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Gisela Pekrul, Jahrgang 1944, hat in dem Büchlein kleine Episoden aus ihrem Leben aufgeschrieben, die sie schon mehrmals ihren Enkeln erzählen musste. Nun können sie diese Erinnerungen an die Zeit vor rund 60 Jahren selbst lesen. Die Geschichten spielen in Wolteritz, einem kleinen Dorf in Sachsen, das heute zu Schkeuditz gehört. Es sind Begebenheiten, die für das kleine Mädchen und ihren Bruder so schlimm waren, dass sie nach so langer Zeit noch nicht vergessen wurden. Die Erzählerin kann nun mit der Gelassenheit der Großmutter nur noch darüber schmunzeln und versucht, diesen Humor auch ihren kleinen Lesern zu vermitteln. Trotzdem wird kein Erlebnis zur Nachahmung empfohlen. Es gibt auch gar keinen Anlass, denn Toiletten haben längst Wasserspülung und Abfluss statt einer gefährlichen Abfanggrube, auf fahrende Züge kann man nicht mehr aufspringen und es gibt bessere Naschereien als heimlich entwendete Rosinen. Es ist aber auch ein Hohelied der Freundschaft und des Zusammenhalts in einer schweren Zeit.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 35
Veröffentlichungsjahr: 2013
Impressum
Ein Kriegskind
Kindtaufe zwischen Bombenangriffen
Die wertvollen Stiefel oder das Leben des Babys
Das Märchen vom Klapperstorch
Der Kleine bekommt mehr Butter
Die doppelte Hausaufgabe
Sitzenbleiber - warum verhaut ihr das Mädchen?
Gefährliches Ballspiel
Die Naschkatze
Der Einbrecher – Als Fridolin die Gegend unsicher machte
Der verlorene Schuh
Gisela Pekrul
Gisela Pekrul
Oma, ich kann deine Geschichten schon lesen
ISBN 978-3-86394-449-0 (E-Book)
Das E-Book entstand nach der gleichzeitig erschienenen Druckausgabe (978-3-86394-451-3).
Illustrator: Ernst Franta.
© 2013, 2018 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860-505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de
Die Geschichten, die ich hier erzähle, liegen lange zurück, sechzig bis siebzig Jahre. Sie beginnen in einer schlimmen Zeit, dem II. Weltkrieg, wo viele Menschen an der Front oder bei Bombenangriffen auf Städte und Dörfer starben. Da die Lebensmittel immer knapper wurden und die Männer als Soldaten dienten, mussten die Frauen auf dem Dorfe, sofern sie gesund waren, in der Landwirtschaft aushelfen. Sie wurden vom Staat verpflichtet, für wenig Geld beim Bauern zu arbeiten. Wer sich weigerte, wurde hart bestraft, konnte sogar eingesperrt oder zum Tode verurteilt werden.
In Wolteritz, einem kleinen Dorf bei Leipzig, wo alle meine Geschichten spielen, denn ich bin dort aufgewachsen, wohnten damals auch zwei Freundinnen, Minna und Marta. Bei der täglichen eintönigen Arbeit auf dem Bauernhof unterhielten sie sich oft über ihre Kinder und Ehemänner.
Eines Morgens überrascht Minna ihre Freundin mit einem ungewöhnlichen Plan.
„Wenn alles klappt, brauche ich nächstes Jahr nicht mehr zu arbeiten.“
Marta erschrickt und sieht sich vorsichtig nach allen Seiten um:
„Wie willst du das anstellen? Du weißt doch, das ist streng verboten. Du kannst ins Gefängnis kommen.“
„Was Walter und ich tun, ist nicht verboten. Mein Mann hat ein paar Tage Urlaub und muss erst am Montag wieder an die Front. Es wird sicher klappen, wir schaffen uns ein Kind an. Findest du nicht auch, das wäre eine gute Lösung? Sprich doch mit deinem Paul, dann brauchst du dich nächstes Jahr auch nicht mehr auf dem Bauernhof abzuplagen.“
„Psst, nicht so laut. Wenn dich jemand hört“, flüstert Marta. Und nach kurzem Nachdenken: „Du hast recht, die Idee ist gar nicht so schlecht. Vielleicht kriegen wir ja jede ein Mädchen, und die beiden können Freundinnen werden wie wir. Mein Mann hat nichts gegen ein drittes Kind, und wenn wir erst den Krieg gewonnen haben, wird wieder alles besser.“
Bei dem letzten Satz schüttelt Minna kaum merklich den Kopf, sie kann Martas Begeisterung nicht teilen. Walter hat ihr erzählt, wie hart die Deutschen gegen die russische Bevölkerung vorgehen und auch, dass es große Verluste an der Front gibt. Zugleich hat er ihr aber eingeschärft, kein Wort darüber zu verlieren und an das Kind zu denken, das sie zur Welt bringen soll. Sonst würden sie oder er womöglich wegen feindlicher Propaganda abgeholt. Deshalb schweigt sie lieber, sogar gegenüber ihrer besten Freundin.
Ein knappes Jahr später, im darauf folgenden Februar, sehen auch Marta und ihr Mann die Lage weniger optimistisch. Zwar glauben sie noch an den Endsieg, hören aber die Flugzeuge, die fast täglich ihre Bomben über dem nahen Leipzig abwerfen, und müssen sich selbst bei Fliegeralarm im Keller ihres Hauses verstecken. Auf die Lebensmittelkarten gibt es auch immer weniger zu kaufen.
Es ist ein kalter Winter mit sehr, sehr viel Schnee. Paul walzt im Rackwitzer Werk Aluminiumplatten für Kampfflieger. Das Baby in Martas Bauch aber hat es eilig, das Licht der Welt zu erblicken.
Doch der Schnee hat die Telefonleitung zerstört, ein Auto gibt es nicht im Ort, wer soll Marta da zur Seite stehen? Damals halfen sich Nachbarn noch viel mehr als heutzutage.
Marta will ihre Freundin um Unterstützung bitten, aber Minna ist mit ihrer kleinen, zwei Monate alten Tochter Christina zu ihrer Mutter gefahren. So geht sie ein Haus weiter zu Frau Löffler, die auch Rat weiß.
„Ich hole die Hebamme. Ich ziehe mich dick an, nehme den Schlitten meiner Tochter und laufe zu Fuß nach Zschortau. Mach dir keine Sorgen, Marta, wenn es für die Frau zu schwierig wird, kann ich sie auf den Schlitten setzen. Ich schaffe das schon, und wir kommen noch rechtzeitig zu dir.“
Frau Löffler versinkt auf dem Feldweg bis zum Bauch im Schnee, doch beide schaffen es tatsächlich. Das neugeborene Baby bekommt den Namen Gisela und soll Pfingsten, wenn die Frühlingssonne längst allen Schnee weggetaut hat, getauft werden.