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P.I.D. 1 - IM VISIER DER VERGANGENHEIT Juliette Jennings steht ganz oben auf der Todesliste eines skrupellosen Killers. Plötzlich selbst des Mordes beschuldigt, will sie nur noch eins: die Hilfe ihres großen Bruders. Ein riesiger Fehler, wie sie bald erkennt. Wenn sie ihn retten will, muss sie von der Bildfläche verschwinden - und zwar sofort! Doch Nate Cooper, ehemaliger Army Sergeant und bester Freund ihres Bruders, macht all ihre Pläne zunichte. Er besteht darauf, sie in Sicherheit zu bringen. Trotz der Zweifel an ihm und seiner Organisation P.I.D. hat Juliette keine Wahl: Sie muss ihr Leben in die Hände eines Fremden legen! Denn ihre Verfolger sind mächtiger als vermutet - und das unerwartete Verlangen zwischen ihr und ihrem sexy Beschützer zieht sie immer stärker in seinen Bann... Der Auftakt der neuen PID-Serie von Andrea Bugla. P.I.D. 2 - GEFÄHRLICHE HINGABE An der Seite von Juliette könnte Nate Cooper den Himmel auf Erden erleben - und dabei fast vergessen, dass sie unter Mordverdacht steht und eine kaltblütige Killerin ihr Leben zu zerstören droht. Für den ehemaligen Elite-Soldaten und die P.I.D. zählt jetzt nur noch eins: das perfide Spiel der Frau zu durchschauen, bevor es zu spät ist. Als maßloses Verlangen nach Rache auf grenzenlose Begierde trifft, geht es für Nate und Juliette nicht länger nur um eine gemeinsame Zukunft - sondern um Leben und Tod …
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Seitenzahl: 574
Andrea Bugla
P.I.D. - Cooper
IMPRESSUM
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Umschlagmotiv: "nensuria / Thinkstock, vichie81 / Thinkstock, Ksanawo / Shutterstock Umschlaggestaltung: Arne Reuter
Veröffentlicht im ePub Format im 06/2015
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733781583
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. books2read Publikationen dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Es war ein Fehler.
Ein Riesenfehler!
Und der könnte sowohl Naomi als auch sie das Leben kosten.
Aber hatte sie eine andere Wahl? Ihre Freundin war verletzt und brauchte dringend einen Arzt. So wie ihr Schädel pochte, könnte Juliette vermutlich selbst einen gebrauchen. Sie wusste nicht, ob sie mehr als eine Gehirnerschütterung hatte und wie lange es noch dauerte, bis sie in Ohnmacht fiel. Die Hitze, die sich zwischen den Kisten, Gerätschaften und Regalen staute, machte es auch nicht gerade besser.
Die Sorge um ihre Freundin überwog die Angst, dass ihre Kidnapper sie erwischten. Deshalb nutzte Juliette die erste Chance, die sich ihr bot.
Kaum war Carl für einen Moment hinter den großen Regalen verschwunden, um die Lage zu checken, sprang sie auf und huschte an Kurt vorbei. Dankbar dafür, dass Naomis Wimmern ihn ablenkte, tauchte sie in einem der Gänge unter. Natürlich blieb das nicht unbemerkt, doch fürs erste war sie frei.
So schnell und so leise wie möglich bewegte sie sich weiter durch die Regalschluchten – auch wenn alles in ihr danach drängte, sich sofort in der nächstbesten Lücke zu verstecken, als Kurt die Suche nach ihr aufnahm.
Keine vier Meter von der rettenden Tür entfernt kauerte sie sich kurz darauf zwischen zwei Kisten und lauschte den Schritten ihres Verfolgers. Er machte Lärm für drei, während er einen Gang nach dem anderen absuchte.
„Wenn ich das Hirn deiner Freundin nicht über den Boden verteilen soll, beweg deinen Arsch hierher, du blöde Schlampe!“, ertönte Carls eisige Stimme.
Juliette zweifelte keine Sekunde daran, wie ernst er es meinte. Für ihn zählte Geld – und nur das. Die Entscheidung über Leben und Tod eines Menschen war reine Formsache und beschäftigte ihn nicht weiter, nachdem er sie erst getroffen hatte. Seine Kaltblütigkeit machte ihn gefährlich – genau wie die extreme Nervosität seinen Kollegen in eine tickende Zeitbombe verwandelte, die jederzeit explodieren konnte. Kurt war es auch gewesen, der auf Naomi geschossen hatte. Und das nur, weil sie über eine Holzlatte gestolpert und ihm entgegen getaumelt war …
„Ich zähle bis drei!“, rief Carl.
„Juliette!“, hörte sie Naomi schreien. „Hau ab! Renn…“
Ein Klatschen – dem Geräusch nach eine Ohrfeige – unterbrach ihre Worte. Im nächsten Moment drang ein leises Wimmern an ihr Ohr.
Juliette schluckte und kämpfte die aufsteigenden Tränen zurück. Sie wusste, dass sie Naomi nur helfen konnte, wenn sie es hinaus schaffte. Immer wieder hatte sie Juliette leise dazu gedrängt, wenn möglich zu fliehen. Wäre sie erst mal frei, könne sie Hilfe holen.
Tja, liebe Freundin, wenn du mir da mal nicht zu viel zutraust, dachte Juliette unsicher. Es behagte ihr nach wie vor nicht, ihre Freundin zurückzulassen.
Sie sah abwechselnd in die Richtung, aus der sie gekommen war, und zum Ausgang. Es waren nur noch wenige Meter bis zu der Tür, hinter der ihre Rettung wartete. Zahllose Polizisten und andere Einsatzkräfte hatten sich schon vor der Lagerhalle versammelt. Es musste eine ganze Armee sein, wie Juliette aus den unzähligen blau-rot flackernden Lichtern schloss, die hinter den viel zu hohen und viel zu schmalen Fenstern tanzten. Juliette fuhr sich über die Stirn und zuckte zusammen, als Schweiß in der Platzwunde brannte. Die beginnende Mittagshitze hatte die Halle schnell in einen Ofen verwandelt.
„Eins!“
„Werfen Sie die Waffen weg und kommen Sie mit erhobenen Händen heraus!“, rief eine weitere Stimme – diesmal von draußen und zweifellos durch ein Megafon verstärkt.
Nur einen Gang von Juliette entfernt schepperte etwas laut zu Boden. Vielleicht hatte sich einer der beiden von dem plötzlichen Polizeibefehl ablenken lassen und ist dabei gegen eine Kiste gelaufen? Juliette konnte ihren erschreckten Aufschrei gerade noch zurückhalten. Der Puls schlug ihr bis zum Hals und hämmerte erbarmungslos gegen ihre Schädeldecke.
Sie musste hier weg, ehe die Männer sie aufspürten!
„Zwei!“
Verdammt, was wenn er ernst machte? Sicher hatte er nicht den Auftrag, sie zu ermorden – sonst wären sie längst tot. Doch Carl machte nicht gerade den Eindruck, sich auf Biegen und Brechen ans Drehbuch zu halten.
„Das Lagerhaus ist umstellt. Sie haben keine Chance. Sie haben eine Minute, um sich zu ergeben!“
„Carl? Ich finde sie nicht! Ich glaube, sie ist weg!“
Kurt stand keine zwei Meter von ihr entfernt und spähte in die Richtung seines Komplizen, der offenbar noch Naomi bewachte. Panisch riss Juliette den Kopf rum, um auszumachen, wo sich Kurt genau befand, und schlug dabei hart gegen die Ecke eines Regalbretts. Neuer Schmerz jagte wie ein Speer durch ihr Gehirn, nahm ihr einen Augenblick lang Sicht und Luft. Es kostete sie alle Körperbeherrschung, stillzuhalten und sich nicht zu verraten.
„Die Minute ist fast rum. Treffen Sie die richtige Entscheidung und geben Sie auf!“, rief der Polizist eindringlich in das Megafon.
„Verdammt! Sie kann nicht weit gekommen sein, du dämlicher Trottel. Finde sie!“, fluchte Carl.
Plötzlich schrie Naomi auf, ein Stuhl kippte um und Carl forderte sie barsch auf, sich zu bewegen.
Juliette beobachtete, wie Kurt sich ein letztes Mal umschaute und sich dann überraschend entfernte.
Das war ihre Chance – vielleicht die letzte, die sie bekommen würde. Wenn das schiefgeht, Naomi, verzeih mir.
Juliette schlüpfte aus ihrer Nische und rannte zur Tür.
Weit kam sie nicht. Es war ein einfacher Riegel, der ihr den Weg in die Freiheit versagte. Verrostet und leicht verbogen wollte er sich einfach nicht bewegen lassen. Verzweiflung wallte in ihr auf. Das durfte einfach nicht wahr sein. Juliette zog und drückte, stemmte sich gegen die Tür, während sie weiter am Riegel rüttelte. Aber dieses blöde Ding wollte sich einfach nicht rühren. In einem Anfall von Wut und Frust trat sie heftig gegen die Tür – und wusste bereits in diesem Moment, dass das eine blöde Idee gewesen war. Der Knall hallte durch die ganze Halle.
Sich innerlich für diese hirnrissige Aktion maßregelnd, suchte sie die im Halbdunkeln liegenden Gänge ab. Gebannt horchte sie nach jeder noch so kleinen Regung, und ein leiser Schrei entfuhr ihrer Kehle, als Kurts Stimme die Stille zerriss.
