese Neutrinos. Während eines Wimpernschlags entfliehen sie aus dem Kern und nehmen Energie mit*.

* Die Neutrinos, die während der Supernova 1987A (der ersten Supernova des Jahres 1987) ausgesendet wurden, wurden von drei Detektoren auf der Erdoberfläche beobachtet.

Und plötzlich kommt die Kugel aus heißem Eisen nicht mehr gegen ihre eigene Schwerkraft an und kollabiert in einer Sekunde. Eine kosmische Katastrophe!

Wirklich, das klingt dramatisch.

Weil es dramatisch ist! Der Stern hat lange Zeit gebraucht, um sich zu formen, er kollabiert aber während eines Wimpernschlags. Es wird eine enorme Menge an Gravitationsenergie freigesetzt. Es kommt zu einer gewaltigen Explosion. Die Kernhülle wird in den interstellaren Raum geschleudert. Der Stern stirbt und verwandelt sich in einen Neutronenstern. Dieses Phänomen wird als Supernova bezeichnet, und zwar vom Typ core collapse, d.h. eine Supernova, die durch den Kollaps des Sternkerns verursacht wird.

Ich verstehe, warum der Stern kollabiert, aber ich verstehe nicht, woher die große Explosion ...

Grundsätzlich vom Rückprall. Diese Eisenkugel von der Größe der Erde, die den Kern eines Sterns darstellt, kollabiert nicht gleichmäßig. Der am schnellsten kollabierende Teil ist sein zentraler Teil mit der Masse von 70 % der Sonnenmasse und er erreicht die Dichte eines Atomkerns innerhalb eines Sekundenbruchteils. Dann stoppen die Kernkräfte den Kollaps und es entsteht eine harte Kugel, von der der verbleibende, äußere Teil des Eisenkerns zurückprallt. Da der Kollaps mit Überschall erfolgt, wird bei der Reflexion eine Schockwelle erzeugt, die den Auswurf der Hülle, d.h. eine Supernova-Explosion, bewirkt.

Klingt vernünftig. Es ist nur so, dass mir etwas nicht richtig vorkommt. Die Explosionen sollten das Eisen über das ganze Universum verstreuen, doch sagtest du gerade, dass es kurz vor der Explosion zerstört wird.

Eisen bzw. eigentlich Nickel bildet sich in einer Schockwelle, die die Temperatur und Dichte der Materie, die sie durchläuft, schnell erhöht. In dieser Materie befinden sich Kerne von Helium, Kohlenstoff, Sauerstoff und Silizium in Form von 4He, 12C, 16O und 28Si, die hervorragende Kernbrennstoffe sind. Das Ergebnis ist das Nickelisotop 56Ni, das in den Weltraum ausgestoßen wird. Doch dieses Nickelisotop ist radioaktiv und wandelt sich innerhalb von sechseinhalb Tagen in Kobalt 56Co um. Dieses Isotop von Kobalt ist ebenfalls radioaktiv und zerfällt in 56Fe-Eisen. Das dauert länger, fast 78 Tage, aber damit ist der Übergang abgeschlossen, denn dieses Eisenisotop ist stabil.

Furchtbar kompliziert!

Ein bisschen, das gebe ich zu. Aber wenn du wissen willst, woher dein Bein kommt, gibt es keinen anderen Weg. Diese Zahlen und Buchstaben musst du dir nicht merken. Umso mehr nicht, als dass dies nicht der einzige Weg ist, auf dem sich Eisen bildet – aber doch für etwa die Hälfte seiner Menge im Universum. Die andere Hälfte entsteht bei der Explosion von Supernovae vom Typ Ia, das sind explodierende Weiße Zwerge. In ihnen gibt es eine thermonukleare Explosion von Kohlenstoff und Sauerstoff, aus denen sie hauptsächlich bestehen, und als Ergebnis entsteht aus den gleichen Gründen Nickel 56 ...

... das in Kobalt zerfällt, das wiederum in Eisen zerfällt, richtig?

Klar. Die Naturgesetze sind unerbittlich.

Seid Ihr sicher, dass es so aussieht?

Oh, ja. Wenn man eine Supernova beobachtet, kann man das Nickel, seinen Zerfall usw. sehen.

