Ostseeblut - Eva Almstädt - E-Book
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Eva Almstädt

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Beschreibung

Ein rätselhafter Mord an der Ostseeküste und ein nie geklärter Todesfall in einem Mädchenerziehungsheim ...

Bei einem Orientierungslauf an der Ostseeküste wird einer der Läufer aus dem Hinterhalt erschossen. War das Opfer nur zur falschen Zeit am falschen Ort, oder steckt ein persönliches Motiv dahinter? Die Spur führt Pia Korittki zu einem ehemaligen Mädchenerziehungsheim, in dem vor vielen Jahren ein angeblicher »Selbstmord« nie ganz aufgeklärt wurde. Haben neben alten Freundschaften auch alte Feindschaften überdauert? Pia Korittki, die privat vor einer schweren Entscheidung steht, findet Hinweise, dass der Täter erneut zuschlagen wird ...

Ein neuer Fall für Kommissarin Pia Korittki - Der sechste Band der erfolgreichen Krimi-Reihe von Bestsellerautorin Eva Almstädt!


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Eva Almstädt

OSTSEEBLUT

Pia Korittkis sechster Fall

Kriminalroman

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Michael Meller Literary Agency, München

Copyright © 2010 by Eva Almstädt

Copyright Deutsche Originalausgabe

© 2010 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat: Dorothee Cabras / Karin Schmidt

Umschlaggestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.deunter Verwendung von Motiven von © shutterstock/Sergei25; shutterstock/Daniiel; shutterstock/Dudarev Mikhail

Datenkonvertierung E-Book:

hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-8387-0894-2

Sie finden uns im Internet unter www.luebbe.deBitte beachten Sie auch: www.lesejury.de

Prolog

Es war dunkel und stickig. Solveigh spürte etwas Pelziges in ihrem Nacken und versuchte, in dem engen Kabuff ein Stück davon abzurücken. Dabei stieß sie mit dem Fuß gegen die Seitenwand, und ein hohles Klopfen erklang. Wie in einem Sarg, dachte sie und unterdrückte ihre aufkommende Panik. Sie konnte hier drinnen zusammengekauert sitzen, also war es eine Weile auszuhalten. Solveigh ließ ihren Kopf nach vorn fallen, bis ihre Kniescheiben sich in die Augenhöhlen drückten. Ihre Augen brannten. Nein, sie würde nicht heulen, sondern einfach ruhig weiteratmen! Doch … wie lange würde die Luft reichen?

Draußen war es still geworden. Sie hatte ja gewusst, dass niemand sie vermissen würde! Gestern, als sie mit dem aufgeritzten Arm zum Gruppengespräch erschienen war, hatten alle sie angestarrt. Es war ein gutes Gefühl gewesen, das ungläubige Entsetzen in den Gesichtern der anderen zu sehen und das eigene Blut zu fühlen, wie es ihr warm über die Hand gelaufen war. Einen Moment lang war nichts zu hören gewesen als das leise »Plop-Plop«, mit dem ihr Blut auf den Linoleumboden getropft war. Die Schnitte im Unterarm hatte Solveigh sich mit dem Küchenmesser beigebracht, dort, wo ihre Haut weich und ganz weiß war. Trotz der Salbe und des Verbandes, den man ihr später auf der Krankenstation verpasst hatte, konnte sie das Brennen immer noch spüren. Doch was war das gegen ihre Angst und die Scham? Sie hatte ein Gespräch belauscht. Bald würden alle wissen, weshalb sie hier war: dass sie versucht hatte, jemanden umzubringen.

Das Erziehungsheim für schwer erziehbare Mädchen, in das man sie abgeschoben hatte, sah von außen aus wie eine Filmkulisse. Gefährliche Liebschaften ohne Reifröcke und Perücken, dafür gab es pubertierende Mädchen, Hormone und stinkenden Schweiß. Der Geruch hing überall. In der Wäscherei, in der Solveigh nachmittags arbeiten musste, schlug er ihr beißend entgegen, wenn sie die getragene Kleidung aus den Bottichen nach Waschgängen sortierte.

Solveighs Herzschlag beschleunigte sich, als sie das Geräusch näher kommender Schritte hörte. Wer konnte das sein? Die Mädchen mussten jetzt doch alle schon beim Frühschwimmen sein. Sie kauerte sich tiefer in ihr Versteck und hoffte, der- oder diejenige würde weitergehen. Die Schritte stoppten. Sie hielt den Atem an und meinte, ihren Herzschlag im Hals zu spüren. Die Tür schwang auf, und Solveigh blinzelte in helles Licht.

»Also hier hast du dich verkrochen!« Es war Katja, die vor dem geöffneten Schrank stand. »Wenn du nicht beim Frühschwimmen erscheinst, bekommen wir alle Ärger. Beeil dich!« Sie klang unnachgiebig und gereizt.

