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Oliver Twist wird in einem Armenhaus geboren. Die Mutter stirbt kurz nach der Geburt und hinterlässt nur ein kleines, geheimnisvolles Medaillon, das ihr ein alter Armenhausarbeiter abnimmt. Der Junge wächst als Waisenkind auf, ohne zu wissen, woher er stammt. Mit neun Jahren muss er ins Armenhaus gehen, weil er zu alt für das Waisenhaus ist. Dort sieht er sich Gewalt und willkürlicher Strafe ausgesetzt. Oliver wird für fünf Pfund an den Bestatter Sowerberry verkauft, um bei ihm in die Lehre zu gehen. Auch hier meint es das Schicksal schlecht mit ihm, und er flieht nach London. Dort angekommen, gerät er in die Fänge von Fagin, einem alten jüdischen Hehler, der Waisenkinder zu Verbrechern ausbildet: Zusammen mit dem Baldowerer und seinem Kumpel soll Oliver das Handwerk des Taschendiebstahls erlernen, wird aber von der Polizei erwischt. Der Geschädigte, ein freundlicher Mann namens Brownlow, setzt sich für Oliver ein und kümmert sich um ihn. Zum ersten Mal wird der Junge gut behandelt, aber sein Glück währt nicht lange. Er wird erneut von Fagin erwischt und muss mit einem der größten Verbrecher Londons einen Einbruch begehen. Und schließlich kommt auch noch ein unheimlicher Mensch namens Monks ins Spiel... Mit "Oliver Twist" prangerte Dickens die sozialen Missstände der damaligen Zeit an. Der Roman schildert auf unromantische Weise das schmutzige Leben von Verbrechern und stellt die grausame Behandlung der vielen Waisenkinder im London der Mitte des 19. Jahrhunderts dar. Der Waisenjunge Oliver wird körperlich und seelisch misshandelt und erfährt nur von wenigen Menschen Freundlichkeit und Mitleid. Die Armen und Kranken erscheinen als Aussätzige in einer Welt der Stärkeren und sozial Überlegenen. Ungerechtigkeit, Hunger und Tod sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Charles Dickens schmückt seine Geschichte mit ironischen, oft zynischen Beschreibungen aus. In diesem frühen Beispiel des Gesellschaftsromans persifliert Dickens Kinderarbeit, häusliche Gewalt, die Rekrutierung von Kindern als Kriminelle und die Präsenz von Straßenkindern. Die Beschreibungen der Grausamkeiten gegenüber den Armen und Schwachen sind aus heutiger Sicht oft so absurd, dass man sie kaum glauben kann. Nach dem Erscheinen des Romans wurde zum ersten Mal das Armengesetz diskutiert und erfolgreich geändert. Dies ist der dritte von drei Bänden.
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Seitenzahl: 249
CHARLES DICKENS
OLIVER TWIST
ROMAN IN DREI BÄNDEN
BAND DREI
Aus dem EnglischenvonJ u l i u s S e y b t
OLIVER TWIST wurde im englischen Original zuerst als Serie veröffentlicht in der Zeitschrift Bentely´s Miscellany, England 1837-39.
Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von
© apebook Verlag, Essen (Germany)
www.apebook.de
1. Auflage 2021
V 1.0
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.
Band Drei
ISBN 978-3-96130-428-8
Buchgestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de
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Inhaltsverzeichnis
OLIVER TWIST. Band Drei
Impressum
DRITTER BAND
Erstes Kapitel. In welchem der Leser, wenn er in das letzte Kapitel des vorherigen Bandes zurückblicken will, einen im ehelichen Leben nicht selten hervortretenden Kontrast beobachten wird.
Zweites Kapitel. Was sich zwischen Mr. und Mrs. Bumble und Monks bei ihrer nächtlichen Zusammenkunft begab.
Drittes Kapitel. In welchem alte Bekannte auftreten und Fagin und Monks die Köpfe zusammenstecken.
Viertes Kapitel. Eine seltsame Zusammenkunft, die eine Folge von den im vorigen Kapitel erzählten Ereignissen ist.
Fünftes Kapitel. Welches neue Entdeckungen enthält und zeigt, daß Überraschungen, gleich Unglücksfällen, selten allein kommen.
Sechstes Kapitel. Ein alter Bekannter von Oliver läßt entschiedene Geniespuren blicken und wird ein öffentlicher Charakter in der Hauptstadt.
Siebentes Kapitel. In welchem berichtet wird, wie sich der gepfefferte Baldowerer in Verlegenheiten benahm.
Achtes Kapitel. Nancy wird verhindert, ihr Rose Maylie gegebenes Versprechen zu erfüllen.
Neuntes Kapitel. Noah Claypole wird von Fagin als Spion verwandt.
Zehntes Kapitel. Nancy erfüllt ihre Zusage.
Elftes Kapitel. Unglückliche Folgen.
Zwölftes Kapitel. Sikes’ Flucht.
