OH wie TOT auf IBIZA - Alex Aabe - E-Book

OH wie TOT auf IBIZA E-Book

Alex Aabe

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Beschreibung

Auf der Ferieninsel IBIZA herrscht Panik. Die Insel-Oberen fürchten, dass die neue Saison – nach Pandemie und den Kessler-Zwillings-Morden 2018 – wieder verloren geht. Milliardenverluste drohen. Am Wochenende vor Pfingsten 2024 gibt es drei gewaltsame Tode auf der Insel: Der Deutsche Pascal Rach wird in seinem Luxus-Appartement erstochen. Brian, ein 26-jähriger Brite aus gutem Haus, fällt vom Balkon in San Antonio einen Tag davor; und parallel dazu geschieht das Gleiche mit dem 28-jährigen Franzosen Alan, Sohn reicher Händler aus Paris. Der Besitzer der großen Kette an Unterhaltungsbetrieben ruft sofort den Hauptkommissar Paul Lincke zur Hilfe. Hatte der doch vor sechs Jahren die Kessler-Morde innert Wochen aufgeklärt und so zumindest die halbe Saison gerettet. Welcher reiche Tourist geht auf die "Isla Blanca", wenn er fürchten muss, die Insel tot zu verlassen? Will jemand Ibiza schaden? Gibt es Zusammenhänge zwischen den Todesfällen? Geht es um Drogen, um illegale Geschäfte, um Geldwäsche oder um private Dinge? Paul Lincke wird mit seinen spanischen KollegInnen Silke und Roberto, mit der Bäckerin aus Dresden, Susi, und den Polizisten der Guardia Civil und der Nationalpolizei versuchen, die Dinge schnellstmöglich aufzuklären. Will er doch an Pfingstmontag mit seiner Partnerin, der forensischen Pathologin beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden, Erika Laschelt, zum Wandern nach Oberbayern. Und auch sie kann helfen, den Fall zu lösen. Denn auch tote Körper können sprechen… ...auf Ibiza

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Ähnliche


Alex Aabe

OH wie TOT auf IBIZA

Kriminal Roman 

Ein Fall für Kriminalhauptkommissar Paul Lincke

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Disclaimer

Der Ermittler

1. Sonntag vor Pfingsten, 12. Mai 2024

2. Montag, 13. Mai, frühmorgens in Wiesbaden

3. Montag, am Morgen 8.15 Uhr

4. Montagmittag – Schöne Aussichten

5. Montag, spätnachmittags

6. Montagabend – Bellini und Pistoli im Cipriani

7. Dienstag, 24. Mai, frühmorgens – Von Düften und anderen Genüssen

8. Dienstag – Frische Brötchen

9. Dienstagnachmittag – Das Meer und die Sonne

10. Dienstagabend – Entspannte Spuren

11. Mittwoch, 25. Mai – Ein Date

12. Mittwoch, frühabends

13. Mittwochabend – Ein schwieriger Fall

14. Mittwochnacht – Kirschen in Nachbars Garten

15. Donnerstag, 16. Mai – Wer alles sieht, kann auch blind werden

16. Donnerstagmittag – Drogen und andere Süßigkeiten

17. Donnerstagabend – Show und Down bei De Matutis

18. Freitag, 16. Mai – Gelernt ist gelernt

19. Freitagabend – ein Gott weiß mehr

20. Samstag, 18. Mai – Dahlien und Rosen

21. Samstag, 14.30 Uhr – Patio des Drogenhauses

22. Samstagabend – Treffen im Il Giardinetto in Marina Botafoch

23. Pfingstsonntag, 19. Mai – Fest der Erleuchtung

24. Pfingstmontag, 20. Mai – Wanderferien

Impressum

© 2024 Münster Verlag, D-Singen, CH-Zürich

1. Auflage

Alle Rechte vorbehalten.

Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert werden, insbesondere nicht als Nachdruck in Zeitschriften oder Zeitungen, im öffentlichen Vortrag, für Verfilmungen oder Dramatisierungen, als Übertragung durch Rundfunk oder Fernsehen oder in anderen elektronischen Formaten. Dies gilt auch für einzelne Bilder oder Textteile.