Katja Simon war die Erste gewesen, die Solveigh angesprochen hatte, als sie aus der geschlossenen Abteilung in die Gruppe ins Möwenturmhaus verlegt worden war. Katja war, für ihre Verhältnisse, fast nett zu ihr gewesen. Und danach hatten auch Katjas Freundinnen, Janet und Tamara, mit ihr geredet. Janet war lebhaft und witzig. Sie wollte Schauspielerin werden. Tamara war so schüchtern wie Solveigh, mit dem alles entscheidenden Vorteil, dabei schön auszusehen.

»Los, komm!« Katja zog sie mit sich. »Die Winsen ist noch im Verwalterhaus aufgehalten worden. Vielleicht merkt sie gar nicht, dass du die Schwimmstunde in einem Schrank verbringen wolltest. Weißt du zufällig, wo Tamara ist?«

»Ich hab sie heute noch gar nicht gesehen«, keuchte Solveigh, die versuchte, mit der Älteren Schritt zu halten.

»Janet sucht sie. Sie hat den schwierigeren Part.« Katja lächelte spöttisch. Jeder in der Gruppe wusste, dass Tamara einen Freund im Ort hatte.

»Denkst du, Tamara war über Nacht bei ihm?«

»Beeil dich, ich muss mich noch umziehen«, rief Katja und lief mit federnden Schritten den abschüssigen Weg hinunter. Solveigh, die ihr folgte, bekam nach wenigen Minuten Seitenstiche. Die Schwimmhalle lag mitten im Wald unterhalb des Hauptgebäudes. So früh am Morgen war es zwischen den Bäumen noch dunkel und der Boden rutschig. In den Lichtkegeln der wenigen Laternen glitzerten Schneereste auf schwarzem Laub. Als sie die Halle erreichten, verschwand Katja sofort in der Sammelumkleidekabine für Mädchen. Solveigh zog Schuhe und Strümpfe aus, nahm sie in die Hand und suchte sich einen Weg zum Becken, ohne dabei die Dusche passieren zu müssen. Niemand konnte von ihr verlangen, mit ihrem bandagierten Arm zu schwimmen. Sie ging durch einen der hinteren Gänge, an den kaum genutzten Einzelkabinen vorbei. Die Fliesen unter ihren Füßen fühlten sich eklig an … feucht und sandig. Auf dem Fußboden, in einer offen stehenden Kabine, lag ein helles Stück Stoff, das wie eine zusammengeknüllte Unterhose aussah … mit roten Flecken. Widerlich.

Als sie die Tür aufstieß, sah Solveigh, dass sie die Erste war. Sie stellte ihre Schuhe neben einer Bank ab und ging zum Beckenrand. Noch nie hatte sie das Wasser so ruhig daliegen sehen … spiegelglatt. Unten im Becken war ein dunkler Schatten zu sehen. Solveigh trat näher, sodass ihre Zehen sich um die Kante krampften und das Wasser berührten. Weit unten, im tiefen Wasser, war etwas … Ein Mensch?

Arme und Beine schienen sich ihr entgegenzustrecken, langes Haar schwebte vor dem Gesicht. Was war das für ein bescheuerter Streich? Und wie konnte jemand so lange die Luft anhalten? Dann realisierte Solveigh, wer dort unten lag. Die hüftlangen dunkelbraunen Haare waren unverwechselbar. Das Kleid, das das Mädchen trug, war bis über die Taille hochgerutscht. Peinlich berührt starrte Solveigh auf den entblößten weiblichen Schoß. Dann erst sah sie das Seil. Es war um Hals und Brust des Mädchens geschlungen und mit einem Metallkorb verbunden, der neben ihm auf dem Beckengrund lag.

Solveigh wollte schreien, doch sie brachte nur ein Krächzen heraus. Dort unten lag Tamara. Sie war eine von ihnen. Und sie war tot.

1. Kapitel

Von der Ostsee her krochen Nebelschwaden wie tastende Finger über den Priwall. Die Luft war kalt und ungesund feucht. Super, dachte Timo Feldheim, als er aus dem warmen Auto stieg. Letzte Woche hatte er sich noch mit einer Bronchitis rumgequält, und heute wollte er an einem Orientierungslauf teilnehmen. Warum? Um Katja einen Gefallen zu tun? Es wird mich schon nicht umbringen, vermutete er und sah sich nach einem Stück Holz um, auf das er klopfen konnte. Blöder Aberglaube. Er würde es eben ruhig angehen lassen. Beim Orientierungslauf kam es ja nicht nur auf schnelles Laufen an, sondern auch auf die Fähigkeit, sich im Gelände zu orientieren und den schnellsten Weg von Posten zu Posten zu finden. Timo unterdrückte ein Husten.

Katja war ihm zum Startplatz vorausgegangen. Er beobachtete, wie sie Vereinskollegen begrüßte, den einen oder anderen umarmte und schnell im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand. Und wie immer, wenn er sie sah, war er stolz auf sie.

»Wir müssen uns heute ranhalten, Timo«, sagte Katja, als er hinzukam. »Gunnar vom TSV hat eben eine Superzeit vorgelegt: achtunddreißig Minuten, fünfzehn Sekunden. Ich fress ’nen Besen, wenn der diesmal besser ist als wir.«

»Du bist doch super in Form, Katja«, murmelte er. Nur keine Diskussion vor dem Start! Es reichte, wenn sie den Rest des Sonntags schlecht gelaunt sein würde, falls sie zu langsam war.