Dreizehntes Kapitel. Die endlich stattfindende Unterredung zwischen Monks und Mr. Brownlow.
Vierzehntes Kapitel. Verfolgung und Entkommen.
Fünfzehntes Kapitel. Enthüllung mehr als eines Geheimnisses und ein Heiratsantrag ohne Erwähnung eines Leibgedinges oder Nadelgeldes.
Sechzehntes Kapitel. Des Juden letzte Nacht.
Siebzehntes Kapitel.
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Zu guter Letzt
DRITTER BAND
Mr. Bumble saß in seinem Wohnzimmer im Armenhause und blickte nachdenklich und düster bald in den Kamin, in welchem kein Feuer brannte, da es Sommer war, und der daher öde und trostlos genug aussah und bald noch düsterer zu dem Leimzweige empor, der von der Decke herabhing und von den ihr Verderben nicht ahnenden Fliegen umschwärmt wurde. Vielleicht erinnerten ihn die Tierchen an eine traurige Begebenheit seines eigenen Lebens.
Auch fehlte es nicht an sonstigen Anzeichen, daß in seinen Angelegenheiten eine bedeutende Veränderung vorgegangen sein mußte. Wo waren der Tressenrock und der dreieckige Hut? Er trug noch Kniehosen und schwarze wollene Strümpfe – doch es waren nicht die des Kirchspieldieners. Der Rock war ein anderer. Der Hut ein gewöhnlicher, bescheidener, runder. Mr. Bumble war nicht mehr Kirchspieldiener.
Es gibt Beförderungen im Leben, die, abgesehen von den mit ihnen verknüpften materiellen Vorteilen, doch noch einen ganz besonderen Wert und eine eigentümliche Würde durch das mit ihnen verknüpfte Kostüm erhalten. Ein Feldmarschall hat seine Uniform, ein Bischof seinen Ornat, ein Richter seine große Perücke, ein Kirchspieldiener seinen dreieckigen Hut. Man nehme dem Richter seine Perücke, dem Bischof seinen Ornat oder dem Kirchspieldiener seinen dreieckigen Hut, und was sind sie? Weiter nichts mehr als Menschen – bloße Menschen. Würde, und bisweilen sogar Heiligkeit, hängen mehr von Uniformen, Ornaten, Perücken und Hüten ab, als viele Leute sich träumen lassen.
Mr. Bumble hatte Mrs. Corney geehelicht und war Armenhausverwalter. Ein anderer Kirchspieldiener war zur Gewalt gelangt, und der dreieckige Hut, der Tressenrock und der Stab waren auf ihn übergegangen.
»Morgen sind’s zwei Monate!« sagte Mr. Bumble seufzend. »Es scheint ein Jahrhundert zu sein.«
Mr. Bumble wollte vielleicht sagen, daß er in dem kurzen Zeitraum von acht Wochen ein ganzes glückliches Leben verlebt hätte – allein der Seufzer! Es lag gar viel in ihm.
»Ich verkaufte mich,« fuhr Bumble fort, »für sechs Teelöffel, eine Zuckerzange, einen Milchgießer, eine Stube voll alter Möbel und zwanzig Pfund Geld – nur gar zu billig, spottwohlfeil!«
»Wohlfeil!« tönte ihm eine schrille Stimme ins Ohr. »Du wärest für jeden Preis zu teuer gewesen, und der Himmel weiß, daß ich dich mehr als zu teuer bezahlt habe.«
Bumble drehte sich um und blickte in das Antlitz seiner liebenswürdigen Ehehälfte, welche sein kurzes Selbstgespräch nur unvollkommen verstanden und ihre erwähnte Bemerkung auf gut Glück hingeworfen hatte.
»Frau, sei so gut, mich anzusehen,« sagte Bumble und dachte bei sich selbst: »Wenn sie solch einen Blick aushält, so hält sie alles aus. Er hat bei den Armen niemals seinen Zweck verfehlt, und verfehlt er ihn bei ihr, so ist es mit meiner Macht und Gewalt vorbei.«
Er verfehlte seinen Zweck. Mrs. Corney wurde keineswegs durch ihn überwältigt, sondern erwiderte ihn durch einen äußerst verächtlichen und verband damit obendrein ein Gelächter, das zum wenigsten klang, als wenn es ihr von Herzen käme.
Als Bumble die unerwarteten Töne vernahm, sah er zuerst ungläubig und dann erstaunt aus, worauf er wieder in sein Brüten und Sinnen verfiel, aus welchem ihn jedoch Mrs. Bumble erweckte. »Willst du den ganzen Tag dasitzen und schnarchen?« fragte sie.
»Ich denke hier so lange sitzen zu bleiben, wie es mir beliebt,« entgegnete er; »und obschon ich keineswegs schnarchte, so bin ich doch gewillt, von meinem Rechte Gebrauch zu machen und ganz nach meinem Gefallen zu schnarchen, zu niesen, zu lachen oder zu weinen, oder was mir eben sonst behagt.«
»Von deinem Rechte!« höhnte Mrs. Bumble mit unsäglich verächtlicher Miene.