Autor: Alex Aabe

Satz: Cedric Gruber

Lektorat: Manfred Klemann, Sibylle Kappel

ISBN 978-3-907301-33-3

eBook ISBN

www.muensterverlag.ch

[email protected]

Disclaimer

Die Handlung ist frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig. Die Namen der Orte und touristischen Einrichtungen auf Ibiza sind existent; die darin sich abspielenden Geschichten aber der Phantasie des Autors entsprungen.

Der Ermittler

Paul Lincke (44) ist Hauptkommissar beim deutschen Bundeskriminalamt und Leiter der Abteilung „Ausland“. Dort werden die Fälle behandelt, bei denen deutsche Staatsbürger im Ausland zu Schaden gekommen sind.

Paul Lincke ist das Kind von Diplomaten der Bundesrepublik und ist so in verschiedenen Sprachräumen aufgewachsen. Er spricht sechs Sprachen fließend und kann sich in drei weiteren verständigen. Er besitzt die höchste Sicherheitsstufe mit diplomatischem Status, die es erlaubt, dass er immer seine Glock 7 mitführen darf.

Paul Lincke ist seit vier Jahren liiert mit der Pathologin und Ärztin Dr. Erika Laschelt (38). Er hat eine Tochter von seiner ersten Frau, die ihn vor sechs Jahren verlassen hat, zugunsten ihres Yoga-Lehrers.

Direkter Vorgesetzter von Paul Lincke ist Dr. Lothar Hack, der Leiter „International“ des Bundeskriminalamts in Wiesbaden.

In Erinnerung an Silke Mäder-Knobloch

1. Sonntag vor Pfingsten, 12. Mai 2024

Lächelnde Leichen laden ein zu Lästereien. Das Gesicht von Pascal Rach, mit starren, grauen Augen, aufgenommen von der Guardia Civil von Ibiza, hat etwas Boshaftes. Und Liederliches. Fast mochte man – wenn man das Opferbild ansah – den Täter verstehen, dass er in diesen Kerl mit einer offenbar spitzen, scharfen Klinge zweimal tödlich hineinbohrte. Zwischen den Schulterblättern, sehr gezielt, sehr präzise.

Die Leiche hatte durch die schlanken Einstiche nur wenig Blut verloren, denn das Herz musste unmittelbar aufgehört haben zu schlagen. Gewehrt haben konnte das Opfer sich nicht: Dazu ist alles zu ruhig, zu glatt, auch zu aufgeräumt im Apartment von Rach. Als Rosario Del Monte, die ecuadorianische Putzfrau der Anlage „Paradiso dos“ (P2) an der Avenida de Talamanca in der Gemeinde Jesus, auf der spanischen Insel Ibiza, den reichen, armen Pascal Rach findet, scheint er, auf dem Rücken liegend, nur ohnmächtig zu sein. Rosariorüttelt den Körper, sieht dann doch das Rinnsal Blut unter seinem Körper heraussabbern, schreit auf und läuft wimmernd aus der wunderbaren Wohnung mit dem weiten Blick über die Bucht von Talamanca und hinüber zur Burg von Ibiza Stadt. Sie rennt zur Security am Eingangstor von P2 und von dort wird die Guardia Civil verständigt. Den Zivilgardisten schildert Rosario die Entdeckung des Toten um 14.17 Uhr am Sonntag, dem 12. Mai 2024

Paradiso dos ist eine bewachte „comunidad“, also eine der Luxus-Apartmentanlagen auf Ibiza, die 24 Stunden am Tag von Security Leuten bewacht werden, in der 28 Luxus-Apartments mit spektakulärem Blick auf das Meer gebaut sind und in der Bewohner am Berghang von Talamanca leben. Vor allem Fußballstars aus Barcelona und aus Madrid haben sich hier vor Jahren eingekauft. Kein einziger Russe, keine Araber! Darauf sind die Bewohner von „P Dos“ stolz.

Nur zwei Apartments gehören Deutschen: Pascal Rach das eine und das andere Robert Kühn, Sohn eines Milliardärs aus Hamburg, mit seiner Model-Ehefrau aus Paraguay und den zwei Model-Kindern. Im Gegensatz zu Pascal Rach, der fast das ganze Jahr hier wohnte, ist Kühn nur in den Sommermonaten Juli und August und manchmal über Pfingsten auf der Insel.

