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Dieses Buch entführt Sie in die Welt der kraftvollen Stimmen, volltönenden Orchester, fesselnden Dramen, aufwändigen Bühnenbilder und prächtigen Kostüme! Von finsteren Königinnen, dem Pakt mit dem Teufel, verarmten Künstlern bis zur wahren Liebe und der trickreichen Ehefrau, die ihren Gatten aus dem Kerker rettet - in der Oper ist alles zu finden. "Oper für Dummies" nimmt Ihnen die Furcht vor der fremden, manchmal ein wenig snobistisch erscheinenden Welt der Oper. Das Buch lehrt Sie die "Opernsprache" und führt Sie anhand der Operngeschichte durch vergangene Jahrhunderte zu den besten Opern, den berühmtesten Komponisten und den Opern-Schauplätzen von gestern und heute.
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Seitenzahl: 571
Sie sind in der Oper. Sie schlagen das Programmheft auf oder hören gerade, was ein paar echte Opernkenner so reden – fremde Wörter fliegen Ihnen wie Kugeln um die Ohren. Jetzt aber flott nachschauen, was die bedeuten:
Arie: Ein gefühlsgeladenes Gesangsstück in einer Oper; 'ne echt große Nummer.
Belcanto: Eine besondere Art des schönen Singens, die Sänger auch heute noch lernen und bei der besonderer Wert auf die Atemführung, Schönheit des Klangs und hohe Flexibilität in der Dynamik gelegt wird (zum Beispiel ein Abschwellen des Tons von laut nach leise).
Dynamik: Die Veränderung der Lautstärke innerhalb eines Musikstücks.
Kadenz: Der Moment am Ende einer Arie, der nur für den Sänger da ist, mit fürchterlich vielen, schnellen, hohen und schwierigen Tönen, damit der Sänger nochmal richtig zeigen kann, was er drauf hat.
Koloratursopran: Eine Sängerin mit einer extrem beweglichen, leichten und klar klingenden Stimme, die schnelle und hohe Töne ganz leicht singen kann.
Leitmotiv: Eine kleine Melodie, die immer dann ertönt, wenn eine bestimmte Figur oder ein bestimmter Gegenstand auftaucht; von Richard Wagner erfunden.
Libretto: Sozusagen das Drehbuch einer Oper.
Opera buffa: Eine komische Oper, meist so bezeichnet, wenn sie aus dem 18. Jahrhundert stammt.
Opera seria: Eine ernste Oper, meist so bezeichnet, wenn sie im 18. Jahrhundert entstanden ist.
Primadonna: Die Sängerin, die die Heldin des Stücks ist, die Hauptdarstellerin einer Oper; aber auch jede andere Person, die glaubt, dass sich die Welt nur um sie dreht.
Rezitativ: Ein Sprechgesang, in dem der Sänger die Wörter halb singt, halb spricht und den freien Sprechrhythmus imitiert.
Singspiel: Eine deutsche Form der Oper mit gesprochenen Dialogen anstelle von gesungenen Rezitativen zwischen den Arien und Ensembles.
Hosenrolle: Eine Männerrolle, die von einer Frau gespielt wird.
Verismo/Veristische Oper: Ein realistischer, fast dokumentarischer Stil in der Oper.
In eine Oper zu gehen ist nicht das Gleiche wie ins Kino zu gehen. Zum einen ist es teurer, zum anderen werden Sie viel Fremdes hören und sehen. Diese Tipps sorgen dafür, dass Sie gut vorbereitet sind.
Die richtige Wahl. Opern gibt es viele, die Musik und die Geschichten sind sicherlich so vielfältig wie Filme im Kino. Manche sind bezaubernde, romantische Verwechselungskomödien, so wie Figaros Hochzeit und Der Liebestrank. Die Mehrheit der Opern sind aber herzzerreißende Liebestragödien, wie zum Beispiel La Bohème und Aida. Einige wenige dagegen sind richtige Schocker, in denen Jugendliche ihre Mutter töten (Elektra) oder nekrophile Teenager auftreten (Salome). Gehen Sie nie unwissend in eine Oper – vor allem nicht, wenn Sie ein Date haben.
Beschäftigen Sie sich vorher mit der Oper. Die Oper ist vielleicht in einer für Sie fremden Sprache. Sie spielt eventuell an irgendeinem exotischen Ort in einer anderen Zeit und kann eine sehr komplizierte Handlung haben. Wenn Sie sich vorher ein Video der Oper anschauen oder eine Aufnahme anhören und dabei genau dem Text folgen, kennen Sie die Geschichte schon. Wenn Sie dazu vorher keine Zeit haben sollten, lesen Sie sich wenigstens die Zusammenfassung in Kapitel 11 oder 12 durch. Der Erlebniswert wird sich enorm steigern, wenn Sie vorbereitet sind.
Essen. Eine Oper kann sehr lang sein – besonders wenn Sie sich eine von Richard Wagner ansehen. Essen Sie unbedingt eine Kleinigkeit vorher, nach der Aufführung können Sie dann auch noch eine richtige Mahlzeit zu sich nehmen. (Es sei denn, Sie schauen sich tatsächlich ein Stück von Richard Wagner an, dann sollten Sie unbedingt noch etwas zu essen in die Oper mitnehmen. Das können Sie während einer der Pausen verdrücken…)
Seien Sie rechtzeitig da. Allein das »Leute-gucken« ist den Eintrittspreis meist schon wert. Wie viele Opernsnobs sehen Sie?
Schauen Sie sich den Orchestergraben an. Die Musiker – die immerhin die Hälfte der gesamten Gagen ein streichen – werden Sie vermutlich den ganzen Abend nicht zu Gesicht bekommen. Bevor die Aufführung beginnt, sollten Sie sich daher die Zeit nehmen und das Getümmel da unten unter die Lupe nehmen. Es ist sehr interessant zu beobachten, was die Musiker alles tun, um sich aufzuwärmen und einzuspielen.
Suchen Sie die Waschräume auf, bevor es losgeht. Ihre nächste Gelegenheit dazu werden Sie erst in der Pause haben, und dann strömen ca. 1500 oder mehr Zuschauer zu den Toiletten. Liebe Leserinnen: Vor allem die holde Weiblichkeit sollte sich dies zu Herzen nehmen. Wenn Sie nicht in einer Schlange stehen wollen, die ungefähr siebenmal bis zum Mond und wieder zurück reichen würde, gehen Sie auf jeden Fall vor der Vorstellung.
In der Oper kann die menschliche Stimme in Dutzende von verschiedenen Kategorien unterteilt werden. Wir wollen hier zunächst nur die sechs Hauptkategorien vorstellen:
Sopran: Diese Damen singen die höchsten Töne, spielen die Heldinnen oder die jungen, süßen Dinger und bekommen die höchste Gage.
Mezzosopran: Die etwas tiefere Frauenstimme. Spielt häufig böse Charaktere oder die Verführerin und manchmal auch junge Männer.
Alt: Der tiefste weibliche Stimmtypus. Spielt meist Zofen, Mütter, Großmütter und manchmal auch Hexen.
Tenor: Die höchstbezahlte und am höchsten singende männliche Gesangsstimme. Ist auf der Bühne in der Regel der Held, der Liebhaber oder schlichtweg der tolle Hecht.
Bariton: Der mittlere männliche Stimmtypus. Spielt meist den Bösewicht, den bösen Gefängniswärter oder andere fiese Charaktere.
Bass: Die tiefste männliche Gesangsstimme. Spielt Priester, Könige, Väter und manchmal den Teufel.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar
3., aktualisierte Auflage 2016
© 2016 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
Original English language edition © 1997 by Wiley Publishing, Inc.All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.This translation published by arrangement with John Wiley and Sons, Inc.
Copyright der englischsprachigen Originalausgabe © 1997 by Wiley Publishing, Inc.Alle Rechte vorbehalten inklusive des Rechtes auf Reproduktion im Ganzen oder in Teilen und in jeglicher Form.Diese übersetzung wird mit Genehmigung von John Wiley and Sons, Inc. publiziert.
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Wiley, die Bezeichnung »Für Dummies«, das Dummies-Mann-Logo und darauf bezogene Gestaltungen sind Marken oder eingetragene Marken von John Wiley & Sons, Inc., USA, Deutschland und in anderen Ländern.
Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie eventuelle Druckfehler keine Haftung.
Coverfoto: ©ecco – Fotolia.comKorrektur: Katharina Wauschkuhn, Sankt AugustinSatz: SPi-Global, Chennai
Print ISBN: 978-3-527-71335-6ePub ISBN: 978-3-527-80626-3mobi ISBN: 978-3-527-80625-6
David Pogue studierte Musik in Yale und promovierte in Musik am Shenandoah Conservatory. Er arbeitete zehn Jahre lang am Broadway – unter anderem als Dirigent und Koordinator. Neben seiner musikalischen Karriere ist er auch IT-Experte und schreibt entsprechende Kolumnen für die New York Times und den Scientific American. Er hat zahlreiche Bücher geschrieben – viele davon auch in der … für Dummies-Reihe, zum Beipiel Oper für Dummies und Mac für Dummies. Er lebt mit seiner Frau Nicki und drei tollen Kindern in Connecticut.