»Ja, von meinem Rechte! Es ist das Recht des Mannes, nach seinem Willen zu leben und zu befehlen.«
»Und was ist denn ins Kuckucks Namen das Recht der Frau?«
»Nach des Mannes Willen zu leben und zu gehorchen. Dein unglücklicher erster Mann hätte es dich lehren sollen; er wäre dann vielleicht noch am Leben – und ich wollte, daß er es wäre, der gute Mann!«
Mrs. Bumble erkannte, daß der entscheidende Augenblick gekommen war und daß es galt, sich der Herrschaft ein für allemal zu bemächtigen oder ihr für immer zu entsagen. Sie sank daher auf einen Stuhl nieder, erklärte Mr. Bumble für einen Unmenschen mit einem Kieselherzen und brach in einen Tränenstrom aus.
Allein Tränen waren es nicht, was zu Mr. Bumbles Herzen drang; es war wasserdicht. Den Filzhüten gleich, welche gewaschen werden können und durch Regen besser werden, wurden seine Nerven durch Tränenschauer noch fester, die ihn als Zeichen der Schwäche und somit als stillschweigende Anerkenntnisse seiner Obergewalt erfreuten und stolz machten. Er blickte seine Hausfrau mit großer Zufriedenheit an und bat und munterte sie auf alle Weise auf, nur immerzu zu weinen und nach besten Kräften, denn es sei äußerst gesund, wie die Ärzte versicherten.
»Es erweitert die Lungen, wäscht das Gesicht rein, schärft die Augen und kühlt ein zu heißes Temperament ab,« sagte er; »also weine ja nur immerzu.« – Nachdem er die scherzenden Worte gesprochen, griff er zu seinem Hute, setzte ihn kecklich auf die eine Seite, wie ein Mann, der seine Überlegenheit fühlt und auf geeignete Weise zeigen will, steckte die Hände in die Taschen und setzte sich stolzierenden Schritts nach der Tür in Bewegung.
Mrs. Bumble hatte einen Versuch mit den Tränen angestellt, weil sie minder mühsam waren als ein Faustangriff; indes war sie vollkommen bereit, eine Probe mit dem letzteren Verfahren zu machen, was Mr. Bumble auch nicht lange verborgen blieb.
Die erste Kunde, welche er davon erhielt, bestand in einem dumpfen Schalle, welcher die unmittelbare Folge hatte, daß sein Hut an das äußerste Ende des Zimmers flog. Sobald durch dieses vorläufige Beginnen sein Kopf entblößt war, packte ihn die erfahrene Dame mit der einen Hand bei der Kehle und ließ mit der andern einen Hagel von Schlägen, und zwar ebenso gewandt wie wirksam auf sein Haupt niederfallen. Hierauf brachte sie ein wenig Abwechslung in ihr Vorgehen, indem sie ihm das Gesicht zerkratzte und Hände voll Haare ausraufte, und nachdem sie ihn nunmehr so nachdrücklich bestraft hatte, wie sie es dem Vergehen nach für nötig erachtete, warf sie ihn über einen Stuhl, der nicht zweckmäßiger hätte stehen können und forderte ihn auf, noch einmal von seinen Rechten zu sprechen, wenn er es wagen wollte.
»Laß los!« rief er in befehlendem Tone, »und mach’ sogleich, daß du fortkommst, wenn du nicht willst, daß ich etwas Desperates tue.« Er stand mit den allerkläglichsten Mienen auf, sann darüber nach, was wohl ganz desperat sein möchte, hob seinen Hut auf und blickte nach der Tür.
»Gehst du bald?« fragte Mrs. Bumble.
»Ich gehe schon, ja doch,« erwiderte er, sich rasch nach der Tür zurückziehend; »ich beabsichtige keineswegs – wirklich, ich gehe schon, Liebe – du bist aber auch so heftig, daß ich fürwahr –«
Mrs. Bumble bückte sich in diesem Augenblicke, um den in Unordnung geratenen Teppich wieder zurecht zu schieben, und ihr Eheherr schoß hinaus, ohne daran zu denken, seine Rede zu vollenden, und ließ weiland Mrs. Corney im ungestörten Besitze des Schlachtfeldes. – Mr. Bumble war der Überraschung erlegen und ohne Frage vollständig in die Flucht geschlagen. Er hatte die entschiedenste Neigung zum Bramarbasieren, nichts konnte ihm größere Freude gewähren, als Verübung kleiner Tyrannei und Grausamkeit, und er war demnach, wie kaum gesagt zu werden braucht, eine Memme. Hierdurch wird indes sein Charakter keineswegs heruntergesetzt, da so viele Beamte, die in hoher Achtung stehen und höchlich bewundert werden, die Opfer ähnlicher Schwächen sind. Wir haben jene Bemerkung vielmehr zu seinen Gunsten gemacht, und um unsern Lesern noch mehr zu Gemüt zu führen, wie trefflich sich Bumble zu einem Beamten eignete.