Pascal Rach wohnt nun nicht mehr in P Dos.

Tote wohnen im Himmel. Oder in der Hölle.

Aussuchen können sie es sich selten.

2. Montag, 13. Mai, frühmorgens in Wiesbaden

Paul Lincke (44), Hauptkommissar beim Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden, Deutschland, liebt Rituale. Er steht um 6.15 Uhr auf, geht auf sein Laufband auf dem Balkon, joggt 30 Minuten bei Einstellung 11, erholt sich mit Dehnübungen und geht dann auf sein Power Platefür 10 Minuten, um Muskeln und Sehnen und den recht kräftigen Körper auf den Tag einzustellen. Dann Morgentoilette, kalt und heiß duschen. Bei einer Tasse Nespresso, die violetten Kapseln, und einer Banane schaut er danach am Küchentresen auf sein Handy, um die Push-Meldungen der Nacht zu lesen.

An diesem Montagmorgen, 13. Mai 2024, haben SPIEGEL und BILD und FAZ eine fast gleichlautende Push-Nachricht: „Mord auf Ibiza: Der deutsche Millionär Pascal Rach wurde am Sonntag in seinem Apartment in Ibiza Stadt erstochen aufgefunden. Der Millionär war in einem Aufsehen erregenden Betrugsprozess vor sechs Jahren in Deutschland vom Vorwurf der Millionen-Unterschlagung freigesprochen worden. Seitdem lebt er hauptsächlich auf der spanischen Insel Ibiza. Täter und Motiv sind bislang unbekannt.“

„Nicht doch, ich will doch zum Wandern mit Erika an Pfingsten“, seufzt Paul zu sich selbst; aber natürlich weiß er sofort, dass daraus jetzt nichts mehr werden wird.

Seine Freundin, mit der er seit drei Jahren liiert ist, arbeitet auch beim BKA, als forensische Pathologin. Sie wird es nicht gerne hören, wenn der Urlaub aufgeschoben werden soll, aber natürlich Verständnis haben.

Anders als seine Ex-Frau Katrin (45), die ihn vor fünf Jahren verließ, als ihre gemeinsame Tochter alt genug war, um selbstständig leben zu können. Der Yogalehrer hatte Katrin Lincke – jetzt wieder Katrin Herbold – mehr als den sterbenden Schwan oder die leuchtende Kerze gezeigt, und so hatte sie Paul an einem Oktoberabend – er war gerade aus Kairo gekommen – mitgeteilt, dass ihre Wege sich trennen würden.

Wie reagiert da ein BKA-Beamter, der die Erlaubnis hat (wie nur zehn andere Beamte im Land), immer und überall seine Glock 7 dabeizuhaben – selbst im Flugzeug, bei Staatsempfängen, und sogar in China? – Immerhin hatte er nicht gewusst, höchstens vermutet, dass die Ehe zu Ende war. Und er war gerne verheiratet; hatte gerne ein Kind; war eigentlich bis zum Ende mit seiner Frau intim und zärtlich gewesen.

Zieht Paul Lincke die Pistole, schreit er herum, weint er? Nein, nichts von alledem; er nimmt es hin „wie ein Mann“, wünscht Glück und hat Verständnis und fragt nur „warum?“. Als Paul auch noch das Geständnis mit dem Yoga -Lüstling verkraften muss, beschleicht ihn mehr blankes Erstaunen als robustes Entsetzen: Der Yogi kann nicht einmal schweben... Sollte seine Frau auf Aufschneider reinfallen, auf Wichtigtuer, auf Esoteriker? Ist er vielleicht auch so einer, und weiß es nur nicht? Auch Paul ist nicht gefeit gewesen vor den Versuchungen, die ihn gelegentlich bei seinen auch längeren Einsätzen im Ausland erreichten, auch er war nur ein Mann seiner Zeit. Doch nie war er auf den Gedanken gekommen, selbst bei wirklich interessanten intimen Begegnungen, deswegen seine Ehe zu beenden. Konstanz, einen festen Ansprechpartner, ein täglicher Austausch, gemeinsame Schrullen und Macken, dies war seine unverbrüchliche Liebe.

