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In einer Paartherapie gilt es zunächst einen Verständigungsprozess anzustoßen, in dem die Partner ihre verschiedenen Bedürfnisse, Ängste und Befürchtungen zum Ausdruck bringen und abklären können. Aber welche Methoden stehen dem Therapeuten zur Verfügung, um einen solchen Prozess in Bewegung zu setzen und nicht wieder erstarren zu lassen? Mohammed El Hachimi und Liane Stephan stellen ihre langjährige Erfahrung mit erprobten Interventionen und ihr therapeutisches Wissen zur Verfügung. Zu den wesentlichen Themen der Paartherapie werden kreative Übungen, Interventionen oder Fragenkataloge vorgestellt und kenntnisreich und praxisnah beschrieben. Die alphabetische Anordnung der Themen erleichtert die Anwendung des Buches in der Praxis. Eine hervorragende Ergänzung zu allen Lehr- und Handbüchern zur Paartherapie. Ideal für alle Therapiekonstellationen – aufschlagen und Inspiration finden.
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Seitenzahl: 205
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»Sich in einen fremden Blick hineinzuversetzen, ihn in sich nachzubilden und aus diesem Blick heraus sein Spiegelbild in sich aufzunehmen. Sich selbst wie einem Fremden zu begegnen, einem, den man gerade erst kennenlernt.«
Pascal Mercier, Nachtzug nach Lissabon
Mohammed El HachimiLiane Stephan
Tools für Therapeuten und Berater
Siebte Auflage, 2022
Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:
Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)
Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)
Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)
Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)
Dr. Barbara Heitger (Wien)
Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)
Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)
Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)
Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)
Dr. Roswita Königswieser (Wien)
Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)
Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)
Tom Levold (Köln)
Dr. Kurt Ludewig (Münster)
Dr. Burkhard Peter (München)
Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)
Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)
Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)
Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)
Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)
Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)
Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)
Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)
Jakob R. Schneider (München)
Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)
Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)
Dr. Therese Steiner (Embrach)
Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin ✝ (Heidelberg)
Karsten Trebesch (Berlin)
Bernhard Trenkle (Rottweil)
Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)
Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)
Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)
Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)
Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)
Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)
Reihengestaltung: Uwe Göbel
Satz: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten
Printed in Germany
Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
Siebte Auflage, 2022
ISBN 978-3-8497-0346-2 (Printausgabe)
ISBN 978-3-8497-8231-3 (ePub)
© 2007, 2022 Carl-Auer-Systeme Verlagund Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg
Alle Rechte vorbehalten
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar
Wir danken dem Carl Hanser Verlag für diefreundliche Genehmigung zum Abdruck ausPascal Mercier, Nachtzug nach Lissabon© Carl Hanser Verlag München 2004.
Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autoren und zum Verlag finden Sie unter: https://www.carl-auer.de/
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Carl-Auer Verlag GmbH
Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg
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Danksagung
Vorwort
Zum Geleit
Einleitung
Interventionen
Achtung und Würdigung
Altersunterschiede
Anfang
Abschiede
Ankündigung
Ästhetik und Geschmack (über Geschmack lässt sich streiten)
Bin ich dir gewachsen?
Bindung und Lösung
Bi-Religion/Kultur
Chaos und Ordnung
Dämonisierung
Darf ich meine Gefühle offen zeigen und benennen?