Das Maß seiner Erniedrigung war indes noch nicht voll. Nachdem er einen Gang durch das ganze Haus gemacht und zum erstenmal daran gedacht hatte, daß die Armengesetze doch wirklich zu streng wären und daß Männer, die von ihren Frauen fortliefen und die Erhaltung derselben dem Kirchspiele aufbürdeten, von Rechts wegen ganz und gar nicht bestraft, sondern vielmehr als verdiente Individuen und Märtyrer belohnt werden sollten, kam er in ein Gemach, in welchem die Bewohnerinnen des Armenhauses beschäftigt zu werden pflegten, das Kirchspielleinenzeug zu waschen, und in welchem er lautes Sprechen hörte.
»Hm!« sagte er, seine ganze angeborene Würde annehmend; »zum wenigsten sollen diese Weiber auch fernerhin meine Rechte achten. Holla – Blitz und Hagel! – wie könnt ihr euch unterstehen, einen solchen Lärm zu machen, verwünschtes Weibsvolk?«
Er öffnete mit diesen Worten die Tür, schritt hochfahrend und zornig hinein, nahm jedoch unmittelbar darauf die demütigste Miene an, denn er erblickte seine Hausehre. »Ich wußte nicht, daß du hier wärest, lieber Schatz,« sagte er.
»Wußtest nicht, daß ich hier war?« fuhr sie ihn an. »Was hast du denn hier zu schaffen?«
»Ich dachte, sie sprächen zu viel, um ihre Arbeiten gehörig verrichten zu können,« erwiderte er, zerstreut nach ein paar alten Frauen an einem Waschfasse hinblickend, die bewundernde Blicke ob der Demut des Armenhausverwalters wechselten.
»Du dachtest, sie sprächen zu viel?« sagte Mrs. Bumble. »Was geht denn dich das an?«
»Ei nun, lieber Schatz –«
»Ich frage noch einmal, was es dich angeht?«
»Es ist wahr, du hast hier zu befehlen, lieber Schatz; ich glaubte aber, du wärest eben nicht bei der Hand.«
»Ich will dir was sagen, Bumble: wir brauchen dich hier nicht, du hast hier nichts verloren und steckst deine Nase viel zu gern in Dinge, die dich nichts angehen; machst dich bei jedermann lächerlich und zum Narren und wirst ausgelacht, sobald du den Rücken wendest. Troll’ dich – willst du, oder willst du nicht?«
Bumble gewahrte mit folternden Gefühlen, wie die beiden alten Wäscherinnen wahrhaft entzückt miteinander kicherten, und zögerte einen Augenblick. Mrs. Bumble, deren Geduld bei einem Aufschube nicht Probe hielt, ergriff ein Gefäß mit Seifenwasser, näherte sich ihm und wiederholte ihre Aufforderung, bei Strafe, im Falle des Ungehorsams, seine stattliche Person überschüttet zu sehen.
Was konnte er tun? Er blickte trostlos umher, schlich nach der Tür, und das Gekicher der Wäscherinnen verwandelte sich in ein schallendes Gelächter. Mehr bedurfte es nicht. Er war in ihren Augen erniedrigt, hatte Ehre und Ansehen sogar bei den Armen verloren, war von der Höhe der Kirchspieldienerschaft zur tiefsten Tiefe des unter Weiberregiment stehenden Ehemannes heruntergesunken. »Und das alles nach zwei Monaten!« dachte Bumble. »Kaum vor zwei – noch vor zwei kurzen Monaten war ich mein eigener Herr und gebot über das ganze Armenhaus, und jetzt!«
Es war zu viel. Er ohrfeigte den Knaben, der ihm das Tor öffnete (denn er hatte mittlerweile das Portal erreicht) und trat zerstreut hinaus auf die Straße.
Er ging eine Zeitlang auf und ab, bis sich die erste Heftigkeit seines Kummers gelegt hatte. Sie ließ indes Durst zurück. Er schritt an vielen Wirtshäusern vorüber und stand endlich vor einem in einem Nebengäßchen befindlichen still, dessen Gaststube, wie er durch einen flüchtigen Blick sich überzeugte, leer war. Nur ein einziger Mann saß darin. Es fing eben an stark zu regnen, und dies bestimmte ihn. Er ging hinein und forderte ein Glas Branntwein.
Der im Gastzimmer sitzende Mann war groß und schwärzlich und hatte sich in einen weiten Mantel gehüllt. Er schien ein Fremder und ziemlich weit gewandert zu sein, denn er sah ermüdet aus und hatte staubige Stiefel an. Er blickte Bumble, als dieser eintrat, von der Seite an, ließ sich aber zur Entgegnung seines Grußes kaum zu einem Kopfnicken herab. Bumble besaß Würde genug für zwei, trank daher sein Glas Branntwein mit Wasser stillschweigend und nahm mit großer Wichtigkeit ein Zeitungsblatt zur Hand. Wie es indes unter Umständen dieser Art zu geschehen pflegt, er empfand eine starke Neigung, der er nicht widerstehen konnte, von Zeit zu Zeit nach dem Unbekannten verstohlen hinüberzublicken, worauf er stets die Augen etwas verwirrt wieder niedersenkte, da der Unbekannte jedesmal dasselbe tat. Seine Verwirrung wurde noch durch den auffallenden Ausdruck der Augen des letzteren vergrößert, welche scharf und durchdringend waren und aus denen finstere, argwöhnische Blicke hervorschossen, wie Bumble sie noch nie gesehen, und die seinen Mienen etwas höchst Abstoßendes gaben.