»Timo überlässt es mal wieder mir, die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Er könnte Gunnar auf der Drei-Komma-fünf-Kilometer-Bahn mit Leichtigkeit schlagen«, sagte Katja zu den Umstehenden. Es klang scherzhaft, aber er spürte die Spitze.

»Ich konzentriere mich auf die Acht-Kilometer-Strecke«, erklärte er und ärgerte sich, dass es wie eine Rechtfertigung klang.

»Schaut mal! Da kommen die ersten Kinder zurück«, rief Thomas Landwehr und lenkte so von der Auseinandersetzung ab. Alle blickten den Fliegerweg hinunter. Zwei junge Läufer näherten sich dem Ziel und lieferten sich zum Abschluss ein Wettrennen um den ersten Platz. Landwehr ging zur Stoppuhr, die auf einem Klapptisch bereitstand, um die Zeiten abzulesen. Der Junge überholte das Mädchen auf den letzten Metern. Er keuchte und strich sich eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht. Das Schulterklopfen und die lobenden Worte der Erwachsenen schienen ihm peinlich zu sein. Das Mädchen, das kurz nach ihm eintraf, warf ihm einen bösen Blick zu.

»Habt ihr alle Posten gefunden?«, fragte Landwehr, kaum dass sie zu Atem gekommen waren.

»Nein, den achten … den hab ich nicht. Ich glaub, den hat mal wieder jemand geklaut«, beschwerte sich das Mädchen mit glühenden Wangen. Der Junge nickte zustimmend.

»Ich werde es nachprüfen«, antwortete Landwehr und machte sich eine Notiz auf ihren Laufkarten.

»Waren die anderen weit hinter euch zurück?«, fragte eine Frau, von der Timo wusste, dass ihr siebenjähriger Sohn ebenfalls auf der Kinderstrecke gestartet war.

»Es geht. Die kommen bestimmt auch bald.«

»Du musst ihnen von dem Typen erzählen, Lasse«, sagte das Mädchen.

»Was denn für ein Typ?«, hakte Katja nach.

Timo musterte sie überrascht. Sie machte sich nichts aus Kindern. Ihr Sohn Alexander lebte bei seinem Vater und kam nur gelegentlich für ein Wochenende zu Besuch. Und selbst dann beschäftigte er sich mehr mit dem Jungen als Katja. Sie versorgte ihn mit Nahrung, wie sie spöttisch zu sagen pflegte, kaufte ihm neue Klamotten oder mal ein Spiel für die Playstation, das war’s aber auch schon. Es war ungewöhnlich, dass sie die Kinder überhaupt beachtete.

Der Junge und das Mädchen wechselten einen Blick.

»Ich hab da einen komischen Typen in der Nähe des Postens ›Tanne‹ gesehen«, sagte er verlegen. Die Posten der Kinderstrecke waren nicht nummeriert, sondern mit Bildchen versehen, damit auch Kinder, die noch nicht lesen konnten, eine Chance hatten. Die älteren fanden das peinlich.

»Einen Spaziergänger?«

»Weiß nicht. Ich hatte das Gefühl, dass er uns beobachtet.«

Die Erwachsenen wechselten Blicke. Ein Spaziergänger war kein Problem. Manchmal sah auch der Förster nach dem Rechten, wenn ein Orientierungslauf stattfand. Die auf den Karten markierten Sperrzonen zu überlaufen war streng verboten, aber es passierte trotzdem hin und wieder, dass sich einer der Läufer nicht daran hielt. Doch es konnten sich alle möglichen Leute im Gelände herumtreiben …

»Hat er euch angesprochen?«, fragte Landwehr.

»Nein«, versicherte das Mädchen. »Der hat nur Vögel beobachtet. Lasse hat zu viel Fantasie.«

Das Gesicht des Jungen wurde noch röter. Er zuckte mit den Schultern und schlenderte dann betont lässig zu dem Tisch hinüber, auf dem eine Thermoskanne mit Tee und Kuchen für die Läufer bereitstanden.

Katja warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Ich werde mich mal warmlaufen. Ich bin gleich dran.« Sie küsste Timo flüchtig auf die Wange und trabte los.

Er sah ihr gedankenversunken nach. Die Ehe mit Katja war ihm nie besonders harmonisch erschienen. Das war auch nicht das, was er wollte. Auseinandersetzungen gehörten zu einer Beziehung dazu, aber in letzter Zeit übertrieb es Katja mit ihren Sticheleien. Timo erinnerte sich wieder daran, wie sein Bruder Michael ihn wenige Wochen vor der Hochzeit zur Seite genommen und gewarnt hatte.

»Überleg dir das mit Katja lieber noch mal. Frauen wie die brechen dir irgendwann das Herz«, hatte er ihm unter Einfluss mehrerer Gläser Bier zugeraunt.