Destruktive und konstruktive Spiele
Disstress
Emotionale, materielle, soziale Versorgung
Entscheidungsprozesse und Kooperation
Fantasien, Träume
Gefahren: »Mut tut gut!«
Geheimnisse
Geschwisterrangfolge
Gesundheit und Krankheit
Großzügigkeit und Geiz
Habitus
Heimliche Aufträge
Humor
Individuation und Duation
Ist-Paarzustand
Killerthemen
Kinderwunsch
Klammern auflösen
Koalition und Loyalität
Konkurrenz
Kontoführung
Kreativität und Erstarrung
Krisenstrategien
Langeweile
Leben und Tod
Lebendigkeit und Kränkung
Leidbild – Leitbild
Lifestyle – Paarstyle
Macht und Ohnmacht
Männerbild und Frauenbild
Meine Ängste in der Beziehung
Meine und deine Eltern: Referenzen
Metaphern
Nähe und Distanz
Narrationen
Netzogramm
Öffentlichkeit: Zeigen – Verstecken
Paarboykott
Paarenergie
Paaridentität
Paarkontext
Paarparadoxien
»Paarprodukte«
Paarraum und -grenzen
Paarregeln
Paarrollen
Paarsinn – sinnlos
»PaarSpiel«
Paartempo
Paarüberraschung
Paarversöhnung
Paarwahrnehmung
Paarzweifel
Raum für Wachstum und Entfaltung
Redundanz – Paarostinate
Re-Paarung
Ressourcen
Risiken, Herausforderungen, Nebenwirkungen
Rituale
Scheinbar – Scheinpaar
Schicksalsschläge
Schokoladenseite
Selbstwert – Paarwert
Sexualität
Sinnlichkeit und Geschäftigkeit
Spiritualität
Sprechen und Schweigen
Subtile Destruktion
Tabus
Täter und Opfer
Tradition
Tragik, Meilensteine
Trancethemen
Trennung
Treue
Trotzthemen
Verführung
Verrücktheiten
Verstrickungen
Vertrauen
Verweigerung und Hingabe
Verzeihen
Visionen
Was fehlt?
Wut, Aggression
Zumutungen
Die 9 Irrwege eines Paartherapeuten
Der Fundus eines systemischen Paartherapeuten
Gedanken zu Fragen und Geschichten
Literatur
Über die Autoren
Ein Dank an alle, die uns im Leben begleitet haben, noch begleiten oder etwas dazu beigetragen haben und noch werden!
Wir bedanken uns besonders bei den Weinheimer Kollegen für ihre Kreativität und bei Lounes Kessi in Hamburg für seine kreativen Grafiken.
Liane und MohammedOktober 2006
Haja Molter und Arist von Schlippe als »Reflektierendes Team«
»Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken.«
Joachim Ringelnatz
»Wozu dieses Buch? Es ist doch fast alles zu diesem Thema gesagt, also, wozu noch ein Paarbuch mehr auf den Markt bringen?«
Ich finde es bemerkenswert, dass Liane Stephan und Mohammed El Hachimi ihre Einleitung mit diesem Satz beginnen. Ich gebe zu, als Mohammed mich fragte: ›Machst du mit Arist ein Reflektierendes Team über das Buch?‹ habe ich ähnlich gedacht. Gerade im systemischen Bereich ist in der letzten Zeit eine Menge Literatur zum Thema Paare erschienen. Bert Brecht hat mal gesagt: ›Sicher ist nur der Zweifel.‹ Sollten Liane und Mohammed je gezweifelt haben, dann hat sich dieser Zweifel gelohnt. Nach dem Lesen ihres Buches kann ich sagen, dass die Anregungen, Ideen, Gedanken, Übungen, Experimente nicht nur systemisch orientierte Paartherapeuten und -berater bei ihrer Arbeit inspirieren, sondern auch Paartherapeuten jeder Couleur Appetit auf mehr machen können. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass Paare das Buch mit großem Gewinn für die Beziehungsauffrischung aktiv nutzen, auch wenn kein Bedarf an Therapie oder Beratung besteht. Liane und Mohammed ist meiner Meinung nach das Kunststück gelungen, durch die Anbindungen der unterschiedlichen Themen an das Alphabet die Fülle möglicher Anliegen und Themen in Paartherapie und -beratung übersichtlich zu strukturieren und mit ihrer Kreativität in der Darstellung der Interventionen die Nutzer zum Experimentieren einzuladen.