Scott Speck studierte ebenfalls Musik in Yale und ist als erfolgreicher Dirigent auf der ganzen Welt tätig. Er dirigiert hunderte Meisterwerke – Symphonien, Konzerte und Opern – unter anderem im London's Royal Opera House, in der Pariser Oper, der Moskauer Tchaikovsky Hall, im Washington's Kennedy Center und im Los Angeles Music Center. Gemeinsam mit David Pogue hat er auch Oper für Dummies verfasst.
Abdeckung
Titelblatt
Copyright-Seite
Über die Autoren
Einführung
Wer Sie sind
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Symbole in diesem Buch
Warum Ihnen der Status »Opernneuling« hilft
Teil I: Überlebensgroß
Kapitel 1: Vorhang auf!
Oper kurz definiert
Der Mythos »Pop versus Klassik«
Sie wissen mehr, als Sie meinen
Wie es euch gefällt
Sieben Sachen, die Oper effektvoll machen
Von Herzen (… mit Schmerzen)
Menschliches, allzu Menschliches
Spannende Storys
Exotische Bühnenbilder, Kostüme und Special Effects
Originell
Erkennen Sie die Melodie?
Zeigt her eure Stimmen
Und jetzt alle
Kapitel 2: Das Libretto ist die eine Sache
Ein Libretto kommt zur Welt
Woher die Libretti kommen
Die berühmtesten Opern-Librettisten
Warum sind so viele Opern in einer fremden Sprache?
In der Übersetzung
verloren
Ein Vogel, ein Flugzeug … nein, Übertitel
!
Wie man ein Libretto
benutzt
Lesen Sie erst die Inhaltsangabe
Folgen Sie der Übersetzung
Halten Sie nach ähnlich aussehenden Wörtern Ausschau
Achten Sie auf Trackziffern im CD-Booklet
Soprane sind hoch, Bässe tief, und Chöre haben immer mehr als eine Stimme
Der »Oper für Dummies«-Ausspracheführer
für Operntexte
Italienisch
Deutsch
Französisch
Sex, Verrat, Mord und andere Operntechniken
Laster der Renaissance
Lasterhelden
Walhalla-Laster
Lasterroni
Und noch mehr Lasterhaftes
Was bin ich, hochgeschlitzte Salome?
Kapitel 3: Die Partitur ist die andere Sache
Duette, Terzette und anderes aus dem Sortiment
Wie man eine Partitur liest
Schnell und laut
Wie man die Noten singt
Kapitel 4: Opernsänger und ihre Ausrüstung
Aber müssen die wirklich so füllig sein?
Soprane, Tenöre und andere Launen der Natur
Auf's Fach kommt's an
Soprane
Mezzosoprane
Alt und älter
Tenöre
Baritone
Bass
und besser
Stimmbildung
…Diva
sein dagegen sehr!
Diva-Geschichten
Nellie Melba
Callas und Tebaldi: Das Duell der Soprane
Blutfehde
Es gibt auch nette Opernsänger
Teil II: Die Geschichte der Oper
Kapitel 5: Ein bisschen Griechenland, ein bisschen Italien
Die griechische Formel
Vorgeschichte: die alten Griechen
Mittelalter
Die Renaissance
Das Rezitativ
und die Camerata
»Zu Hilfe, Claudio!«
So waren sie eben
Seriös sollten Sie schon sein
Eunuchen für Dummies
Ernste Nummern
Wie komisch!
Gioachino Rossini
Gaetano Donizetti
Vincenzo Bellini
Giuseppe Verdi
Giacomo Puccini
… & Co
Kapitel 6: A la française
Französische Oper wird »patentiert«
Lully-Nachwirkungen
Giacomo Meyerbeer
Hector Berlioz
Charles Gounod
Jules Massenet
Georges Bizet
Jacques Offenbach: Oper macht lustig
Nach Offenbach
Claude Debussy
Francis Poulenc
Kapitel 7: Englische Kanäle
Italienische Invasion
Gilbert & Sullivan
Benjamin Britten und Nachfolger
Kapitel 8: Oper mit einer deutschen Note
Christoph Willibald Gluck
Mozart ist da!
Mozart spielt auf
Leichtigkeit und Schönheit
Der Minutenmann
Lorenzo da Ponte, Mozarts lüsterner Librettist
Ludwig van Beethoven
Komponieren gegen die Stille
»Fidelio«: Die Oper
Carl Maria von Weber
Richard Wagner
Der Heimatlose
Ludwig ruft
Gegen alle Regeln
Wagner – der Kontrollfanatiker
Johann Strauß (Sohn)
Richard Strauss
Also sprach Strauss
Strauss nähert sich der Oper
Alban Berg und andere
Kapitel 9: Die russische Evolution und »The American Way«
Michail Glinka & Co
Fünf Freunde oder »Das mächtige Häuflein«
Rimsky-Korsakow: Das Ein-Mann-Team
Peter Tschaikowsky
»Nobody knows the trouble I've seen«
Die Musik einer gepeinigten Seele
Späte russische Meister
Die »Vereinigten Staaten der Oper«
Die Oper swingt
Die US-Oper lebt und ist wohlauf
Teil III: Ein Abend in der Oper
Kapitel 10: Wie man in eine Oper geht
Der Kartenkauf
Vorverkauf
Den Sitzplatz wählen
Verbergen Sie Ihre Unwissenheit nicht
Wenn es an der Theaterkasse nicht das gibt, was Sie wollen
Schon über ein Abo nachgedacht?
Wie man in einem »bulgrawischen« Opernhaus Geld spart
Nur für Pärchen: Welche Opern man bei einem Rendezvous
besuchen sollte und welche nicht
Wie man sich vorbereitet – oder auch nicht
Lernen Sie etwas über die Oper Ihrer Wahl
Schlafen Sie gut!
Kann ich zu »Julius Cäsar« eine Toga tragen?
Der Gourmet-Führer für das Dinner vor der Oper
Endlich angekommen
Ein kurzer Blick ins Programmheft
Ein einfaches Beispiel
Ein schwierigeres Beispiel
Der Dirigent tritt auf
Das Schweigen der Lämmer: Die Ouvertüre beginnt!
Rettende Übertitel
Der Applaus – eine Sache für sich
»Bravo! Brava! Bravi! Brave!«
Über das Buhen …
…und das Pfeifen
Der Auftritt der Snobs, auch Pause genannt
Nach der Vorstellung: Die Sänger treffen
Pause – Ein Ausflug hinter die Bühne
Die Garderobe der Diva
Besondere Räume für besondere Menschen
Die Bezahlung
Vorsingen: Hintergrund des Operngekreisches
Die Papiere
Die Liste
Die Reise
Der Tausch
Das Warten
Der Versuch
Das Ergebnis
Das Nachspiel
Bühnenbilder! Kostüme! Perücken!
Ungepriesene Helden (I): Das Opernorchester
Ungepriesene Helden (II): Der Opernchor
Opern-Dirigenten
Trainer und Maestro
Schweben wie ein Schmetterling, stechen wie eine Biene
Der Regisseur: Herrscher über alle
Teil IV: Die beliebtesten Opern der Welt
Kapitel 11: Die 50 Überflieger
Aida
Ariadne auf Naxos
Der Barbier von Sevilla
La Bohème
Boris Godunow
Carmen
Cavalleria rusticana
Così fan tutte
Don Giovanni
Don Pasquale
Elektra
Die Entführung aus dem Serail
Eugen Onegin
Falstaff
Faust
Fidelio
Figaros Hochzeit
Die Fledermaus
Der fliegende Holländer
Der Freischütz
Gianni Schicchi
Herzog Blaubarts Burg
Hoffmanns Erzählungen
Der Liebestrank
Lohengrin
Lucia di Lammermoor
Die Macht des Schicksals
Madame Butterfly
Ein Maskenball
Die Meistersinger von Nürnberg
Othello
I Pagliacci
Parsifal
Peter Grimes
Porgy and Bess
Rigoletto
Der Ring des Nibelungen
Das Rheingold
Die Walküre
Siegfried
Götterdämmerung
Roméo et Juliette
Der Rosenkavalier
Salome
Tannhäuser (und der Sängerkrieg auf der Wartburg)
Tosca
La Traviata
Tristan und Isolde
Der Troubadour
Turandot
Die Zauberflöte
Kapitel 12: Das Beste vom Rest
André Chénier
Arabella
Billy Budd
La Cenerentola
Dido und Äneas
Don Carlos
Gespräche der Karmeliterinnen
Jenufa
Julius Cäsar
Die Krönung der Poppea
Lulu
Das Mädchen aus dem goldenen Westen
Manon
Manon Lescaut
Nabucco
Norma
Orpheus und Eurydike
Die Perlenfischer
I Puritani
Rusalka
Ein Sommernachtstraum
Die verkaufte Braut
Werther
Wozzeck
Teil V: Die Top Ten
Kapitel 13: Die zehn größten Vorurteile über Oper
Oper ist nur was für Snobs
Opernsänger: dicke Damen mit gehörnten Helmen
Opern sind lang
Opernfiguren brauchen mindestens zehn Minuten zum Sterben
Man muss Fremdsprachen können, um eine Oper zu verstehen
Oper ist langweilig
Für die Oper muss man sich schick anziehen
Opernhandlungen haben nichts mit der Realität zu tun
Oper ist zu teuer
Opernsänger haben's leicht
Kapitel 14: Zehn Möglichkeiten für »Oper lebenslänglich«
Werden Sie Statist
Gehen Sie zu einem Einführungsvortrag
Gehen Sie auf Tour
Für Deutschland
Für Österreich
Für die Schweiz
Werden Sie Abonnent
Nutzen Sie das Internet
Hören Sie sich Opern im Radio an
Nutzen Sie Streamingdienste – oder leihen Sie sich CDs aus
Schauen Sie sich Opern im Fernsehen oder auf DVD und Blu-ray an
DVDs und Blu-rays von Opern-Live-Aufzeichnungen
Opernfilme
Seien Sie live dabei: Zuhause oder im Kino!
