Ohne Gnade - Scott Bergstrom - E-Book

Ohne Gnade E-Book

Scott Bergstrom

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Beschreibung

Ein Buch wie ein Blockbuster: Scott Bergstroms erster Roman erscheint in 20 Ländern und wird in Hollywood verfilmt – von Kinohit-Produzent Jerry Bruckheimer («Fluch der Karibik», «Armageddon»). Vor zehn Jahren wurde Gwens Mutter ermordet, nur ihren Vater hat sie noch. Doch kurz nachdem er zu einer Geschäftsreise nach Paris aufgebrochen ist, stehen zwei Unbekannte vor Gwens Tür und erzählen eine unglaubliche Geschichte: Ihr Vater ist eigentlich CIA-Agent – und bei einem Einsatz spurlos verschwunden. Wurde er entführt? Wollte er dem Geheimdienst den Rücken kehren? Als die Ermittlungen eingestellt werden, macht Gwen sich selbst auf die Suche. Eine gefährliche Reise über mehrere Kontinente beginnt, immer dem Zentrum der Gefahr entgegen. Und Gwen erkennt: Wenn man seine Gegner besiegen will, muss man mindestens so hart und grausam werden wie sie!

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Seitenzahl: 538

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Scott Bergstrom

Ohne Gnade

Thriller

Aus dem Englischen von Christiane Steen

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Was tust du, wenn man dir das Liebste nimmt? Und du erfährst, dass dein Leben eine Lüge war?

 

Zehn Jahre ist es her, seit ihre Mutter ermordet wurde. Wie immer verbringt Gwen den Todestag mit ihrem Vater. Danach reist er geschäftlich nach Paris. Tags darauf stehen zwei Unbekannte vor Gwens Tür und erzählen eine unglaubliche Geschichte: Ihr Vater ist eigentlich CIA-Agent. Und bei einem Einsatz spurlos verschwunden. Wurde er entführt? Wollte er dem Geheimdienst den Rücken kehren? Die CIA stellt die Ermittlungen ein.

Gwen hat eine einzige Spur: Den Namen eines Kontaktmanns in Paris. Von dort führt ihr Weg zu einem internationalen Netzwerk aus Waffenschiebern, Drogendealern und Menschenhändlern. Und Gwen erkennt: Wenn sie in dieser Welt überleben will, muss sie so hart und grausam werden wie die, die ihren Vater in ihrer Gewalt haben.

Über Scott Bergstrom

Scott Bergstrom arbeitete jahrelang als Texter und Creative Director in einer der größten und renommiertesten Werbeagenturen in Manhattan und entwickelte Print-, Fernseh- und Onlinekampagnen für namhafte Firmen wie Ford, Boeing, Chase sowie für das Auswärtige Amt der USA.

Bergstroms Essays und Artikel über Architektur und urbanes Leben wurden in den USA und Europa breit publiziert. Sein Interesse gilt besonders den vernachlässigten Gegenden beliebter Touristenmetropolen – die er in «Ohne Gnade» düster und anschaulich beschreibt.

Für Jana,

die Furchtlose

«Ein Grund dafür, warum Erwachsene in den Augen von Kindern so hässlich sind, ist, dass das Kind normalerweise von unten zu ihnen aufsieht, und es gibt nur wenige Gesichter, die von unten betrachtet schön aussehen.»

 

George Orwell

1. Kapitel

Die Jungen warten jetzt gespannt auf die Hinrichtung. Sie sitzen ganz verzückt da, gierig wie Schakale, und warten darauf, dass das Beil fällt. Hätten sie sich die Mühe gemacht, das Buch zu lesen, dann wüssten sie, dass es keine Hinrichtung gibt. Das Buch bricht einfach ab. Wie ein Film, der vor der letzten Szene ausgeschaltet wird. Oder wie das Leben. Man sieht das Beil fast nie kommen – das Beil, das einen selbst erwischt. Unser Lehrer Mr. Lawrence liest die Worte langsam vor, streicht dabei über diesen scheußlichen kleinen Fleck von einem Bart unter seinem Mund und geht auf und ab, immer auf und ab. Das leise Klacken seiner Schritte auf dem Linoleum – Hacke, Spitze, Hacke, Spitze – klingt, als schliche er sich von hinten an die Worte heran. «Als hätte dieser große Zorn mich von allem Übel gereinigt und mir alle Hoffnung genommen, wurde ich angesichts dieser Nacht voller Zeichen und Sterne zum ersten Mal empfänglich für die zärtliche Gleichgültigkeit der Welt.»

Die Füße bleiben vor dem Tisch von Luke Bontemps stehen, und Mr. Lawrence klopft ihm mit dem Buchrücken auf den Kopf. Luke tippt gerade auf seinem Handy herum und versucht es jetzt, unter seiner Jacke zu verstecken.

«Legen Sie das Handy in Ihre Tasche, oder ich nehme es Ihnen weg», sagt Mr. Lawrence.

Das Handy verschwindet in Lukes Tasche.

«Worüber spricht Camus Ihrer Meinung nach hier?»

Luke lächelt dieses Lächeln, das ihn schon sein Leben lang aus jedem Schlamassel gerettet hat. Armer Luke, denke ich. Hübscher, nutzloser, dummer Luke. Ich habe gehört, sein Ururgroßvater hätte im Ersten Weltkrieg ein Vermögen damit gemacht, Öl an die Deutschen und Stahl an die Engländer zu verkaufen, und seitdem muss in seiner Familie keiner mehr arbeiten. Er wird es auch nicht tun müssen, warum sollte er also Camus lesen?

«Die zärtliche Gleichgültigkeit der Welt», wiederholt Mr. Lawrence. «Was, glauben Sie, ist damit gemeint?»

Luke atmet tief durch. Ich kann beinahe hören, wie sich in seinem Hirn unter den schönen Haaren quiekend das Mühlrad dreht.

«Zärtlich», sagt Luke. «Eine Mutter kann zärtlich sein. Vielleicht will Camus uns sagen, dass die Welt eine Mutter ist?»

Achtundzwanzig der neunundzwanzig Schüler in der Klasse lachen, auch Luke. Ich bin die Einzige, die nicht lacht. Ich habe «Der Fremde» schon mit vierzehn gelesen. Allerdings im Original, auf Französisch, und als Mr. Lawrence die englische Übersetzung davon auf die Literaturliste gesetzt hat, wollte ich es nicht noch mal lesen. Es handelt von einem Typen namens Meursault, dessen Mutter stirbt. Dann bringt er einen Araber um und wird zum Tode verurteilt. Sein Kopf soll ihm öffentlich abgeschlagen werden. Damit endet die Geschichte. Camus beschreibt die Hinrichtung nicht.

Ich schaue wieder aus dem Fenster, gegen das immer noch der Regen prasselt. Sein Rhythmus schläfert die Klasse langsam wieder ein. Hinter der Scheibe kann ich die Umrisse der Gebäude auf der 63. Straße sehen. Die Silhouetten wirken durch die Tropfen auf dem Glas unscharf und formlos, mehr wie eine Erinnerung an Gebäude.

Auch wenn wir gerade über das Ende von «Der Fremde» sprechen, sind es die ersten Sätze des Buches, die mir immer im Gedächtnis bleiben werden. Aujourd’hui, maman est mort. Ou peut-être hier, je ne sais pas. Das bedeutet: Heute ist Mutter gestorben. Oder vielleicht gestern, ich weiß es nicht.

Aber ich weiß es. Ich weiß genau, wann Mom gestorben ist. Heute ist es genau zehn Jahre her. Ich war damals erst sieben, und ich war dabei, als es passierte. Die Erinnerung daran kommt hin und wieder in einzelnen Bildern zu mir zurück, aber immer nur in kurzen Schnappschüssen. Ich kann fast nie die gesamte Erinnerung daran von vorn bis hinten abspielen. Der Psychologe, zu dem ich gegangen bin, hat gesagt, das sei ganz normal, und mit der Zeit werde es leichter für mich. Aber das stimmt nicht.

«Wie lautet Ihre Einschätzung, Gwendolyn?», fragt Mr. Lawrence.

Ich höre seine Stimme. Ich verstehe sogar seine Frage. Aber ich bin in Gedanken zu weit weg, um ihm zu antworten. Ich sitze auf dem Rücksitz des alten Honda, die Augen halb geschlossen, den Kopf an die kühle Fensterscheibe gelehnt. Das Schwanken des Autos, das über den Feldweg durch die Vororte von Algier fährt, lullt mich in den Schlaf. Dann spüre ich, dass wir langsamer fahren, und ich höre meine Mutter aufkeuchen. Ich öffne die Augen, blicke aus dem Fenster und sehe Feuer.

«Gwendolyn Bloom! Erde an Gwendolyn Bloom!»

Ich kehre in die Gegenwart zurück. Mr. Lawrence hält die Hände wie ein Megaphon an seinen Mund. «Erde an Gwendolyn Bloom!», sagt er noch einmal. «Können Sie uns sagen, was Camus mit der ‹zärtlichen Gleichgültigkeit der Welt› meint?»

Auch wenn ein Teil von mir immer noch hinten im Honda sitzt, fange ich an zu reden. Es ist eine lange Antwort und, wie ich finde, eine gute. Doch Mr. Lawrence sieht mich mit leichtem Grinsen an, und erst nachdem ich ungefähr zwanzig Sekunden lang geredet habe, merke ich, dass alle lachen.