Mir ging es da anders. Ich war, schon als ich von dem Projekt hörte, überzeugt davon, dass ein Buch dieses Autorenpaares einen Unterschied darstellen wird zu den bisherigen Texten zur Paartherapie. Und so ist es auch gekommen. Für mich ist dieser Band eine sehr konsequente Umsetzung eines Prinzips, an dem sich systemische Arbeit orientiert. Ich denke an das Wort Heinz von Foersters, dass wir stets so handeln sollten, dass neue Möglichkeiten entstehen. Es geht also eher darum, »Möglichkeitsräume« zu eröffnen, als Probleme zu lösen oder gar zu schauen, was nicht gut gelaufen ist. Das klingt leichter, als es ist. Der Möglichkeitsraum besteht aus potenziell unendlichen Möglichkeiten – und doch ist es nicht einfach, ihn so zu betreten, dass wirklich neue, bislang noch nicht gedachte Möglichkeiten entstehen. Ich kenne Liane und Mohammed als Personen, die über die wunderbare Fähigkeit verfügen, einen anderen – oder eben auch zwei – in diesen Möglichkeitsraum hineinzu(ver)führen, völlig »verrückte« Fragen zu stellen oder Übungen vorzuschlagen. Von einer solchen »Reise« kehrt man als ein anderer wieder zurück.
Ich glaube, die Arbeit mit Paaren besteht vor allem darin, dass man nach einem solchen Ausflug in den Möglichkeitsraum einander anders, neu anschaut: Welche Potenzialität steckt in meinem Gegenüber? Wer könnte er oder sie alles noch sein? Und könnte ich für ihn oder sie ein anderer sein als bisher? Das Vertraute wird unvertraut, das Gewohnte ungewöhnlich – und damit wird die Partnerschaft wieder zum Abenteuer. Vielleicht sollte das Buch Einladung zu einer Abenteuerreise heißen, was meinst du?
Dem stimme ich zu. Das Betreten des Möglichkeitsraums kann die Paare verführen, sich noch mal den Wirklichkeitsraum – so steht es jetzt um uns – und/oder den Zielraum – dort wollen wir hin – zu betreten und auszukundschaften. Ich finde es auch, genau wie du, ausgesprochen langweilig, danach zu schauen, was nicht gut gelaufen ist. Liane und Mohammed schaffen es mit ihren Interventionen, allgemeine Wirkfaktoren von Therapie ins Spiel zu bringen: Sie helfen, eine emotionsgeladene und vertrauensvolle Beziehung und ein »heilendes« Setting zu kreieren, sie bieten ein konzeptionelles Programm mit plausiblen Beschreibungen an, und – was ich am wichtigsten finde – die Rituale erfordern die aktive Beteiligung von Klienten und Beratern bzw. Therapeuten. Besonders fasziniert haben mich die afrikanischen Sprichwörter, die jeder Intervention vorangestellt sind. Sie verstören, machen nachdenklich und sind voller uns nicht so vertrautem Humor. Eines der Sprichwörter fällt mir gerade ein: »Wer mit dem Feuer spielt, macht in der Nacht das Bett nass.«
Das könnte ich auch meinerseits unterschreiben. Offenbar ist es schwierig, eine Differenz zwischen uns zu erzeugen. Wir kennen beide die Autoren und ihre Stärken und kommen zu einem ähnlichen Fazit. Nun wissen wir ja aus der Arbeit mit dem Reflektierenden Team, dass ein früher Konsens auch gefährlich sein könnte, wenn dadurch mögliche kritische Stimmen vorschnell zum Schweigen gebracht werden. Was könnte hier eine kritische Stimme sein? Vielleicht dass eine Gefahr des Buches darin liegt, einen großen Strauß an Methoden anzubieten. Praktisch für jeden Moment wird etwas angeboten. Es könnte zum »Machen« verführen. Meine Erfahrung ist, dass ich sehr häufig in Gesprächen an einen Punkt komme, an dem ich nicht mehr weiter weiß. Ich habe (durchaus mühsam) gelernt, diesen Punkt auszuhalten und nicht durch Aktionismus zu überspielen, denn das ist oft der Moment, an dem etwas Neues beginnt – wie gesagt, wenn ich die Spannung aushalte. Wenn ich ein solches breit angelegtes Methodenbuch in der Hand habe, könnte das schwieriger werden. Was meinst du dazu?