Tiefer eintauchen
Kapitel 15: Die zehn besten Opernfachbegriffe für Cocktailpartys
Kapitel 16: Zehn großartige Witze über Opernsänger
Tiefschlaf
Der Profi
Dramatik
Zu hoch
Zeit
Kurz
Erholung pur
Verräterisch
Pfunde
Im Orchestergraben
Teil VI: Anhänge
Jetzt haben Sie's also getan. Sie haben den Sprung in die Oper gewagt, diese unheimliche, mysteriöse Welt, so überlebensgroß, in der bärtige Männer in Togen und fliegende Frauen mit Hörnern leben. Wo seltsame mythische Monster über die Bühne jagen, Darsteller mit komisch trällernden Stimmen sich in die Stratosphäre empor jaulen, manchmal mit solch fremden Wörtern, dass man Untertitel bräuchte, um sie zu verstehen.
Eigentlich sind die Opernsnobs, diese Besserwisser, ganz zufrieden damit, dass Sie das alles nicht verstehen. Die hätten es wahrscheinlich am liebsten, wenn Oper nur ein ganz kleines, exklusives Clübchen wäre, sozusagen eine Eliteeinheit mit heiligem Auftrag. Sie sind sogar richtig froh darüber, dass Oper so viele Leute abschreckt.
Aber keine Panik – ob Sie's bereits wissen oder nicht, Sie sind mit Oper groß geworden. Haben Sie jemals von den »Drei Tenören« gehört? Haben Sie schon mal davon gehört, dass »es erst dann vorbei ist, wenn die dicke Frau gesungen hat«? Oder haben Sie schon mal eine Filmmusik gehört, einen TV-Werbespot gesehen oder Radio gehört? Wenn Sie das alles bereits getan haben, haben Sie schon Oper erlebt.
Vorsicht: Für viele Menschen wird Oper zur Sucht und eine Leidenschaft, die ihr gesamtes Leben bestimmt. Irgendetwas ist besonders daran, wenn man ein menschliches Urgefühl – sich über drei Oktaven erstreckend – besingt und dabei ein Orchester mit 105 Instrumenten spielen lässt … Alle andere Kunst ist dagegen plötzlich ohne Leben und Belang.
Dieses Buch ist dazu gedacht, Ihre Fähigkeiten zu wecken, eine der schönsten Erfahrungen Ihres Lebens zu machen: die unbeschreibliche, tiefe und kathartische Freude an der Oper. Ein Vergnügen wie kaum ein anderes!
Für einen Anfänger sind Sie ganz schön intelligent. Das können wir spüren, und wir liegen da nie falsch. Schließlich halten Sie dieses Buch in Händen, nicht wahr? Aber in dieser großen weiten Welt gibt es 1.006.932.408,7 Sachen, die man wissen muss. (Die »Komma 7« ist natürlich immer das wichtigste Thema.) Die Oper ist nur ein Bereich, in dem Sie noch kein Experte sind. Gar nicht schlimm.
Sie sind sich der Macht der Oper trotzdem bewusst. Sie haben gesehen, wie ganz normale Menschen durch die Oper zu Fanatikern werden können. Sie haben beobachtet, wie sie es schafft, ursprüngliche Leidenschaften zu wecken, und Sie haben darüber im Internet gehört.
Und Sie würden gerne mehr darüber erfahren.
Dieses Buch hat sechs Teile:
Teil I
führt Sie in die Welt der Oper ein: den Text, die Musik und die Leute, die da singen.
Teil II
ist eine Geschichte der Oper, einschließlich der Biographien der größten Komponisten.
Teil III
nimmt Sie in ein großes Opernhaus mit, damit Sie diese Kunst selbst erleben können, und führt Sie dann hinter die Bühne eines professionellen Opernbetriebs.
Teil IV
gibt detaillierte Inhaltsangaben der beliebtesten Opern der Welt.
Teile V
und
VI
führen Sie noch tiefer in die Oper und geben Ihnen viele Verständnishilfen.
Wenn Sie wollen, können Sie dieses ganze Buch von vorne bis hinten durchlesen, aber das muss nicht sein. Wir wollen, dass Sie alles entdecken, was Ihre Phantasie anregt. Sie müssen nicht ein Kapitel beendet haben, um das nächste anfangen zu können. Tippen Sie zum Beispiel mit dem Finger auf ein beliebiges Wort im Stichwortverzeichnis, oder wenn Sie gerade romantische Anwandlungen haben, machen Sie es sich mit Ihrer/Ihrem Liebsten gemütlich und fangen Sie ganz vorne an.
Jetzt aber trotzdem eine Warnung: Obwohl wir grundsätzlich kein Opernwissen voraussetzen, setzen wir doch ein gewisses musikalisches Verständnis voraus. Beispielsweise können wir schon mal mit Begriffen wie diesen um uns werfen:
ein Sänger
singt
Oder, weiter hinten im Buch, sogar:
die Sänger
singen
Aber keine Angst, lieber Leser, wir haben auch ein Glossar für Sie erstellt.
Durchs ganze Buch hindurch finden Sie immer wieder bestimmte Symbole, die Informationen für Sie bereithalten. Je nach Interesse handelt es sich dabei um Dinge, die Sie gerne lesen wollen oder eben nicht, die Sie also lieber überspringen möchten. Diese Symbole sind also ideale kleine Lese-Hilfen.
Dieses Symbol gibt Ihnen eine praktische Anweisung oder einen Vorschlag, der Ihnen dabei helfen soll, so viel wie möglich aus Ihrem Opernleben zu machen.
Damit wir Ihr Gehirn nicht unnötig strapazieren, ist dieses Symbol fortgeschritteneren Themen oder spezieller Terminologie gewidmet.
Obwohl wir überzeugt davon sind, dass dieses Buch hervorragend dazu geeignet ist, viel über die Oper zu lernen, kann es Ihnen das Anhören (oder das Anschauen) von Opern nicht abnehmen. Dieses Symbol bedeutet, dass es sich hier lohnen würde, sich etwas aus der Bibliothek auszuleihen.
Wann auch immer wir eine Tatsache oder Diskussion aufgreifen, die aus der Welt der Opernsnobs kommt, warnen wir Sie mit diesem Symbol.
So ist's nun mal: Oper ist häufig ein Thema bei feineren Gesellschaften, auf Partys oder Chefgeburtstagen. Wenn Sie zu solchen Gelegenheiten witzige und interessante Details der Opernwelt auf Lager haben, werden Sie garantiert Aufsehen erregen und viel Anerkennung bekommen. Neben diesem Symbol stehen tolle Geschichten, die man bei passender Gelegenheit anbringen kann.
Und noch eine Wahrheit: Die Oper gibt es schon länger als manche Länder auf dieser Erde. Dieses Symbol macht Sie auf die Hintergründe und Anfänge bestimmter Rituale aufmerksam, die sich bis heute gehalten haben.
Hier und da sind ein paar Sachen, über die wir berichten, auch ein bisschen seltsam, aber trotzdem wahr. Hier finden Sie also alle Absonderlichkeiten der Opernwelt.
Wir glauben fest, dass Sie – verglichen mit Opernfanatikern weltweit – zumindest einen großen Vorteil haben: Ohne den Ballast musikalischer Präkonditionierung sind Sie am besten in der Lage, Oper wirklich zu erfahren. Die Komponisten der großen Opern wussten schon, was sie taten – sie schufen riesige Musikdramen mit dem Ziel, direkt das Herz anzurühren.
Viele sogenannte Opernkenner vergessen manchmal, dass in der Oper der Intellekt dem Gefühl weichen sollte. Mehr als viele andere Künste regt die Oper die Sinne direkt an. Wir zeigen Ihnen nun, wie Sie diese Sinne wecken können.
Genießen Sie also Ihr derzeitiges Stadium der Opernjungfräulichkeit. Erfreuen Sie sich daran! Das einzige, was Sie für den Genuss einer Oper brauchen, sind Augen, Ohren und Ihre Seele.