»Halt dich da raus. Du kennst Katja doch gar nicht.«

»Sie ist nicht so wie meine Chrissie. Wie Mädchen, mit denen wir aufgewachsen sind, Timo. Denk mal daran, was sie durchgemacht hat. Wo sie herkommt.« Die Anspielung galt Katjas Jugend, die sie zum größten Teil in irgendwelchen Heimen verbracht hatte. Michael arbeitete als Sozialarbeiter in einer Wohngruppe mit schwer erziehbaren Jugendlichen, was ihn seiner Meinung nach dazu befähigte, über Katjas Charakter zu urteilen.

»Ich kenne Katja, und ich vertraue ihr.«

Sein Bruder hatte in sein frisch gezapftes Bier geschnaubt, sodass die Schaumflocken aufgeflogen waren. »Katja hat andere Werte als wir. Sie wird dich anlügen, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie kann nichts dafür, aber wenn sie eins gelernt hat, dann, dass es nur einen Menschen auf der Welt gibt, auf den sie sich verlassen kann: sie selbst.«

»Bei Katja ist das anders. Halte du dich da raus, Micha!«, hatte er ihn angefahren.

Sein Bruder hatte das Thema nie wieder angesprochen. Und jetzt, Jahre später, musste Timo wieder an die Warnung denken. Katja hatte ihm gestern Abend ihre Pläne für die Zukunft dargelegt. Den Grund dafür, dass sie seltener in der Praxis erschien und abends oft so spät nach Hause kam. Verdammt, er liebte sie! Ihre Vergangenheit würde nicht zerstören, was sie sich in den Jahren gemeinsam aufgebaut hatten. Er musste Vertrauen haben … und Geduld. Timo beobachtete, wie sie jetzt in Richtung Startplatz lief. Sie hatte noch ein paar Minuten, bis sie ihre Laufkarte erhalten würde. Doch etwas stimmte nicht. Katja wurde langsamer, humpelte und blieb mit verzerrtem Gesicht stehen.

Timo ging zu ihr hinüber. »Was hast du?«, wollte er wissen.

»Ich bin im Wald in ein Loch getreten und umgeknickt. Erst dachte ich, es ist nichts, aber jetzt tut mein Knöchel höllisch weh.«

Er beugte sich hinunter und betastete ihr Fußgelenk. »So kannst du nicht starten, Katja.«

»Es geht gleich wieder. Ich bin jetzt dran.«

Eine Verstauchung, wenn nicht etwas Schlimmeres, dachte er. Sie waren beide Ärzte, arbeiteten in derselben Praxis. Eine Schnelldiagnose von ihm würde Katja schlecht aufnehmen.

»Noch vier Minuten«, sagte der Starthelfer.

Timo nahm Katjas Ellenbogen, doch sie schüttelte seine Hand ab und humpelte zum Startpunkt. »So kannst du doch nicht an einem Orientierungslauf teilnehmen, Katja«, rief er mahnend.

»Ist es mein Fuß oder deiner?«, fragte sie.

»Dann lauf doch! Viel Spaß!« Verdammter Ehrgeiz! Wollte sie die Strecke auf einem Bein zurücklegen?

»Noch drei Minuten.«

Katja nickte und versuchte aufzutreten, doch sie strauchelte und biss sich dabei auf die Lippe. »Okay, alles klar. Ich laufe nicht«, sagte sie. »Aber du hast doch Zeit, Timo. Starte du für mich!« Der eindringliche Blick ihrer grünen Augen war unwiderstehlich.

»Kann ich mit der Startnummer und Karte meiner Frau laufen?«, fragte Timo den Starthelfer, der Katjas Laufkarte für sie bereithielt.

»Meinetwegen, ist ja nur ein Trainingslauf. Aber beeilt euch.«

Timo streifte sich Katjas Startnummer über und nahm die Karte entgegen, auf der die Posten im Gelände markiert waren. Er zückte seinen Kompass. Also los, er würde es Gunnar schon zeigen!

Die Laufstrecke führte ihn vom Fliegerweg zunächst in Richtung Norden. Er überquerte die Mecklenburger Landstraße, die sich in Ost-West-Richtung über die ganze Halbinsel zog. Früher hatte diese Straße quasi im Nirgendwo geendet, an der Zonengrenze zur ehemaligen DDR. Noch etwa fünfhundert Meter, dann müsste er zum ersten Posten von Bahn B gelangen, gelegen an einem Wurzelstock. Als er den Wimpel im Unterholz aufblitzen sah, lief er das letzte Stück querfeldein, markierte seine Laufkarte mit der Lochzange und orientierte sich dann in Richtung Ostsee.

Er atmete gleichmäßig. Seine Bronchien kamen mit der feuchten Seeluft gut zurecht. Am Sportboothafen konnte er im Dunst den roten Backsteinturm des Travemünder Leuchtturms erkennen. Der Nebel schien sich zu lichten. Mühelos fand er den zweiten Posten. Beim Aufrichten sah er eine schneeweiße Ostseefähre, die gerade aus der Trave-Mündung in Richtung Skandinavien steuerte. Auf dem asphaltierten Weg am Hafenbecken entlang legte er an Tempo zu. Nachdem er den dritten Posten gefunden hatte, führte ihn der Weg ins Dünengebiet. Das Laufen im Sand war anstrengend, aber er lag gut in der Zeit. Noch ein Posten, und weiter ging es in Richtung Süden, durch eine wie verlassen daliegende Ferienhaussiedlung und dann auf die andere Seite der Halbinsel.