Als die Blicke beider einander auf diese Weise mehrmals begegnet waren, brach endlich der Fremde das Stillschweigen.
»Sahen Sie nach mir,« hub er mit tiefer, rauher Stimme an, »als Sie in das Fenster hereinblickten?«
»Nicht daß ich wüßte, sofern Sie nicht Mr. –« Bumble unterbrach sich hier selbst. Er wünschte den Namen des Fremden zu erfahren und hoffte, daß derselbe sich nennen würde.
»Ah, Sie haben also nicht nach mir hereingeblickt,« sagte der Unbekannte, spöttisch den Mund verziehend, »denn Sie würden sonst meinen Namen kennen. Ich möchte Ihnen raten, nicht danach zu fragen.«
»Ich habe nichts Böses gegen Sie im Sinne, junger Mann,« entgegnete Bumble, sich in die Brust werfend.
»Und haben mir auch nichts Böses zugefügt,« lautete die rasche Antwort.
Es trat wiederum Stillschweigen ein, das der Fremde nach einiger Zeit zum zweitenmal unterbrach. »Ich sollte meinen, daß ich Sie schon gesehen hätte. Sie waren zu der Zeit anders gekleidet, und ich begegnete Ihnen nur auf der Straße, erkenne Sie aber wieder. Waren Sie nicht Kirchspieldiener hier im Orte?«
Bumble bejahte nicht ohne einige Verwunderung.
»Was sind Sie denn jetzt?«
»Armenhausverwalter,« erwiderte Bumble langsam und mit nachdrücklicher Betonung, um den Unbekannten zu verhindern, einen Ton ungebührlicher Vertraulichkeit anzunehmen. »Armenhausverwalter, junger Mann!«
»Sie werden sich doch ohne Zweifel noch ebensogut auf Ihren Vorteil verstehen wie sonst?« fuhr der Unbekannte, ihn scharf anblickend, fort, denn Bumble sah ihn nicht wenig erstaunt an. »Tragen Sie kein Bedenken, mir offen zu antworten; Sie sehen ja, daß ich Sie genau genug kenne.«
»Ein verheirateter Mann,« versetzte Bumble, die Augen mit der Hand beschattend und den Unbekannten in offenbarer Verlegenheit von Kopf bis zu Füßen betrachtend, »ist nicht abgeneigter als ein alleinstehender, auf eine ehrliche Weise ein Stück Geld zu verdienen. Die Kirchspielbeamten werden nicht so reichlich besoldet, daß sie eine kleine Nebeneinnahme von der Hand weisen dürften, wenn sie sich ihnen auf eine anständige und schickliche Weise darbietet.«
Der Unbekannte lächelte, nickte mit dem Kopfe, als wenn er sagen wollte, daß er sich in seinem Manne nicht geirrt hätte, und klingelte. Der Wirt erschien, er reichte ihm Bumbles leeres Glas und befahl ihm, es mit starkem und heißem Getränk wieder zu füllen.
»Sie lieben es doch so?« sagte er.
»Nicht zu stark,« erwiderte Bumble mit einem Zartgefühl ausdrückenden Husten.
»Sie wissen schon, was das sagen will,« rief der Unbekannte in trocknem Tone dem Wirte nach, der lächelnd verschwand und kurz darauf mit einem dampfenden Glase zurückkehrte, das Bumble das Wasser in die Augen trieb.
»Hören Sie mich nun an,« sagte der Unbekannte, sobald sie wieder allein waren. »Ich bin heute hierher gekommen, um Sie aufzusuchen, und als ich eben daran dachte, wie ich Sie treffen sollte, trieb Sie mir einer der Zufälle in den Weg, durch die der Teufel bisweilen seine Freunde zusammenführt. Ich muß eine Erkundigung bei Ihnen einziehen und verlange Ihre Mühe, so gering sie sein mag, nicht umsonst. Stecken Sie das als Handgeld ein.«
Er legte ein paar Goldstücke vor ihn auf den Tisch, und nachdem Bumble dieselben sorgfältig geprüft hatte, ob sie auch nicht falsch wären, und sie vergnügt in die Tasche gesteckt hatte, fuhr der Fremde fort: »Denken Sie einmal zurück – ja – an den Winter vor zwölf Jahren.«
»Das ist eine lange Zeit,« sagte Bumble. »Aber schon gut. Ich denke an den Winter.«
»Schauplatz das Armenhaus.«
»Gut.«
»Zeit die Nacht.«
»Ja, ja.«
»Ort das elende Loch, in welchem liederliche Weibsbilder Kindern das ihnen selbst oft versagte Leben geben, Kindern, die das Kirchspiel aufzuziehen hat, und wo sie sterbend ihre Schande verstecken.«
»Sie meinen das Wöchnerinnenzimmer,« sagte Bumble.