„Du kannst dich nicht ewig verstecken, du Miststück! Ich weiß genau, wo du steckst. Wenn ich bei dir bin, dann Gnade dir Gott!“
Er klang alles andere als selbstsicher. Offenbar ließ ihn die Warnung der Polizisten doch nicht so kalt, wie er sie das glauben lassen wollte. Aber eben diese Unruhe machte ihn gleichzeitig unberechenbar. Und er würde sie finden. „Ich habe die Schnauze voll! Komm raus jetzt! Glaub mir, wenn ich dich erst holen muss …“
Seine Schritte hallten durch das Gebäude. Er gab sich keine Mühe mehr, leise zu sein – nicht, dass er damit bisher viel Erfolg gehabt hätte. Juliette konnte geradezu vor sich sehen, wie er mal rechts und mal links abbog, während er kontinuierlich näher kam.
Von draußen war wieder die fremde Stimme zu hören. Diesmal klang sie gedämpfter, wenn auch nicht mit weniger Nachdruck. Wieder wurde Carl aufgefordert, sich zu ergeben. Juliette hörte, wie er trocken auflachte. Kurz darauf vernahm sie einen dumpfen Schlag von Metall auf Metall – direkt hinter der Tür – und die Stimmen der Polizisten verstummten.
Der Krach hier in der Lagerhalle nahm indes immer weiter zu. Juliette tastete blindlings hinter sich. Wenn sie irgendwas fände, das sie werfen könnte, um ihren Verfolger wenigstens für einen Moment in eine andere Richtung zu lotsen …
Wenn sie nur mit irgendetwas Lärm veranstalten könnte … In Filmen klappte das doch auch immer.
Sie fand eine Latte, die jedoch unter dem Regal eingeklemmt war. Juliette sah sich unruhig um. Schließlich fand sie einen Backstein, der zu klobig war, um ihn hoch und weit genug werfen zu können, und ein armlanges, zeitungsdickes Metallrohr. Während Juliette noch überlegte, wie sie nun die Aufmerksamkeit ihres Verfolgers von sich ablenken könnte, entdeckte sie auf dem Boden einige verstreute Schrauben. Schnell sammelte sie sie auf und sog heftig Luft ein, als sich die Spitzen in ihre Handflächen bohrten. Juliette kniff einige Sekunden lang die Augen zu.
Der Schmerz, für sich allein harmlos, verbündete sich mit den stechenden Kopfschmerzen zu einem rot glühenden Schürhaken. Eine quälende Welle breitete sich in ihr aus, bis sich ihr der Magen drehte und sie sich fast übergeben musste. Nur mühsam konnte sie dagegen ankämpfen.
Juliette nahm einen letzten Atemzug und schleuderte die kleinen Behelfsgeschosse so hoch wie möglich – doch das war wohl zu viel des Guten, denn die Nägel prallten an der Kante des vorletzten Regalbrettes ab und prasselten ihr wieder direkt vor die Füße. Mit dem Wurf würde sie sicher auf Lebzeiten aus der MLB ausgeschlossen werden – nicht dass sie sich je groß für Baseball interessiert hatte.
Kurt lachte irre auf, schließlich kamen die Geräusche genau aus der Richtung, in die er ohnehin unterwegs war. Juliettes Hände zitterten, als sie nach dem Metallrohr griff und es über den Kopf hob.
Sie wollte das hier nicht. Das war nicht richtig.
Sie arbeitete als einfache Verkäuferin in einem Spielwarenladen. Ihr Job war es, Modellautos und Stofftiere in die Regale zu räumen, über die aktuellen Trends der Sammelkarten und – figuren Bescheid zu wissen und stets das passende Geschenk für einen Kindergeburtstag zu finden. Es war nicht ihr Job, sich irgendwelchen Verbrechern in den Weg zu stellen. Schon gar nicht, wenn die eine geladene Waffe und einen nervösen Abzugsfinger hatten.
Zum millionsten Mal in den letzten drei Tagen – drei Tage, die ihr wie Monate vorkamen – fragte sich Juliette, wie das alles hatte passieren können. Die Recherche ihrer Freundin Naomi war der Stein gewesen, der alles ins Rollen gebracht hatte. Sie hatte an einem Enthüllungsbericht gearbeitet und war einem Großindustriellen gefolgt, der im Verdacht stand, in illegale Geschäfte verwickelt zu sein. Als ihr Aufnahmegerät genau im entscheidenden Moment den Geist aufgab, hatte sie kurzerhand das Gespräch mit dem Handy aufgenommen und die Datei an ihren Laptop schicken wollen. Das Video war dann jedoch bei Juliette gelandet. Danach hatte eins zum anderen geführt.
Ein kleiner Tastendruck und eine falsche Email-Adresse, mehr hatte es nicht bedurft, um ihr Leben in diese Katastrophe zu verwandeln.
Und doch konnte sie Naomi deswegen irgendwie nicht böse sein. Auch wenn die das anders sah. Immer wieder hatte sie sich entschuldigt. Sie hatte geweint und gefleht – ja, Juliette sogar angeschrien, doch endlich mit ihrem beschissenen Verständnis aufzuhören.
„Hab ich dich endlich!“
Völlig erstarrt blickte Juliette in den Lauf eines Revolvers. Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus, ehe sie die Situation begriff und die blanke Angst sie erfasste. Kurt hatte seine Waffe direkt auf sie gerichtet, sein Gesicht war zu einer grinsenden Fratze verzogen.
Juliette handelte instinktiv, als sie den Arm hochriss und ihm das Rohr gegen den Arm schmetterte. Wie von einer fremden Macht getrieben wechselte sie die Schlagrichtung und schwang ihm ihre Waffe vor den Kopf.
Es hörte sich an, als würde man versuchen, mit einer Melone einen Homerun zu schlagen. Verdammt, was hatte sie denn heute nur immer mit Baseball. Ihr Bruder Jings wäre begeistert – nur, dass er nie etwas davon erfahren würde …
Mit glasigen Augen und perplexem Gesichtsausdruck ging Kurt in die Knie und kippte zur Seite weg.
Sie brauchte kurz, um das Entsetzen über ihre Tat abzuschütteln. Sie war nicht gewalttätig. Sie schlug nicht mal Fliegen tot. Und jetzt knüppelte sie einen Mann bewusstlos.
Juliette versuchte sich zu konzentrieren. Gab es vielleicht noch einen anderen Ausgang? Oder sollte sie es weiter an dieser Tür versuchen?
Sie entschied sich für letzteres. Wer wusste schon, wie lange der Typ bewusstlos war. Sie wollte keine Zeit verlieren. Und schon gar nicht wollte sie über ihn steigen.
So fest sie konnte schlug sie mit dem Backstein auf den kleinen Griff des Riegels ein. Immer wieder und wieder hieb sie darauf ein, wobei ihr jeder Aufprall durch und durch ging. Etliche blutende Schrammen und endlose Minuten später schien sich das Metall endlich zu bewegen. Nur noch ein kleines Stück und es wäre geschafft. Den Schmerz in ihren Schläfen und in ihren Fingern ignorierend, legte sie all ihre Kraft in einen letzten Schlag.
Gerade als der Riegel die Tür freigab, stöhnte Kurt auf. Juliette starrte ihn an, versuchte Bewegungen auszumachen, die von seinem Erwachen zeugten.
Hatte sie es sich nur eingebildet?
Verdammt, du blöde Kuh, mach lieber, dass du hier rauskommst.
Sie straffte die Schultern und schob mit zittrigen Händen die Tür auf.
Grelles Licht blendete sie und ließ in ihrem Kopf mehrere Splitterbomben explodieren. Sofort taumelte sie, bekam sich aber wieder gut genug in den Griff, um nicht zu stürzen.
„Hände hoch! Keine Bewegung! Werfen sie die Waffe weg!“, prasselten gebellte Befehle auf sie ein, kaum dass sie auf der Türschwelle stand. Was denn für eine Waffe?
Völlig durcheinander blickte sie an sich hinunter und bemerkte, dass sie den Backstein noch immer fest umklammerte. Betäubt ließ sie es fallen und hob die Hände über den Kopf.
Die gleißend helle Welt schwankte wie ein Kahn auf unruhiger See.
„Bitte, ich habe doch nichts getan“, flüsterte sie und trat zitternd einen Schritt vor. Heiße, schwüle Luft umhüllte sie sofort erbarmungslos und verstopfte ihre Lunge wie nasse Watte. Hier draußen war es nur unwesentlich kühler als in der Lagerhalle.
„Gehen sie von der Tür weg!“
Eine dunkle Silhouette kam näher. Da sich ihre Augen nach wie vor nicht an die Helligkeit gewöhnt hatten, konnte Juliette unmöglich erkennen, was die Gestalt dabei in den Händen hielt. Angst durchfuhr sie in neuen heftigen und alles verschlingenden Wellen.
„Miss, bitte treten sie von der Tür weg.“ Die tiefe Stimme klang nun mehr als angespannt.
Ich bin das Opfer, ich habe nichts getan, wollte Juliette schreien. Doch dazu kam sie nicht mehr.
Plötzlich lief alles in Zeitlupe und gleichzeitig rasend schnell ab. Schüsse fielen, Stimmen brüllten, und etwas traf sie so hart am Rücken, dass sie nach vorne geschleudert wurde. Unbändiger Schmerz – wie schnell man sich doch das bisschen Kopfweh zurückwünschen konnte – flammte in ihrem Rückgrat auf. Ihr Herz stolperte, und aus der Watte in ihrer Lunge wurde zähflüssiger Teer.