«Auf Englisch, bitte», sagt Mr. Lawrence und sieht sich mit hochgezogenen Augenbrauen in der Klasse um.

«Tut mir leid», sage ich leise, zupfe am Rock meiner Schuluniform und klemme mir eine Strähne meiner feuerroten Haare hinter das Ohr. «Wie bitte?»

«Sie haben Französisch geredet, Gwendolyn», sagt Mr. Lawrence.

«Sorry. Ich muss … an etwas anderes gedacht haben.»

«Sie sollen jetzt aber an die zärtliche Gleichgültigkeit der Welt denken», sagt er.

«Gott, was für eine überhebliche Angeberin», sagt eines der Mädchen hinter mir.

Ich drehe mich um und sehe Astrid Foogle, die jetzt auch noch effektvoll die Augen verdreht. Sie ist siebzehn wie ich, sieht aber aus wie einundzwanzig. Ihrem Vater gehört eine Fluglinie.

«Das reicht, Astrid», sagt Mr. Lawrence.

Aber ich starre sie weiter an, durchbohre sie mit meinen Blicken. Astrid Foogle, deren Ohrringe mehr kosten als die gesamte Einrichtung in unserer Wohnung, nennt mich eine überhebliche Angeberin?

Astrid lässt sich nicht bremsen. «Ich meine, die kommt Anfang des Jahres von wer-weiß-woher und glaubt, sie steht über allem, und jetzt, huch!, spricht sie auch noch Französisch, nicht so wie wir dummen Amerikaner. Seht doch mal, wie gebildet sie ist, die Königin der Wohnwagensiedlung!»

«Hören Sie sofort auf damit, Astrid», unterbricht sie Mr. Lawrence.

Ein paar der Schüler nicken Astrid zustimmend zu, ein paar andere lachen. Ich spüre, wie ich anfange zu zittern, und mein Gesicht wird heiß. Mit meiner ganzen Willenskraft versuche ich, diese Reaktion zu verhindern, aber es gelingt mir nicht. Warum muss Wut immer so aussehen wie Scham?

Der Typ neben Astrid, Connor Monroe, lehnt sich in seinem Stuhl zurück und grinst. «Check das mal, jetzt heult sie.»

Was nicht stimmt, aber jetzt, wo er es gesagt hat, ist es in den Köpfen der anderen schon so gut wie wahr. Lolololol gwenny bloom heult in Literatur #überheblicheangeberin #212justice

Die Schulglocke klingelt, und sofort drängeln sich alle wie die Pawlow’schen Hunde zur Tür. In dem erbärmlichen Versuch, die Ordnung wiederherzustellen, hält Mr. Lawrence sein Buch hoch und ruft: «Morgen gleiche Stelle, gleicher Ort!» Dann dreht er sich zu mir um. «Und Sie sind als Erste dran, Bloom. Sie haben die ganze Nacht Zeit, um über die zärtliche Gleichgültigkeit der Welt zu meditieren, also liefern Sie mir etwas Brauchbares. Und zwar auf Englisch, por favor.»

Ich nicke und sammle meine Sachen zusammen. Draußen vor dem Klassenzimmer steht Astrid Foogle an ihrem Schließfach, wie immer umringt von ihrem Hofstaat. Sie macht mich gerade nach, hält einen Monolog in fehlerhaftem Französisch, zieht die Schultern hoch und drückt dabei ihre Nase mit dem Zeigefinger in die Luft.

Ich senke den Blick und schlängle mich an ihr und ihren Freundinnen vorbei, um an mein eigenes Fach zu kommen. Aber offenbar hat Astrid mich gesehen, denn plötzlich schweigen alle, und ich höre, wie die Absätze ihrer Schuhe – das sind Prada-Pumps, du Kuh! – auf mich zuklackern, das Gefolge direkt hinter ihr.

«Hey, Gwenny», fängt sie an. «Ich hab mal eine Übersetzungsfrage an dich. Wie sagt man ‹Selbstmord ist keine Lösung› auf Französisch?»

Ich ignoriere sie und gehe weiter, hoffe auf einen plötzlichen Schlaganfall – der sie trifft oder mich, das ist mir egal. Die Hitze strahlt mir vom Gesicht, mein Ärger wird zu Wut und dann zu irgendwas, was noch stärker ist als Wut. Ich kann mir nur so ungefähr vorstellen, wie das aussieht. Ich verschränke meine zitternden Arme vor der Brust.

«Ernsthaft», redet Astrid weiter, «denn jemand wie du muss doch immer mal wieder an Selbstmord denken. Ich meine, das ist ja nur natürlich, stimmt’s? Also, s’il vous plaît, wie sagt man das, Gwenny? En français?»

Ich wirble herum, und die Worte schießen aus meinem Mund. «Va te faire foutre.»

Astrid bleibt stehen, und eine halbe Sekunde lang – nein, weniger – huscht etwas wie Angst über ihr Gesicht. Doch dann erinnert sie sich wieder daran, wo sie ist, nämlich in ihrem Königreich, umgeben von ihrem Gefolge, und die alte Astrid ist wieder da. Sie zieht ihre hübsch gezupften Augenbrauen hoch.

Eine ihrer Freundinnen, Chelsea Buchman, lächelt. «Astrid, sie hat dir gerade gesagt, du sollst dich ficken gehen.»

Astrids Mund öffnet sich zu einem O, und ich höre sie aufkeuchen. «Du kleines Stück Dreck», zischt sie und macht einen Schritt auf mich zu.

Ich sehe den Schlag, noch während ihre Hand in der Luft ist. Ich sehe ihn, aber trotzdem tue ich nichts, um ihn aufzuhalten. Stattdessen ducke ich mich, ziehe den Kopf in den Hals und den Hals in die Schultern. Es ist ein harter Schlag – Astrid meint es ernst –, und mein Kopf fliegt unter seiner Wucht zur Seite. Einer ihrer Fingernägel kratzt mir über die Wange.

Eine Menschenmenge formiert sich. Ich sehe die grinsenden Gesichter von Luke Bontemps und Connor Monroe und vielleicht einem Dutzend anderer Schüler, die mit aufgerissenen Augen herstarren, weniger vor Schreck als vor Begeisterung. Das hier ist für sie willkommene Unterhaltung. Mir fällt auf, dass Astrid mich nicht geboxt, nicht getreten, nicht an den Haaren gerissen hat. Sie hat mir in aller Ruhe und zielgerichtet eine runtergehauen, wie die Upperclass-Lady ihrem Zimmermädchen.

Statt zurückzuschlagen – und wem will ich hier eigentlich was vormachen, Gwendolyn Bloom würde nie zurückschlagen –, schließe ich die Augen. Die Scham fühlt sich an wie der Wind, den ich aus der Sahara kenne, heiß und hart, und er wird tagelang anhalten. Die Stimme eines Erwachsenen fordert alle auf weiterzugehen, und als ich die Augen aufschlage, steht da ein Lehrer mittleren Alters, dessen Namen ich nicht kenne, die Hände in den Taschen seiner Khakis. Sein Blick wandert von Astrid zu mir und wieder zurück.

«Was ist passiert?», fragt er Astrid.

«Sie hat gesagt – ich kann das Wort nicht aussprechen. Es war ein Schimpfwort. Ich soll mich f-en gehen», erklärt sie mit sittsam verletztem Tonfall.

«Stimmt das?», will er wissen und sieht mich an.

Ich öffne den Mund und will sie wegen ihrer Ohrfeige verpetzen. «Ja, das stimmt», sage ich stattdessen.

– – –

«L’Etranger», der Titel des Buches, das wir im Kurs «Literatur der Welt» lesen, wird normalerweise mit «Der Fremde» übersetzt. Aber es könnte ebenso gut «Der Außenseiter» oder «Der Ausländer» heißen. Und all das bin ich – Fremde, Außenseiterin, Ausländerin. Offiziell bin ich Amerikanerin. Das steht jedenfalls in meinem Pass. Aber ich bin nicht hier geboren, und als ich Anfang September in die 11. Klasse kam, war ich insgesamt erst seit achtzehn Monaten in den USA gewesen, nachdem meine Mutter getötet worden war. Wir – mein Dad und ich – sind zuletzt nach New York gekommen, weil er eine Stelle bei der UN angenommen hat, was nicht weit von meiner Schule liegt, der Danton Academy.

Dad hätte sich nie im Leben eine Schule wie Danton leisten können. Aber er arbeitet als Diplomat im Auswärtigen Amt, und einer der Vorteile, die man als Diplomatenkind so hat, sind Privatschulen. Je nachdem, wo auf der Welt man gerade lebt, kann diese Privatschule die einzige gute Schule im Umkreis von Tausenden von Meilen sein, und dann sitzt man in einer Klasse mit dem Sohn oder der Tochter des Präsidenten oder Königs oder des miesen Diktators dieses Landes. Das ist mir schon mal passiert. Dieser Arschloch-Sohn von einem Arschloch-Präsidenten saß in Mathe direkt neben mir. Er trug Schuhe, die für ihn persönlich in Wien angefertigt worden waren und fünfhundert Dollar pro Paar kosteten, während die Kinder auf den Straßen direkt hinter den Stuckwänden der Schule verhungerten.