Timo durchquerte ein Waldstück. Vor ihm lag eine steppenartige Graslandschaft mit vereinzelten Inseln aus höherem Bewuchs, die sich bis zum Wasser hinzog. Er kontrollierte Karte und Kompass und suchte eine Landmarke, die ihm die Richtung weisen konnte. Für andere Aspekte seiner Umgebung hatte er keinen Blick übrig, einzig der nächste Posten war wichtig. Dicht am Waldrand befand sich eine Art Kuppe, die mit hohen Büschen bewachsen war. Weiter hinten entdeckte er den orange-weißen Wimpel … Er lief mit langen Schritten, fühlte sich geradezu euphorisch. Das Runner’s High? Nicht so früh! Doch das Hochgefühl verging so schnell, wie es gekommen war. Mit einem Mal spürte er, dass er beobachtet wurde, und erinnerte sich an das, was die Kinder erzählt hatten. Nicht ablenken lassen! Wenn man an einem Posten falsch lochte, war man für gewöhnlich aus der Wertung raus. Er erreichte den Posten und konzentrierte sich auf Lochzange und Karte. Den Gewehrlauf, der aus der Öffnung eines Holzschuppens im Wald auf ihn gerichtet war, sah er nicht.

Der erste Schuss trat in Timos Hinterkopf ein, und das Projektil zerstörte binnen Sekundenbruchteilen sein Gehirn. Er hörte nicht einmal mehr das Schussgeräusch. Die Kugel zerfetzte beim Austritt seinen Augapfel und das umgebende Gewebe. Der zweite Schuss traf ihn an der Schulter und riss ihn zur Seite. Sein vom Laufen erhitzter Körper fiel neben der Kontrollzange zu Boden. Das dritte Projektil schoss über Timos Körper hinweg und blieb in einem abgestorbenen Baumstumpf stecken. Timos eben noch energiegeladener Körper lag reglos im nassen Gras. Die zerstörte Seite des Gesichts mit der leeren Augenhöhle war dem grauen Himmel zugewandt. Die Mischung aus Blut, Gehirnmasse und versengter Haut würde, wenn der Mensch nicht eingriff, bald Möwen, Füchse und kleinere Lebewesen anlocken, ihren Dienst als Aufräumpolizei der Natur zu versehen.

2. Kapitel

Was ist denn heute bloß los da drüben?«, fragte die Frau mit der gelben Warnweste, die das Geld für die Fährüberfahrt kassierte. »So einen Andrang hatten wir schon seit Wochen nicht mehr.«

Pia Korittki, Kriminaloberkommissarin bei der Lübecker Bezirkskriminalinspektion, nahm den Fahrschein und das Wechselgeld durch das geöffnete Autofenster entgegen. »Bei einer Sportveranstaltung auf dem Priwall hat es einen Unfall gegeben«, gab sie vage Auskunft. Das war nur unwesentlich weniger, als sie selbst wusste. Sie war erst vor einer halben Stunde telefonisch darüber informiert worden, dass sie zu einem Einsatz erwartet wurde.

»Der Rettungswagen ist schon wieder zurückgekommen, und der hatte es nicht besonders eilig. Dann erwarten wir demnächst wohl einen Leichenwagen …«, meinte die Frau und blinzelte Pia neugierig an.

»Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Einen schönen Tag noch«, antwortete sie und hob zum Abschied kurz die Hand. Ein Toter bei einem Orientierungslauf auf dem Priwall. Eine tödliche Schussverletzung, mehr wusste sie auch noch nicht. Sie fuhr auf die Fähre und schaltete den Motor aus.

Die Überfahrt dauerte nur wenige Minuten, und während Pia zusah, wie der u-förmige Komplex einer Seniorenwohnanlage, die direkt auf der anderen Seite am Trave-Ufer lag, immer näher kam, versuchte sie, sich darauf einzustellen, was sie am Einsatzort erwartete. Angehörige, wahrscheinlich waren bei einer Veranstaltung an einem Sonntag Angehörige des Toten anwesend. Bei einer Sportveranstaltung gab es viele Personen, die auf die eine oder andere Art involviert waren. Und alle würden befragt werden müssen.

Links, ein Stück in Richtung Flussmündung, konnte Pia die Passat im Wasser liegen sehen. Die Viermastbark mit ihren hoch in den Himmel ragenden Masten sah so aus, als könnte sie jederzeit zu ihrer nächsten Weltreise auslaufen – doch in Travemünde war Endstation. Nun konnte man die Passat für Feste mieten, Hochzeitsfeiern beispielsweise … Was Pia an ihr Vorhaben für diesen Sonntag erinnerte, das sie jetzt getrost vergessen konnte.