Hände packten sie, rissen sie zur Seite und ließen sie dann zu Boden sinken. Ein verschwommenes Gesicht tauchte in ihrem Blickfeld auf. Lippen bewegten sich, doch Juliette konnte kaum verstehen, was sie sagten.
„Jennings! Juliette! Sie sind in Sicherheit. Ein Arzt ist unterwegs.“
Diese Stimme … Juliette versuchte sich zu erinnern, aber sie war so müde.
Der Mann strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Bleiben Sie wach. Juliette, bleiben Sie wach“, beschwor er sie immer wieder. Doch sie war einfach zu müde.
„Gute Nacht, Ms Wilder. Machen Sie nicht mehr so lange. Es ist doch Wochenende.“ Der blonde Student klopfte zweimal auf die Theke, lächelte sie an und ging mit langen Schritten davon. Er war der letzte Besucher, der die Bibliothek verließ. Jeden Freitag arbeitete er bis in den Abend hinein an einem Projekt, mit dem er mal ganz groß rauskommen wollte, bevor er sie ermahnte, auch bald nach Hause zu gehen, und sich in den wohlverdienten Feierabend aufmachte.
Juliette schloss hinter ihm ab und atmete tief durch. Sie liebte diese letzten Minuten, wenn sie die Bibliothek ganz für sich hatte. Es war die einzige Zeit, in der sie wenigstens ein bisschen Frieden fand. Sie räumte zurückgegebene und liegengelassene Bücher in die Regale, ging die bald endenden Leihfristen durch und rückte die Stühle zurecht. Sie ließ sich damit Zeit, schließlich hatte sie es nicht eilig, nach Hause zu kommen.
In wenigen Wochen, wenn es früher dunkel wurde, würde sie die Spätschicht abgeben. Sie ging schon bei Tageslicht ungern auf die Straße. Dies aber nach Einbruch der Dämmerung tun zu müssen, bereitete ihr schon bei der Vorstellung eine zentimeterhohe Gänsehaut.
Nachdem die Arbeit getan war, löschte sie das Licht und verließ die sicheren Wände der Bibliothek. Sofort kehrten die Unruhe und dieses Kribbeln im Nacken zurück, das sie wahnsinnig machte. Ein letztes Mal ließ sie den Blick über den großen Parkplatz streifen, ehe sie die breiten Stufen der Bibliothek hinabstieg und ihren kleinen alten Käfer ansteuerte. Nur mühsam hielt sie ihre Augen nach vorne gerichtet.
Sie wusste, dass sie sich selbst verrückt machte, und ermahnte sich jeden Tag aufs Neue, sich endlich zusammenzureißen. Seit neun Monaten wohnte sie jetzt als Lori Wilder in Pasadena. Sie hatte sich hier ein Leben aufgebaut, auch wenn man wohl eine Menge Fantasie brauchte, um es so zu nennen. Morgens zur Arbeit, nachmittags schnell ein paar Erledigungen machen und dann noch schneller nach Hause, wo sie den Abend vor dem Fernseher oder dem Computer verbrachte. Hatte sie Spätschicht, lief alles einfach nur in veränderter Reihenfolge ab. Sie hatte kaum Kontakt zu den Kollegen und keine Freunde. Genaugenommen verließ sie ihre Wohnung so selten, dass sie wahrscheinlich immer noch nicht nach Hause finden würde, wenn man sie zwei Straßen entfernt aussetzte.
Juliette lief über den kleinen Rasenstreifen und sah sich hektisch zwischen den Bäumen um. Sie waren nicht hoch und die Stämme nicht allzu breit. Dennoch wäre es sicher möglich, hinter ihnen Deckung zu finden. Normalerweise parkte sie näher am Gebäude, doch heute Mittag waren sämtliche Plätze dort bereits besetzt gewesen.
Sie angelte in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel, hielt aber kurz vor dem Wagen inne, denn sie konnte ihren Schlüsselbund nirgends finden.
Wo war er nur? Juliette verstaute ihn stets im vorderen Fach und nahm ihn nie heraus. Ein dicker roter Puschel hing am Schlüsselring. Der dürfte doch nicht zu übersehen sein.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie endlich fündig wurde. Erleichtert zog sie den Bund aus der Tasche – nur um ihn gleich darauf fallen zu lassen. Auf der anderen Seite des Parkplatzes, gleich neben der Ausfahrt, stand ein goldener Lincoln, der vor zwei Minuten noch nicht da gewesen war. Auch wenn sich die untergehende Sonne in den Scheiben spiegelte, glaubte Juliette zu erkennen, dass der Fahrer sie anstarrte. Schweiß trat auf ihre Stirn, ein Kribbeln zog ihr über die Haut. Hatten sie sie gefunden? Wie konnte das möglich sein?
Seit Juliette Jennings und Naomi Watson vor fünf Jahren bei den Lagerhallen starben, führten keine Spuren mehr zu ihr. Sie war jetzt Lori, weit weg von Zuhause und fernab von irgendwelchen alten Kontakten. Andererseits, war sie nicht erst vor einem knappen Jahr bereits schon mal gezwungen gewesen, umzuziehen? Und das nur, weil ihr zufällig eine alte Schulfreundin über den Weg gelaufen war, die es nach der Heirat nach Cincinnati gezogen hatte.
Würde das nun wieder nötig sein?
Sollte sie anrufen oder abwarten?
Würde sie hysterisch erscheinen, wenn sie wegen eines Autos anrief, das aus Millionen Gründen dort angehalten haben könnte?
Tausend derartiger Fragen schossen ihr durch den Sinn, lähmten sie fast. Hier auf dem Parkplatz gab sie ein offenes Ziel ab. Sie musste hier weg. Aber wohin? Natürlich wäre es das sinnigste, einfach zurück zu den Gebäuden zu rennen. Doch sie hatte gesehen, wie skrupellos die Männer waren, die sie damals verfolgt hatten. Wie konnte sie da das Risiko eingehen und noch mehr Menschen in die Schusslinie bringen? Zu Fuß flüchten war ebenfalls keine Option. Das Gelände war so offen, dass man – zumindest in der näheren Umgebung – überall mit dem Auto durchkam, wenn man nur wollte. Und wer wusste schon, ob der Typ in dem Lincoln allein war.
Juliette schnappte sich den Schlüssel vom Boden und spurtete los. Vielleicht wäre es cleverer gewesen, sich nichts anmerken zu lassen. Doch nachdem sie ohnehin schon viel zu lange zu dem Wagen gestarrt hatte, wusste der Fahrer vermutlich eh, dass er entdeckt worden war. Juliette sah ein letztes Mal hin und stoppte abrupt. Zweimal drehte sie sich um die eigene Achse, um sicher zu gehen, dass sie in die richtige Richtung schaute.
Der Lincoln war weg!
Juliette war zum Heulen zumute. Langsam aber sicher verwandelte sie sich in ein nervliches Wrack. Seit Tagen schon schlug sie sich mit Panikattacken herum, und sie konnte nur hoffen, dass es lediglich mit dem Jahrestag der Schießerei zu tun hatte.
„Probleme mit dem Auto?“
Juliette schrie auf und schlug noch im Umdrehen wild um sich. Erst, als jemand sie bei den Schultern packte und sie schüttelte, erkannte sie auch die dazugehörige Stimme. Sofort stellte sie ihre Verteidigung ein.
Herold, ihr Kollege, hatte einiges abbekommen. Eine Strieme zog sich über seine Wange und das Jochbein leuchtete in einem tiefen Rot. Spätestens morgen früh würde die Stelle ein eindrucksvolles Veilchen zieren. Doch aus seinem Blick schien weniger Vorsicht als Sorge zu sprechen, als er sie jetzt musterte.
„Oh Gott. Es tut mir leid. Es tut mir so leid!“ beteuerte Juliette schnell und den Tränen nahe. Sie wollte einen Schritt zurücktreten, doch Herold ließ das nicht zu.
„Ist schon gut. Ich habe dich erschreckt.“ Sie konnte in seinen Augen sehen, dass einiges ungesagt blieb.
Juliette zitterte, und ihr Puls jagte immer noch. „Ich habe … ich kann … ich kann mich nur noch mal entschuldigen.“ Sie warf einen Blick über die Schulter. Der Wagen war immer noch verschwunden. „Ich bin zurzeit etwas nervös. Ich werde jetzt nach Hause fahren, mir einen Tee machen und dann ins Bett gehen.“ Diesmal konnte Herold nicht verhindern, dass sie sich von ihm entfernte. Doch als sie den Schlüssel in das Türschloss ihres Käfers stecken wollte, nahm ihr Kollege ihn ihr einfach ab.
„Du fährst nirgendwo hin. Nicht, wenn du so durcheinander bist! Komm, ich fahre dich.“ erklärte er ruhig.