Nicht, dass es auf der Danton so viel besser wäre. Die Schüler hier sind ebenso die Kinder von Präsidenten oder Königen oder Diktatoren – allerdings von Firmen statt von Ländern. Die meisten in meiner Klasse waren schon immer reich und haben nur dann Kontakt zu armen Leuten, wenn irgendein ausländisches Kind ihnen die Einkäufe oder ihre Sachen aus der Reinigung bringt. Dad könnte überall auf der Welt ein anständiges Leben führen, aber in den Augen der Kids auf der Danton sind wir praktisch mittellos.

Ich sitze auf der Bank vor dem Büro der stellvertretenden Direktorin und zupfe an meinem Rock herum – Gott, wie ich Röcke hasse! –, zerre am Saum, damit er tiefer über meine schwarze Strumpfhose fällt, streiche kleine Falten glatt. Die Uniform soll uns gleichstellen, schätze ich, aber für Schuhe gibt es keine Vorschriften. Und so werden Reichtum und Stammeszugehörigkeiten über die Füße zur Schau gestellt: Prada-Pumps und Gucci-Slipper für altes Geld gegen Louboutin-Ballerinas und Miu-Miu-Sneaker für neues Geld. Ich gehöre dem unwichtigen Doc-Martens-Stamm an, der nur zwei Mitglieder hat. Meine Stiefel sind rot und ausgetreten, das andere Mitglied, ein schweigsamer Künstlersohn aus Downtown, der von den anderen deshalb toleriert wird, weil er eine zuverlässige Quelle für Adderall darstellt, trägt schwarz glänzende.

Nicht, dass es irgendeinen Unterschied machen würde, wenn ich plötzlich in Prada auftauchte. Ich sehe nicht aus wie eine Astrid Foogle. Ich bin zu groß und habe eine zu breite Taille, meine Nase ist zu rechteckig, mein Mund zu breit. Alles an mir ist zu irgendwas. Mein Dad und mein Arzt behaupten, ich sehe gut aus – sie sagen, das sind die Hormone oder die Muskeln von all den Jahren Kunstturnen. Jeder Mensch ist anders, übernimm nicht die Schönheitsdefinition von anderen, undsoweiter blabla. Es ist ihr Job, solche Dinge zu sagen. Also färbe ich mir die Haare mit der allerbesten Drogeriemarkt-Hausmarke, schnüre meine Doc Martens und tue so, als wäre mir das alles egal.

Als die stellvertretende Schulleiterin aus ihrem Büro kommt, lächelt sie mich sofort mit diesem aufgesetzt-besorgten Lächeln an. Sie heißt Mrs. Wasserman, und um sie herum wabert immer eine Wolke aus Parfüm und süßlichem Glück, als erwarte sie jede Sekunde, dass ein Disney-Rotkehlchen aus dem Himmel herunterflattert und auf ihrem Finger landet.

«Und, wie geht es uns heute?», fragt sie, während wir in ihr Büro gehen.

Ich zucke die Achseln und sinke in einen blutroten Ledersessel.

Mrs. Wasserman legt die Fingerspitzen vor sich aneinander und signalisiert mir damit, dass wir jetzt zum Geschäftlichen kommen. «Ich habe gehört, dass es ein unangemessenes Zusammentreffen zwischen Ihnen und einer Klassenkameradin gab.»

Ich muss mich zusammenreißen, um bei ihrem euphemistischen Schwachsinn nicht die Augen zu verdrehen. Tatsache ist, dass 95 Prozent der Schüler hier aus sehr reichen und sehr weißen Familien stammen. Die fünf Prozent, die es nicht tun, haben entweder ein Stipendium, oder ihre Eltern arbeiten bei der UN. Die anderen mögen uns Fünfprozenter nicht, wie man uns nennt, aber wir helfen Leuten wie Mrs. Wasserman, so zu tun, als wäre die Danton Academy keine Elite-Bitch-Fabrik.

Sie schlägt eine Akte auf. «Werden Sie Gwen oder Gwendolyn genannt, Liebes?»

«Gwendolyn», sage ich. «Nur mein Dad nennt mich Gwen.»

«Also, Gwendolyn», sagt Mrs. Wasserman mit einem kekssüßen Lächeln. «Sie sind eine gute Schülern. Und stimmt es, Gwendolyn – Sie haben die AP-Examen in, du meine Güte, fünf Sprachen abgelegt?»

«Wird wohl so sein. Wenn es da steht.»

«Ah, Ihr Stiefvater arbeitet für das Auswärtige Amt», redet sie weiter und liest wieder irgendwas in der Akte. «Es muss hart sein, alle paar Jahre umzuziehen. Immer wieder eine neue Stadt, ein neues Land.»

«Sie können einfach ‹Vater› sagen.»

«Wie bitte?»

«Er ist nicht mein Stiefvater. Er hat mich adoptiert, als er meine Mutter heiratete. Da war ich zwei Jahre alt.»

«Vater, ja. Wie Sie möchten.» Mrs. Wasserman schüttelt den Kopf und macht sich eine Notiz auf einen Zettel. «Nun, warum Sie hier sind: Danton ist ein sicherer Ort, Gwendolyn, und wir dulden kein beleidigendes Verhalten.»

«Genau. So steht es im Handbuch.»

«Das heißt, Beschimpfungen von Lehrern oder Schülern sind verboten. Indem Sie ein anderes Mädchen auf Französisch beleidigt haben, haben Sie gegen die Regeln verstoßen.»

«Astrid hat kein Wort davon verstanden, bis Chelsea Bunchman es ihr übersetzt hat.»

«Der Punkt ist, dass Sie etwas Verletzendes gesagt haben, Gwendolyn. Ob auf Französisch oder Suaheli, spielt keine Rolle.»

«Es spielt eine Rolle, wenn sie es nicht versteht.»

«Das ist bloß Semantik», sagt sie. «Kennen Sie dieses Wort, Semantik?»

«Das ist die Lehre von der Bedeutung des Wortes. Und genau darum geht es mir ja.»

Ich sehe, wie sich ihre Gesichtsmuskeln anspannen. Sie nimmt einen Stift und hält ihn so fest in der Hand, dass er bestimmt gleich bricht. «Ich sehe hier in der Akte, dass heute der Todestag Ihrer Mutter ist. Das tut mir sehr leid», sagt Mrs. Wasserman sanft. Ich merke, dass sie diese Tatsache verunsichert und sie nicht weiß, wie sie jetzt mit mir umgehen soll. Soll sie das Mädchen wegen des unangemessenen Zusammentreffens am Todestag seiner Mutter bestrafen?

Mrs. Wasserman hüstelt in ihre Hand, dann fährt sie fort. «Die übliche Strafe für die Beleidigung von Mitschülern ist der Schulverweis für einen Tag. Doch unter diesen Umständen bin ich gewillt, eine schriftliche Entschuldigung an Miss Foogle gelten zu lassen.»

«Sie wollen, dass ich mich bei Astrid entschuldige.»

«Ja, Liebes.»

Es ist eine einfache Wahl. Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück und versuche zu lächeln. «Nein danke», sage ich. «Ich nehme den Verweis.»

– – –

Es regnet immer noch, kalter Regen, der später vielleicht in Schnee umschlägt. Der März in diesem Jahr ist mies – kein Sonnenschein und nicht mal eine Andeutung von Frühling. Der Himmel hat jeden Tag die Farbe von Stahl, und dazu kommt der Gestank von New Yorks Müllsuppe, die durch die Gullys läuft. Schwarze SUVs reihen sich am Bürgersteig – die Schulbus-Version der Danton Academy. Die reichen Kinder nehmen diese privaten Minibusse, die sie am Ende des Schultages abholen, damit sie nicht den unwürdigen Heimweg zu Fuß oder mit der U-Bahn ertragen müssen.

Ich gehe die paar Blocks zum Bahnhof. Ich habe keinen Schirm dabei, also ziehe ich mir die Kapuze meiner alten Armeejacke über den Kopf. Die Jacke hat mal meiner Mom gehört, als sie noch Leutnantin war – lange, bevor ich geboren wurde. Als Dad und ich vor ein paar Jahren umgezogen sind – vielleicht von Dubai nach Moskau, wo wir zuletzt waren –, habe ich sie in einer Umzugskiste gefunden. Dad hatte Tränen in den Augen, als ich sie anzog, also zog ich sie wieder aus. Aber dann meinte er, die Jacke würde mir gut stehen und ich könnte sie haben, wenn ich wollte.

Meine Mom. Den ganzen Tag habe ich versucht, dieses Thema zu vermeiden, und es ist mir auch ziemlich gut gelungen, bis zum Literaturkurs. Es ist schwer, nicht daran zu denken, wenn man eine Stunde lang über die algerische Justiz spricht.

Der Regen klatscht mir ins Gesicht und beruhigt mich. Vor dem Bahnhof auf der Lexington sucht ein Typ mit einer schwarzgrünen Kufiya um den Hals Schutz unter dem Vordach seines Gyroswagens. Ich bestelle mir auf Arabisch etwas zu essen – ein Gyros mit allem Drum und Dran, sage ich zu ihm, und nicht am Lammfleisch sparen.

Er sieht mich mit überraschtem Lächeln an, und ich überlege schon, ob er mich verstanden hat. Mein Arabisch ist total eingerostet und eher formell, so redet man eigentlich nur im Fernsehen.

«Bist du Ägypterin?», fragt er, während er eine Zange nimmt und anfängt, das Lammfleisch auf ein Pitabrot zu häufen.

«Nein», antworte ich. «Ich bin – von hier.»