Es gab einen leichten Ruck, die Fähre legte an, und die rot-weiße Schranke hob sich. Ein gemeinsames spätes Frühstück mit ihrem Freund mit frischen Brötchen und Milchkaffee war vorhin zu einem hastigen Toast zwischen Dusche und Schlafzimmer mutiert. Danach, irgendwann am frühen Nachmittag, hatte sie mit Hinnerk zu ihren Eltern fahren wollen. Wollen … Na ja, es wurde langsam Zeit, sie darüber in Kenntnis zu setzten, dass sie Großeltern wurden: im April nächsten Jahres …

Sie legte den Gang ein und fuhr an. Während Pia den Wagen die leicht ansteigende Straße in Richtung Osten lenkte, dachte sie daran, wie lange sie noch ihre Augen vor den anstehenden Veränderungen würde verschließen können. Außer ihrem Freund Hinnerk, der nach dem zu erwartenden anfänglichen Schock den Ereignissen mit einer gewissen Vorfreude entgegensah, und ihrem Chef, der weniger freudig reagiert hatte, es nach dem dritten Monat der Fairness halber aber hatte erfahren müssen, hatte sie es noch niemandem erzählt. Sie wusste ja selbst nicht genau, wie sie dazu stand. Neben verhaltener Freude und einer gewissen Neugierde beherrschte eine große Portion Skepsis ihre Gedanken. Job und Kind … ein banales Problem, nichtsdestotrotz ein Problem.

Ein Kind war nicht geplant gewesen. Sie hatte gerade so gut Fuß gefasst in ihrem Job und wollte weiterkommen. Außerdem war sie erst seit eineinhalb Jahren mit Hinnerk zusammen. Es war ihre längste Beziehung überhaupt, und sie glaubte, dass sie ihn liebte, aber von einem gemeinsamen Kind war nie die Rede gewesen. Irgendwann einmal, ja … und wenn sie vorher darüber nachgedacht hätte, dann wäre Hinnerk wohl der potenzielle Vater ihrer Wahl gewesen. Nun, da die Realität sie eingeholt hatte, war alles ein einziges Chaos. In gewisser Hinsicht kam es ihr gelegen, dass sie heute arbeiten musste. Ein Aufschub …

Pia fuhr die Mecklenburger Landstraße hinunter, am ehemaligen Priwall-Krankenhaus vorbei. Das Klinik-Gelände mit dem hohen Baumbestand sah verlassen aus. Soweit sie wusste, wurden zwei der kasernenartigen Gebäude als Magazin für Bestände der Stadtbibliothek Lübeck genutzt, ansonsten suchte man wohl noch nach einem Käufer.

Der Tatort lag gegenüber der Ferienhaussiedlung hinter einem Waldstück. Pia stellte ihren Citroën, der sich immer in irgendwelche Lücken quetschen ließ, zu den hundertfünfzig anderen Fahrzeugen am Fahrbahnrand und nahm den abgesperrten Pfad durch den Wald in Richtung Wasser. Auf dieser Seite der Halbinsel war das nicht die Ostsee oder die Trave, sondern die Pötenitzer Wiek, erinnerte sie sich.

»Wenn mich mein Gefühl nicht trügt, sind wir heute bestimmt nicht pünktlich zum Tatort zu Hause«, begrüßte Heinz Broders sie, als Pia bei den anderen eintraf. Er war einer ihrer Kollegen vom K1.

»Ich habe es nicht eilig«, sagte sie und sah sich um. Jemand hatte einen Polizeibus über Stock und Stein hierhergefahren, und ein Kollege in Uniform stand mit einem Klemmbrett am Wagen, verteilte Aufgaben und gab Auskünfte. Nachdem Pia sich gemeldet und ihre Anweisungen erhalten hatte, wandte sie sich wieder Heinz Broders zu. »Ich weiß bisher nur, dass da draußen ein Toter im Gelände liegt. Erschossen. Wonach sieht es denn aus, Unfall oder Mord?«

Broders, der einen seiner Stiefel neu schnürte, sah zu ihr auf. »Bisher hat sich niemand gemeldet, der hier herumgeschossen und versehentlich einen Läufer umgelegt hat.« Er richtete sich mit einem leichten Ächzen wieder auf.

»Also ein Mord.« Pia musterte die unwirtliche Umgebung. Der Wind hatte nachgelassen, aber die Sonne hatte nicht genug Kraft, die Wolkendecke zu durchbrechen. Hin und wieder war sie als blasse Scheibe im grauen Dunst zu erkennen.

»Genau. An späte Reue glaube ich nicht. Höchstens an gerissene Anwälte«, antwortete Broders. Er deutete hinüber zum abgesperrten Bereich, wo das Spurensicherungsteam bei der Arbeit war. »Siehst du den Holzschuppen dahinten? Vermutlich hat der Schütze sich dort versteckt, als er die tödlichen Schüsse abgegeben hat.«

»Gibt es Patronenhülsen?«

»Ja, eine. Die hat der Täter wohl nicht wiedergefunden, so finster, wie es da drinnen ist. Vielleicht war er in Eile.«

»Also sind mehrere Schüsse abgegeben worden?«

»Drei, wie es aussieht.«

»Haben die Kriminaltechniker noch andere tatrelevante Spuren gefunden?«, fragte Pia. Sie wusste, dass Broders immer einer der Ersten aus ihrem Kommissariat war, der irgendwo auftauchte, und deshalb meistens zur Tatortarbeit eingeteilt wurde.