Was du da sagst, finde ich einen spannenden Punkt. Ich möchte nicht krampfhaft eine Differenz erzeugen, doch ich sehe das etwas anders. Ich glaube, gerade diese Gefahr hat eine heilsam regulierende Wirkung. Man kann nicht verhindern, dass manche Berater und Therapeuten das Buch als eine Einladung zum Aktionismus auffassen werden, und ich kann voraussagen, dass sie dann erfolgreich scheitern werden. Nach meiner Erfahrung lassen sich gerade Paare nicht mit Methoden abspeisen, sie schätzen Therapeuten und Berater, die sich für den Prozess verantwortlich fühlen und das Notwendige behutsam fokussieren, die Perspektiven wechseln und dabei bescheiden bleiben. Die vorgestellten Interventionen werden aus meiner Sicht nur hilfreich sein, wenn sie Fragen aufwerfen, welche die Paare weiterführen.
Du meinst, Aktionismus erledigt sich von selbst? Vielleicht sollte dann wenigstens der Warnhinweis auf dem Buch angebracht werden: Dieses Buch ersetzt keine paar- und systemtherapeutische Ausbildung! – Jedenfalls als abschließendes Statement von meiner Seite: Ich vermute, dass vor allem erfahrene (Paar-)TherapeutInnen von dem Buch profitieren werden.
Ich finde, auch unerfahrene Therapeuten sollten das Recht haben, Erfahrungen zu sammeln.
Wenn ein Buch nach recht kurzer Zeit bereits in die dritte Auflage geht, so spricht das eigentlich für sich – und bedarf gar keiner Empfehlung. Aber was genauso wichtig ist: Das Buch spricht ja nicht nur für sich, sondern vor allem offensichtlich auch bereits zu vielen Leserinnen und Lesern, die davon profitiert und es weiterempfohlen haben. Zu diesen Lesern, die von den »bewegenden Interventionen« angetan sind, gehöre inzwischen auch ich. Und obwohl Arist von Schlippe und Haja Molter bereits ein so treffendes Vorwort zur ersten Auflage verfasst haben, bin ich gern dem Wunsch von Liane Stephan und Mohammed El Hachimi gefolgt, nun dieser dritten Auflage einige weitere Geleitworte mit auf den Weg zu geben.
Die Bezeichnung »bewegende Interventionen« ist nämlich auch aus meiner Sicht sehr treffend gewählt: Wer die vorgeschlagenen Interventionsszenarien für seine eigene Arbeit mit Paaren nutzt (und mit nur wenig weiterer Kreativität umgestaltend auch in anderen Kontexten systemischen Arbeitens), wird das Bewegende daran erleben. Hier werden Prozesse unterstützt, welche – um Martin Buber zu zitieren – direkt ins Herz treffen können. Es werden also Szenarien eröffnet, in denen Menschen sich bewegen lassen können – von dem Geschehen insgesamt, vom Partner in dessen Aktionen und Reaktionen, von den Möglichkeiten, die Beziehung in ihren konkreten Begegnungen neu sehen und erfahren zu können, kurz: von der neuen Sicht auf die Welt, den anderen und sich selbst.
Dies ist ja genau das, was therapeutisches Arbeiten (im weitesten Sinn, also einschließlich Beratung, Coaching etc.) im Kern ausmacht und von einem erfahrungszentrierten systemischen Ansatz besonders unterstützt wird: von eingefrorenen abstrakten Beschreibungen, welche die Welt zwar schnell und meist brauchbar erklären, wieder in die Vielfalt der Wahrnehmungen, des Erlebens, und der damit verbundenen Emotionen zu gelangen. Spätestens dann, wenn die bekannten Beschreibungen nur noch weitgehend die ebenfalls bekannten Probleme, Missverständnisse, Sackgassen und Destruktionen wiederholen, muss der Schritt in teilweise unbekanntes Terrain, in neue Erfahrungen und neue Verstehensweisen gewagt werden. Systemiker sprechen davon, dass Verkrustetes wieder verflüssigt wird – eine zu Eis erstarrte Wassersäule, die langweilig immer in dieselbe Richtung weist, wird in eine Vielfalt glitzernder Wassertropfen aufgelöst. Wobei sich in jedem Tropfen, wenn man nur genau hinschaut, die umgebende Welt in bunter und mannigfaltiger Weise widerspiegelt, durchflutet von Lichtbrechungen, welche verzaubern können, sofern man sich nur ein wenig darauf einlässt.