Das sind also bestätigte Modelle einer Supernova-Explosion ...

Nun ... hmm ... damit steht es nicht ganz so gut. Scheinbar sollte alles so passieren, aber wenn man alles mit Gleichungen beschreibt und die dann mit den leistungsfähigsten Computern, die der Menschheit zur Verfügung stehen, löst, explodiert im Ergebnis der Berechnungen mit unseren Modellen die Supernova nicht. Sie verfehlt die Explosion nur knapp, aber sie explodiert nicht. Es gibt da etwas, das wir nicht verstehen. Auch bei Supernovae vom Typ Ia haben wir Probleme mit ihren Explosionen.

Probleme?

Nun, ja. Im Falle von Supernovae, die aus einem Kernkollaps resultieren, wissen wir, dass diese Explosion ihr Tod ist, das letzte Stadium in der Entwicklung massereicher Sterne. Wir wissen es, weil wir anhand von Archivbeobachtungen überprüfen können, was sich an der Stelle dieser Supernovae befand, bevor sie explodierten – massereiche Sterne sind sehr hell, daher ist es nicht schwer, sie zu finden. Bei Supernovae vom Typ Ia wissen wir dagegen nur, dass ein Weißer Zwerg explodiert.

Dies ist ja eine ziemlich ernste Angelegenheit.

Auch wieder nicht so gravierend, denn das sind Details im Vergleich zur Kenntnis des Wichtigsten, nämlich der Tatsache, dass nach den Explosionen nachfolgender Generationen von Supernovae genügend Atome verschiedener Elemente entstanden sind, damit Planeten entstehen konnten.

Planetensysteme haben sich um Milliarden von Sternen gebildet und es ist mindestens ein Planet entstanden, auf dem es Leben gibt – die Erde. Auf dieser Erde – und zumindest hier hat die Bibel recht, wenn sie den ersten Menschen Adam als einen „Menschen aus Erde“ bezeichnet – gab es bereits die Elemente, aus denen wir zusammengesetzt sind. Und hier sind wir.

Ich werde mein Bein mit mehr Wertschätzung betrachten ...

Recht so. Es hat eine lange Vergangenheit.

Weißt du, das ist eine faszinierende Geschichte, aber sie erklärt nicht, woher die noch schwereren Elemente kommen. Eisen ist nicht einmal in der Mitte des Periodensystems!

Dieses Thema wird immer noch diskutiert. Es ist bekannt, dass sie durch schnellen Einfang von Neutronen entstehen müssen, in den so genannten ‚r’-Prozessen, vom englischen ‚rapid’, zu Deutsch ‚schnell’. Früher dachte man, dass sie während der Supernovae-Explosionen selbst entstanden, aber die Ergebnisse eines solchen Modells stimmten nicht mit den Beobachtungen überein. Nach einer Supernova-Explosion bleibt ein Neutronenstern zurück, der einfach ein Stern ist, der aus Neutronen besteht. Weniger elegant ausgedrückt, ist er die Leiche eines massiven Sterns, wenn auch eine sehr interessante Leiche. Die Hypothese besagt, dass Elemente, die schwerer als Eisen sind, durch die Verschmelzung von zwei sich umkreisenden Neutronensternen entstehen. Wenn sie aufeinander fallen und verschmelzen – kommt es zu einem weiteren Riesenknall und im Ergebnis zu einem Gamma-Blitz. Dann sollen die anderen Elemente in den ‚r’-Prozessen gebildet werden.

Dennoch sind das Hypothesen …

Darum geht es in der Wissenschaft: Hypothesen zu formulieren und sie zu testen. Je mehr wir wissen, desto mehr Fragen können wir stellen.

Na klar. Zum Schluss, um sicher zu gehen, dass ich richtig verstehe … Es ist also so, dass ein bestimmtes Kohlenstoffatom, das ein Teil von mir ist, ein Stück von mir, einmal, vor Milliarden von Jahren, in einem Stern war?

Das ist richtig. Die Atomkerne, aus denen dein Körper besteht, wurden einst in Sternen gebildet. Und der Wasserstoff praktisch im Urknall.