„Das ist nicht nötig.“ Sie würde nie zugeben, wie dankbar sie dafür wäre, sich in ihrer Verfassung nicht auch noch auf den Verkehr konzentrieren zu müssen. „Ich schaffe das schon.“
„Keine Widerrede.“ Noch ehe sie etwas sagen konnte, hatte er ihr schon den Arm um die Schulter gelegt und sie mit sich gezogen. Juliette ließ es widerstandslos geschehen. Sie wusste, wann sie verloren hatte. Und schließlich war es doch nur Herold. Er und seine Frau arbeiteten seit einigen Monaten in der Bibliothek. Sie waren noch relativ jung und fielen überall auf, wo sie gemeinsam auftauchten. Herold sah aus wie eine Mischung aus Goth und Hippie. Heather erinnerte an eine ehemalige Cheerleader-Abschlussballkönigin, nur ohne die arroganten Züge, die man an solchen Mädchen und Frauen nur zu oft beobachten konnte. Teilte man sich mit ihnen eine Schicht, kam nie Langeweile auf. Sie brachten selbst Juliette dazu, ab und an mal zu schmunzeln. Nicht selten hatte sie gedacht, dass sie zu einem anderen Zeitpunkt – in einem anderen Leben – sicher Freunde geworden wären. Einmal waren sie abends weg gewesen, doch es hatte in einem Fiasko geendet, als ein Mann auf Juliette zugekommen war und sie gefragt hatte, ob sie sich aus einem anderen Leben kennen würden. Ein Teil von ihr hatte gewusst, dass es einfach nur ein äußerst flacher Anmachspruch gewesen war. Einer Panikattacke hatte sie damit aber nicht entgegenwirken können.
„Es tut mir leid“, wiederholte sie ihre Worte von damals.
Herold bog auf die Straße und sah sie kurz an. „Du musst dich für nichts entschuldigen. Nach allem, was du …“
„Nach allem was?“ Was meinte er? Er konnte unmöglich etwas von ihrer Vergangenheit wissen. Oder?
Adrenalin rauschte durch ihre Blutbahnen. Nein, niemand hier wusste etwas von ihrer Vergangenheit!
„Nach allem, was ich von Heather gehört und auch selbst beobachtet habe, bin ich sicher, dass es einen triftigen Grund gibt, warum du bist wie du bist. Das ist alles.“
„Wie bin ich denn?“ Juliette konnte nichts gegen die Schärfe in ihrer Stimme tun. Sie war viel zu beschäftigt damit, ihr Herz am Stehenbleiben zu hindern.
„Du bist jetzt seit – einem Jahr? – in Pasadena und würdest dich sicher auch jetzt noch verlaufen, so zurückgezogen lebst du.“ Er ignorierte ihren Tonfall und setzte seine Ausführungen fort. „Du blickst dich ständig um und musterst jeden in deiner Nähe, als würdest du jeden Moment damit rechnen, dass einer eine Knarre zieht. Du traust keinem und zuckst zusammen, sobald man dich anspricht. Nur selten habe ich dich mal lächeln gesehen.“ Mit jedem Wort zog sich mehr in ihr zusammen. Hatte sie sich wirklich so auffällig verhalten? Dabei hatte sie doch genau das vermeiden sollen.
Verhalte dich unauffällig. Verhalte dich normal. Lebe ein unauffälliges, normales Leben. Genau das hatte man ihr vor ihrem ersten Umzug eindringlich ans Herz gelegt. Nur war das einfacher gesagt als getan.
Herold setzte den Blinker und bog auf den Foothill Freeway. „Keine Ahnung, was dich so hat werden lassen. Aber es muss etwas Heftiges gewesen sein. Du hast also keinen Grund, dich zu entschuldigen.“ Er warf ihr einen schnellen mitfühlenden Blick zu. „Und sollte irgendetwas sein oder du einfach nur mal reden wollen, kannst du jederzeit zu mir kommen. Oder zu Heather.“
Juliette schluckte den dicken Kloss runter, der ihr die Luft zum Atmen nahm. „Danke.“ Das meinte sie wirklich, auch wenn es dazu niemals kommen würde.
„Nichts zu da… Scheiße!“ Herold ging voll in die Eisen und riss das Lenkrad rum. Nur einen Wimpernschlag später schoss ein brauner Wagen quer über die Fahrbahnen. Hätte Herold nur eine Sekunde später reagiert, wären sie kollidiert. „So ein Penner! Bist du in Ordnung?“, erkundigte er sich, als er sich auf der rechten Spur eingeordnet und den Schrecken einigermaßen überwunden hatte.
Juliette nickte. Sagen konnte sie nichts. Ihr Herz raste, sprengte geradezu ihren Brustkorb. Unvermittelt grub sie ihre Fingernägel in die Armlehne.
Als sich das Fenster mit einem Surren öffnete, schrie sie auf.
„Verdammt! Ich bin wohl wirklich reif für die Klapse.“ Sie versuchte, belustigt zu klingen, versagte aber auf ganzer Linie. Herold hätte schon taub und blind sein müssen, um es ihr abzukaufen.
Juliette hatte den Wagen nur eine Sekunde lang gesehen, aber sie war sich fast sicher, dass es ein goldener Lincoln gewesen war. Okay, sie konnte sich auch geirrt haben, und selbst wenn nicht, gab es hunderte davon. Aber dennoch …
„Soll ich rechts ran fahren?“ Herold klang besorgt. „Lori?“
„Ähm, was? – Nein, ich will einfach nur nach Hause.“
Herold nickte und beschleunigte das Tempo wieder.
Die weitere Fahrt über schwiegen sie. Sicher spielte Herold diverse Szenarien durch, die Juliette in ihre Situation gebracht haben könnten. Oder er wartete darauf, dass sie vollends durchknallte. Juliette war ebenfalls mit verschiedenen Szenarien beschäftigt. Nur wusste sie nicht, ob es einfach nur ihre Paranoia war. Aber sie wollte einfach nicht glauben, dass es sich um reinen Zufall handelte, dass sie es innerhalb einer halben Stunde gleich zweimal mit einem goldenen Lincoln zu tun bekam.
Was, wenn es wirklich derselbe war? Was, wenn er nur verschwunden war, weil Herold auf dem Parkplatz aufgetaucht war? Was, wenn er jetzt zu Ende bringen wollte, wozu er zuvor nicht gekommen war? Wie konnte sie Herold schützen, wenn dem Mann Kollateralschäden egal waren?
Je mehr Fragen sich aneinander reihten, desto schummriger wurde es ihr. Dabei handelte es sich möglicherweise einfach nur um einen Autofahrer, der sein Navi neu eingestellt hatte. Oder vielleicht auch nur um jemanden, der auf ein anderes Fahrzeug gewartet hatte, das ihm folgte, weil sie ein gemeinsames Ziel hatten? Was, wenn sie gerade einfach nur ein rücksichtloser Rowdy geschnitten hatte? Die möglichen Erklärungen – beängstigende sowie beruhigende – häuften sich.
Nachdem Herold den Freeway verlassen hatte und nun durch die Innenstadt von Pasadena fuhr, konnte Juliette gar nicht anders als sich ständig nach allen Seiten umzusehen. Herold hatte inzwischen mit Heather gesprochen und ihr Bescheid gesagt, dass er Juliette getroffen hatte und sie nach Hause fuhr. Juliette beneidete Heather ein wenig, wenn sie der liebevollen Art und Weise lauschte, in der er mit ihr sprach. Wann sie das letzte Mal einen festen Freund gehabt hatte, konnte sie nicht mal mehr sagen. In ihrem Leben war kein Platz für die Liebe. Sie traute den Menschen nicht mal mehr so weit, wie sie gegen den Wind spuken konnte. Wie sollte sie dann eine Beziehung eingehen? Mal abgesehen davon, dass sie ihrem Partner wahrscheinlich nie die Wahrheit sagen könnte. Der Mann, der sie damals verfolgt hatte, war untergetaucht und seitdem wie vom Erdboden verschluckt. Doch das musste ja nicht so bleiben. Und was dann?
Herold hielt an und wartete, dass die Ampel auf Grün sprang. Er hatte versucht ein Gespräch in Gang zu bringen, es dann aber aufgegeben. Juliette hatte nur halb zugehört und dann auch nur einsilbig geantwortet. Er schien es ihr nicht zu verübeln. Um der Situation das Unbehagen zu nehmen, schaltete er einfach das Radio an und sang leise mit. Es war irgendein schwachsinniges Lied über Sommer, Blaubeeren und einen alten Kranfahrer – okay, vielleicht hatte sie auch einfach nicht auf den Text geachtet. Bei der zweiten Strophe gab sie sich etwas mehr Mühe und stimmte schließlich vorsichtig mit ein. Als der Refrain kam, lachte sie kopfschüttelnd auf. Es ging wirklich um Sommer, Blaubeeren und einen alten Kranfahrer. Mann, womit manche ihr Geld verdienten …
Der Wagen hatte sich wieder in Bewegung gesetzt. Noch drei Straßen und sie wäre endlich Zuhause. Mittlerweile warfen die umliegenden Häuser lange Schatten auf die Straße. Die Rushhour lag hinter ihnen, sodass die Straßen langsam wieder leerer wurden.
Juliette atmete die kühle Luft ein und schimpfte sich innerlich eine Memme. Sie war inzwischen überzeugt davon, dass sie einfach nur überspannt war und deshalb überall den Feind gesehen hatte.
Das war alles. Man hatte sie nicht entdeckt, und dass sie den goldenen Lincoln an jeder Ecke sah, war einzig und allein ihrer sprudelnden Fantasie und übergroßen Paranoia zu verdanken.
„Könnten wir eventuell noch kurz bei dem Lebensmittelladen da drüben halten? Ich bräuchte ein paar Sachen fürs Wochenende.“ Sie hatte die Bitte noch nicht ganz ausgesprochen, da stand Herolds Toyota auch schon in einer – sicher nicht ganz offiziellen – Parklücke.