Die Sammlung und Darstellung der Autoren von diesen Möglichkeiten, neue Erfahrungsräume zu betreten, haben Arist und Haja in ihrem Vorwort ja treffend als »Einladung zu einer Abenteuerreise« bezeichnet. Genau darum geht es: die von begrifflichen und narrativen Landkarten und Stadtplänen scheinbar so bekannte Welt nicht einfach nur »wie gehabt« hinzunehmen und dann immer dieselben Wege zu gehen, sondern Bereiche der Welt als neu zu erleben. Wobei manchmal das größte Abenteuer dort zu finden ist, wo man sowieso schon so oft war oder wo man sich sogar gerade aufhält und meint, immer wieder nur dasselbe zu sehen. Plötzlich aber vermag eine veränderte Perspektive neue Aspekte und Räume zu entfalten.
Wenn so Bewegendes geschieht, wird dies – aller Erfahrung und Theorie nach – auch etwas bewegen, das als ein »Fortkommen« gedeutet wird (auch wenn ein wirklicher Stillstand gar nicht möglich ist, sondern das immer Neue, das jedem Augeblick innewohnt, nur durch die immer gleichen Kategorien der immer gleichen Beschreibungen verborgen wurde).
Wenn die beiden Autoren ihre einladenden Szenarien als »Tools« bezeichnen, so ist darin eher ein Understatement zu sehen. Denn es sind ganz gewiss nicht jene einfachen Werkzeuge in edel anmutenden Kästen zu erwarten, die in so vielen »Ratgebern« angepriesen werden. Es sind auch nicht Instrumente, welche zum gemeinsamen Musizieren einladen – obwohl solche dann, je nach Vorlieben der Therapeuten und Berater, in den Szenarien durchaus eingesetzt werden können. Es handelt sich eher um ein Kompendium dramaturgischer Grundszenarien, mit denen prototypische Konstellationen auf der Lebensbühne so in Bewegung (!) gesetzt werden können, dass sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln heraus anschaubar werden. Auf diese Weise kann die ebenfalls typische Erfahrung gemacht werden, dass und wie mit den unterschiedlichen Blickwinkeln – einschließlich des Einsatzes von Vergrößerungsgläsern und Zeitstreckern – auch unterschiedliche Gefühle und Erlebensweisen verbunden sind. Manches davon werden Therapeuten ohnedies schon genutzt haben, und die besonders guten unter ihnen vielleicht sogar vieles davon. Aber auch für Therapeuten und Berater gilt, dass unterschiedliche Perspektiven neue Möglichkeiten eröffnen. Daher wird selbst (oder: gerade) der, dem das eine oder andere Szenario vielleicht grundsätzlich bekannt ist, sich von den gewählten Perspektiven und Details der Autoren überraschen, anregen und letztlich bewegen lassen. Und er wird dabei sicher besonders dem Leitsatz folgen, der dem Abschnitt über »Ankündigung« vorangestellt ist: »Dem Klugen braucht man nur den Anfang zu sagen, das Ende weiß er selbst.«
Jürgen Kriz
Osnabrück, im Oktober 2011
Wozu dieses Buch? Es gibt doch fast alles zu diesem Thema, also, wozu noch ein Paarbuch mehr auf den Markt bringen?
Dieses Buch will keine grundlegende Definition der Paartherapie formulieren, es möchte vielmehr eine Bereicherung und Ergänzung zu der wachsenden Anzahl von Paarliteratur sein. Es möchte das kreative Potenzial des Paartherapeuten, der Paare und ihrer sich entwickelnden Beziehung stärken und fördern. In diesem Sinne ist es ein Appetitanreger, der einen neuen Geschmacksraum eröffnen möchte, um mit vertrauten wie auch unbekannten Zutaten in Kontakt zu kommen. Eine Einladung zum Experimentieren!
Es möchte Paartherapeuten helfen, die häufig erlebten, endlosen Kommunikationsschleifen der Paare durch Übungen und/oder gezielte Fragen zu unterbrechen, damit andere Perspektiven sichtbar werden können. Und es möchte Paare ermutigen, ihr Potenzial vielfältiger zu entfalten, mehr zu spielen, dort, wo kein Spielraum mehr zu sein scheint.