»Bisher sieht es schlecht aus. Hier wirft doch jeder seinen Dreck hin, wie es ihm passt.«

»Gibt es irgendwelche Zeugen?«

»Nicht direkt. Die Läuferin, die nach dem Opfer gestartet ist, hat die Leiche entdeckt und einen Schock erlitten. Unser Chef rotiert. Wir haben fünfunddreißig Teilnehmer der Sportveranstaltung nebst Begleitung, die wir alle befragen müssen.«

»Ich bin auch zu den Befragungen eingeteilt worden«, sagte Pia. »Kannst du mir etwas mehr über das Opfer erzählen?«

»Ein achtunddreißigjähriger Arzt namens Timo Feldheim. Er hatte mit seiner Frau zusammen eine Praxis für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Lübeck. Vielleicht kennst du ihn?« Er sah sie spöttisch an.

»Nein. Ein Arzt also … und er war verheiratet.«

»Ja. Der Name seiner Frau ist Katja Simon. Sie ist auch hier. Ich habe sie kurz gesehen, als Gabler mit ihr sprach. Sie hat ein Alibi«, setzte er hinzu. »Wäre aber auch zu einfach gewesen, nicht wahr?«

Pia wollte sich nicht auf weitergehende Diskussionen über den Fall mit Broders einlassen. Er war ein erfahrener Kriminalbeamter, dessen Wissen und Urteilsvermögen sie schätzte. Allerdings neigte er ihrer Ansicht nach zu einer gewissen Voreingenommenheit, die er wohl als »Welterfahrenheit« bezeichnet hätte. Vielleicht einer der Gründe, weshalb er trotz langer Dienstjahre im K1 noch nicht weiter aufgestiegen war. Sie wusste nicht, ob er das bedauerte; sie wusste überhaupt wenig über seine Hoffnungen und Pläne. Manchmal war es schwierig, mit ihm auszukommen, aber im Grunde konnte sie auf ihn zählen. Er würde mir fehlen, wenn er nicht mehr dabei wäre, dachte sie. Wie kam sie jetzt auf diesen Gedanken? Lag es an der düsteren Stimmung hier?

»Ich werde mir mal ein schönes Plätzchen für meine Befragungen organisieren«, sagte sie. »Wir sehen uns später noch.«

»Der Tod trat zwischen elf Uhr fünfzig, das ist der Zeitpunkt, als Timo Feldheim zuletzt gesehen wurde, und zwar am Startplatz am Fliegerweg, und zwölf Uhr zwanzig ein. Zu dem Zeitpunkt hatte die Läuferin den Toten gerade gefunden und war zum Startplatz zu den anderen zurückgelaufen. Und wir haben Zeugen, die die Schüsse gehört haben wollen, und zwar ziemlich genau um zwölf Uhr. Jetzt ist es neunzehn Uhr fünfundvierzig, und wir haben noch keinen konkreten Hinweis auf die Identität des Schützen. Sollten sich die Verdachtsmomente in Richtung eines Kapitalverbrechens verdichten – und es sieht alles danach aus –, wird umgehend eine Mordkommission gebildet werden. Ich habe organisiert, dass wir ab morgen Verstärkung für unser Team aus Kiel bekommen werden.« Horst-Egon Gabler, der Leiter des K1 der Bezirkskriminalinspektion Lübeck, hatte seine Leute um den Einsatzbus herum versammelt. Ein Mord in einem Naturschutzgebiet auf dem Priwall – und nur drei viertel seiner Leute waren zurzeit einsatzfähig. Eine Welle grippaler Infekte und eine länger währende Erkrankung eines Kollegen hatten das Team in den letzten Tagen drastisch dezimiert.

Kein Wunder, dass er auf die Ankündigung meiner Schwangerschaft vorgestern so gereizt reagiert hat!, dachte Pia. Seine Mordkommission bestand nur noch aus acht Leuten.

Sie betrachtete reihum die aufmerksamen, leicht angespannt aussehenden Gesichter ihrer Kollegen, die im Licht der Scheinwerfer blass aussahen. Die, die hier waren, waren alle voll dabei, keine Frage. Der merkwürdige Todesfall auf dem Priwall hatte ihren Tatendrang geweckt. Sogar auf Gabler schien dieser Fall, nach immerhin dreißig Jahren im Polizeidienst, wie Pia vermutete, noch diese Wirkung zu haben. Er hob wieder die Stimme:

»Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass die besonderen Umstände des Falles Aufsehen erregen und das Interesse der Presse in besonderem Maße auf sich ziehen werden. Dass nichts von unseren Ergebnissen nach außen dringen darf, muss ich Ihnen ja nicht erzählen. Die Pressemeldungen laufen über mich und unsere beiden Pressesprecher.«

»Hier war vorhin schon Presse vor Ort«, warf einer der Männer ein.