Teil I
In diesem Teil …
Ein Grund dafür, warum Oper so faszinierend sein kann (und auch ein Grund, warum sie so einschüchternd wirken kann), ist, dass alles an ihr größer ist als im richtigen Leben: die Handlung, die Musik, die Figuren – und sogar das Opernhaus selbst. In diesem Teil finden wir heraus, was diese Kunstform so bedeutsam macht. Hier ist Ihre völlig stressfreie Einführung in die Welt der großen Oper.
Kapitel 1
In diesem Kapitel
Ihr erstes Zusammentreffen mit der Oper
Oper: Die Pop-Musik des 19. Jahrhunderts
Sieben Sachen, die die Oper effektvoll machen
So viel schon vorab: Oper ist seltsam.
Jeder trägt Make-up. Alle singen zur gleichen Zeit. Sogar wenn es eine Oper in Ihrer Sprache ist, lieber Leser, können Sie manchmal die Worte nicht verstehen. Hier spielen Frauen Männer und Männer Frauen und 45-jährige spielen Teenager. Alle Hauptdarsteller sterben anscheinend irgendwann. Und wenn hier jemand stirbt, muss er vorher zehn Minuten darüber singen.
Wirklich, es ist die tollste Unterhaltung der Welt!
All diese seltsamen Vorgänge tragen jedoch dazu bei, unglaublich viele Menschen einzuschüchtern, und uns, Ihren Autoren, erging es genauso, als wir jung waren.
Wie beim Skifahren, Tanzen oder beim Autokauf neigen Menschen dazu, alles zu vermeiden, was ein Risiko birgt. Ganz tief im Innern sagt ihnen eine kleine Stimme, dass die eingefleischten Opernkenner sie ganz schnell entlarven und aus dem Opernhaus regelrecht »rauslachen« würden, sobald sie dort völlig unwissend auftauchten.
Aber wir verraten Ihnen nun ein Geheimnis: Niemand weiß hier etwas ohne eine kleine Hilfe – sogar nicht die ganz großen Opernkenner.
Und diese Hilfe halten Sie nun in Händen.
Eine Oper ist nichts anderes als ein Theaterstück. Nur, dass die Darsteller hier singen, statt zu sprechen. Sogar Musicals, in denen die Musik auch nie aufhört wie etwa Les Misérables, Evita oder Cats, sind eigentlich Opern.
Opern wurden erfunden, um die schönsten Dinge auf dieser Welt miteinander zu verbinden: ehrfurchterregendes Singen, volltönende Orchester, fesselndes Drama, tolle Tänze, aufwändige Bühnenbilder, üppige Kostüme, ausgefallene Beleuchtung und die sogenannten Special Effects. Die Gründerväter der Oper haben es tatsächlich durch die Verbindung dieser verschiedenen Künste geschafft, eine Kunstform zu kreieren, die gewaltiger ist als irgendeine andere.
Über die Jahrhunderte ist die Oper sogar noch lustiger geworden als sie es jemals war, weil
wir inzwischen alles über die teils schockierenden und erstaunlichen Lebensgeschichten der großen Komponisten wissen (s.
Teil II
),
allein die Tatsache, in die Oper zu gehen, uns heute auch in unserem modernen Leben die Augen öffnen kann (s.
Kapitel 10
),
die geheimnisvolle Aura um einen Opernstar ziemlich unterhaltsam sein kann (s. Kap. 4),
die Welt inzwischen noch viel mehr Opern hat als früher! (s.
Kapitel 11
und
12
)
Abgesehen von ihrer Unsicherheit vermeiden es viele Leute auch deswegen, in die Oper zu gehen, weil sie denken, dass es sich hierbei um eine alte, verstaubte Kunstform von Intellektuellen handelt, die vor allem für Leute reserviert ist, die Smoking und Abendkleid tragen und sich über das Menuett-Tanzen unterhalten. Die meisten Menschen gehen deswegen lieber ins Kino.
Das Lustige daran ist, dass noch bis vor kurzem (zumindest nach geologischer Zeitrechnung) in die Oper gehen genau das Gleiche war wie ins Kino gehen. Die Menschen gingen damals in die Oper, wie Sie heute vielleicht in ein Rock-Konzert gehen: Einfach um Spaß zu haben! Dort sahen sie ihre Lieblingsstars und hörten ihre liebsten Melodien. Sie trugen dabei ganz normale Kleidung; sie brachten sogar zu essen und zu trinken mit, sie jubelten, wenn ihnen etwas gefiel (oder buhten oder warfen Blumen oder schmissen Tomaten), und das alles während der Aufführung, wenn ihnen gerade danach war. Klassische Musik war Pop-Musik.
Und so war es auch, als Verdi seine Oper Othello geschrieben hatte und zur Aufführung brachte: Die Zuschauer wurden förmlich verrückt, riefen ihn immer wieder auf die Bühne, brachten ihm stehende Ovationen dar und trugen ihn schließlich auf ihren Schultern nach Hause, um ihm noch unter seinem Fenster Ständchen zu singen.
Oper ist immer noch so unterhaltsam wie früher. Nur ist man heutzutage an diese Unterhaltungsform weniger gewöhnt. Das ist alles. Wenn Sie sich einmal an diese Kunst gewöhnt haben, werden Sie erstaunt sein, wie unterhaltsam das alles ist.
Sie werden erstaunt sein, was Sie über die Oper bereits alles wissen. Der Werbe-Spot mit der Sopranistin, die in ihrem Luxusauto sitzt und aus vollem Halse singt, ist Oper. Ein anderer Fernseh-Spot, in dem der Held seinen Schlüssel auf dem Weg zur Oper verliert, ist ebenfalls Oper. Sogar der Bugs-Bunny-Klassiker »The Rabbit of Seville« mit Elmer Fudd, der »Kill the wabbit, kill the wabbit« zu der Melodie des Walkürenritts singt, ist Oper. In all diesen Beispielen sind die Melodien, die Sie hören, 100 % reine Opernmusik.
Das heißt also, dass die beliebtesten Opernmelodien bereits in Ihrem Kopf rumgeistern. Um sich in dieser seltsamen Welt aber wirklich wohl zu fühlen, sollten Sie ein paar mehr Dinge erkunden: ein bisschen Geschichte, ein paar Konventionen und ein paar der besten Opern überhaupt kennen. Dafür haben Sie nun dieses Buch.
Nicht jede Oper wird Sie gleich so richtig antörnen, und das ist auch völlig in Ordnung.
Einige Opern sind, wie wir das im klassischen Musikgeschäft beschönigend bezeichnen, leichter
»verständlich« als andere. Das heißt einfach, dass manche Opern wunderschöne Melodien besitzen, die sie ständig summen könnten, wohingegen andere, zumindest beim ersten Hören, mehr so klingen wie Nachbars Katze bei Mondenschein …
Außerdem werden Sie, genauso wie Sie in der Pop-Musik Ihre Lieblingsgruppen haben, auch in der Opernwelt Ihre Lieblingskomponisten haben. Vielleicht spricht Sie ja ein bestimmter Stil zunächst mehr an als alle anderen.
Obwohl es eine unglaubliche Stilvielfalt innerhalb der Musikwelt gibt, machen gerade immer ganz bestimmte Qualitäten eine Oper zum Erfolg. Von den 25.000 Opern, die in der Library of Congress in den USA aufgelistet sind, werden heutzutage weniger als 100 regelmäßig aufgeführt. Und hier sind die sieben Gründe dafür.
In den besten Opern, die wir kennen, waren die Komponisten selbst zutiefst von dem Thema bewegt. Sie suchten sich als Thema etwas, zu dem sie persönlich einen starken Bezug hatten. Beethovens Fidelio zum Beispiel handelt von einem Menschen, der darum kämpft, sich aus den Zwängen von Tyrannei und Unterdrückung zu befreien – so wie Beethoven selbst gegen die schwere Bürde seiner Taubheit ankämpfte. Die Fledermaus wiederum ist die populärste Operette von Johann Strauß (der mit der schönen blauen Donau, Sie wissen schon) und das ist auch kein Wunder: Die Oper ist voll mit schunkelnden Walzermelodien und jauchzenden Polkas, ganz besondere Qualitäten, die Strauß zum Superstar gemacht haben. Giacomo Puccini lebte jahrelang als junger Komponist am Rande der Armut und brachte all seine Lebenserfahrung in La Bohème ein, seinen größten Hit.
Giuseppe Verdi, einer der größten Opernkomponisten, hielt sich für einen ganz normalen Menschen. Dadurch fühlte er sich zu Geschichten hingezogen, die von ganz normalen Menschen in außergewöhnlichen Situationen handelten. Ein Komponistenkollege hatte das Libretto zu Nabucco nach Durchsicht abgelehnt, Verdi jedoch nahm die Geschichte der hebräischen Sklaven, die um ihre Freiheit kämpfen, sofort gefangen. Diese Oper wurde sein erster großer Erfolg.
In jedem oben beschriebenen Fall war der Komponist fähig, die Geschichte in Musik umzusetzen, weil er sie gut verstand. Das Ergebnis ist dann völlig überzeugend.