»Ja. In ihm wurde ein Knabe geboren.«
»Viele, viele Knaben,« erwiderte Bumble mit kläglichem Kopfschütteln.
»Hol’ der Teufel die junge Höllenbrut!« rief der Unbekannte ungeduldig aus. »Ich spreche von einem, ’nem zierlich und bläßlich aussehenden Wichte, der bei einem Leichenbestatter in die Lehre getan wurde (ich wollte, daß er selbst längst zu Grabe getragen wäre!) und später fortlief, wie man glaubte, nach London.«
»Sie meinen Oliver – den Oliver Twist? Ich erinnere mich seiner natürlich sehr wohl. Wir hatten keinen eigensinnigeren kleinen Schlingel im Hause –«
»Ich brauche nichts von ihm zu hören, habe genug von ihm gehört – wo ist die alte Hexe, die seine Mutter entband?«
»Das ist nicht leicht zu sagen. Wo sie sich jetzt aufhält, da gibt’s nichts zu tun für Hebammen; sie wird also wohl außer Dienst sein.«
»Was wollen Sie damit sagen?« fragte der Unbekannte finster.
»Daß sie im vergangenen Winter gestorben ist.«
Der Unbekannte sah ihn eine Zeitlang scharf an, sein Blick wurde darauf zerstreut, und er schien in Gedanken versunken zu sein. Es war zweifelhaft, ob ihm die erhaltene Kunde erfreulich oder unwillkommen war, endlich aber schien er freier aufzuatmen, bemerkte, es käme wenig darauf an, und stand auf, um sich zu entfernen.
Bumble besaß hinreichenden Scharfsinn, um sogleich zu gewahren, daß sich ihm eine Gelegenheit eröffnet habe, Gewinn aus einem Geheimnisse seiner besseren Hälfte zu ziehen. Er erinnerte sich des Todes der alten Sally sehr wohl; war sie doch an dem Abende gestorben, an welchem er Mrs. Corney seinen Antrag gemacht hatte; und obgleich ihm von Frau Bumble noch immer nicht anvertraut worden war, was die Sterbende ihr allein gebeichtet, so hatte er doch genug gehört, um zu wissen, daß es sich auf etwas bezogen, das sich bei oder nach der Entbindung der Mutter Oliver Twists ereignet hatte. Er sagte dem Unbekannten daher mit geheimnisvoller Miene, daß die Alte, nach welcher er sich erkundigt, kurz vor ihrem Tode eine andere Frau habe zu sich rufen lassen und derselben Mitteilungen gemacht habe, die, wie er nicht ohne Grund glaube, Licht in die Sache bringen könnten, um welche es sich handle.
»Wo kann ich die Frau sprechen?« fragte der Unbekannte offenbar überrascht, denn er ließ durchblicken, daß er lebhafte Befürchtungen hegte, worin dieselben auch bestehen mochten.
»Nur durch meine Vermittlung,« erwiderte Bumble.
»Wann?« fragte der Unbekannte in großer Aufregung weiter.
»Morgen.«
»Abends um neun Uhr,« sagte der Unbekannte und schrieb mit etwas zitternder Hand die Adresse eines abgelegenen Hauses auf. »Bringen Sie sie abends um neun Uhr zu mir. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, insgeheim, denn es ist Ihr Vorteil.«
Er ging darauf mit Bumble zur Tür, bezahlte den Wirt, bemerkte, daß sie sich hier trennen müßten, schärfte dem Armenhausverwalter noch einmal Pünktlichkeit ein und ging. Bumble sah auf die Adresse; sie hatte keinen Namen. Er folgte daher dem Unbekannten nach, um ihn darum zu befragen und berührte seinen Arm.
»Was soll das?« fuhr ihn der Unbekannte, sich rasch umdrehend, an. »Warum folgen Sie mir nach?«
»Ich muß doch wissen, nach wem ich zu fragen habe,« sagte Bumble; »darf ich nicht um Ihren Namen bitten?«
»Monks!« erwiderte der Unbekannte und entfernte sich mit eiligen Schritten.