Ich bekomme oft diese «Bist du …?»-Fragen gestellt. Meine Augen sind erdbraun, meine Haut dagegen ist wie eine helle, durchsichtige Hülle, die sich über etwas anderes spannt – wie Pauspapier über Messing, hat ein bekiffter Junge in der Moskauer U-Bahn mal gesagt, als er meinen nackten Arm im flimmernden Neonlicht betrachtete. Was ich genau bin, weiß ich selbst nicht. Meine Mom kann ich nicht mehr fragen, und der Vater, den ich Dad nenne, weil er das nach dem Gesetz und in jeder anderen Hinsicht auch ist, sagt, er weiß es nicht. Der Name meines biologischen Vaters steht nicht mal auf meiner Geburtsurkunde aus Landstuhl, dem amerikanischen Militärkrankenhaus in Deutschland, in dem ich geboren bin.

«Hier, meine Spezialportion für Kleopatra», sagt der Mann, wirft noch ein paar Zwiebeln auf das Gyros und begießt das Ganze mit der bitteren weißen Soße, die ich so liebe, dass ich sie literweise trinken könnte.

Auf dem Bahnsteig stopfe ich mir das Gyros rein. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie hungrig ich bin. Vielleicht ist das meine Reaktion darauf, wie eine Bedienstete geohrfeigt zu werden. Ich warte auf die Linie N oder Q nach Queens. Hoffentlich kommt die Bahn jetzt gleich. Hoffentlich kommt sie, damit ich einen physischen Abstand zwischen mich und diese Insel und die Erinnerungen bringen kann, die Camus in mir geweckt hat.

In diesem Moment bleibt die Linie Q quietschend neben mir stehen. Ich werfe das durchweichte Einwickelpapier vom Gyros in einen Mülleimer und steige ein.

Die meisten Leute hassen die U-Bahn, aber ich nicht. Es ist seltsam und wundervoll, allein unter Hunderten von Menschen zu sein. Ich hole ein Buch aus meinem Rucksack und lehne mich gegen die Türen, und der Zug schießt durch den Tunnel unter dem Fluss in Richtung Queens. Es ist ein Roman mit einer Teenager-Heldin, der in einer dystopischen Zukunft spielt. Welcher Roman genau, spielt keine Rolle, denn sie sind alle gleich. Die arme Heldin muss in den Krieg ziehen, obwohl sie eigentlich viel lieber mit diesem wunderhübschen Jungen davonlaufen und von wilden Beeren und Liebe leben würde. Eine Papierwelt eben, in der es noch echte Helden gibt.

Der Zug rattert durch die Dunkelheit und quietscht und ruckelt hin und her, als würde er jeden Moment aus den Gleisen fliegen. Auf einmal kann ich der Geschichte nicht mehr folgen oder auch nur die Zeichen auf der Seite in Worte übertragen. Diesmal lässt mich die Erinnerung nicht los. Sie verlangt nach Aufmerksamkeit, genau wie die Ohrfeige von Astrid.

Heute ist Dads Geburtstag. Der schlimmste Tag für einen Geburtstag. Der schlimmste Tag, weil es sein Geburtstag ist. Denn deswegen ist es passiert, heute vor zehn Jahren. Weil wir vom Abendessen gekommen sind, das seine Arbeitskollegen für ihn in einem Restaurant in Algier gegeben hatten.

Ich muss doch daran denken, oder? Man wird krank davon, wenn man es immer nur unterdrückt, stimmt’s? Okay. Ich kämpfe nicht mehr dagegen an. Dann geh zurück. Durchleb es noch einmal, sage ich mir. Sei einmal mutig. Heute vor zehn Jahren.

Meine Mutter keucht auf, als wir um die Ecke biegen; das Geräusch weckt mein siebenjähriges Ich aus dem Schlaf. Ich gucke aus dem Fenster und sehe Feuer. Ich erkenne Gesichter im Feuerschein eines brennenden Polizeitransporters. Es sind Männer, ein Dutzend, zwanzig. Die meisten tragen Bärte, die meisten sind jung, ihre Haut leuchtet orange in den Flammen. Wir sind in irgendwas reingeraten, das uns nichts angeht. Ein Streit mit der Militärpolizei, den der Mob gewonnen hat. Doch die Männer mustern uns Neuankömmlinge neugierig, und sie spähen in die Fenster unseres Autos, versuchen, unsere Nationalität in unseren Gesichtern zu lesen.

Meine Mutter schreit Dad an, dass er zurücksetzen soll. Er drückt den Gang rein und schaut über seine Schulter und lässt den Motor aufheulen. Eine Sekunde lang schießt der Honda zurück, aber dann hält er wieder an. Da sind Leute, schreit Dad. Fahr sie um, schreit meine Mutter zurück.

Aber das tut er nicht. Oder vielleicht würde er es tun, aber er hat keine Gelegenheit mehr dazu, weil eine Glasflasche auf dem Autodach zerplatzt und auf der Fahrerseite flüssiges Feuer am Fenster herunterläuft. Das nennt sich Molotowcocktail, eine Flasche mit Benzin, in deren Hals ein brennender Lappen steckt. Die Handgranate des armen Mannes.

Wenn ein Molotowcocktail auf dem Autodach landet, muss man weiterfahren, so weit und schnell wie möglich, bis man aus der Gefahrenzone ist, so wird es Diplomaten beigebracht. Ein Auto brennt nicht so wie in den Filmen. Es explodiert nicht sofort. Das dauert seine Zeit. Und Zeit ist genau das, was man braucht, wenn man weiterleben will.

Doch die Menschenmenge kommt näher, und irgendwas passiert, irgendwas, weswegen der Motor absäuft. Dad versucht, das Auto wieder zu starten, aber es klappt nicht, der Motor springt einfach nicht an. Die Beifahrertür wird aufgerissen, und meine Mutter brüllt den Mann an, der sie geöffnet hat. Sie schreit nicht, sie brüllt, als ob es fürchterlich unhöflich wäre, ihr Auto in Brand zu setzen und die Tür aufzureißen, und bei Gott, sie würde gern den Anführer sprechen.

Ich sehe nicht, was als Nächstes passiert, weil Dad nach hinten greift und meinen Sicherheitsgurt löst. Er zieht mich wie eine Lumpenpuppe zu sich nach vorn. Ich erinnere mich daran, wie grob er ist, wie weh es tut, als er mich zwischen die Vordersitze zerrt. Er presst mich an seine Brust, als würde er mich ganz fest umarmen, und klettert durch dieselbe Tür wie meine Mom, durch die Tür, die nicht brennt.

Die Schläge der Knüppel und Stöcke regnen auf ihn herab. Ich spüre die Kraft der Schläge durch seinen ganzen Körper vibrieren. Er fängt sie für mich ab, jedenfalls die meisten. Drei oder vier Schläge landen auf meinen Beinen, die unter dem Arm meines Dads herausgucken. Ich will schreien, aber ich kann nicht, weil Dad mich so fest an seine Brust presst.

Er hört nicht auf zu rennen, bis er weit weg vom Mob ist. Ich baumle über seiner Schulter. Aus irgendeinem Grund dreht er sich um und rennt zurück. Dann höre ich nichts mehr, denn die Pistole, die er abfeuert, ist so laut. Es klingt, als wäre das Ende der Welt nur einen halben Meter von meinem Kopf entfernt. Meine Sicht verengt sich zu einem engen Tunnel, dann falle ich in Ohnmacht.

Vierzehn Stichwunden in Brust und Hals. Das ist die offizielle Todesursache meiner Mutter. So steht es im Autopsiebericht, und so hat Dad es mir gesagt, als ich alt genug war, ihn zu fragen. Da war ich neun, vielleicht zehn. Aber natürlich war da noch mehr. Was sie mit ihr machten, nachdem sie sie aus dem Auto gezerrt hatten, bevor sie sie ermordeten. Dinge, die Dad mir erzählen wird, wie er sagt, wenn ich älter bin. Ich habe ihn nie danach gefragt, und von selbst spricht er nicht darüber. Es ist vermutlich leichter für ihn, wenn er es nicht auszusprechen braucht, und für mich ist es vermutlich leichter, wenn ich es nicht hören muss.

Jetzt sind wir in Queens, und die U-Bahn schießt aus dem Tunnel hinaus ins Freie. Sie schlingert um eine Kurve, die Räder kreischen wie Dämonen, so laut, dass ich kaum einen Gedanken fassen kann. Ich klammere mich an die Stange über meinem Kopf, damit ich nicht umfalle. Die Bewegungen des Zuges rütteln mich hin und her. Dann wird er langsamer, die Räder kreischen auf den nassen Gleisen, und wir fahren in Queensboro Plaza ein. Wohin man auch sieht, überall stehen graue Industriegebäude und neue Apartment-Hochhäuser und hellerleuchtete Shops, in deren Fenstern Lottoscheine und Zigaretten und Bier angepriesen werden.

Als der Zug anhält, schultere ich meinen Rucksack und springe auf den Bahnsteig, lasse die Erinnerungen hinter mir herhumpeln. Auf der Treppe nehme ich zwei Stufen auf einmal, dann drei. Unten angekommen, schlängele ich mich an den Trödlern und alten Leuten vorbei, die einfach ewig brauchen, bis ich endlich durch das Drehkreuz durch bin. Auf dem Bürgersteig vor den Läden sitzen Typen, die mir hinterherpfeifen. Das gefällt ihnen: siebzehnjährige Beine unter einer Schuluniform.