Alle guten Opern – und auch alle guten Filme und Musicals – drücken tief verwurzelte menschliche Gefühle aus (außer Cats, hier handelt es sich um tief verwurzelte Katzengefühle).
Wir sprechen jetzt nicht von alltäglichen kleinen Ärgernissen wie der Frustration darüber, dass der Zugang zum Internet mal wieder besetzt ist oder dem Ekel darüber, dass auf Ihrer Pizza eine Küchenschabe hockt. Nein, wir reden über die ganz großen Gefühle wie Liebe, Wut, Stolz, Lust, Gier und Neid. In den besten Opern werden diese Gefühle zu dem Motor, der die Handlung vorantreibt.
Der Grund dafür ist ganz einfach: Diese Gefühle sind universal. Ganz egal, worum es geht, egal auch, an welchem Ort oder zu welcher Zeit die Oper spielt, die Gefühle bleiben die gleichen.
Und genau deswegen singen die Leute auch in den Opern. Gefühle in Musik auszudrücken macht sie irgendwie unsterblich, größer als im wirklichen Leben, sie sind fast wie in Stein gehauen.
Und wo wir gerade von »in Stein hauen« sprechen: Wenn das verurteilte Liebespaar am Ende von Aida »Oh terra, addio« singt, weinen Sie doch nicht deswegen, weil zwei antike Gestalten in ein ägyptisches Grab eingeschlossen werden, sondern schlichtweg, weil zwei gute Menschen so für ihre Liebe leiden müssen. Das ist doch einfach menschlich.
Gute Opern haben auch immer gute Geschichten als Grundlage. Wir können Ihnen auch jetzt schon ein Geheimnis verraten: In den meisten Opern gibt es ganz viel »sex and crime«.
Aber rund um die Uhr Sex und Gewalt kann ganz schön langweilig sein, wie wir Ihnen aus eigener Erfahrung berichten können. [Das stimmt. – Die Red.] Gute Opernkomponisten (und natürlich auch die Librettisten, die die Texte liefern) wissen, wie man Abwechslung ins Spiel bringt, damit Sie auch schön weiter zuhören. Wenn der Librettist ein paar lustige Szenen geschrieben hat, und Sie sich ausschütten vor Lachen und sich dabei schön entspannen, wird natürlich ein spannender und schockierender Schluss umso wirkungsvoller sein. Wenn der Komponist ebenso die ganze musikalische Bandbreite ausschöpft, mit Dynamik (das heißt laut und leise), Melodik, Harmonien und so weiter arbeitet, dann werden Sie weiter interessiert zuhören.
In der Oper wie auch im Film kann ein Gewalthöhepunkt ganz schön aufregend sein, wenn er gut aufgebaut ist. Richtig gute Komponisten wissen, wie man das dramatisch-musikalisch umsetzt. Ihre Musik wird immer spannender, je mehr man sich dem Höhepunkt nähert. Sie achten auch darauf, dass keine Szene sinn- oder ziellos ist, eine Arie nicht zu lang ist, und dass die Handlung – wie auch dieser Satz – sich unausweichlich einem herzzerreißenden, atemberaubenden, schweißtreibenden, nervenzerfetzenden und erdbebenartigen Ende nähert.
[Wir müssen uns für diesen vorangegangenen Exzess wirklich entschuldigen. Die Autoren haben aber jetzt wieder einen kühlen Kopf. – Die Red.]
Seit den ganz frühen Anfängen der Operngeschichte haben fast alle Opern ihre Zuschauer an einen anderen Ort und in eine andere Zeit versetzt. Sogar während der Renaissance, was für uns heutzutage sicher weit genug weg ist, ging es in Opern um weit zurückliegende Zeiten – das antike Griechenland und Rom.
Glucks Orpheus findet sowohl auf der Erde als auch in der Unterwelt statt. Les Troyens von Berlioz spielt im antiken Troja. Und Wagners Ring findet zum Beispiel unter Wasser, im Dickicht eines urzeitlichen Waldes oder im Himmel statt.
Das Schlüsselwort ist hier exotisch. Je exotischer die gewählten Plätze, umso besser die Möglichkeiten für interessante Bühnenbilder, Kostüme und Special Effects. Verdis Aida ist eine der populärsten Opern aller Zeiten. O.k., die Musik ist hinreißend und die Handlung großartig, aber das sind ja Peanuts, die sowieso dazugehören. Außerdem spielt Aida nämlich in Ägypten, und es gibt jede Menge Elefanten zu sehen. Das kriegen Sie bei My Fair Lady nicht zu sehen.
Immer wieder können Sie hören, dass einige der ganz großen Komponisten zu ihrer Zeit nicht verstanden wurden – ihre Musik wurde als zu »modern« betrachtet. Nicht jeder konnte mit einer Oper von Händel, Beethoven, Tschaikowsky oder sogar Puccini etwas anfangen, als sie damals aufgeführt wurde. Und doch empfindet man heutzutage diese Opern als angenehm.
Der Grund dafür, dass diese Opern anfangs nicht akzeptiert wurden, war das Ungewohnte an ihnen. Jede einzigartige musikalische Sprache eines Komponisten war völlig neu. Und das ist es ja genau, was diese Opern so groß gemacht hat. Gute Opernkomponisten haben immer ihre eigenen Ideen.
Haben Sie zufällig den Film Amadeus gesehen? Der Komponist Salieri fungiert als »Moderator« in diesem Film; er steht stellvertretend für eben nicht originelle Komponisten – er lebte zur gleichen Zeit wie Mozart, schrieb seine Opern zur gleichen Zeit wie Mozart, wurde in den Augen der Nachwelt von diesem aber völlig in den Schatten gestellt. Nun, man kann nicht sagen, dass Salieri ein schlechter Komponist gewesen wäre, im Gegenteil, er war sogar ein sehr guter. Aber er war nicht einer der weltbesten Komponisten, weil sein Werk keine Originalität, nichts Eigenes hat. Was er schrieb, klang genauso wie das, was jeder andere damals komponierte.
In der Welt der Pop-Musik benutzt man das Wort »Ohrwurm« und meint damit Stücke, die einem direkt auffallen, die Melodien haben, die einem nicht mehr aus dem Ohr gehen. Denken Sie zum Beispiel an Beatles-Songs wie »Help!«, »A Hard Day's Night« oder »She Loves You« (»Yeah, Yeah, Yeah!«). Man kann nicht wissenschaftlich nachweisen, warum ein Stück zum »Ohrwurm« wird; trotzdem erkennen Sie ihn direkt, wenn Sie ihn hören.
In der Oper gilt das gleiche Prinzip, eine sehr auffällige Melodie hilft Ihnen, sich daran zu erinnern, um welche Arie, welches Duett oder Chorstück es sich gerade handelt. In den Opern von Mozart, Rossini, Verdi, Puccini und Johann Strauß haben wir solche Stellen in Hülle und Fülle. Die Musik der bekanntesten Komponisten ist voll von solchen Elementen, die Ihnen im Ohr bleiben.
Von all den Komponisten, die wir gerade erwähnten, machen Verdi und Puccini das Rennen. Der nicht speziell an Opern interessierte Otto-Normal-Verbraucher kann mehrere Verdi- oder Puccini- Melodien summen, ohne lange überlegen zu müssen (und vor allem weiß er meist gar nicht, dass diese berühmten Melodien aus Opern stammen). Wundert es da, dass Verdi und Puccini die beiden berühmtesten Komponisten aller Zeiten sind?
Aber was nützt eine schöne Melodie, wenn niemand sie singen kann. Um eine Oper so richtig erfolgreich zu machen, muss man in ihr die großen Talente der Opernwelt unterbringen. Seit wenigstens 300 Jahren wissen Komponisten, dass ein super Sänger in der Titelrolle eine Oper erfolgreich machen kann. Und wie könnte man einen Superstar besser hervorheben, als ihm eine tolle Rolle zu geben, in der er glänzen kann?
Die meisten der Opernkomponisten von Händel bis heute haben während des Komponierens immer einen bestimmten Sänger und seine Stimme im Kopf gehabt. Wenn eine Oper zum Beispiel enorm viele hohe Cs hat, können Sie darauf wetten, dass der Komponist wusste, wer sie singen sollte. Und wenn in einer anderen Oper diese hohen Cs gar nicht auftauchen – nun, dann hatte auch hier der Komponist wahrscheinlich gute Gründe dafür, sie wegzulassen.
Eine Oper muss nicht unbedingt all diese sieben Sachen in sich vereinigen, um in die Hallen des Ruhms einzuziehen. Beispielsweise haben die Opern in Teil IV dieses Buchs in der Regel fünf oder sechs davon. Ein paar wenige aber – Mozarts Don Giovanni oder Verdis
Kapitel 2
In diesem Kapitel
Das Libretto: Was das ist und woher es kommt
Warum Libretti meistens in fremden Sprachen geschrieben sind
Wie man das Libretto völlig stressfrei benutzt
Die Wahrheit über Oper: Sex, Gewalt und andere Laster
Bevor Sie sich nun kopfüber in den wilden Dschungelsumpf der Oper stürzen, würden wir Sie lieber zuerst auf eine kleine Bötchentour mitnehmen und Ihnen ganz gemütlich erklären, wie eine Oper entsteht.