Es war ein schwüler Sommerabend; die Wolken, welche den ganzen Tag gedroht hatten, dehnten sich zu einer breiteren und dichteren Masse aus, aus welcher schon dicke Regentropfen herabfielen, und schienen ein heftiges Gewitter zu verkünden, als sich Mr. und Mrs. Bumble aus einer der Hauptstraßen der Stadt nach einer kleinen Kolonie zerstreut stehender und verfallener Häuser wandten, die etwa anderthalb Meilen entfernt sein mochten und in einer sumpfigen Niederung am Themseufer erbaut waren. Sie hatten sich beide in schäbige Mäntel eingehüllt, vielleicht sowohl um sich vor dem Regen zu schützen, wie um unbemerkt zu bleiben. Mr. Bumble trug eine Laterne, in welcher jedoch kein Licht brannte, und ging ein paar Schritte voran, als hätte er – denn der Weg war schmutzig – seiner Frau den Vorteil verschaffen wollen, in seine breiten Fußstapfen zu treten. Sie schritten in tiefem Stillschweigen dahin, Mr. Bumble sah sich bisweilen um, als wenn er sich hätte überzeugen wollen, ob Mrs. Bumble auch nachfolgte, worauf er ebenso oft, sie hinter sich gewahrend, seine Schritte wieder beschleunigte.
Ihr Bestimmungsort konnte keineswegs ein zweideutiger heißen, denn er war längst als die Wohnung von verrufenem und verwegenem Gesindel bekannt, das hauptsächlich von Diebstählen und Räubereien lebte. Es war ein Haufen elender Baracken, in deren Mitte am Uferrande ein großes Gebäude stand, das ehemals zu Fabrikzwecken der einen oder anderen Art gedient und den Hüttenbewohnern umher wahrscheinlich Beschäftigung gegeben hatte. Es war indes seit langer Zeit verfallen, und die Ratten, die Würmer und die Feuchtigkeit hatten das Pfahlwerk morsch gemacht, auf welchem es ruhte, so daß schon ein beträchtlicher Teil des Ganzen unter das Wasser gesunken war, während der wankende und über den finsteren Strom hinüberlehnende Rest nur auf eine günstige Gelegenheit zu warten schien, dasselbe Schicksal zu teilen.
Vor diesem Gebäude stand das würdige Paar still, als eben das erste Rollen des entfernten Donners vernehmbar wurde und der Regen mit Heftigkeit niederzustürzen anfing.
»Es muß hier irgendwo sein,« sagte Bumble, auf einen Papierstreifen blickend, den er in der Hand hielt.
»Wer da?« ertönte eine Stimme von oben.
Bumble blickte empor und sah jemanden aus dem zweiten Stockwerke herunterschauen.
»Eine Minute Geduld,« rief die Stimme, »ich werde sogleich bei Ihnen sein.«
»Ist das der Mann?« fragte Frau Bumble, und ihr Eheherr nickte bejahend.
»Vergiß nicht, was ich dir gesagt habe,« fuhr die Dame fort, »und sprich so wenig wie nur irgend möglich, denn du wirst uns sonst gleich verraten.«
Mr. Bumble, der an dem Hause mit sehr bänglichen Blicken emporgeschaut hatte, stand im Begriff, einige Zweifel auszusprechen, ob es überhaupt rätlich sei, sich noch zu dieser Stunde auf das Abenteuer einzulassen, als er durch Monks daran gehindert wurde, der eine kleine Tür öffnete, vor welcher sie standen, und ihnen winkte hereinzutreten. »Geschwind!« rief er ungeduldig und mit dem Fuße stampfend. »Haltet mich hier nicht auf!«
Frau Bumble, welche anfangs gezögert hatte, ging keck hinein, und ihr Eheherr, der sich schämte oder fürchtete, zurückzubleiben, folgte ihr nach, jedoch offenbar mit großer Unruhe und ohne jene Würde, die ihn sonst stets vornehmlich zu charakterisieren pflegte.
»Was zum Teufel stehen Sie da draußen und ließen sich naß regnen?« sagte Monks zu ihm, nachdem er die Tür wieder verriegelt hatte.
»Wir – wir kühlten uns ein wenig ab,« stotterte Bumble, furchtsam umherblickend.
»Kühlten sich ein wenig ab!« entgegnete Monks. »Aller Regen, der jemals vom Himmel herabfiel oder noch herabfallen soll, wird nicht so viel höllisches Feuer auslöschen, wie ein Mann mit sich umhertragen kann. Glauben Sie nicht, daß Sie sich so leicht abkühlen können.«
Mit diesen angenehmen Worten und mit einem finsteren, stieren Blicke wandte sich Monks zu Frau Bumble, die, obwohl sonst nicht so leicht einzuschüchtern, dennoch die Augen vor ihm auf den Boden heften mußte. »Ist dies die Frau?« fragte Monks.
»Hm! Ja,« antwortete Mr. Bumble, eingedenk der Warnung seiner Gattin.
»Sie glauben vielleicht, daß Frauen keine Geheimnisse verschweigen können!« nahm Frau Bumble das Wort und blickte dabei Monks wieder dreist und forschend an.
»Ich weiß, daß sie allezeit eins verschweigen, bis es an den Tag gekommen ist,« erwiderte Monks verächtlich.
»Und was ist das für ein Geheimnis?« fragte Frau Bumble in demselben zuversichtlichen Tone.