Ich fange an zu laufen und höre gar nicht mehr damit auf. Ich schieße über eine Straße, ein gelbes Taxi muss mir ausweichen und hupt. Ich laufe, bis meine Lungen brennen und ich von Regen und Schweiß völlig durchweicht bin. Ich renne, bis die blinde Wut mich reingewaschen und von aller Hoffnung befreit hat. Und an diesem Nachmittag voller Neonschilder und Sterne bin ich zum ersten Mal empfänglich für die zärtliche Gleichgültigkeit der Welt.

2. Kapitel

Für den Bruchteil einer Sekunde wölbe ich mich in der Luft, schwerelos wie ein Pfeil, der nicht mehr im Bogen und noch nicht in seinem Ziel steckt. Ich wünschte, ich könnte immer so bleiben, losgelöst von der Erde, schwebend.

Doch die Schwerkraft lässt mich nicht. Sie zieht mich schonungslos und grob wie der dicke, dumme Magnet, der sie nun mal ist, aus meinem Handstandüberschlag rückwärts hinab. Aber ich bin zu schnell für sie, lasse nicht zu, dass sie es mir verdirbt. Meine Hände stoßen sich nur kurz am Schwebebalken ab. Das Holz ist mit einer dünnen Lederschicht bezogen, und wenn man nicht aufpasst, bricht man sich den Hals. Dann schnellen meine Beine wieder nach oben über meinen Körper, eins, zwei.

Wenn man auf den Händen steht, dreht sich alles um das Zentrum der Schwerkraft. Der Schwebebalken ist zehn Zentimeter breit, also hat man nicht wirklich viel Spielraum. Schon ein oder zwei verrutschte Zentimeter sind zu viel. Ein oder zwei Zentimeter entscheiden darüber, ob man bei den Olympischen Spielen die Goldmedaille gewinnt oder sich die Wirbelsäule wie einen Wurfspeer mit der gesamten Körperkraft in den Boden rammt. Der Schwerkraft ist das egal. Die Schwerkraft zeigt ihre zärtliche Gleichgültigkeit.

Ich schlage ein Rad, komme wieder auf die Füße und stehe gerade lange genug, um einmal Luft zu holen. Dann kippe ich wieder nach vorn, lege die Hände um den Rand des Balkens, drücke mich in den Handstand hoch. Ich schwanke einen Moment, mein linkes Bein schlägt aus, weil ich glaube, dass ich falle, aber dann finde ich mein Gleichgewicht wieder, alles ist gut.

Doch eine Welle der Unsicherheit, die in meinen Armen beginnt, rollt nach oben in meine Brust und schiebt mich zu weit nach vorn. Ich knicke in den Hüften ein, um auszugleichen, aber zu viel, und jetzt sind meine Beine schon zu weit unten. Mein rechter Arm zittert, und ich sehe, wie die Welt um mich herum kippt. Ich versuche, den Sturz mit den Beinen aufzuhalten, aber es ist zu spät. Ich knalle mit der Brust voran auf die Matte, und alle Luft entweicht aus meiner Lunge.

Ein Junge, der an den Ringen trainiert – ein Ukrainer aus Brooklyn, den ich schon ein paar Mal hier gesehen habe –, lässt sich fallen und läuft zu mir rüber. «Du verletzt? Handstand vielleicht war zu schnell.» Er hilft mir auf die Beine, reicht mir ein Handtuch. Ich schließe die Augen und atme tief in die Brust hinein. «Ist okay», sagt er und legt eine Hand auf meine zitternde Schulter.

Ich danke ihm und torkele davon wie eine Betrunkene. Mein Körper ist ausgepowert, es fühlt sich an, als hätte mir jemand Rohrreiniger in die Muskeln gespritzt. In der Umkleide werfe ich mir ein Handtuch über den Kopf und falle auf eine Bank, stütze die Ellenbogen auf die Knie und atme so heftig, dass es beim Ein- und Ausatmen pfeift und ich einen schwachen Blutgeschmack auf der Zunge spüre. Das erinnert mich daran, dass ich einen Körper habe, dass ich ein Körper bin. Dass ich nicht nur aus den Gedanken in meinem Kopf bestehe.

Ich lasse das Handtuch auf den Boden fallen und ziehe meinen Gymnastikanzug aus. Es dauert eine Minute, bis das Wasser der Dusche heiß wird, aber ich stelle mich trotzdem schon unter den kalten Regen. Das Wasser ist hart und riecht nach Chlor und Rost. Es pikst auf meiner Haut wie Millionen winziger Nadeln.

– – –

Mit dem Kunstturnen habe ich nach dem Mord an meiner Mutter angefangen. Ich war sieben. Einen oder zwei Monate lang lag ich nur zusammengekrümmt in meinem Bett, in mich selbst zusammengerollt, und schrie in das von Tränen und Schnodder durchweichte Kissen. Dad nahm mich natürlich immer wieder in den Arm, aber dann weinte er auch. So steckten wir uns immer wieder gegenseitig an, bis wir beide keine Tränen mehr hatten. Das war kurz nachdem wir von Algier nach Washington gezogen waren.

Eines Samstags fuhren wir zu einem Elektromarkt, weil Dad das Handy beim Rasieren aufs Waschbecken gefallen war und er ein neues brauchte. Neben dem Laden war eine Turnhalle. Wir standen eine Weile am Fenster und sahen einem Jungen zu, der auf einem Seitpferd herumschwang, als gelte das Gesetz der Schwerkraft für ihn nicht, als wäre er von der Regel befreit, dass alles auf die Erde fallen muss. Eine asiatisch aussehende Trainerin trat aus der Tür. Ich dachte schon, sie wolle uns wegschicken, aber stattdessen fragte sie, ob wir nicht reinkommen und uns umschauen wollten.

Damit war meine Sucht geboren, und als wir das nächste Mal umzogen, fand ich heraus, dass es in den Hauptstädten der meisten Länder olympische Trainingszentren gibt, und genau in diese Städte wurde Dad von der Botschaft hingeschickt. Die Trainer waren immer bereit, eine neue amerikanische Schülerin aufzunehmen, besonders wenn die neue amerikanische Schülerin in Dollar bezahlte.

Niemand hat mir je vorgemacht, dass ich Chancen für Olympia hätte. Zu groß, zu schwer, sagten immer alle, und zu wenig Anmut. Ich bestehe vor allem aus Kraft, ich bin eher eine dicke Eisenkette als eine schlanke Gerte. Aber Wettkämpfe sind nicht der Grund, aus dem ich mit diesem Sport begonnen habe, und sie sind auch nicht der Grund, aus dem ich weitermache. Ich bin süchtig nach diesen Sekundenbruchteilen in der Luft, diesen Momenten, die der Schwerkraft widersprechen, nach der Droge namens Freiheit. Es macht nichts, dass das Hochgefühl, einmal an nichts anderes denken zu müssen, nur eine Zehntelsekunde andauert. Es ist egal, dass die Schultyrannen und die Einsamkeit und die Erinnerungen auf dem Boden auf mich warten. Ich kann immer wieder auf den Balken klettern.

– – –

Als ich zurück in der Stadt bin, hat der Regen aufgehört, und in der Dunkelheit des frühen Abends wirken die Straßen ganz blank. Der Asphalt glänzt, und Manhattan riecht zum ersten Mal seit Monaten nach kaltem, sauberem Wasser statt nach Müll und Benzin. Ich gehe über die Third Avenue und runter zur Second, wende mich dann nach links. Mein erster Stopp ist die Bäckerei an der Ecke, wo ich zehn Minuten brauche, um zwei Muffins auszusuchen: einen Schokoladenmuffin mit roter Glasur und einen Zitronenmuffin mit rosa Guss. Der Verkäufer packt sie in einen kleinen Karton.

Ein paar Türen weiter brennt noch Licht in Atzmons Schreibwarenladen. Ich drücke auf die Türklingel und sehe eine Person am Ende des Ladens herüberschlurfen. Dann geht der Türsummer und lässt mich rein.

«Guten Abend, Rotschühchen!», ruft Bela Atzmon auf Deutsch von hinten aus dem Laden. So begrüßt er mich immer wegen meiner roten Stiefel. Er ist von Geburt Ungar, aber in der Schule hat er Deutsch gelernt.

Ich gehe an den dunklen Holzregalen vorbei, die mit Schreibpapier in jeder möglichen Farbe und Struktur gefüllt sind. Messinglampen mit grünen Schirmen tauchen alles in ein warmes, altmodisches Licht, als gäbe es diesen Laden schon seit hundert Jahren. Ich hoffe, er muss niemals schließen, aber wer schreibt heute schon noch Briefe?

Vorn im Laden steht eine Glasvitrine mit Stiften, und hier wartet Bela auf mich und sieht mich über den Rand seiner Brille hinweg an.

Er ist über achtzig, vielleicht sogar schon neunzig, aber er ist immer noch dick und kräftig. Er ist ein Bauernsohn, hat er mir mal erzählt, und stammt aus einem kleinen Dorf, fern von jeder Stadt. «Ist heute der Tag der Tage, Rotschühchen?», fragt er. Sein Akzent ist so stark wie ungarischer Schnaps.