Wie bei einem Theaterstück oder einem Film steht auch am Anfang einer Oper das Wort – Tausende von Wörtern. Der Text eines Theaterstücks wird Manuskript genannt, bei einem Film heißt er Drehbuch und in der Oper Libretto.
Libretto ist italienisch und heißt »kleines Buch«, und genau das ist es auch. Ein typisches Libretto ist in der Regel kaum dicker als die Fernsehzeitung (also wir meinen diese Beilage in Tageszeitungen). Aber weil es ungefähr dreimal so lange dauern kann, einen Satz zu singen wie ihn zu sprechen, wird ein »kleines Buch« in Musik umgesetzt schnell zu einem abendfüllenden Programm. (Und wenn Sie schon jemals eine Wagner-Oper gesehen haben, wissen Sie, dass seine »kleinen Bücher« ein bisschen weniger klein sind als andere …)
In der Pop-Musik vergisst man oft, den Texter zu erwähnen. (Oder wüssten Sie auf Anhieb, wer den Text zu »Thriller« geschrieben hat?) Manchmal wissen wir sogar den Namen des Komponisten nicht – häufig reden wir in der Pop-Musik nur über die Sänger, als hätten sie die Stücke geschrieben.
Auch in der Oper fällt der Librettist (der Libretto-Schreiber) leider zu oft unter den Tisch. So sagen wir zum Beispiel »Mozart hat Die Zauberflöte geschrieben«, obwohl er eigentlich nur die Musik geschrieben hat. Zugegeben: Mozart hätte vermutlich auch noch aus dem Formular für die Steuererklärung ein musikalisches Meisterwerk machen können, aber er ist ja auch eine Ausnahme. Für gewöhnlich brauchen Opernkomponisten ein bisschen mehr, um ihre Fantasie anzuregen, und diese Anregungen liefern Librettisten.
Die Handlung der meisten Libretti – wie auch der meisten Filme oder Theaterstücke – übertreibt meist bei den Figuren und Situationen. Jeder mag doch gute, peppige Geschichten, egal ob sie nun plausibel sind oder nicht (schauen Sie sich nur Jurassic Park oder Game of Thrones an). Es ist lustig (oder spannend oder bewegend), sich einen Abend lang in das alptraumhafte Leid eines Protagonisten in der Oper einzufühlen.
Das Libretto einer Oper hat großen Einfluss auf die Musik. Die Worte beeinflussen Rhythmus und Melodie einer musikalischen Phrase, die grundlegende Emotion eines Dramas beeinflusst wiederum die Stimmung der Musik, und die Handlung bestimmt die übergeordnete Struktur der Oper.
Nehmen wir mal an, Sie wären ein Opernkomponist und bräuchten ein Libretto. Wo würden Sie eins finden? Nun, vielleicht haben Sie gerade ein Theaterstück gesehen und denken sich »Mensch, damit könnte ich doch was anfangen!« Eventuell kommt auch ein Librettist auf Sie zu und sagt: »Ich glaube, wir könnten zusammen Musik machen.« Oder Sie gehören zu den Glücklichen, die plötzlich Post von einem lieben Förderer bekommen, einem, der es gut mit Ihnen meint, der ein Libretto für Sie hat und noch ein bisschen Geld, das er sonst eigentlich weggeworfen hätte.
Aber ungeachtet dessen, wie Sie an Ihren Librettisten kommen, Ihre Beziehung wird immer eine enge Zusammenarbeit bedeuten. Wie eine Ehe kann diese Beziehung sehr stürmisch sein – schließlich handelt es sich hier um zwei enorm eigenständige Köpfe, die aufeinandertreffen. Es ist nicht selten, dass ein Komponist sich von seinem ersten Librettisten trennt, eine Zeitlang mit jemand anderem zusammen ist, später dann aber wieder zu seinem ursprünglichen Librettisten zurückkehrt. (War Stefan Effenberg in einem früheren Leben vielleicht Opernkomponist?)
In der Operngeschichte haben wir drei wahrhaft legendäre Librettisten: Lorenzo da Ponte (der mit Mozart zusammenarbeitete), Arrigo Boito (der zwei Libretti für Verdi schrieb) und Hugo von Hofmannsthal (mit dem Richard Strauss am erfolgreichsten zusammenarbeitete).
Von diesen dreien war der interessanteste wohl Lorenzo da Ponte (1749-1838), zum einen, weil er Mozart die inspirierende Grundlage für Don Giovanni, Figaros Hochzeit und Così fan tutte geliefert hat; zum anderen aufgrund seines eigenen bunten Lebens. Das ist eine lange Geschichte, für jetzt möge es genügen zu sagen, dass da Ponte eigentlich ein venezianischer Priester war, der dann Vater des Kindes einer verheirateten Frau wurde, aus der Stadt verjagt wurde, nach Wien zog, ein Empfehlungsschreiben fälschte und sich als Librettist ausgab, mit Mozart zusammenarbeitete, mehrere Affären mit damals berühmten Diven hatte, nach London ging, sich fürchterlich verschuldete, und nach New York floh, wo er schließlich ein Lebensmittelgeschäft aufmachte und ein Institut für Italienisch an der Columbia University gründete. Man kann wohl mit Sicherheit sagen, dass Lorenzo da Ponte der größte Librettist ist, der in Queens begraben liegt.
Arrigo Boito (1842-1918) war selbst Komponist (er benutzte ein eigenes Libretto für seine Oper Mefistofele). Seine Zusammenarbeit mit Giuseppe Verdi, der damals auf der Höhe seines Ruhms und am Ende einer brillanten Karriere stand, brachte zwei der wohl schönsten Opern Italiens hervor: Othello und Falstaff.
Aber wenn es um emotionsgeladene, therapiegefährdete Beziehungen geht, schlägt wohl niemand die Beziehung zwischen Richard Strauss und seinem Librettisten Hugo von Hofmannsthal. Obwohl sie 23 Jahre zusammengearbeitet haben und oft nur eine Stunde voneinander entfernt wohnten, trafen sie sich selten. In ihrem über drei Jahrzehnte dauernden Briefwechsel sprachen sich Strauss und Hofmannsthal nie mit ihren Vornamen an.
Beide Männer waren brillant, aber auch ganz schön schwierig. Immer mal wieder drohte der eine, sich aus dem Projekt zurückzuziehen, woraufhin der andere beschimpfend oder besänftigend antwortete. Ihr Briefwechsel ist voll von Gemeinheiten, die in nette Phrasen gebettet sind: »Das ist ja, vergeben Sie mir meine Ehrlichkeit, abscheulich.« »Nur Ihnen allein gebührt die Schuld.« »Ihre Ideen sind doch Müll … blöder Unsinn … wirklich schrecklich. Ich hoffe, es geht Ihnen gut.«
Trotz all diesem Rumgezanke war ihre Zusammenarbeit doch sehr fruchtbar, und sie schufen überwältigende Opern wie zum Beispiel Elektra, Der Rosenkavalier und Ariadne auf Naxos. (Schlagen Sie in Kapitel 11 und 12 die Inhaltsbeschreibungen nach.)
Richard Wagner andererseits musste sich nie mit seinem Librettisten streiten, er war nämlich sein eigener Librettist. (Das machte es natürlich schwierig für ihn, jemand anderem die Schuld zu geben, wenn's mal nicht so richtig klappte.)
Also, wir, Ihre Autoren, sind ja nette Jungs, aber wir müssen trotzdem ehrlich sein. Wir wären die ersten, die Ihnen sagen würden, dass Sie da noch Spinat zwischen den Zähnen haben. Deswegen müssen wir Ihnen ein Geständnis machen in Bezug auf den heutigen Ruf einer Oper in manchen Kreisen, sie sei langweilig:
Wenn Sie nicht verstehen, was los ist, sind Opern wirklich langweilig.
Natürlich liegt das an einer unangenehmen Tatsache: Häufig sind Opern in einer fremden Sprache abgefasst. Und über viele Jahre hinweg war das ein echtes Problem für Möchtegern-Opernliebhaber weltweit.
Opernsnobs hatten natürlich kein Verständnis für diese manchem misslich scheinende Lage. »Wenn das Publikum nichts versteht«, sagten sie naserümpfend, »ist das wohl sein Problem.« Andere, die ein bisschen mehr Verständnis aufbrachten, sagten: »Na ja, so lange du ungefähr weißt, worum's geht, kriegst du den Rest schon über das Spiel auf der Bühne mit. Es ist nicht schlimm, wenn du nicht jedes Wort verstehst.«
Wir verstehen diesen Standpunkt, müssen aber heftig widersprechen. Es ist ja gut und schön, durch das Spiel auf der Bühne zu verstehen, dass eine Figur sich über eine andere gerade ziemlich aufregt. Aber es trägt sehr viel mehr zum Verständnis bei und gibt dem Geschehen plötzlich eine völlig neue Dimension, wenn Sie wissen, dass diese Figur dabei sagt: »Ich werd' dich jetzt erdrosseln, weil du das letzte bisschen Mayonnaise aufgegessen hast, das ich eigentlich für eine ganz besondere Gelegenheit aufheben wollte.«
Warum hat man fremdsprachige Opern nicht jeweils in die eigene Sprache übersetzt? Manchmal hat man das ja gemacht. Aber leider können großartige Opern völlig chaotisch werden, wenn man sie übersetzt. Wenn Sie jemals eine Fremdsprache gelernt haben, wissen Sie, dass eine wortwörtliche Übersetzung nie die subtilen, emotionalen Untertöne der Ausgangssprache vermitteln kann.