Weil er selbst einiges besorgen wollte, betraten sie gemeinsam das kleine Geschäft.
Mr Dišljenković, der nette ältere Serbe, der den Laden führte – und der so ziemlich der einzige Mensch Pasadenas außerhalb der Arbeit war, dessen Namen sie kannte –, begrüßte sie wie immer freundlich. Kaum dreihundert Meter von ihrer Wohnung entfernt, war dies Juliettes Lieblingsladen. Natürlich war hier alles ein wenig teurer als in den großen Supermärkten, aber die Differenz zahlte sie gerne, wenn sie dadurch die Menschenansammlungen meiden konnte. Mr Dišljenković erkundigte sich stets charmant nach ihrem Tag, versuchte jedoch nie, sie auszuquetschen. Ab und an spendierte er ihr einen Kaffee und einen Snack, wenn gerade nichts zu tun war. Was, wie er ihr einmal niedergeschlagen erzählt hatte, leider immer häufiger der Fall war. Dabei hatte er eigentlich vorgehabt, den Laden eines Tages seinem Sohn zu übergeben. Doch inzwischen bezweifelte er, dass er sein Geschäft bis dahin noch halten konnte. Die Zeiten seien schwer für den kleinen Mann, pflegte er immer zu sagen. Er war sogar erleichtert darüber, dass Kosta lieber Medienwissenschaften studieren wollte. So hatte sein Sohn wenigstens eine abgesicherte Zukunft.
Juliette hatte sich gerade nach Mr Dišljenković Befinden erkundigt, als ihr Blick an etwas hängenblieb, dass sich außerhalb des Geschäfts abspielte.
Ein Mann stieg aus seinem Wagen, betrachtete den Toyota und sah durch die Scheibe direkt zu Juliette. Ein kurzes Grinsen huschte über sein kantiges Gesicht. Er öffnete sein Sakko und schritt auf die Tür zu. Juliettes Blick wechselte zwischen dem Mann, dem Lincoln und dem Ladenbesitzer.
„Mr Dišljenković, gibt es hier noch einen anderen Ausgang?“ Sie versuchte, nicht aufgebracht zu klingen. Ob ihr das gelang, konnte sie bei dem Dröhnen in ihren Ohren nicht sagen. Der Ladenbesitzer folgte kurz ihrem Blick nach draußen, murmelte was auf Serbisch und deutete dann unauffällig zu einem dunklen Vorhang. Juliette nickte, dankbar darüber, dass er nicht lange fragte. Sie wollte schon losstürmen, als sie Herold zwischen den Regalen herumstromern sah.
„Sagen Sie meinem Freund bitte, er soll nach Hause fahren. Und er soll sich keine Sorgen machen.“ Wieder nickte der alte Mann. „Danke, Sie sind ein Schatz.“
Eilig und darauf bedacht, nicht den Eindruck einer Flüchtenden zu vermitteln, schritt sie zu dem Vorhang, warf einen letzten Blick zurück und schlüpfte dann hindurch.
Gerade als hinter ihr die Türglocke bimmelte.
Nun vor neugierigen Blicken geschützt, rannte Juliette durch den schmalen Gang, vorbei an der Küche, dem Lager und der Toilette, und sprang in die Gasse hinaus. Sie brauchte einen Moment, um sich zu orientieren, und schlug schließlich hoffentlich die richtige Richtung ein.
Glücklicherweise erwies sich der Verdacht, sie würde sich nach wie vor in der Nachbarschaft verlaufen, als falsch. Innerhalb weniger Minuten hatte sie den Hinterhof ihres Wohnhauses erreicht, hastete zu dem kleinen Schuppen, riss die Tür auf und trat hinein.
Unter der Werkbank, ganz hinten in der dunklen Ecke versteckt, lag eine kleine Reisetasche mit ein paar Kleidungsstücken, einem Handy und etwas Bargeld. Diese Vorbereitungsmaßnahme hatte man ihr bei ihrem ersten Umzug ans Herz gelegt, und wie auch beim letzten Mal sollte sich das nun rentieren.
Nur Minuten später trat sie wieder aus dem kleinen Hinterhof und eilte die Gasse hinunter. Tunlichst darauf achtend, mehr Abstand zu dem Laden und dem vermeintlichen Verfolger zu bringen, lief sie immer weiter, mied die größeren Straßen und schlängelte sich durch die kleinen Gassen. Eine Stunde lang lief sie so kreuz und quer durch Pasadena. Längst hatte sie die Orientierung verloren und sich nun doch hoffnungslos verirrt. Der einzige Vorteil daran war, dass auch ihr Verfolger sicher keine Ahnung haben würde, wo sie – oder er selbst – sich befand.
Ihre Lunge brannte. Schweiß hatte einen dünnen Film auf ihrer Haut hinterlassen, sodass das T-Shirt unangenehm klebte. Die Schwüle drückte sich zwischen die Häuserschluchten, obwohl die Sonne bereits untergegangen war. Sie hatte sich in einem kleinen Laden ein Sandwich und eine Cola geholt und hockte nun auf einer abseits gelegenen Bank. Unablässig ließ sie den Blick in alle Richtungen schweifen, während sie die nächsten Schritte überlegte.
Bereits zweimal hatte sie die eingespeicherte Nummer gewählt, war aber immer auf der Mailbox gelandet. Wofür hatte dieser dämliche Kerl ihr die Nummer für den Notfall gegeben, wenn er dann doch nicht zu erreichen war? Es befand sich noch eine zweite Nummer auf dem Handy, doch noch sträubte sich Juliette dagegen, sie zu wählen. Während sie sich bei Hayes sicher fühlte, machte Donovan stets den Eindruck, sie sei die Verbrecherin und nicht das Opfer. Doch wenn sie den für sie zuständigen Marshall nicht innerhalb der nächsten dreißig Minuten erreichte, bliebe ihr wohl keine Wahl.
Nachdem sie auch später am Abend immer wieder nur auf Hayesʼ Mailbox gelandet war und auch Donovan nicht erreichen konnte, hatte sie minutenlang in einem Hauseingang gestanden und gegen die Tränen angekämpft. Sie war auf sich allein gestellt. Sie hatte niemanden, der ihr helfen und sie beschützen konnte. Die einzigen Menschen, die wussten, wer und wo sie war, waren die beiden Marshalls und ihre Verfolger. In ihre Wohnung konnte sie nicht zurück, so viel war klar. Das Näherliegende war da wohl, zum nächsten Polizeirevier zu gehen und dort in Sicherheit auf Hayesʼ Rückruf zu warten. Die Hoffnung auf ein baldiges Ende ihrer Flucht zerschlug sich aber schon wenige Minuten nach dem Entschluss. Auf dem Weg zu dem Revier, das sie in den Yellow Pages gefunden hatte, kam sie an einem Elektronikgeschäft vorbei und blieb wie vom Blitz gerührt stehen. Die Bildschirme auf der anderen Seite des Schaufensters zeigten Breaking-News, die Juliette das Sandwich hochkommen und das Blut in den Adern gefrieren ließen. Auch wenn viele der Häuserreihen Pasadenas im gleichen Stil erbaut worden waren, dieses Spezielle würde sie unter Tausenden wiedererkennen. Genau wie das Gesicht, das in dem kleinen Fenster in der oberen Ecke gezeigt wurde.
Oh Gott, er musste nach ihrem plötzlichen Verschwinden zu ihr nach Hause gegangen sein, um nach ihr zu sehen …
Sie konnte nicht verstehen, was die Reporterin sagte, doch die Bilder sprachen Bände. Es wimmelte von Polizisten, Reportern und Schaulustigen. Ein Gerichtsmediziner schob eine Bahre mit einem schwarzen Sack über den Gehweg, in dem sich zweifellos ein Leichnam befand.
Als dann auch noch das Bild der vermissten − und vorläufig tatverdächtigen − Mieterin gezeigt wurde, verdrückte sich Juliette so unauffällig wie möglich aus der Menschentraube. Zur Polizei konnte sie jetzt wohl nicht mehr …
Die folgenden anderthalb Stunden hatte sie damit verbracht, sich zu verstecken, die nächsten Schritte zu überlegen und das Für und Wider der Möglichkeiten abzuwägen. Nach allem, was sie in den letzten Stunden durchgemacht hatte, war ihr nur ein Mensch eingefallen, auf den sie in ihrer Lage zählen konnte. Es behagte ihr nicht, diese Richtung einzuschlagen. Doch welche Alternative gab es schon, wenn sie nicht im Knast oder Leichenschauhaus landen wollte?
Jetzt stellte sich nur noch die Frage, wie sie ihren Weg fortsetzen sollte. Ohne Ausweispapiere aus der Stadt zu kommen war, als wolle man mit einem Schuh und einer Briefmarke auf Bärenjagd gehen. Es ging sicher irgendwie, nur musste man wirklich kreativ sein. Zumindest, wenn man keine hell erleuchtete Spur hinterlassen wollte. Seit dem 11. September kam man nicht mal in die U-Bahn, ohne in irgendeiner Art registriert zu werden. Da war es völlig undenkbar, ein Flug- oder ein Bahnticket zu besorgen. Auch ein Mietwagen stand nicht zur Debatte. Man musste den Führerschein vorzeigen und die Autos verfügten allesamt über GPS. Viel zu leicht war das Signal zu verfolgen. Kurz hatte Juliette sogar daran gedacht, einfach zu trampen, den Gedanken aber schnell wieder verworfen. Sie bräuchte sich nicht die Mühe zu machen und vor den Verfolgern flüchten, nur um zu irgendeinem Verrückten in den Wagen zu steigen.