»Ich weiß. Gab es besondere Vorkommnisse?«

»Ein Reporter war sehr früh am Tatort. Er wollte angeblich etwas über den Orientierungslauf schreiben. Muss für ihn gewesen sein, als fielen Weihnachten und Ostern auf einen Tag, unverhofft so einen dicken Fisch am Haken zu haben.«

Ein paar Männer lachten leise auf.

»Der hat auch mit ein paar Läufern geredet, und ich hörte die was von einem Sniper munkeln …«, sagte Michael Gerlach, der mit Cola-Flasche und einer Familienpackung Butterkeksen an den Bus gelehnt dastand. Pia hörte, wie ihr Magen leise knurrte.

»Für einen Sniper gibt es überhaupt keinen Hinweis!«, erwiderte Gabler eisig. Die Idee, ein Heckenschütze könne sich auf dem Priwall hinter ein paar Büschen verborgen haben, um wahllos auf seine Mitmenschen zu schießen, war so abwegig, wie er unheimlich war. »Wir müssen mit dem Reporter reden.«

»Der Fall heute könnte mit einiger Fantasie an Vorfälle erinnern, wie wir sie aus den Vereinigten Staaten kennen«, sagte Broders, der schräg hinter Pia stand.

»Was meinen Sie, Broders?« Gabler klang ungeduldig.

»Ich sage nur: John Allen Muhammad und Lee Boyd Malvo, 2002 in Washington. Oder Howard Unruh, 1949. Übrigens der erste Heckenschütze, der seine Opfer willkürlich aussuchte …«

»Wir sind hier aber nicht in den Vereinigten Staaten.«

»Trotzdem sollten wir die Möglichkeit in Erwägung ziehen. Hamburger und Coca-Cola sind schließlich auch hier angekommen.«

So wie Broders die Namen und Jahreszahlen herunterleierte, waren Sniper wohl sein heimliches Hobby, vermutete Pia. Vielleicht hatte er schon länger darauf gewartet, dieses Wissen mal vor versammelter Mannschaft anbringen zu können? Hatte es tatsächlich einmal einen bekannten Kriminellen namens Unruh gegeben – Unruh wie Marten Unruh, ein ehemaliger Kollege von ihnen beim K1, dessen Existenz Pia seit Wochen fast erfolgreich verdrängte? Oder hatte Broders nur die Gelegenheit ergriffen, die Namensgleichheit für einen Seitenhieb auf sie zu nutzen?

Unsinn!, ermahnte sie sich. Es fehlte nur noch, dass sie paranoid wurde!

Gabler zog es vor, nicht weiter auf Broders’ Ausführungen einzugehen. »Wenn der Tod des Mannes kein Unfall war, dann hatte der Schütze hoffentlich ein Motiv, gerade diesen Läufer zu erschießen. Unsere Chancen stehen ausgesprochen gut, solange es sich bei dem Mord um eine Beziehungstat handelt.«

Und wenn es keine Beziehungstat war?, dachte Pia. Der Horror eines jeden Ermittlers: Jemand kam, suchte sich ein Versteck, zielte, erschoss den nächstbesten Menschen, der ihm vor die Flinte lief, und verschwand. Für den Kick, den Spaß, was auch immer. Niemand wusste, was in den Köpfen der Menschen so vor sich ging …

3. Kapitel

Helga und Gunnar waren nach dem schockierenden Vorfall auf dem Priwall mit zu Katja nach Hause gefahren. Sie hatten sie auf ihr Sofa gesetzt, in eine Wolldecke eingewickelt und ihr einen Becher mit heißem Kakao in die Hand gedrückt. Roxy, Katjas Golden-Retriever-Hündin, lag schwer auf ihren Füßen und döste. Hieß es nicht, dass Hunde ein Gespür für menschliche Stimmungen haben? Dieser wohl nicht.

Die hilfsbereite Helga war Mitglied in ihrem Verein. Katja traf sie oft auf OL-Veranstaltungen, und sie wechselten immer ein paar Worte, wenn sie sich sahen. Dass Gunnar mitgekommen war, war schon ungewöhnlicher. Irgendwie hatte es sich so ergeben, dass von den Leuten, die sie kannte, nur noch er und Helga auf dem Priwall gewesen waren, als die Polizei sie endlich aus ihren Fängen entlassen hatte. Katja beobachtete die beiden über ihren Becher hinweg: Rührend besorgt waren sie, aber auch aufreizend hilflos bei ihren Versuchen, die groteske Situation einigermaßen zu handeln. Helga hatte sie schon zum dritten Mal gefragt, ob sie jemanden für Katja anrufen sollte. Mit jeder Verneinung schien ihr Widerwille gegen die selbst auferlegte Aufgabe zu wachsen. In ihren Augen musste eine Frau, deren Mann gerade erschossen worden war, den Wunsch hegen, eine Batterie Freundinnen und Verwandte um sich zu scharen.

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