Wir haben versucht, unsere Erfahrungen, Einsichten, Leidenschaften und Fertigkeiten aus unserer gemeinsamen Paartherapiepraxis zusammenzutragen und zu einem erdig-feurigen Menüplan zusammenzustellen.
Die Interventionen und Übungen sind so aufgebaut, dass mehr Möglichkeiten zum kreativen Einsatz als beschrieben gegeben sind. Der Therapeut kann je nach Paarthema und -kontext jede Übung modifizieren, kombinieren oder neu erfinden.
Um es als Inspirationslektüre zu benutzen, ist es möglich, einfach das Buch aufzuschlagen und sich von dem Vorliegenden anregen zu lassen.
Die Sprichwörter, die zu jedem Thema ausgewählt worden sind, sollen erheitern und gleichzeitig die Reichtümer vergangener Generationen vergegenwärtigen. Sie möchten zeigen, dass in der aktuellen Dramatik auch Humor steckt. (Mohammeds Großvater sagte öfter: »In 100 Jahren wird alles ohnehin ganz anders sein.«) Sie können aber auch als »Begleitspruch« im Sinne von Stärkung für eine spezifische Paarphase mitgegeben werden oder als Möglichkeit zu Assoziationen und Malaufgaben genutzt werden.
Die kurzen Beschreibungen zu den jeweiligen Themen sind ein Versuch, sich diesen intensiver zu nähern. Sie spiegeln unsere Gedanken dazu wider, die aus gemeinsamen Gesprächen und Auseinandersetzungen mit den Themen entstanden sind. Sie haben weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch auf absolute Wahrheit. Es kann und darf auch immer anderes gedacht werden, weil es ja sowieso immer anders kommt als gedacht.
Aus unserer Sicht ist folgendes Vorgehen zu empfehlen:
Während der Therapie kommen die Paare selbst auf die unterschiedlichsten Themen zu sprechen oder der Therapeut bekommt durch das Gespräch Impulse, die auf die Themen hinweisen.
Dann schlägt der Therapeut im Themenverzeichnis nach. Die Themen sind alphabetisch angeordnet und als Verdichtung oder Metapher zu verstehen. Oder der Therapeut bevorzugt Querdenken und schlägt das Buch an einer beliebigern Stelle auf, um sich von dem, was dann vor ihm liegt, inspirieren zu lassen.
Wir sind davon überzeugt, dass jeder seinen eigenen Zugang hat und (er)finden wird, mit diesem Buch zu arbeiten!
Die Nutzung der vorliegenden Interventionen und Übungen kann ein Risiko sein. Jedes Risiko birgt auch Nebenwirkungen in sich!
Und …
… manchmal geht mit den Paaren gar nichts, dann findest du in diesem Buch auch nichts – teile dies dem Paar mit!
Viel Glück!
Mohammed und Liane
P. S.: Wir haben uns für die männliche Form als Ausdrucksform entschieden. Dies ist nicht als Diskriminierung der weiblichen Form zu verstehen. Es hätte auch andersrum sein können.
»Die Würde des Menschen ist tastbar.«
Wenn Achtung und Würdigung in der Beziehung da sind, kann der Selbstwert in der Beziehung steigen.
Ist der Selbstwert bedroht, könnte eine dysfunktionale Kommunikation erlebt werden, das Paar kann Achtung voreinander verlieren.
Das, was in der Beziehung da ist, was getan wird oder getan wurde, braucht Achtung und Würdigung. Versäumnisse von Achtung und Würdigung können zum Rückzug führen und zur Eröffnung eines heimlichen Sollkontos.
Ist das Soll groß, geht die Achtung noch mehr verloren.
Würdigen ist der aktive Teil. Würdigen ist eine Interaktion, eine wertschätzende Kommunikation. Achtung ist der weniger sichtbare Teil, die innerliche »Verneigung« vor dem Sosein des anderen.
Auf der Meaning- und Metaebene sind folgende Überlegungen und Fragen für den Therapeuten hilfreich und können angesprochen werden:
Auf der Meaningebene:
Welche Bedeutsamkeit gebe ich Achtung und Würdigung?