Letztendlich war ihre Wahl auf die Greyhound Lines gefallen. Zwar bestand auch bei einer Busfahrt das Risiko von Kontrollen und Observation durch die Polizei oder die Verbrecher. Aber wenn Juliette nicht tausendfünfhundert Meilen laufen wollte, musste sie eben in den sauren Apfel beißen, auf das Beste hoffen und zumindest einen Teil der Strecke auf diese Weise zurücklegen. Das gekaufte Busticket in der einen Hand und die Tasche in der anderen wartete sie dreißig Minuten später – einem Zusammenbruch nahe – auf die Abfahrt.
„Ich habe ihr gesagt, das ist der falsche Weg. Aber wollte sie auf mich hören? Nein! Und dann noch dieser Idiot. Kein einziges Mal habe ich etwas verlangt, das zu schwierig für ihn sein sollte. Und doch hat der Tölpel versagt. Er sollte sie doch einfach nur nach Hause bringen. Nicht mehr. Trotzdem versaut er es. Dann muss er halt dafür herhalten. Deshalb ist es so wichtig, immer einen Ausweichplan zu haben. Und Max? Der ist auch nicht schlauer. Ich habe es genau gesehen. Wie blöd muss man sein, sich so auffällig zu bewegen. Macht seine teure Designerjacke auf und zeigt, was drunter ist. Die kleine Schlampe dagegen ist wesentlich schlauer, als man meinen sollte. Sie ist weg. Max hat ihre Spur verloren. Aber ich bin zuversichtlich, dass das nur von kurzer Dauer sein wird …“
Es war halb zwei Uhr nachts gewesen, als der Bus endlich ankam. Juliette suchte sich eine der Sitzreihen bei der hinteren Tür aus, wo sie sich rasch ausbreitete, damit niemand auf die Idee kam, sich neben sie zu setzen. Inzwischen zerrte die Erschöpfung dermaßen an ihr, dass der ganze Körper schmerzte. Das Adrenalin in ihrem Blut hatte sich weit genug verflüchtigt, um dieses Gefühl nochmal zu verstärken.
Nur ihr Geist kam nicht zur Ruhe. Zusammengekauert und den Henkel ihrer Tasche so fest umklammert, dass die Finger blutleer kribbelten, versuchte Juliette ihre schreienden Gedanken zum Schweigen zu bringen.
Am Horizont war bereits ein schwacher heller Streifen zu sehen, als sie ihre Augen schließlich kaum noch aufhalten konnte. Sie hatten gerade die Staatsgrenze von Arizona überquert und die erste Pause war in Flagstaff geplant. Dort würde Juliette sich erst mal einen starken Kaffee besorgen. Da sie bis zur Ankunft ohnehin nichts tun konnte, gewährte sie ihrem Körper die verlangte Pause. Der Schlaf war jedoch alles andere als erholsam. Träume, die meisten davon grausam und düster, ließen sie immer wieder aufschrecken. Als der Bus in Flagstaff hielt und sie aufwachte, fühlte sie sich noch geräderter als zuvor. Wenn sie dann noch die steifen Glieder dazurechnete, war sie definitiv reif für eine Notschlachtung.
Inständig hoffend, dass es etwas helfen würde, kaufte sie sich am Kiosk neben dem Busbahnhof zusätzlich zum Kaffee noch ein halbes Dutzend Energiedrinks sowie ein Fläschchen Aspirin. Ein paar Sandwiches und Schokoriegel landeten ebenfalls im Einkaufkorb. Auch wenn sie keinen Hunger hatte, wusste Juliette, dass sie die Energie sicher noch brauchen würde.
Die nächste Etappe der Fahrt verbrachte sie angestrengt damit, nicht an die vergangenen Stunden zu denken. Ihr Leben lag in Trümmern – wieder mal. Nur hatte sie diesmal auch andere mit ins Verderben gerissen. Tränen quollen schmerzhaft hervor, als sie an Herold dachte. Sie wusste nicht, was er in ihrer Wohnung gemacht hatte. Doch jetzt war er tot. Und das war ihre Schuld. Dass sie jetzt mit Sicherheit sagen konnte, dass sie nicht paranoid war, half da wenig. Er hatte ihr helfen wollen, indem er sie nach Hause fuhr. Er hatte ihr einen Gefallen tun wollen, als er bei dem Laden hielt. Er hatte wahrscheinlich nach ihr sehen wollen, als er zu ihrer Wohnung ging. Und was war der Dank? Er war tot.
Und Heather …
Oh Gott, Heather! Die arme Heather. So oft hatte Juliette beobachten können, wie glücklich sie war. Wie ihre Augen leuchteten, wenn sie nur von ihm sprach. Wut stieg in ihr auf. Genau das war der Grund, warum sie sich von allen und jedem fernhielt. Menschen in ihrem Umfeld wurden verletzt oder starben. Sie konnte es nicht verhindern – es sei denn, sie würde sich selbst opfern. Und vielleicht war es mies und egoistisch, aber sie wollte nicht sterben.
Zwanzig Stunden später hatte sie ihr vorläufiges Ziel – oder besser den letzten Zwischenstopp erreicht. Oklahoma lag unter einer dicken, dunkelgrauen Wolkendecke, die gerade begann, ihre Schleusen zu öffnen. Perlengroße Tropfen prasselten auf Juliette nieder, als sie aus dem Bus stieg und sich umsah. Die Zweifel an ihrem Plan türmten sich in ihr auf wie die Wolken über ihr.
Was machte sie hier eigentlich, verdammt noch mal?
Sie konnte das doch nicht ernsthaft vorhaben! Ihr altes Leben war vorbei. Die Menschen aus ihrem alten Leben hatten längst mit ihr abgeschlossen. Und das war sowohl richtig als auch nötig gewesen. Denn mit ihr abzuschließen hieß, in Sicherheit zu leben.
Und doch war sie drauf und dran, John nicht nur den Schrecken seines Lebens zu verpassen, sondern ihn wahrscheinlich auch in die ganze Scheiße hineinzuziehen.
Die ganze Zeit hatte Juliette immer mal wieder nach ihm gesehen. Natürlich nicht persönlich, nein. Sie hatte sich einen falschen Account eingerichtet und John per Facebook im Auge behalten. Zumindest war das so geplant gewesen. Dummerweise hatte er sein Profil gut geschützt. Bis auf seinen Namen, einem Bild und seinem derzeitigen Wohnort war nichts zu erkennen, solange sie ihm keine Freundschaftsanfrage schickte.
Es war ein zweischneidiges Schwert. Zum einen konnte sie ihn betrachten, wenn sie ihre Familie zu sehr vermisste, zum anderen machte es ihr noch bewusster, dass sie ihn wohl nie wieder sehen würde. So oft hatte sie überlegt, ob sie ihn anschreiben sollte. Irgendeine anonyme Frau, die sich für ihn – er sah verdammt gut aus – und sein Leben und seine Familie interessierte.
Klar, als ob ihr Bruder so einfach einer Fremden gegenüber aus dem Nähkästchen plauderte …
Letztlich war es nicht der gesunde Menschenverstand oder die Hoffnung, er könne ihr mit seiner Erfahrung und seinen Fähigkeiten helfen, was sie dazu brachte, den restlichen Weg anzutreten. Es war schlicht und einfach die Sehnsucht nach ihm und der Wunsch, sich sicher und geborgen in seine Arme schließen zu lassen.
Es war mitten in der Nacht. Die große Uhr am Busbahnhof zeigte kurz vor Vier. Juliette würde Woodward in etwa dreieinhalb Stunden erreichen. Die Vorstellung, unterwegs ein paar Bagels zu organisieren, brachte tatsächlich einen letzten Funken Humor zutage. Hey Brüderchen, lange nicht gesehen. Hast du Hunger? Ich habe frische Bagels mitgebracht.
Anstatt sich um das Frühstück zu kümmern, sollte sie sich lieber Gedanken um eine Mitfahrgelegenheit machen. Trampen kam nach wie vor nicht infrage. John anzurufen, damit er sie abholte, war ebenso abwegig. Und sie bezweifelte stark, dass in Kürze ein Bus in die Richtung fahren würde.
Doch genau damit sollte sie falsch liegen. Der blassblaue Fahrplan, der den Glaskasten am Busbahnhof komplett ausfüllte, informierte sie über einen Bus, der in fünfzehn Minuten Richtung Denver abfuhr – und der genau dort hielt, wo sie hinwollte. Zähneknirschend kaufte sie sich ein weiteres Ticket. Die Aussicht, noch mehr Stunden in einem Bus zu verbringen, ließ sie ungehalten knurren. Dennoch bestieg sie das Gefährt lächelnd, denn bald würde sie ihren geliebten Bruder wiedersehen.
Der Regen begleitete Juliette auf ihrer letzten Etappe wie ein Streuner, der einem für ein Stück Brot die Treue geschworen hatte. Vor ihr erstreckte sich eine verlasse und trockene Interstate 270 im Scheinwerferlicht des Busses, während hinter ihr der nasse Asphalt bald mit der Dämmerung eins wurde. Sie traute sich nicht, die Augen zu schließen, auch wenn ihre Lider schwer wie Zementblöcke wogen.