Gerade am Tag, als Katrin und Paul Lincke am Morgen bei Gericht, nach einem Jahr Trennung, ihre Scheidung einvernehmlich besiegelten, musste Paul am Nachmittag einen Leichenbefund in der BKA-Pathologie abholen. Und dort stand die sehr blonde, sehr deutsche Erika, schön wie der Tod, erschien es ihm, und erläuterte überzeugend, dass die Leiche noch leben könnte, wenn man dem Menschen, einem bedeutenden Hamburger Geschäftsmann, nicht ein sehr starkes Herzmittel verabreicht hätte. Und zwar mit einem klitzekleinen Nadelstich am rechten Oberarm. Und es war schon der dritte deutsche Mensch, der auf diese Art und Weise innert vier Wochen verstorben war; und jedes Mal nach einem Urlaub in der Türkei und nachdem er seine Besitztümer einem bestimmten Hilfswerk dort übertragen hatte. Ein Fall für Lincke, den er gelöst hatte, und der ihm eine sehr coole Frau Doktor zur Freundin bescherte.

Als sie beide das erste Mal zusammen Sex hatten, war Paul über die fast wissenschaftlich-pathologische Begutachtung seines erstaunt gewesen; und die Möglichkeiten, die Erika aus ihm schöpfte. Diese Anerkennung für Training, Ausdauer und Gesundheit tut ihm so gut, dass er schlagartig aufsteht, wenn er nur daran denkt. Trotzdem haben sie beide, auch im dritten Jahr ihrer Beziehung, noch nicht den Entschluss gefasst, zusammenzuziehen. Auch seine Hemden und Socken werden von seiner Haushälterin gewaschen.

Paul ruft Erika schon auf dem Weg ins Büro an, um ihr zu sagen, dass Pascal Rach erstochen aufgefunden wurde. Er kann davon ausgehen – und so ist es auch – dass Frau Dr. Erika Laschelt (38) den Namen „Rach“ schon gehört hat. Denn der Freispruch für Pascal Rach vor etwa drei Jahren war auch eine Niederlage des Bundeskriminalamts. Der Fall Pascal Rach hatte die Wirtschaftsabteilung des BKA mehr als fünf Jahre beschäftigt, und jeder war sich sicher, dass der Betrüger für mindestens ein Jahrzehnt hinter Gitter wandern würde. Über 40 Millionen hatte Rach ahnungslosen Anlegern abgegaunert: Er hatte nämlich eine Website betrieben, die es Anlegern ermöglichen sollte, in aufstrebende „Start-ups“ zu investieren. „Beim nächsten Google dabei sein“ war der Werbespruch.

Allein, die vermeintlichen Start-up-Ideen standen nur auf dem Papier. Die sogenannten Gründer und Pascal Rach selbst zockten durch hohe Beratungs-, Provisions- und Lohnzahlungen die angelegten Gelder für sich ab. Über sieben Jahre betrieb Rach die Seite und das BKA fand heraus, dass mehr als 20 Millionen der eingesammelten 40 Millionen zu ihm direkt zurückgeflossen waren. Die vermeintlichen großen Ideen und die dazugehörigen Firmen gingen nach und nach insolvent, aber den Anlegern wurde weiter weisgemacht, dass dies eben Risikokapital sei und irgendwann schon der „große Google-Moment“ kommen würde.

Es hagelte schließlich doch aus ganz Deutschland Anzeigen von Leuten, denen das Modell suspekt war und die oft hunderttausende Euros investiert hatten. Die Wirtschaftsbetrug-Spezialisten beim Kriminalamt fanden schnell die Masche heraus, wie Rach als vermeintlicher Wirtschaftsförderer hauptsächlich sich selbst gefördert hatte, aber mit lautstarken Anwälten und rotzfrecher „Alles nicht ungesetzlich“-Argumentation kam es zu einem spektakulären Freispruch beim Landgericht Mannheim. Das Gericht in Mannheim ist bekannt dafür, dass man auch in eindeutigen Fällen von Vergewaltigung, Totschlag oder Betrug mit guten Anwälten und viel Geld auf einen Freispruch hoffen darf.