Welche Bedeutsamkeit gibt das Paar diesem Thema?
Woran merken sie, dass es da ist? Woran, dass es nicht da ist?
Parameta-Themen:
Grenzen und Möglichkeiten
Formen
Verweigerung
Abhängigkeit
Macht und Ohnmacht
Druck- und/oder Erpressungsmittel
Einstiegsfrage an das Paar:
Welchen Anteilen, Werten, Handlungen, Eigenschaften, Gefühlen soll Achtung entgegengebracht werden? – welchen Würdigung?
Biografische Suche:
Wie wurde in dem jeweiligen Herkunftssystem mit Achtung und Würdigung umgegangen?
Wie wurde dies getan/nicht getan?
Wenn nicht, was stattdessen?
Wenn ja, woran habe ich dies bemerkt?
Wie machen wir es in der Beziehung aktuell – was ist aus dem Herkunftssystem übernommen worden, was tun wir anders?
Beide Partner stellen eine Skulptur dar, die Missachtung ausdrückt.
Das Paar hat Zeit, den passenden Ausdruck in der Skulptur zu formen.
Beide spüren dieser Haltung nach:
Wie fühlt sich das an?
Wo ist Energie vorhanden?
Welche Art von Energie?
Welche Farbe drückt die Situation aus?
Welche Gedanken/Gefühle sind da?
Dann wird die Skulptur aufgelöst.
Im Anschluss können folgende Fragen interessant sein:
In welchen Situationen verliere ich die Achtung vor meinem Partner?
Was genau beobachte ich?
Was denke ich dann, und was fühle ich?
Welche Auswirkungen hat das auf meinen Selbstwert?
Welche Handlungen zieht das nach sich?
Wann und wie spüre ich, wenn mein Partner mich missachtet?
Welchen Gewinn habe ich davon?
Welchen Preis bezahle/n ich/wir?
Angenommen wir würden die Missachtung unterlassen, was wäre stattdessen da?
Worauf müssten wir jeweils achten, um das »Stattdessen« im Alltag zu leben?
Das Paar wird nun gebeten, sich in eine Skulptur zu begeben, die ein hohes Maß an Achtung voreinander ausdrückt. Das Paar wird angehalten, dem nachzuspüren:
Was ist nun anders?
Was macht den Unterschied aus?
Aus welchen Situationen in der Vergangenheit und Gegenwart kennen wir das?
Was würde unser Umfeld sagen, wenn sie uns als Paar so erleben?
Wie genau schaffen wir das dann?
Was unterlassen wir dann? Was machen wir mehr?
Das Paar wird nun gebeten, in Zeitlupe zwischen diesen beiden Skulpturen hin und her zu wechseln:
Was passiert dazwischen?
An welcher Stelle kippt die Skulptur von einem Parameter in den anderen?
Wie wird die Verantwortung geteilt?
Worauf achte/n ich/wir?
Was trägt jeder dazu bei?
Welche Gedanken/Gefühle?
Manchmal kann der Therapeut STOP rufen, um die »Zwischenräume« genauer zu untersuchen und zu befragen.
Jeder Partner bekommt ein vorbereitetes Blatt mit drei Spalten (Tabelle): eine Habenseite für die stattgefundenen Würdigungen, eine Sollseite für die ausgelassenen Würdigungen, eine für nicht erwartete, überraschenderweise eingetretene Würdigungen.
Jeder Partner wird aufgefordert, die Spalten mit den dazugehörigen Situationen auszufüllen.
Anschließend werden die Blätter ausgetauscht:
Was überrascht mich?
Was sehe ich anders?
Was fehlt?
Im Anschluss:
Wie ist das Paar bisher mit diesem Konto umgegangen?
Wurde darüber kommuniziert?
Was hat gehindert?
Wozu war das Schweigen hilfreich oder nicht hilfreich?
Hausaufgabe:
Das Paar hängt die Tabellen zu Hause auf.
Jeder Abend ist einer ausgelassenen Würdigung gewidmet. Wie, das entscheidet das Paar.