Sie hatte beim Einsteigen mit dem Fahrer gesprochen und sich einen Platz ganz vorne gesucht. Trotzdem wollte sie sicher gehen und selbst auf die Straßenschilder achten. Nicht, dass sie einnickte und dann erst kurz vor Denver wieder aufwachte. Im Geiste dankte sie Gott für die kleine dicke Lady mit den lila Haaren und dem geblümten Kleid, die sie immer wieder in ein Gespräch verwickelte. Nicht nur die Müdigkeit setzte ihr zu, auch Trauer und Angst wollten sich wieder stärker in ihr breit machen. Da war es schon gut, dass sie sich etwas ablenken konnte, indem sie der Frau zuhörte, die von ihren Enkelkindern und dem letzten Sommerfest in irgendeinem Nest in Wisconsin schwärmte. Schließlich fand sie sogar ein wenig Gefallen an dem Gespräch. Sie beantwortete Fragen, erzählte von ihrem Job in Pasadena und von dem kleinen Hund, den sie und ihr Bruder als Kinder besessen hatten. Wäre sie nicht auf dem Weg zu Jings − wie sie ihren Bruder seit ihrer Kindheit liebevoll nannte −, hätte sie das Letzte niemals preisgegeben. Doch so nah bei ihm fürchtete sie sich nicht davor, dass die Erinnerung ihr Herz zerdrücken könnte wie eine Faust eine überreife Grapefruit.
Als sie schließlich in Woodward ankamen, bedankte sie sich bei der Frau für die nette Unterhaltung und wünschte ihr noch eine gute Weiterfahrt. Dem Blick aus den fröhlichen, von tiefen Falten umgebenen Augen begegnend fragte sich Juliette kurz, ob die Lady immer noch so strahlen würde, wenn sie ihr mehr von sich offenbart hätte. Mehr als einmal hatte sie nach dem Grund für Juliettes Reise gefragt. Als wolle sie sich mit einem lapidaren „Ich besuche meinen Bruder“ nicht zufrieden geben.
Die Stadt lag unter einem grauen Wolkenfeld. Die Straßen glänzten vor Nässe. Irgendwann hatte der Regen den Bus überholt, um Juliette diesen tristen Empfang zu bereiten.
Langsam erwachte alles zum Leben. Obwohl es Sonntag war, hetzten Menschen mit mürrischen Gesichtern von Markise zu Markise, bauten Tische und Stände vor ihren Cafés und Läden auf oder holten sich am Zeitungsstand die morgendliche Lektüre.
Wie die meisten Kleinstädte besaß auch Woodward einen ganz eigenen Charme mit seinen kleinen Parks und Kirchen, den Bannern über der Straße, auf denen das diesjährige Apfelfest angekündigt wurde, und den kleinen Läden. Die Schäden der Tornados, die auch dieses Jahr wieder über die Stadt hereingebrochen waren, waren noch nicht vollständig behoben, aber davon ließen sich die Bewohner nicht unterkriegen. Es erinnerte Juliette an Zuhause. Die Leute in Milwaukee waren ähnlich eingestellt. Tornados kamen eben immer wieder. Man konnte sie nicht vertreiben oder bestechen. Sie rasten über das Land und nahmen sich, was sie wollten. Man fand sich damit ab oder man zog fort.
Juliette schlenderte die Hauptstraße entlang, kaufte sich im Café an der Ecke einen Kaffee und ein Puten-Käse-Sandwich, und erkundigte sich dabei gleich nach dem Weg zum Highland Drive. Es regnete wieder in Strömen, weshalb sie unter dem Vordach des Ladens stehen blieb, bis sie aufgegessen hatte. Bis zu Johns Adresse war es ein ganzes Stück zu laufen – laut Cafébesitzer gute zweieinhalb Meilen. Aber da sie eh schon nass bis auf die Knochen war und definitiv lange genug gesessen hatte, würde ihr ein Spaziergang trotz der Erschöpfung gut tun. Mal abgesehen davon war ihr Bargeldvorrat erheblich geschrumpft, als sie durchs halbe Land gereist war, da musste sie es mit einer Taxifahrt nicht noch zusätzlich strapazieren.
Jings hatte sich einen schönen Platz ausgesucht, um sich niederzulassen. Milwaukee hatte ihm nie gefallen. Das war auch der Grund gewesen, warum er damals zur Army gegangen war. Zwei Monate, bevor Juliette starb, war er aus dem Irak zurückgekommen und hatte sich erst mal beurlauben lassen. Doch wer glaubte, er wolle einfach nur die Beine hochlegen und sich etwas bemuttern lassen, lag falsch. John hatte es eine knappe Woche Zuhause ausgehalten, ehe er seinen Rucksack packte und sich auf den Weg quer durch Amerika machte.
Sie hatte ihn nie wieder gesehen.
Mit jedem zurückgelegten Meter stieg die Nervosität an und blubberte schließlich wie Brausepulver in ihren Eingeweiden. Aber es war eine gute Nervosität.
Und überhaupt.
Erst jetzt bemerkte sie, dass sie sich an diesem Ort geradezu wohlfühlte – naja, so wohl man sich eben fühlen konnte, wenn man seit über sechsunddreißig Stunden wach und total durchgeweicht war. Natürlich hatte sie weder ihre Verfolger noch ihren toten Kollegen vergessen – oder seine Witwe. Aber zum ersten Mal seit einer Ewigkeit erschrak sie nicht bei jedem Geräusch und jeder Bewegung im Augenwinkel. Auch verspürte sie nicht ständig den Drang, in den nächsten Hauseingang zu springen, sobald ein Wagen vorbeifuhr.
Schon seltsam. Genau jetzt, wo die Gefahr näher war als in den letzten Jahren, fühlte sie fast sowas wie Freude und Hoffnung. Jings würde ihr helfen. Oder jemanden kennen, der ihr helfen konnte.
Sie kramte ihr Handy aus der Tasche und warf einen Blick aufs Display. Die Marshalls hatten sich immer noch nicht gemeldet. Weitere fünf Mal hatte sie bei Hayes und Donovan angerufen, deren Mailboxen sicher schon von ihren Nachrichten überquollen. Verdammt, dabei war es doch sicher nur eine Frage der Zeit, bis die Verbrecher ihre Spur wiederfanden. Im einundzwanzigsten Jahrhundert konnte man sich nicht einfach in Luft auflösen. Big Brother hatte seine Augen überall, und die Verbrecher waren gut vernetzt, wie sie schon mehrfach bewiesen hatten.
Unvermittelt blieb Juliette stehen und griff sich an den Hals. Was tat sie hier eigentlich? Konnte sie wirklich so blöd und naiv sein? Oder so verzweifelt? Wer auch immer hinter ihr her war, würde bestimmt auch ihre Familie beobachten. Und sie hatte nichts Besseres zu tun, als direkt zu John zu fahren.
Wo eben noch Hoffnung und Freude gewesen waren, herrschte plötzlich Angst. Furchtbare, alles verschlingende Angst.
Juliette wurde speiübel. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch zerploppten einer nach dem anderen.
Doch so sehr sie auch umzukehren versuchte, ihre Füße trugen sie weiter. Bis sie schließlich wie angewurzelt vor dem kleinen Haus stand und es anstarrte. Der Regen prasselte auf sie nieder, und kleine Rinnsale plätscherten von dem Schirm ihres tiefsitzenden Basecaps. Haare, Kleidung, einfach alles klebte klitschnass an ihr. Die Reisetasche tropfte ebenfalls munter vor sich hin. Doch das interessierte Juliette in diesem Moment nicht.
Da drin war John.
Er schlief vermutlich noch selig und hatte keine Ahnung davon, dass seine tote Schwester nur wenige Meter von ihm entfernt auf seine Haustür blickte, als könnte sie aus der feinen Maserung des Holzes herauslesen, ob sie klopfen sollte oder nicht.
Aber Juliette kannte die Antwort bereits. Sie musste gehen. Ohne ihn auch nur einmal zu sehen, ohne mit ihm zu reden und ohne dass er je von diesem Besuch erfuhr. Sie war tot und begraben. Und wenn sie nicht schleunigst zusah, dass sie hier weg kam, würde John es sicher auch bald sein.
„Leb wohl“, flüsterte sie und wandte sich zum Gehen.
„Kann ich Ihnen helfen? Suchen sie jemanden?“
Juliette stoppte, hielt ihren Blick aber starr auf die Straße gerichtet. John kannte sie gut genug. Er würde jede noch so kleine Bewegung sofort wiedererkennen. Auch wenn sie diesbezüglich bis jetzt noch Glück gehabt hatte.
Ja, es war ein Fehler gewesen, herzukommen.
Nichtsdestotrotz drängte alles in ihr danach, ihn anzusehen und Schutz bei ihm zu suchen.
„Miss?“ Sie hörte das Knarren der zwei Stufen, die von der Haustür in den Vorgarten führten. Er kam näher. Oh Gott, was sollte sie jetzt tun?
Sie wappnete sich innerlich und drückte so unauffällig wie möglich den Rücken durch. Den Kopf drehte sie nur ganz leicht. Gerade weit genug, um ihm eine gewisse Aufmerksamkeit zu signalisieren.
„Nein. Ich …“ Juliette räusperte sich. „Ich bin falsch abgebogen“, setzte sie mit leicht verstellter Stimme nach.