Neben dem Schreibwarenladen gehören Bela und seiner Frau Lili noch die Wohnungen darüber. Dad und ich leben im vierten Stock, die Atzmons im fünften. Wir haben uns gleich nach dem Umzug miteinander angefreundet, und mindestens zweimal die Woche sind wir bei ihnen zum Abendessen eingeladen. Nach dem Essen zwingt Bela meinem Dad immer einen ungarischen Obstbrand namens Pálinka auf, und dann sitzen wir alle vier da und reden. Über Politik, Religion, über ihr früheres Leben – in Ungarn, später in Israel, wo sie dreißig Jahre gelebt haben, bevor sie in die Staaten kamen. Bela schwingt dann immer seine Hand, die den vierten oder fünften oder sechsten Obstbrand des Abends hält, wie ein Dirigent seinen Stock, je finsterer die Geschichten werden. Dann schimpft Lili mit ihm, und er hört damit auf. Nach einer Weile gehe ich meistens runter, um Hausaufgaben zu machen, und wenn ich gehe, drücken mir Bela und Lili die Hand und geben mir einen kleinen Kuss auf die Wange, wie Großeltern es wohl tun würden. Jedenfalls stelle ich es mir so vor. Sie sehen mich immer an wie einen kostbaren Schatz.

Ich brauche eine Minute, um in den Taschen meiner Jacke den Umschlag zu finden, den ich heute Morgen reingesteckt habe. Ich nehme seinen Inhalt heraus – zehn Zwanzigdollarscheine – und breite ihn auf dem Tresen aus.

Bela schnalzt mit der Zunge und schüttelt den Kopf. «Zu viel, Kleines. Hast du nicht das Schild im Fenster gesehen? Nur heute: fünfzig Prozent Ermäßigung für jede junge Frau mit roten Schuhen.»

«Das ist dir gegenüber nicht fair.»

Bela sammelt das Geld auf und gibt mir die Hälfte zurück. «Wenn die Welt mir gegenüber fair wäre, dann würde ich jetzt in einem Bentley in meine Villa in Beverly Hills fahren.» Aus einer Schublade unter dem Tresen holt er eine schlanke Schachtel hervor. «Aber dann wäre ich in Kalifornien, und du müsstest den vollen Preis bezahlen.»

Er stellt die Schachtel auf eine kleine Samtdecke und öffnet sie. Der Füller – lackschwarz mit einer Gravur Für Dad, deine G in Schreibschrift – glänzt wie nass. Ich nehme ihn, ziehe die Kappe ab, drehe ihn in meinen Fingern und betrachte das Licht, das sich in der silbernen Feder fängt wie in der Klinge eines Skalpells.

– – –

Ich steige die vier Stockwerke zu unserer Wohnung hinauf. Es gibt nur eine Wohnung pro Stockwerk, und jede zieht sich von der Vorderseite des Gebäudes bis ganz nach hinten. Beim Eintreten höre ich leise Musik von Miles Davis – es ist ein elegantes, melancholisches Stück, eine einsame Trompete in einem dunklen Zimmer, die zu sich selbst Ist nicht so schlimm, nein, nicht so schlimm sagt. Dad sagt, es muntert ihn auf, jemand mit solcher Anmut trauern zu hören.

Ich ziehe meine Stiefel aus und gehe durch die Küche. Auf dem kleinen Tisch in der Ecke stehen einige Take-away-Kartons von dem indischen Restaurant, das wir so mögen.

«Dad?», rufe ich. «Was soll das indische Essen hier? Heute gibt es Spaghetti alla Gwendolyn, schon vergessen?» Seit ich acht bin, koche ich ihm jedes Jahr zum Geburtstag Spaghetti. Im ersten Jahr nach dem Tod meiner Mutter war er zu traurig, um auszugehen, und danach ist es irgendwie zur Tradition geworden.

Er hat sich auf dem Sofa ausgestreckt, nur sein Kopf liegt ein bisschen höher, damit er in den Bildschirm seines Laptops auf seiner Brust sehen kann. Das macht er meistens, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt: ausgepowert, erschöpft nach einem Kampftag gegen Memos und Berichte. Sein Job nennt sich Politoffizier, was interessant klingt, aber er sagt, er schiebt nur Papiere hin und her und sitzt in Meetings. Es sind streng geheime Papiere, meint er, und manchmal muss er wegen der Meetings von einem Tag auf den anderen nach Nairobi oder Singapur reisen. Aber trotzdem sind es bloß Papiere und Meetings, wie interessant kann das also schon sein?

«Hey, Mäuschen.» Er lächelt, und der Bildschirm spiegelt sich in seinen Brillengläsern. Er hat in letzter Zeit Gewicht verloren, sein Gesicht sieht lang und schmal aus. Stress, hat er letzte Woche geantwortet, als ich meinte, ich würde mir langsam Sorgen um ihn machen. Stress ist die beste Diät.

Ich lasse mich neben dem Sofa auf den Boden fallen. «Happy Birthday, alter Mann.»

Er sieht mich verwirrt über seine Brille hinweg an, als hätte er keine Ahnung, dass heute sein Geburtstag ist, aber das macht er jedes Mal so. Er streckt den Arm aus und wuschelt mir durchs Haar. «Tut mir leid mit dem indischen Essen. Ich hatte bloß keine Lust mehr auf Spaghetti. Ich dachte, wir probieren heute mal was Neues aus.»

«Indisch ist aber nicht neu.»

«Also – dann lieber Algensuppe von diesem veganen Hipster-Restaurant? Mir auch recht.»

Ich lächle und nehme seine Hand von meinem Kopf. Auf dem Laptop-Bildschirm steht eine kleine Schrift, die ich nicht entziffern kann, sowie das Bild eines fetten Mannes mit rasiertem Schädel, die Augen geöffnet, ein schwarzer Fleck von der Größe eines 10-Cent-Stücks in der Mitte seiner Stirn. Ich brauche eine Weile um zu kapieren, dass der schwarze Fleck ein Einschussloch ist. «Iiih», sage ich. «Was ist das denn?»

Dad klappt den Laptop zu. «Viktor Zorić. Ist vor zwei Tagen in seiner Wohnung in Belgrad erschossen worden», sagt er und erhebt sich. «Steht morgen in der Zeitung. Serbischer Verbrecherboss während seiner Verhaftung erschossen.»

«Was hat er denn gemacht?»

«Schlimme Dinge», sagt er und schlurft in die Küche.

Ich stehe auf und gehe ihm nach. «Was für schlimme Dinge?»

«Die schlimmsten», sagt er.

«Das habe ich nicht gefragt.»

Er öffnet den Drehverschluss einer Flasche billigen Rotweins, schnüffelt am Flaschenhals, dann gießt er sich ein Glas ein. «Ist egal. Genieß dein Teenagerleben, Gwen.»

Ich nehme ihm das Glas aus der Hand und trinke einen Schluck. Unser Deal ist, dass ich ein Glas Wein zum Essen trinken darf, wenn die Erwachsenen auch etwas trinken.

«Warst du auch an der Verhaftung von diesem Viktor Zorić beteiligt?», frage ich.

Dad holt zwei Teller aus dem Schrank und reicht sie mir. «Ich habe ein paar Papiere hin und her geschoben und einen kleinen Bericht geschrieben. Diesmal hat ihn tatsächlich jemand gelesen.»

Ich stelle die Teller auf den Tisch. «War er ein Mörder? Ein Drogendealer? Was?»

«Es reicht, Gwen.»

«Ich lese Nachrichten. Es ist mir durchaus bewusst, dass die Welt nicht nur aus Regenbogen und Schmetterlingen besteht.»

«Du willst es wirklich wissen? Na gut.» Er reicht mir noch ein Weinglas. «Mord, Drogen, all das. Aber noch wichtiger waren ihm Waffengeschäfte und Menschenhandel. Zwangsprostitution von Frauen und Kindern.»

Ich rümpfe die Nase. «Okay. Ich verstehe.»

«Die meisten wurden nach Europa geschickt, aber manche auch nach Abu Dhabi, nach Shanghai und nach Los Angeles. Er hat sie in einem Schiffscontainer nach L.A. geschafft.»

«Danke für das Bild in meinem Kopf.» Ich schaufle Reis und Vindaloo auf die Teller.

«Sie saßen in einer Metallkiste mit ein bisschen Essen und Wasser und einem Eimer als Toilette», redet Dad weiter. «Als der Zoll sie gefunden hat, waren alle tot. Vierzehn Mädchen aus Russland und der Ukraine.»

«Herrje, jetzt hör aber auf», sage ich. «Das ist wirklich kein Partythema.»

«Du hast mich gefragt, ich habe geantwortet.» Er deutet auf meinen Stuhl. «Warte damit so lange wie möglich, Gwen. Zu erkennen, wie schrecklich die Welt ist.»

Ich setze mich, und Dad schenkt mir Wein ins Glas wie ein Kellner in einem schicken Restaurant. «Votre vin, Mademoiselle», sagt er.

«Na dann, merci», antworte ich und mache mich über das Vindaloo her.

Wir essen schweigend, und in der Küche ist es still, abgesehen von unserem Kauen und dem Brummen des Kühlschranks und dem Summen der Stadt vor unseren Fenstern. Die Stadt ist immer da, sie erinnert einen mit ihrem Hupen und ihren Sirenen und ihrem Geschrei daran, dass man nie ganz allein ist, sondern nur allein inmitten eines Bienenstocks mit einer Million Bienen.

«Also, heute ist was passiert. In der Schule», sage ich. «Du musst was unterschreiben.»

Er zieht die Augenbrauen hoch und wischt sich mit der Serviette Soße vom Kinn. Ich greife nach meiner Jacke, die neben der Tür an einem Haken hängt, und hole das Schulverweis-Formular von Mrs. Wasserman heraus.