Bei so viel Chuzpe hatten im Fall Pascal Rach weder die Staatsanwaltschaft noch das Bundeskriminalamt Lust, in Revision zu gehen. Da aber Rach von Geschädigten weiterhin mit Zivilprozessen überzogen wurde, setzte er sich ab auf Ibiza. Er führte dort ein üppiges Luxusleben. Wie er das finanzierte, blieb allen auf der Insel ein Rätsel. Zwanzig ergaunerte Millionen sind zwar ein schönes Startkapital, aber auf Ibiza ist man damit nach kurzer Zeit ein armer Mann, wenn man nicht neue Geldquellen auftut. Also musste er wohl neues Geld eingesammelt haben. Wie und bei wem auch immer.

Lebe immer so, dass die Maxime deines Handelns auch als allgemeines Gesetz gelten kann. Oder zumindest so ähnlich.

3. Montag, am Morgen 8.15 Uhr

Paul Lincke geht direkt nach der Ankunft im großen BKA-Gebäude zum Chef der Abteilung „Ausland“, Dr. Lothar Hack. Ein feiner Kerl, ein Jurist wie alle im obersten Abteil des Bundeskriminalamts, immer korrekt gekleidet, jederzeit bereit, den Buddha, den Kanzler oder die Frau Ministerin zu treffen (was aber natürlich maximal dreimal im Jahr vorkommt, wenn Spezielles passiert und die Beziehungen zu einem Land davon betroffen werden. Der tote Rach gehört da noch nicht dazu…).

„Du hast es schon mitbekommen“, sagt Dr. Hack bei Pauls Eintreten. Die beiden Herren sind – die große Ausnahme im beruflichen Kollegenkreis von Dr. Hack – seit der Weihnachtsfeier 2022 per „du“.

„Ja, klar. Unser lieber Betrüger Rach auf Ibiza ermordet, meinst du, ich muss da hin?“

Dr. Hack macht ein Handzeichen, dass Paul sich setzen soll, und bittet seinen Assistenten, Kaffee zu bringen.

„Hmm, ja, du musst nicht. Du darfst. Und zwar sofort. Die Spanier haben schon angerufen. Sie fürchten, dass der Rach-Mord wie bei den Kessler-Zwillingen 2018 wieder eine touristische Saison kaputtmachen könnte. Und das nach den Pandemiejahren. Damals, 2018, hat Ibiza fast 500 000 deutsche Urlauber und nochmals die gleiche Zahl aus anderen Ländern verloren. Du hast sie vor dem Allerschlimmsten bewahrt, weil du die Sache in nur fünf Wochen geklärt hattest…“

„Naja, nicht ich allein. Roberto Ruiz und die spanischen Kollegen waren da wirklich große Klasse…“, wirft Paul ein, fühlt sich aber geschmeichelt von den Worten seines Chefs.

Der Fahrer zum Flughafen, wo ein BKA-Flieger nach Ibiza wartet, steht schon vor der Tür des Chefbüros.

Der Zwillingsmord auf Ibiza

Die Ermordung der Kessler-Buben, Zwillingen aus Göttingen, gerade 18 Jahre alt und auf Abschlussreise nach dem Abitur, hatte 2018 europaweit für Schlagzeilen gesorgt. Beide – die sich im Aussehen völlig glichen – waren mit ihrer Abi-Klasse im Ferienclub Punta Arabi in Es Canar, einem Touristenspot bei Santa Eulària und Heimat des Hippiemarkts, gewesen, und wurden dort, beziehungsweise am Strand des Clubs, regelrecht hingerichtet. Offensichtlich gezielt. Harmlose Abiturienten, nie aufgefallen, völlig brave Bürgersöhne, der Vater Chirurg in Heidelberg, die Mutter Psychologin.

Die Insel, aber auch ganz Deutschland und Europa, standen Kopf. Es hagelte Reisestornierungen für die eben angelaufene Saison; am Ende dieses Jahres kamen statt den üblichen 600 000 deutschen Touristen gerade mal Hunderttausend, und das auch nur, weil Paul und die spanischen Kollegen den Fall so schnell geklärt hatten und wenigstens im August und September wieder Champagner und Kaviar und Partys angesagt waren. Jeder deutsche Urlauber weniger bedeutet für die Insel 2500 € weniger Einnahmen. Allein von Deutschen fehlte also schließlich fast eine Milliarde in der Kasse; dazu die Stornierungen aus ganz Europa, nochmal eine Milliarde… die Inselchefs tobten.