Bitte, geh wieder rein. Geh rein und kümmer dich nicht weiter um mich.
„Sind sie bei diesem Wetter etwa zu Fuß unterwegs?“ Typisch John. Machte sich selbst um Fremde Sorgen.
Sie nickte, wobei ihre nassen Haare vor und zurück schaukelten.
Lass das, geh einfach!
„Ich muss gehen“, flüsterte sie hastig und lief los.
Natürlich sollte sie nicht so einfach davonkommen. Sie hörte das nasse Gras unter seinen Füßen schmatzen, als John ihr folgte.
„Warten Sie!“ Juliette zuckte heftig zusammen, als er ihr die Hand auf den Arm legte. Reflexartig sah Juliette zu ihm auf.
„Wohin müssen sie? Ich kann sie …“
John riss die Hand weg, als habe er sich verbrannt, und wich von ihr zurück. Sein Gesicht wurde leichenblass, während er sie aus weit aufgerissenen Augen musterte.
Kein Zweifel. Er hatte sie erkannt. Und es hatte nicht mal eine Sekunde gedauert.
Tränen brannten ihr in den Augen und es zerriss ihr das Herz, als sie dem Blick ihres Bruders erneut begegnete. Sie konnte regelrecht sehen, wie es in ihm arbeitete. Offensichtlich stand er unmittelbar vor einem Kurzschluss.
„Das kann nicht … das ist unmöglich … du bist …“
Er drehte sich weg, ging einige Schritte, kehrte um und trat wieder vor sie. Dabei fuhr er sich immer wieder durchs mittlerweile ebenfalls tropfnasse Haar. Als wären ihm die Worte ausgegangen, glotzte er nur wie ein aufgeschreckter Koboldmaki.
„Hallo Jings“, flüsterte sie. Etwas anderes – etwas Besseres – hatte ihr einfach nicht einfallen wollen.
John wurde tatsächlich noch blasser. Er legte die Hände vor den Mund, schnappte nach Luft und fuhr sich dann erneut durchs Haar.
„Wie kann das sein? Du bist tot. Ich war auf deiner Beerdigung!“, sagte er fast vorwurfsvoll. Er sprach ebenso leise wie sie zuvor. Im nächsten Moment hatte er sie an sich gezogen. „Jules.“
Dieses eine kleine Wort, die Art, wie John es aussprach, seine Stimme, die tief in der Brust vibrierte, seine Umarmung – Juliette wusste nicht, was es genau war. Doch die letzte Rettungsleine riss. Sie klammerte sich an ihn und weinte. Die Mauer, die sie um die Erinnerungen an ihre Familie und die damit verbundenen Gefühle errichtet hatte, war mit einer alles erschütternden Wucht detoniert und hatte eine Wunde freigelegt, die nie hatte abheilen können.
John drückte seine kleine Schwester noch einmal fest an sich und brachte sie dann etwas auf Abstand. Seine Augen glänzten verdächtig, als er ihr das Baseballcap abnahm. Dass die Tropfen, die seine Wange hinab liefen, allein vom Regen herrührten, wagte Juliette stark zu bezweifeln. Sanft strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht und mit den Daumen über ihre Wangen.
„Du bist es wirklich, oder?“, hauchte er mit tränenerstickter Stimme. Er umfasste ihre Arme, ehe er seine Hände wieder auf ihr Gesicht legte, um sicher zu gehen, dass seine kleine Schwester wirklich lebendig vor ihm stand. „Was hast du nur mit deinen Haaren gemacht?“ Es war keine Frage, deren Antwort ihn ernsthaft interessierte, denn kaum hatte er sie gestellt, zog er Juliette wieder an die Brust. Ein Schauer, der nichts mit Nässe oder Kälte zu tun hatte, durchfuhr sie.
„Ich bin so ein Blödmann. Komm, wir gehen rein. Du holst dir sonst noch den …“ John verstummte und schnitt eine Grimasse. Zaudernd legte er ihr den Arm um die Schulter und sah sie wachsam an. Als würde er dem Ganzen nach wie vor nicht so richtig trauen. Verdenken konnte sie es ihm nicht. Sie hätte an seiner Stelle vermutlich nicht anders reagiert, wenn er plötzlich von den Toten auferstanden wäre.
Offensichtlich erleichtert darüber, dass seine Schwester sich nach wie vor nicht in Luft aufgelöst hatte, nickte er zufrieden. Dann manövrierte er sie die Stufen hoch und gleich durchs ganze Haus. Erst im Bad stoppte er.
„Geh erst mal duschen. Das wird dir guttun. Da sind Shampoo und Duschgel. Tut mir leid. Ich habe alles nur for Men. Ähm, Handtücher findest du im Schrank. Wenn du fertig bist, liegen nebenan Klamotten. Dein ganzes Zeug ist ja völlig durchnässt. Ich schmeiß es in den Trockner. Und ich mache Kaffee. Du trinkst doch noch Kaffee?“
Juliette nickte nur. Johns fahriges Gebrabbel zu unterbrechen, wäre ein aussichtsloses Unterfangen gewesen. Nur zu gut erinnerte sie sich daran, dass er das immer tat, wenn er nervös oder aufgeregt war. Ihr Dad hatte ihn immer damit aufgezogen, dass er jegliche Klatschweiber in Grund und Boden quasselte. Früher hätte sie John dafür jedes Mal eine überziehen können, doch heute wollte sie nicht, dass er auch nur für eine Sekunde damit aufhörte.
John hatte angefangen, einige Klamotten aus dem Schrank zu kramen, während sie noch damit beschäftigt war, sich das blöde Gummiband aus den Haaren und die Schuhe von den Füßen zu zerren.
„… und Mom gleich anrufen. Sie werden ausflippen.“
„Hmm – Moment mal, was?“ Juliette landete beinahe auf ihrem Hintern, als sie durch seine Worte alarmiert zur Tür stürzte. „Nein!! Du darfst sie nicht anrufen!“ Panik wallte in ihr auf, ließ schwarze und weiße Punkte vor ihren Augen tanzen. Hektisch schnappte sie nach Luft. „Jings, niemand darf erfahren, dass ich lebe!“ Eindringlich sah sie ihn an. „Niemand! Hörst du?!“
John warf die Trainingshose aufs Bett und kam auf sie zu. Direkt vor ihr blieb er stehen. „Was hast du dir da nur eingebrockt, kleine Schwester?“
Juliette zögerte. Sie unterbrach den Blickkontakt und senkte den Kopf. „Bitte frag nicht! Das kann ich dir nicht sagen. Ich dürfte nicht mal hier sein.“ Beklommen sah sie wieder zu ihm auf.
Seine Hände umfingen ihr Gesicht. Legten sich warm und zärtlich an ihre Wangen. „Du bist, wo du hingehörst! Ich helfe dir. Wir regeln das, und du bekommst dein altes Leben zurück“, sagte er beschwörend.
Oh, wie verlockend das klang. Ihr Leben und ihre Familie zurückbekommen, mehr hatte sie in den letzten Jahren nie gewollt. Nur aus Sorge um deren Sicherheit hatte sie sich damals darauf eingelassen, unterzutauchen. Denk an Naomi und an Herold, mahnte sie sich. John wird es genauso ergehen. Sie werden ihn finden und töten – nachdem sie ihn gefoltert haben, um ihren Aufenthaltsort herauszubekommen.
Sie foltern und töten ihn, und du wirst daran schuld sein!
Nein, das durfte sie nicht zulassen!
Juliette wich von John zurück in Richtung Tür. Ihr Herz schlug hart gegen den Brustkorb, als sie nach ihrer Tasche griff und durch den Flur rannte. Sie hörte seine hastigen Schritte hinter sich, was sie noch mehr zur Eile antrieb.
Sie musste raus! Weg von hier, weit weg.
Mit einem Knall prallte sie gegen die Haustür, drehte den Knauf und drückte. Doch nichts geschah. Wieso ging die verdammte Tür nicht auf? Hatte John sie eingeschlossen? Wieso sollte er das tun?
Oh bitte, sie musste hier raus, ehe es zu spät war. Noch gab es eine Chance. So schnell würden ihre Verfolger ihre Spur nicht wiedergefunden haben. Es sei denn, John wurde wirklich beobachtet.
Was, wenn sie schon auf dem Weg waren?
Was hatte sie getan?!
Juliette drückte weiter gegen die Tür, warf sich dagegen. Heiße Tränen liefen ihr übers Gesicht. „Lass mich raus! Ich muss weg! Ich hätte nie … Ich hätte nie herkommen dürfen! Bitte Jings, lass mich hier raus!“
„Juliette! Juliette, hör auf! Bitte beruhige dich!“
Juliette erstarrte, als sie einen Motor hörte. War das ein Auto? Hielt es an?
Oh nein.Sie hatten sie gefunden!
Rasend vor Panik rammte sie erneut ihre Schulter gegen das harte Holz. Ihr Blick flog herum, suchte nach einer anderen Möglichkeit, dem Unausweichlichen zu entfliehen. Doch egal, ob sie aus dem Fenster oder der Hintertür türmen wollte. John stand ihr im Weg – und an ihm würde sie ganz sicher nicht vorbei kommen.
Die Luft füllte ihre Lungen viel zu schnell. Die Maserung des Holzes verschwamm ihr vor den Augen.
Aber sie durfte jetzt nicht aufgeben.