Dad faltet den Zettel auf und liest ihn kurz. «Was soll der Mist, Gwen?»

«Ist doch bloß ein Schulverweis für einen Tag.»

«Bloß ein Schulverweis? Das ist keine Kleinigkeit.»

Ich atme tief ein. «Ich weiß. Tut mir leid.»

«Was ist passiert?»

«Astrid Foogle hat ein paar Sachen gesagt. Also habe ich sie auf Französisch beschimpft, und ein Lehrer hat es gehört und – jetzt bin ich für morgen suspendiert. Kannst du bitte einfach unterschreiben?»

«Was hat Astrid Foogle denn genau gesagt?»

«Dad, es war bescheuert, okay?»

«Was mir Sorgen macht, Gwen, ist, dass du es eigentlich besser wissen müsstest, als auf so was reinzufallen. Lass dich nicht provozieren, dann gibt es auch kein Problem.»

Eine Art Elektrosmog legt sich über mich. Ich sehe weg und umklammere den Sitz meines Stuhls. Ich würde ihm zu gern davon erzählen, wie Astrid mich geohrfeigt hat, aber dann wäre er nur enttäuscht, weil ich mich nicht gewehrt habe oder sie zumindest verpfiffen.

«Ich meine, Gwen, das ist ja nicht das erste Mal. Da war dieser Typ in Dubai, erinnerst du dich? Wie war noch sein Name? Und das Mädchen in Moskau. Sveta. Genau dasselbe.»

«Verdammt, jetzt unterschreib einfach!» Die Worte platzen aus mir heraus, bevor ich es verhindern kann. Meine Kehle ist wie zugeschnürt, ich kann kaum noch atmen. Ich springe auf und renne in mein Zimmer. Dad kommt hinter mir her, ruft mich, aber ich knalle ihm die Tür vor der Nase zu.

Er klopft höflich an und fragt, ob es mir gut geht. Klar, sage ich. Toll. – Was ist los?, fragt er. Diesmal antworte ich nicht. Ich sehe den Schatten seiner Füße im schmalen Spalt unter der Tür. Er wartet, hadert mit sich, ob er mich in Ruhe lassen soll oder weiter fragen. Am Ende geht er.

Was ist bloß los?, fragt er sich. Los ist, dass ich diesen Ort hasse. Ich hasse Danton und alle, die da hingehen. Ich hasse seinen Job und alles, was damit zu tun hat. Es gibt Leute in meinem Alter, die ihr gesamtes Leben in demselben Haus verbracht haben. Es gibt Leute in meinem Alter, die seit dem Kindergarten dieselben Freunde haben. Die haben einen Hund und einen Garten und einen Tennisball auf dem Dach, den sie schon mit zehn Jahren da raufgeschossen haben.

Ich krame in meiner Nachttischschublade nach einer Flasche Lorazepam, schiebe mir die Öffnung in den Mund und schlucke eine der winzigen Pillen. Es ist ein Beruhigungsmittel gegen Angstzustände, das ich seit ein paar Jahren nehme. Bei Bedarf, steht auf dem Etikett. Aber ich habe nicht mehr viel davon, denn mein Bedarf ist deutlich höher geworden, seit wir in New York sind. Die Wirkung setzt nach zwanzig Minuten ein, legt mir eine warme Decke um die Schultern und redet mir ein, dass Astrid Foogle und ihre Ohrfeige und die Erniedrigung gar nicht so schlimm sind, wie ich glaube. Es ist, als hätte man eine beste Freundin in Pillenform.

Neben der Pillenflasche liegt mein anderes Beruhigungsmittel, ein Kartenspiel. Ich schüttle es aus der abgegriffenen Packung und fange an zu mischen. Der gleichmäßige Rhythmus, mit dem das beschichtete Papier durch meine Finger und Handflächen gleitet, beruhigt mich auf eine seltsam zwanghafte Weise. Ich habe einmal Straßenkünstlern in Venezuela dabei zugesehen, wie sie Touristen mit ihren «Spielen» ausnahmen, die eigentlich bloß miese Tricks waren. Seitdem habe ich damit angefangen. Über die Jahre habe ich mir selbst alle möglichen Tricks beigebracht, und jetzt sind die Karten wie eine kleine Therapie für mich, die mir die Wartezeit verkürzt, bis das Lorazepam anfängt zu wirken.

Durch meine Fenster höre ich die Sirenen – laute, tiefe Sirenen, wie von der Feuerwehr. Irgendwo brennt es. Ich sammle die Karten auf und mische sie wieder und höre das Zischen von Busbremsen und das Hupen eines Taxis. Ich höre einen Betrunkenen auf der Straße herumschreien, dass ihm jemand sein Geld geklaut hat und dass Jesus bald zurückkommt. Verdammt, ich muss hier weg. Aber ich schiebe diesen Gedanken zur Seite und beschäftige mich weiter mit den Karten. Meine Finger erschaffen wieder und wieder eine geordnete Plastikwelt aus scheinbaren Chancen und Möglichkeiten, jedes Mal ein neues Universum aus Gewinnern und Verlierern.

– – –

Es ist 23.36, als ich aufwache – scheiß Lorazepam –, und jetzt ist sein Geburtstag fast vorbei. Ich klettere aus dem Bett und öffne die Tür.

Er sitzt auf dem Sofa, die Brille auf der Nase, den Laptop aufgeklappt. Ich schleiche in die Küche und hole den Karton aus der Bäckerei aus dem Kühlschrank. Der Muffin mit der roten Glasur ist zur Seite gekippt und sieht ziemlich ramponiert aus. Den nehme ich. Ich wühle in den Schubladen, finde Streichhölzer und eine Geburtstagskerze – sie hat die Form einer Fünf. Wir haben sie aus irgendeinem Grund aus Moskau mit hergebracht, wo ich fünfzehn geworden bin. Schon komisch, dass Dad in diesen kleinen Dingen so sentimental sein kann.

Ich stehe in der Tür, den Teller mit den beiden Muffins in der Hand, bis er aufsieht und mich bemerkt. Er klappt seinen Laptop zu und schiebt sich die Brille in seine Brusttasche.

«Sorry für den vermurksten Geburtstag», sage ich und setze mich neben ihn auf den Rand des Sofas.

«Willst du nicht singen?»

«Ganz sicher nicht. Wünsch dir was.»

Er überlegt eine Sekunde, dann bläst er die Kerze aus. Mit vorsichtigen Fingern nimmt er den Muffin vom Teller und beißt hinein. «Zitrone», sagt er. «Du hast es nicht vergessen.»

Ich bemerke das Taschenbuch, das auf dem Sofa liegt, halb verdeckt von seinem Laptop. «Was liest du da?»

Mit seiner freien Hand zieht er es hervor und zeigt es mir. 1984 von George Orwell, eine alte Ausgabe, ziemlich zerlesen und zerfleddert. «Ich habe es nicht gelesen. Ich will es einem Freund leihen», antwortet er. «Hast du es je gelesen?»

«Nein.»

«Solltest du mal. Orwell hat uns damit eine der ersten Dystopien geschenkt.»

Das Geschenk. Ich hebe meinen Rucksack vom Boden auf und krame darin herum, bis ich die kleine Schachtel finde. «Ich habe dir diesmal was gekauft.»

Er nimmt die Schachtel, betrachtet sie, rümpft die Nase. «Ist das – ein Angelhaken?»

«Hör auf.»

«Also nein. Ein neues Auto?»

«Stopp!», sage ich. «Mach einfach auf.»

Dad hebt den Deckel ein Stück an und späht hinein, als könnte ihn der Inhalt beißen. Dann wird er ernst. «Gwendolyn Bloom, was hast du getan?», sagt er in einem Ton, als wäre er ärgerlich. Er lässt den Karton auf seinen Schoß fallen und hält den Füller zwischen den Fingern, als wäre er so zart wie ein Küken. Ich hole ein Heft aus meinem Rucksack. «Hier», sage ich. «Schreib mal damit.»

Er setzt den Füller auf das Papier und schreibt etwas wie eine Unterschrift, doch zuerst kommt keine Tinte, nur trockene Abdrücke seiner Schrift. Aber dann fließt die Tinte in elegantem Blau, Königsblau. Ich liebe ihn!, schreibt er.

«Wirklich? Ganz sicher?»

«Ganz, ganz sicher. Ich bin total begeistert. Damit fühle ich mich – like a real aristocrat», sagt er mit miesem englischen Akzent.

Ich lache, und er legt die Arme um mich. Ich lege den Kopf auf seine Schulter und höre sein Herz langsam und gleichmäßig schlagen. Okay, wir besitzen kein Wochenendhaus in den Vororten, und ich habe keine Freunde, die sich sowieso irgendwann gegen mich wenden – was soll’s? Eine zweiköpfige Familie ist immer noch eine Familie. Es ist vollkommen genug. Ich will es ihm gerade sagen, auch wenn das total kitschig klingt, ich will es laut aussprechen, aber er unterbricht mich.

«Den nehme ich morgen mit auf Reisen», sagt er. «Dann bin ich der schickste Typ im Meeting.»

Morgen? Ich richte mich auf. «Wo fährst du denn hin?»

Er verzieht das Gesicht, wie er es immer tut, wenn er etwas vergessen hat. «Ich wollte es dir vorhin schon sagen, aber dann bist du eingeschlafen. Ich muss morgen nach Paris.»

Meine Schultern sinken.