Und um alles noch schlimmer zu machen, passt jede Silbe eines Operntextes genau zu einer Note der Musik, das heißt bei einer Übersetzung müssen Sie nicht nur darauf achten, dass Sie die gleiche Anzahl Silben in einem Satz haben, sondern auch, dass die betonten Silben auf betonten Noten landen. Außerdem haben viele Arien Wörter, die sich reimen, und Sie können nur selten einen Reim übersetzen, ohne dabei seine Bedeutung zu zerstören.
In Webers Freischütz singt Agathe: »Leise, leise, fromme Weise, schwing' Dich auf zum Sternenkreise!« Jetzt stellen Sie sich das mal auf Englisch vor: »Soft, soft, devout melody: vibrate up to the circle of stars!« Das passt dann überhaupt nicht mehr zur Musik, nicht nur weil sich die Silbenzahl verändert hat, sondern auch, weil es sich auch nicht mehr reimt. Die beste englische Übersetzung davon ist vielleicht noch: »Holy, holy, meek and lowly, Rise, my soul, where stars swing slowly!« Dabei wird dann aber die »Weise« zur »Seele« – und dann dieser ganze Quatsch über die schwingenden Sterne …
Wenn die Bedeutung eines Satzes in einer Oper so wie in diesem Beispiel bei der Übersetzung verändert wird, können sich die Zuschauer auf einen ganz schön verwirrenden Abend einstellen.
Das heißt, dass über zwei Jahrhunderte Opernbesucher nur zwischen zwei lausigen Möglichkeiten wählen konnten: Entweder sie hörten die Oper in einer Sprache, die sie nicht verstanden, oder die Oper wurde mehr schlecht als recht auf Deutsch (beziehungsweise der jeweiligen Landessprache des Publikums) vorgetragen. Gab es denn dafür überhaupt keine Lösung?
Hier hilft nur noch moderne Technik. Als man anfing, Opern über das Fernsehen im Originalton auszustrahlen, kam jemand auf die glänzende Idee, Simultanübersetzungen unten auf dem Bildschirm mitlaufen zu lassen, so wie bei ausländischen Filmen. Als das Publikum nun dadurch mitbekam, was Tosca zu Scarpia sagte, nachdem sie ihm ein Messer in den Bauch jagte (nämlich »Hier ist Toscas Kuss«), konnte man plötzlich höhere Einschaltquoten verzeichnen.
Es war dann nur noch eine Frage der Zeit, dass jemand auf die Idee kam, diese Technik auch im Opernhaus zu benutzen – und so entstanden die Übertitel. Sie haben genau die gleiche Aufgabe und Funktionsweise wie Untertitel in ausländischen Filmen oder Opern im Fernsehen, nur dass sie – mit Beamern oder modernen LED-Anlagen – live an die Wand über der Bühne projiziert werden.
Seit ihren Anfängen in den 1980er Jahren haben sich Übertitel ihren Weg in fast alle Opernhäuser dieser Welt gebahnt. Dadurch konnten viele Opernhäuser in den letzten Jahren höhere Zuschauerzahlen verzeichnen. (Schauen Sie in Kapitel 10 nach, wenn Sie mehr zu Übertiteln wissen wollen.)
So gut Übertitel auch zum Verstehen einer Oper sein mögen, sie können das Libretto doch nicht ersetzen. Glücklicherweise ist das Libretto meist mit dabei, wenn Sie eine Opern-CD kaufen oder leihen. Mit diesem kleinen Booklet ausgerüstet, können Sie sich ganz gemütlich in Ihren Sessel setzen, der Musik zuhören und sich nun haargenau vorstellen, was auf der Bühne gerade passiert. Hier sind ein paar Tipps, wie Sie Ihr Libretto optimal nutzen können.
Wie auch immer Ihre Auseinandersetzung mit einer Oper aussieht, lesen Sie zuerst immer die Inhaltsangabe (zum Beispiel in Kapitel 11 oder 12). Dann wissen Sie immer, was gerade auf der Bühne los ist, auch wenn Sie zwischenzeitlich mal in Ihrem Text verloren sind. Ja, klar, dieser Vorschlag schließt natürlich die Möglichkeit aus, dass Sie von dem Ende überrascht sein können; aber erinnern Sie sich bitte, hier geht es um Oper. Und da können wir Ihnen jetzt schon mitteilen: Die meisten Geschichten gehen nicht gut aus – so viel also zum Thema Überraschungen.
In dem Booklet zu einer Opern-CD, also Ihrem Libretto, finden Sie die Originalsprache der Oper meist rechts auf der Seite abgedruckt, die Übersetzung meist links daneben auf der gleichen Seite (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel). Wenn Sie nun während des Zuhörens immer wieder zwischen diesen beiden Sprachen hin- und herspringen, werden Sie noch mehr als nur die Geschichte mitbekommen: Sie werden alle möglichen Details dieser fremden Sprache entdecken.
Wenn Sie nach Wörtern Ausschau halten, die auf der CD gerade gesungen werden, können Sie sie vielleicht nicht wiederfinden, da sie in dieser anderen Sprache anders ausgesprochen werden. Nehmen Sie zum Beispiel das Wort Albert, Franzosen singen es »Aahlbäär«. Ganz schön trickreich.
Deswegen schauen Zuhörer mit Köpfchen immer nach Wörtern, die ähnlich geschrieben werden und häufig auch das Gleiche bedeuten. In diesem Beispiel aus La Bohème können Sie sehen, wie leicht bestimmte italienische Wörter zu erkennen sind:
Chi son? Sono un poeta
.
Wer bin ich? Ich bin ein Poet.
Che cosa faccio? Scrivo
.
Was mache ich? Ich schreibe.
E come vivo? Vivo
.
Und wie lebe ich? Ich lebe.
Wörter wie poeta oder scrivo weisen eine gewisse Ähnlichkeit zum Deutschen auf: Poet, schreibe. Diese Sprachverwandtschaft macht es Ihnen an der ein oder anderen Stelle sicher etwas leichter, dem Text zu folgen.
Selbst wenn Sie Ihr Libretto immer vor sich auf dem Schoß haben, während Sie eine Oper hören, kann es schnell passieren, dass Sie den Überblick verlieren, wenn plötzlich zig Leute verschiedene Sachen auf einmal singen – oder, vor allem in Mozarts Opern, wenn die Sänger schnelle, sich überlappende Sätze singen.
Wenn Sie sich eine Oper auf CD anhören, haben Sie eine kleine High-Tech-Hilfe, die Ihnen das Auffinden eines bestimmten Stückes oder einer Szene sehr erleichtert: Benutzen Sie die Trackziffern als Referenz. Meistens erscheinen Sie am linken Rand des Originaltextes im Booklet und sehen so aus: 8 . Wenn Sie also mal nicht mehr wissen, wo Sie sind, schauen Sie einfach auf Ihren CD-Spieler: Die Zahl, die Sie dort sehen, finden Sie ganz schnell in Ihrem Booklet wieder, und so haben Sie auch wieder den richtigen Überblick.
Hier verraten wir Ihnen noch einen kleinen Trick, mit dem Sie während des Hörens herausfinden können, wo Sie sich gerade im Libretto befinden: Arbeiten Sie mit den gedruckten Rollennamen, um wiederzufinden, wer gerade was singt. Wenn in Ihrem Libretto ein langes Solo von Rodolfo steht und danach ein Solo von Mimì, müssen Sie einfach so lange warten, bis Sie eine Frau auf Ihrer CD singen hören, und Sie sind gerettet.
Aber was, wenn zwei singen und beide Frauen sind? Wie können Sie die beiden auseinander halten? In diesem Fall können die einzelnen Stimmfächer (Sopran, Mezzosopran, Alt, Tenor, Bariton und Bass) weiterhelfen. Eine hohe Frauenstimme ist ein Sopran, eine tiefe Frauenstimme ist ein Alt und so weiter – mehr dazu in Kapitel 4. Am Anfang eines jeden Librettos werden meist alle Rollen mit dem entsprechenden Stimmfach aufgelistet. Wenn Sie also ein bestimmtes Stimmfach hören, schlagen Sie in Ihrem Libretto die entsprechende Rolle nach. Und wenn Sie einen großen Chor singen hören, dann schauen Sie im Libretto eben nach »Matrosenchor« oder »Chor der Nonnen« und so weiter.