Was war geschehen mit den Kessler-Buben? Eine unglückliche Verkettung von Umständen: Berti, der eine der beiden Zwillinge, war an einem Freitagabend mit anderen Abiturienten nicht im Club Punta Arabi geblieben, sondern ins Amnesia – der angesagtesten Disco der Insel zu dieser Zeit – gefahren. Sein Bruder Bart hatte einen Ferienflirt aufgetan, der am nächsten Morgen nach Hause flog, und deshalb wollten die zwei Turteltäubchen die letzte Nacht für sich haben. Morgens um fünf (all das hat Paul Lincke später rekonstruiert) war Berti – etwas angetrunken – auf der Suche nach einer Toilette im Amnesia durch einen Notausgang ins Freie gestolpert und wurde unfreiwilliger Zeuge eines Bandenmordes.

Der Drogenhandel auf Ibiza war zu dieser Zeit (immer noch?) in den Händen von einer libanesisch-palästinensischen Großfamilie und einem Clan aus Libyen. Es kam wohl in den Tagen zuvor zu einem Streit über die Gebietshoheit rund um das Amnesia. Zwei Verhandlungsführer der Clans sollten sich auf dem hinteren Parkplatz des Amnesia, dort, wo auch das Geschäft zwischen den Großhändlern und den Zwischenhändlern sonst ablief, friedlich verhandelnd treffen. So war es telefonisch abgesprochen. Das war allerdings nicht der Plan des einen der beiden Unterhändler, einem Cousin des libyschen Clanchefs. Er erschoss sein Date aus dem Libanon, ehe große Worte gewechselt waren. Alles ganz ruhig, weil mit Schalldämpfer. Aber Berti lief gerade in diesem Moment die Notausstiegstreppe hinunter, sah natürlich, dass da irgendetwas los war, sah einen Mann zusammensinken und sah vor allem direkt in das Gesicht des Täters. Dieser wollte reflexartig auch auf Berti zielen, aber der war sofort verwirrt umgekehrt und wieder in der Disco verschwunden.

Jorge, die Ratte, der Killer des Clans der Libyer, wurde aus Denia mit der Schnellfähre schon am frühen Morgen des gleichen Tages nach Ibiza beordert. Er wurde unverzüglich beauftragt, den Zeugen zu beseitigen. Und Jorge, die Ratte, ließ sich von den Discoleuten, noch bevor die Polizei es tat, die Überwachungsvideos der Kameras im Tatortbereich geben. Der Polizei wurde zunächst erzählt, hinter der Disco gäbe es keine Kameras. Jorge, die Ratte, sah auf den Bildern, wie der Schüler aus dem Ausgang trat, kurz entsetzt die Mordszene registrierte und sofort wieder zurück floh. Und vielleicht könnten Berti und sein Zwillingsbruder noch leben, hätte Berti nicht ausgerechnet an diesem Abend im Amnesia ein T-Shirt vom Club Punta Arabi mit großer Aufschrift „Fast lane, Club Punta Arabi“ getragen.

Tja wenn man kein Glück hat, dann kommt das Pech dazu.

Jorge, platzierte sich am Nachmittag in einem Abbruchhaus vor dem Eingang des Clubs Punta Arabi in Es Canar und wartete. Und tatsächlich, schon nach zwei Stunden kam Berti aus dem Punta Arabi und lief Richtung Strand, der 500 Meter entfernt war. Aber es kam nicht ein Berti, es kamen zwei Bertis…. Jorge, die Ratte, konnte wie sein namensgebendes Tier nur eindimensional denken. Wenn da zwei gleich aussehen, und ich einen Zeugen killen muss, ist es besser, wenn ich beide, die gleich aussehen, ausschalte. Er zielte aus 250 Metern Entfernung auf die beiden Kinder, nachdem diese am Strand eine Liege bezogen hatten. Die Schüsse waren wohl platziert, wie man es von einem Sniper, der in der Spezialeinheit der spanischen Fremdenlegion gelernt hat, erwarten muss.