«Nur für zwei Tage», sagt er. «Ich fliege morgen früh, habe morgen Abend das Meeting und bin übermorgen Abend wieder zu Hause.»

3. Kapitel

Es ist dieselbe Nachricht, die er mir immer schreibt – Iss nicht bloß Junkfood. Hier sind vierzig Dollar für den Notfall. Wenn du etwas brauchst, geh zu Bela und Lili –, aber diesmal hat er sie mit seinem neuen Füller in eleganter königsblauer Tinte geschrieben. Ich lehne mich in der Linie 6 nach Downtown in meinem Sitz zurück und drehe den Zettel um, weil ich hintendrauf die Adresse des Plattenladens am St. Mark’s Place notiert habe.

Dad und ich haben praktisch nie dieselbe Meinung, wenn es um Musik geht. Jazz ist die Ausnahme. Er hat mich in Übersee manchmal mit in Clubs genommen, wo ich mir wegen des Zigarettenqualms die Nase zuhielt und mir dann begeistert zwei Auftritte hintereinander ansah. In all den fremden Städten, die wir besuchten, haben wir eine Art Sport draus gemacht, die kleinsten, schrägsten Gigs und die obskursten Aufnahmen zu entdecken. Zu schade, dass sein Plattenspieler kaputt in New York angekommen ist. Irgendwann, wenn ich reich bin, kaufe ich ihm einen neuen.

Es ist kurz vor Mittag, und ich habe meinen Vormittag bereits damit verdaddelt, vor dem Fernseher zu sitzen und die kalten Reste des Vindaloo zu essen. Aber den Rest dieses seltenen schulfreien Wochentages werde ich genießen. Also steige ich beim Astor Place aus und gehe in Richtung St. Mark’s. Kleine Hipsterbars, Tattoo-Geschäfte, eine Taqueria mit einer Schaufensterpuppe, die einen Sombrero trägt. Vielleicht sollte ich mir ein Tattoo stechen lassen.

Dad hat mir erzählt, dass seine Familie vor über hundert Jahren hier in kleinen Wohnkasernen gelebt hat, ein Dutzend Leute in einem Zimmer oder so. So haben die meisten Juden gewohnt, als sie in New York landeten, hat Dad mir erklärt. Seine Familie stammt aus Litauen, und der Name Blumenthal wurde auf Ellis Island erst zu Blum und irgendwann später zu Bloom. Rein technisch gesehen sind es gar nicht meine Vorfahren, aber ich finde, sie zählen trotzdem.

Dad ist Einzelkind, und seine Eltern sind beide gestorben, bevor ich auf die Welt kam. Ein Autounfall in San Diego, wo er aufgewachsen ist. Die einzigen genetischen Verwandten, die ich habe, sind die Schwester meiner Mutter und ihre Tochter. Meine Tante ist in Texas mit einem Rabbi verheiratet. Ich habe sie und ihren Mann einmal getroffen, gleich nachdem meine Mom getötet wurde, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie sie aussahen.

Als ich in den Plattenladen komme, läutet eine kleine Glocke über der Tür. Ein Typ mit rasiertem Schädel und Gauge-Ohrschmuck sieht vom Tresen auf. Es riecht gut hier, nach Staub und Vinyl und Ozon. Lange Reihen niedriger Tische mit Plattenkisten darauf ziehen sich durch den Laden.

Ich nehme ein paar Platten heraus: Bitches Brew von Miles Davis, Ellington at Newport von Duke Ellington. Dann sehe ich Hände in der Kiste neben mir kramen und lasse meinen Blick den dazugehörigen Körper hinauf bis zum Gesicht gleiten.

Ich kenne ihn nur in der Schuluniform von Danton, mit weißem Hemd und gestreiftem Schlips. Seine Klamotten heute werfen mich völlig aus der Bahn: Er trägt einen roten Rollkragenpulli und Khakis mit einer scharfen Bügelfalte, als wäre er gerade einem Werbefoto für Ralph Lauren entsprungen. Seine Haut ist glatt und dunkelbraun und hat einen warmen Glanz, so als hätte er eine Laterne in der Brust. In Danton bleibt er immer für sich, isst allein, spricht mit fast niemandem. Sein echter Name ist Terrance, aber die anderen nennen ihn immer nur Stipendium, weil er offenbar ein Vollstipendium für Informatik bekommen hat.

«Hey», sage ich.

Terrance sieht auf. «Hey», gibt er zurück.

«Terrance, oder?»

«Yeah.»

«Ich bin Gwendolyn.»

«Ich weiß.»

Einen Moment lang herrscht peinliches Schweigen zwischen uns. Es ist so peinlich, dass ich mich wieder an den Grund erinnere, warum ich niemals mit Jungs rede. Dann grinst Terrance. «Solltest du nicht in der Schule sein?»

«Und du?»

«Drei Tage Schulverweis, weil ich die Anwesenheitsliste manipuliert habe», sagt er. «Diese Leute haben echt keinen Sinn für Ironie. Und was ist mit dir?»

«Einen Tag Schulverweis», sage ich. «Weil ich Astrid Foogle gesagt habe, sie soll sich selbst ficken.»

Er zieht eine Augenbraue hoch, als wäre er wirklich beeindruckt. «Gut gemacht», sagt er. «Was kaufst du?»

Ich gucke dümmlich auf das Album in meinen Händen und merke, dass sie zittern. «Sonny Rollins. Aber ich stöbere nur rum», sage ich.

«Sonny ist cool», meint er. «Aber Charlie Parker ist besser.»

«Klar ist er das», sage ich. «Das gilt nicht. Versuch’s noch mal.»

Er zuckt die Achseln. «Ich war schon immer ein Coltrane-Mann.»

Ich muss unfreiwillig lächeln. «Ich bin auch ein Coltrane-Mann.»

Er lacht, und mein Gesicht wird so rot wie sein Pulli.

«Sorry, ich wollte nicht …» Er unterbricht sich. «Du magst also Jazz. Da sind wir wohl die Einzigen.»

Ich deute in den Laden.

«Auf der Danton, meine ich.» Terrance senkt den Blick und richtet seinen Rucksack. «Ich – ich hänge hier bloß ab», sagt er. «Also, wenn du Lust hast – ich weiß ja nicht, was du noch vorh…»

«Ich hab Lust», sage ich, ohne nachzudenken.

– – –

Draußen stellen wir fest, dass die Sonne verschwunden ist. Stattdessen kriechen tiefrote Wolken über die Gebäude der Stadt. Keiner von uns muss irgendwo hin, und das ist gut so, denn wir sind ganz zufrieden. Wir gehen die St. Mark’s zwei Blocks entlang. Ist die Stadt heute wirklich so leer, oder nehme ich bloß niemand anderen wahr?

Wir reden über die Musik, die wir mögen, über Bücher, die wir mögen, über Schüler auf der Danton, die wir hassen. Er sagt, er hätte gedacht, ich wäre «Griechin oder so was». Nein, sage ich, dem Pass nach bin ich Amerikanerin, aber eigentlich bloß Diplomatenkind, genau wie die anderen. Cool, sagt er.

Irgendwann kreuzen wir die Avenue A und landen im Tompkins Square Park. Wir schlendern einen gepflasterten Weg unter einem Dach aus kahlen Bäumen entlang. Auf der einen Seite schläft ein Obdachloser zwischen Pappen. Seine schmutzigen Hände und Schuhe und Klamottenbündel ragen seitlich hervor wie aus einem überladenen Sandwich.

«Und – du hast also ein Stipendium für die Danton?», frage ich.

Er kneift die Augen zusammen. «Was?»

«Dein Spitzname. Die anderen nennen dich doch Stipendium.»

«Die nennen mich Stipendium, weil ich schwarz bin. Ergo …»

«Ergo was?»

«Ergo, wie sollte ich sonst auf der Danton sein?» Er schüttelt den Kopf. Über sie. Vielleicht auch über mich. «Für die habe ich nur ein einziges Mal existiert, nämlich als die Gras brauchten. Aber nix da. Den Gefallen tue ich denen nicht. Mein Leben ist nicht deren Film.»

Meine Hand stößt aus Versehen gegen seine. «Mach dir deinen eigenen Film. Dann kannst du dir die Rolle aussuchen.»

Er grinst kurz, als würde ihm die Idee gefallen. «Welche spielst du denn in deinem?»

«In meinem Film?» Ich zucke die Schultern. «Ich glaube, ich habe gar keinen. Das sind bloß – wahllose Szenen, die zusammengeschnitten werden.»

«Trotzdem», sagt er, «du bist die Heldin.»

«Die Heldin?»

«Du weißt schon. Du trittst ihnen in den Arsch, rettest die Welt, siehst toll dabei aus.» Er boxt vor sich in die Luft.

Es ist irgendwie ein Kompliment: ich, die die Welt rettet. Gwendolyn Bloom, die gut dabei aussieht. Ich lächle ihn zaghaft an. «Klar», sage ich.

Aber Terrance ist stehen geblieben und sieht zu zwei Jungs rüber, die neben dem Hundeauslaufplatz stehen. Sie haben einen Pappkarton aufgestellt und spielen Kümmelblättchen. Das ist ein Kartenspiel, das nicht wirklich ein Kartenspiel ist, sondern Betrug, so wie Hütchenspiele. Eines der Kids schiebt drei Spielkarten hin und her und ruft den vorbeilaufenden Joggern und Büromenschen in ihrer Mittagspause zu: «Finden Sie die Königin, wer findet die Herz-Königin?»