»Solange man jung ist, gehören alle Gedanken der Liebe – später gehört alle Liebe den Gedanken.«
Albert Einstein
Altersunterschiede gibt es immer. Deren Bewertung hängt von der jeweiligen Kultur und vom Geschlecht ab. Sie implizieren eine besondere Dynamik, die eine innere und eine äußere Kommunikation hervorruft, begleitet von einer ständigen gesellschaftlichen Rechtfertigung. Mit fortschreitendem Alter und Paarzeit werden die Unterschiede für das Paar und für seine Umwelt deutlicher. Dichotomische, fremde Bewertungen sind die Folge. Das Paar beschäftigt sich nicht nur mit seinen Themen, sondern auch mit den Vorurteilen anderer.
Das jeweilige Alter der Partner wird mit einem Klebeband auf dem Boden visualisiert:
Abb. 1
Das Paar blickt aus allen vier Richtungen auf die Altersskalierung und nimmt die unterschiedlichen Perspektiven wahr. Folgende Themen können besprochen werden:
Gesundheit und Krankheit
Scham und Stolz
Neid und Verachtung
Kinderthema
Konflikte und Kooperationen
Angleichung und Anpassung
Rücksicht und Vorsicht
Ausgleich und Abschiede davon
Energie
Finanzen
Gelebte und nicht gelebte Zeit
Lebensthemen
Kleidung/Sprache
Sexualität
Akzeptanz
Unerfüllte Wünsche
Gelebte Unterschiede
Bereicherungen
Verdrängte/ausgesprochene Unterschiede
Leben und Tod
Therapeutische Perspektiven auf den Altersunterschied:
Welche Themen sollen wir nicht ansprechen? (Tabuthemen)
Wie agiert und reagiert die Umwelt/Freunde/Arbeitskollegen/Familie?
Vater/Mutterübertragungen
Kind-/Sohn-/Tochter-/Übertragungen
Vertrauen – Hinnahme – Gewinn – Verluste
Akzeptanz der Symmetrie/Komplementarität und Hinwendung zur Komplementarität/Symmetrie
Testament – Altersfürsorge
Ausbleiben der Wünsche
Leben mit Enttäuschung/unerfüllte Wünsche
Autonomie und Antinomie
»Aller Anfang ward leicht.«
Das Autorenteam
Ein Anfang kann
gefährlich,
voller Chancen,
hinderlich,
ehrlich oder unehrlich,
gehaltvoll oder ärmlich,
vertrauensvoll oder voller Misstrauen,
skeptisch oder euphorisch oder ganz anders sein!
Der Therapeut ist als »Gastgeber« angehalten, das Gesprochene so zu formulieren, die Körpersprache so sprechen zu lassen und das Setting so zu gestalten, dass das Paar sich eingeladen fühlt. Der Anfang des gewebten Teppichs entscheidet mit über den weiteren Verlauf, die Muster und die Größe des Teppichs, auf dem Therapeut und Paar wandeln werden.
Das Paar wird eingeladen, in Kooperation auf das Flipchart (bitte keine kleinen Karten) zu notieren, welche Themen auf keinen Fall in der Beratung eine Rolle spielen sollen.
Dieser Einstieg dient
der Reduktion der Komplexität,
dem Paradigmenwechsel (vom Kampf zur Kooperation),
dazu, die Unterschiedlichkeit offen zu machen.
Anschließend wird das Paar gebeten, ebenfalls in Kooperation, auf einem weiteren Flipchartbogen die Themen aufzuschreiben, die in der Beratung besprochen werden dürfen und sollen.
Der Therapeut fragt das Paar:
Wie soll ich den Anfang hier gestalten?
In welche Fallen könnte ich treten?
Was darf ich auf keinen Fall tun?
Was müsste ich tun, damit Sie nach der ersten Sitzung nicht mehr wiederkommen?
Welche Rolle soll ich konkret in der Anfangsphase einnehmen? Was wäre daran hilfreich für Sie?
Welche Erwartungen haben Sie an den Anfang?
Wichtig ist hierbei, die unterschiedlichen Erwartungen des Paares als einen Raum der Vielfalt positiv zu konnotieren.