So kam es zu dem Zwillingsmord im späten Mai 2018. Da es deutsche Opfer waren, schickte das BKA Paul Lincke nach Absprache mit den spanischen Kollegen auf die Insel und Paul merkte schnell, dass es für Ibiza bei diesem Fall nicht um verlorene Menschenleben, sondern schlicht um verlorenen Mammon ging. Und dass auf so einer Insel jeder der Einheimischen mit jedem verstrickt war. Tote deutsche Zwillinge waren egal, aber zahlende deutsche Touristen ganz und gar nicht.

Die Politiker auf Ibiza sind alle gleichzeitig Hotel- oder Clubbesitzer, Restaurantinhaber, Landeigentümer, Autovermieter, Bootsverleiher, Partyland- Betreiber, Gewerkschafter. Irgendwo gehören allen Entscheidungsträgern Anteile an irgendetwas. Und der Patron und damalige Regierungschef der Insel hält Anteile an den großen Hotels und an einem der drei Unterhaltungs-Konzerne, welche die Insel dominieren. Zudem besitzt er die größte Bank der Insel, die stolz seinen Namen trägt.

So erregte der Mord an dem Drogenhändler zuvor kein bisschen Aufsehen. Es musste unauffällig bleiben, und das blieb es auch. Die Leiche war schnell abtransportiert und die Policia Nacional, zuständig für Kapitalverbrechen, wusste natürlich, dass es sich hier um eine Abrechnung unter Clans handelte. Wenn sich das Gesindel selbst erledigt, warum eigentlich nicht?

Aber der Mord an zwei Touristen, dann auch noch Zwillingen, dann auch noch Deutsche, zu allem Überfluss jung und genau die touristische Zielgruppe, direkt am Strand, während die Jungs sich sonnten… Da musste der Kopf des Täters auf demhöchsten Berg Europas ausgestellt werden. „Seht her, auf Ibiza gibt es keine Verbrechen an Touristen. Und wenn doch: Dann war es das letzte Mal. Ihr könnt wieder alle kommen, ihr könnt Champagner in den Beachclubs versprühen und eure Mädels auf die Yachten führen. Kommt, kommt, – gebt uns euer schönes Geld, egal, wie ihr die Kohle gemacht habt.“

Paul Lincke traf im Café Mar y Sol damals auf den Kollegen Roberto Ruiz, einen soliden, kreativen Beamten aus Galicien, dessen erste Station als Chef einer Polizeieinheit die Policia Nacional de Ibiza ist. Sie ist für Drogen, schweren Raub und Kapitalverbrechen zuständig. Für alles andere gibt’s die pfiffigen Kollegen der Guardia Civil.

Roberto lebte schon sechs Jahre auf der Insel; lange genug, um Paul die Strukturen und Machtverhältnisse erklären zu können. Wie immer auf Inseln haben auch hier wenige, alteingesessene Familien das Sagen. Ihnen gehören die Bereiche Bauwesen, Banken, Energie- und Wasserversorgung sowie – auf Ibiza besonders wichtig – Abendunterhaltung und Hotels. Alles war gut aufgeteilt und lief reibungslos. Mit den dunklen Seiten aber – Drogen, Prostitution, Glücksspiel, illegaler Autoverleih etc. – wollten die Inselfamilien weniger zu tun haben. Sie wussten natürlich, dass es dies alles auf Ibiza braucht, aber das sollten dann doch „Fremde“ besorgen.

Es entwickelten sich unter ihren Augen durch die „bösen“ Fremden prächtige Drogen- und Sexgeschäfte mit den Touristen. Die Abnehmer waren in den 60er Jahren die ersten Hippies und Aussteiger aus Zentraleuropa, in den 70er Jahren dann ganze Gruppen von Blumenkindern aus aller Welt, in den 80ern die ersten Pauschalgäste mit Halbpension, in den 90ern die ersten bürgerlichen Ferienhausbesitzer und seit den Jahren des neuen Jahrtausends kommt der Geldadel aus der ganzen Welt.