Diese netten Ratschläge, wie man einem Opernlibretto folgt, sind ja gut und schön – nützen aber nur, wenn Sie überhaupt folgen können. Und das ist einfacher gesagt als getan, denn jede Fremdsprache hat eine Menge Klänge, die Sie aus Ihrer eigenen Sprache vermutlich gar nicht kennen.
Es kann Jahre dauern, die Aussprache einer Sprache zu beherrschen – aber wir können Ihnen etwas helfen. Hier haben wir für Sie ein schnelles, stark vereinfachtes Aussprachesystem der italienischen und französischen Sprache zusammengestellt, die häufigsten Opernsprachen neben dem Deutschen – aber das können Sie ja glücklicherweise schon.
Italienisch ist sehr aussprachefreundlich: Es gibt immer nur eine Aussprache für einen Vokal, und alle Laute werden gesprochen. Wenn zwei Vokale aufeinander folgen, sprechen Sie einfach einen nach dem anderen:
Diese Buchstaben
klingen so
wie in
a
ah
gran (»GRAHN«)
e
ä
crudele (»cru-DÄ-lä«)
i
ii
destino (»de-STII-no«)
o
oh
non (»NOHN«)
u
uu
una (»UU-na«)
aiu
ah-ii-uu
aiuta (»ah-ii-UU-tah«)
Und diese einfachen Vokalklänge – Sänger und Linguisten nennen sie auch »reine Vokale« – sind eine wahre Wohltat zu singen, da sie dem Sänger erlauben, die ganze Schönheit der Stimme ohne große Verrenkungen zu entfalten. Kein Wunder, dass Sänger Italienisch lieben!
Sie haben nun das Glück, Deutsch schon zu können, deswegen geben wir Ihnen hier auch keine Aussprachehinweise. Wir möchten Ihnen aber nicht vorenthalten, dass Sänger, die kein Deutsch können, sich ganz schön plagen müssen, wenn sie in dieser Sprache singen wollen. Immer wieder macht die Aussprache der Konsonanten Probleme, so wird bei nicht deutschsprachigen Sängern ein »Ich« schnell mal zu »Isch«. Auch Umlaute wie ä oder ü können kleine Fallstricke sein und zur Erheiterung eines jeden Muttersprachlers beitragen.
Im Französischen scheint der gängigste Vokal leider auch der schwierigste zu sein, was seine Aussprache angeht, nämlich »oooonngggh«. Den kriegen Sie hin, wenn Sie versuchen, wie ein Esel mit Schnupfen zu klingen, also schön durch die Nase: »II-ooonnnggh«. In der folgenden Tabelle haben wir diesen speziellen Klang oder die Klänge, die ähnlich sind, immer durch ein Sternchen ersetzt.
Im Allgemeinen sprechen Sie im Französischen ein T oder ein S am Ende nicht. Interessanterweise sprechen Sie ein E am Ende meist auch nicht, außer (manchmal) beim Singen! Französisch »fille« (dt. Mädchen) ist einsilbig, wenn es gesprochen wird (etwa wie »fie«), aber zweisilbig beim Singen (etwa »fijä«).
Diese Buchstaben
klingen so
wie in
a, -as, -at
ah
famille (»FAH-mii«)
an, ans, ant
*
croissant (»croiss*«)
au
oh
pauvre (»POH-vre«)
e
ä
oder
ö (stumpfer Klang)
belle (»BÄLL«) oder de (»DÖ«)
é, ai
eh, äh
flambé (»floh[m]-BEH«), tremblai (»troh[m]-BLÄH«)
en, ens, ends, ent
*
attends (»ah-T*«)
i
ii
ami (»ah-MII«)
o, -os
oh
vos (»VOH«)
ou
uu
tout (»TUU«)
un
ön(g)
chacun (»scha-KÖN[g])«)
g
sch (aber weich), wie das zweite »g« in Garage
gentil (»sch*-TII«)
j
sch (aber weich), wie das zweite »g« in Garage
je (»SCHÖ«)
Wenn Sie nun wissen, wie man sich durch ein Opernlibretto navigiert, werden Sie etwas Schockierendes feststellen: Die Laster (nein, nicht LKWs, sondern lasterhaftes Verhalten), die in einer Oper dargestellt werden, lassen das, was im Fernsehen so an Schmutzigem geboten wird, schnell verblassen.
Von Anfang an wussten Opernproduzenten genau, was die Leute wollten, nämlich genau das Gleiche, was sie heute immer noch wollen: Sex, Gewalt und Mord – ohne zu viel Werbung zwischendurch. Natürlich sind die Probleme in einer Oper viel dramatischer als die in Ihrem alltäglichen Leben, oder wie oft sind Sie schon von einer Gottheit geschwängert worden? (Hinweis für Erna L. Kleinschmidt aus Rödelwalde: Nein, antworten Sie bitte nicht.)
Einer der ersten Opernkomponisten, Claudio Monteverdi (1567-1643), nahm sich in seiner letzten Oper, Die Krönung der Poppea, eines ziemlich heiklen Themas an:
Die Geschichte geht damit los, dass Otho, der mutige Krieger, vom Schlachtfeld heimkehrt, um entsetzt feststellen zu müssen, dass seine Freundin Poppea ihn sitzen gelassen hat und zu Kaiser Nero gezogen ist. Raffgierig wie sie ist, lässt Poppea Nero schwören, dass er seine Frau Octavia verlassen (hatten wir schon erwähnt, dass Nero verheiratet ist?) und sie selbst zur Kaiserin krönen soll. Otho fleht Poppea an, Nero zu verlassen und zu ihm zurückzukehren, aber sie sagt nein. Otho sieht nur noch einen Ausweg, nämlich sie zu töten. Sein Mordversuch schlägt aber fehl, und Poppea wird schließlich doch Kaiserin. Wie gesagt, handelt sich hier um eine der ersten Opern überhaupt, und wir haben schon hier – in nur einer Handlung – Ehebruch, Untreue, Mord und einen Prototyp für Anna Nicole Smith.
Mozarts Opernmusik ist ehrfurchterregend, erbaulich und erhaben. Aber wenn Sie nicht zufällig Italienisch können, würden Sie nie vermuten, dass es dabei zum Beispiel um die sexuellen Neigungen oder Abneigungen eines Don Juan geht (der auf Italienisch eben Don Giovanni heißt), eines ungestümen, unersättlichen Sex-Besessenen. Schauen Sie sich nur die lange Liste der Verbrechen an, die ein einziger Mensch innerhalb weniger Tage begehen konnte:
Versuchte Vergewaltigung
: Ganz zu Anfang der Oper – noch hinter der Bühne, Gott sei Dank – macht sich Don Giovanni an Donna Anna ran und versucht sich auf sie zu werfen; als die Oper dann auf der Bühne losgeht, jagt sie ihn aus dem Haus.
Mord
: Als Donna Annas Vater ihr zu Hilfe eilt, tötet Don Giovanni ihn.
Eine Frau vor dem Traualtar sitzen lassen
: Don G. fühlt sich immer noch ein bisschen unbefriedigt, und als er da eine verschleierte, trauernde Frau erspäht, eilt er ihr zu Hilfe, da er schon wieder Rendezvous-Aussichten wittert. Es stellt sich jedoch heraus, dass es sich bei der Frau um Donna Elvira handelt, die unser Held schon sehr gut kennt. Eigentlich sollte sie nämlich Don Giovanni heiraten, aber er verließ sie vorher.
Verführung einer Frau an ihrem Hochzeitstag
: Als nächstes erblickt Don Giovanni ein schönes Landmädchen, Zerlina, auf einer bäuerlichen Feier und heckt einen Plan aus, wie er mit ihr allein sein kann. Die Sache hat nur einen Haken: Bei der Feier handelt es sich um ein Hochzeitsfest, und zwar das von Zerlina. Diese kleine Komplikation bringt unseren Helden aber nicht im Geringsten von seinem Plan ab, Zerlina zu verführen. Während er kurz den unglücklichen Bräutigam ablenkt, gelingt es ihm, Zerlina süß-säuselnd von sich zu überzeugen, und sie läuft mit ihm weg.
Mozart und sein Librettist, Lorenzo da Ponte, konnten eine solche Geschichte zu einer höchst moralistischen Zeit nur aufgrund zweier mildernder Umstände wagen. Erstens fährt Don Giovanni am Ende zur Hölle, und zweitens vereinen sich danach alle Figuren auf der Bühne singend in der Schlussmoral »Also stirbt, wer Böses tat!«.
Dieses Moralisieren war nicht Zweck der Oper – nur die Entschuldigung für sie. Zu Mozarts Zeiten war das Moralisieren die Voraussetzung dafür, dass die Zuschauer diesen Lastern ohne schlechtes Gewissen zuschauen konnten. Kommt Ihnen irgendwie bekannt vor? Klar, denn so werden auch heute noch amerikanische Action- und Abenteuer-Filme gemacht, die wir uns zuhauf ansehen können. Der Böse stirbt am Ende, davon kann man ausgehen. Aber das Lustige daran ist, dass Sie erstmal sehen können, was der Böse vorher alles Schauriges macht.