»Der Verlust ihres guten Namens,« sagte Monks; »und ebenso fürchte ich nicht, daß eine Frau ihr Geheimnis ausschwatzt, wenn das Ausschwatzen dahin führen kann, daß sie gehängt oder deportiert wird. Verstanden?«
»Nein,« versetzte die Dame, sich ein wenig verfärbend.
»Freilich,« sagte Monks spöttisch, »wie könnten Sie mich auch verstehen!« Er blickte die Eheleute halb höhnisch und halb grollend an, winkte ihnen abermals, ihm nachzufolgen, eilte durch das große, jedoch niedrige Zimmer voran und wollte eben eine steile Treppe oder vielmehr Leiter hinauf steigen, als der helle Glanz eines Blitzes durch die Öffnung herabfuhr und ein Donnerschlag erfolgte, der das gebrechliche Gebäude in seinem Grunde erschütterte.
»Hören Sie!« rief er zurückschreckend aus, »hören Sie, wie es prasselt und rollt, als ob es durch tausend Höhlen widerhallte, wo sich die Teufel davor verstecken. Fluch über den Lärm! Ich hasse ihn.«
Er schwieg einige Augenblicke, entfernte plötzlich die Hände von seinem Gesicht, und Mr. Bumble gewahrte zu seinem unaussprechlichen Schrecken, daß es fast kreideweiß und ganz verzerrt war.
»Ich leide bisweilen an diesen Zufällen,« sagte Monks, die Bestürzung des Armenhausverwalters bemerkend, »und dann und wann werden sie durch den Donner hervorgerufen. Achten Sie nicht darauf; es ist für diesmal vorüber.« Mit diesen Worten ging er voran, erklomm die Treppe, verschloß hastig die Fensterläden des Gemaches, in welches er das Ehepaar führte, und ließ eine an einer Leine und einer Rolle an einem der Deckenbalken hängende Laterne herunter, die ein mattes Licht auf einen alten Tisch und drei an denselben gestellte Stühle warf. Als sie sich gesetzt hatten, sagte er: »Je eher wir zur Sache kommen, desto besser ist’s für uns alle. Weiß die Frau, worauf sich unser Geschäft bezieht?«
Die Frage war an Mr. Bumble gerichtet, allein Mrs. Bumble nahm sogleich das Wort und erklärte, daß sie mit dem Zwecke der Zusammenkunft vollkommen bekannt sei.
»Er sagte, Sie wären bei der alten Hexe an dem Abende gewesen, da sie starb, und sie hätte Ihnen etwas anvertraut –«
»Was die Mutter des Knaben betraf, den Sie nannten,« unterbrach ihn Frau Bumble. »Ja, Sir.«
»Die erste Frage,« sagte Monks, »ist die, worin bestand ihre Mitteilung?«
»Das ist die zweite Frage,« bemerkte Frau Bumble mit großer Ruhe. »Die erste ist die, was wohl der Preis des Geheimnisses sein mag?«
»Wer zum Teufel kann das sagen, ohne zu wissen, worin es besteht?« lautete Monks’ Gegenfrage.
»Ich bin überzeugt, niemand besser als Sie,« antwortete Frau Bumble, der es, wie ihr Gatte aus hinreichender Erfahrung bezeugen konnte, keineswegs an Herzhaftigkeit gebrach.
»Hm!« sagte Monks bedeutsam und mit einem begierigen und lauernden Blicke; »handelt es sich denn um etwas Wertvolles?«
»Vielleicht – o ja, vielleicht,« antwortete Frau Bumble gelassen.
»Etwas, was man ihr abnahm,« fuhr Monks eifrig fort; »etwas, was sie trug – etwas, was –«
»Sie tun am besten, wenn sie bieten,« unterbrach ihn Frau Bumble. »Ich habe schon genug gehört, um gewiß zu sein, daß Sie der Mann sind, für welchen mein Geheimnis Wert hat.«
Mr. Bumble, den seine bessere Hälfte von dem Geheimnisse noch nicht mehr hatte wissen lassen, als er gleich zu Anfange gewußt, horchte diesem Zwiegespräch mit vorgerecktem Halse und weit aufgerissenen Augen, die er mit unverhohlenem Erstaunen bald auf seine Frau, bald auf Monks heftete, und seine Spannung nahm womöglich noch zu, als der letztere ernstlich nach der Summe fragte, welche für die Offenbarung des Geheimnisses gefordert würde.
»Was ist es Ihnen wert?« fragte Frau Bumble ebenso kaltblütig wie vorhin.
»Kann sein, daß es mir nichts oder daß es mir zwanzig Pfund wert ist,« erwiderte Monks; »sprechen Sie und lassen Sie mich Ihre Forderung wissen.«
»Legen Sie noch fünf Pfund zu; geben Sie mir fünfundzwanzig Pfund in Gold,« versetzte Frau Bumble, »und ich sage Ihnen alles, was ich weiß – doch eher nicht.«
»Fünfundzwanzig Pfund!« rief Monks, sich zurückbeugend aus.