Pädagogische Arbeit im Offenen Kindergarten - Gerhard Regel - E-Book

Pädagogische Arbeit im Offenen Kindergarten E-Book

Gerhard Regel

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Beschreibung

Das moderne Konzept des Offenen Kindergartens hat sich trotz kontroverser Diskussionen in der Praxis etabliert. Das Kind als Ko-Konstrukteur seiner Entwicklung steht im Mittelpunkt des pädagogischen Handelns. Das Buch führt gut gegliedert und praxisnah in die grundlegenden Ideen des Offenen Kindergartens ein und zeigt, wie pädagogische Fachkräfte in Kindergarten und Kita ihre Arbeit nach diesen Prinzipien ausrichten können.

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Profile für Kitas und Kindergärten

Pädagogische Arbeit im Offenen Kindergarten

Gerhard Regel/​Thomas Kühne

Impressum

Titel der Originalausgabe: Pädagogische Arbeit im Offenen Kindergarten

Profile für Kitas und Kindergärten

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2007

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: R·M·E Roland Eschlbeck/​Rosemarie Kreuzer

Umschlagfoto und Fotos im Innenteil: Hartmut W. Schmidt, Freiburg

E-Book-Konvertierung: epublius GmbH, Berlin

ISBN (E-Book): 978-3-451-80467-0

ISBN (Buch): 978-3-451-32061-3

Inhalt

Impressum

Vorwort zur Neuauflage

1 Wie alles anfing. Zur Geschichte des Offenen Kindergartens als Qualitätsentwicklung

1.1 Praxisreflexion und Überprüfung

1.2 Konsequente Kindzentrierung – Beobachtung individueller Bedürfnisse

1.3 Bewegung, das Tor zum Lernen

1.4 Auf veränderte Lebensverhältnisse von Kindern antworten

1.5 Offene Teamarbeit, Qualität im Dialog

1.6 Handlungsforschung als Instrument der Qualitätsentwicklung

1.7 Pädagogische Arbeit begründen

1.8 Kindergärten im Prozess der Öffnung

2 Die pädagogische Idee des Offenen Kindergartens – Wie beantwortet das Konzept des Offenen Kindergartens die Bildungspläne?

2.1 Das Kind als Selbstgestalter seiner Entwicklung

2.1.1 Eigenständiges Entscheiden für existentielle Bedürfnisse

2.1.2 Wahrnehmung der vier Freiheiten des Freispiels

2.1.3 Auswählen von Lern- und Bildungsmöglichkeiten

2.1.4 Partizipation im sozialen Gefüge im Kindergarten

2.2 Die Erzieherin als Selbstgestalter ihrer Pädagogik

2.2.1 Engagement für Kinder

2.2.2 Gemeinsamer Prozess der pädagogischen Weiterentwicklung

2.2.3 Gemeinsames Bemühen um eine entspannte Atmosphäre

2.2.4 Schaffen von Erfahrungsfeldern zum Spielen und Tätigsein

2.2.5 Stärken für differenzierte Bildungsangebote nutzen

2.2.6 Präsenz als offenes achtsames Handeln

2.2.7 Umgang mit dem Orientierungs- und Bildungsplan

2.2.8 Ein Möglichkeitsraum mit drei Schwerpunkten

2.3 Bedenken gegenüber dem Offenen Kindergarten

2.4 Der Offene Kindergarten und sein Bildungsverständnis

2.4.1 Die Bedeutung des Raumes als „dritte Erzieherin“ – Beispiel einer Weiterentwicklung der Raumstruktur im Offenen Kindergarten Schloss Ricklingen

2.4.2 Ein Raumkonzept mit entwicklungsdifferenzierter Lernumgebung

2.4.3 Grundsätze zu den Lernspielbereichen

2.4.4 Lernspielbereiche „Forscherzimmer“ und „Bauraum“

3 Was alles zum Offenen Kindergarten gehört

3.1 Die zehn Strukturmerkmale

3.2 Wie anthropologische Grundannahmen die pädagogische Richtung im Offenen Kindergarten bestimmen – Eine Zusammenfassung

3.3 Besondere Ausgestaltung des Offenen Kindergartens

3.4 Von der Elternarbeit zur Erziehungspartnerschaft

4 Ein Tag im Offenen Kindergarten

4.1 Situationsbeschreibung

4.2 Spezifische Begrifflichkeiten

4.3 Der Frühdienst

4.4 Tägliche Absprache im Team

4.5 Erste Freispielzeit

4.6 Die tägliche Vollversammlung, Morgenkreis

4.7 Die Angebotszeit

4.8 Zweite Freispielzeit

4.9 Aufräumzeit und Schlusskreise

4.10 Fazit

4.11 Der Tagesablauf im Überblick

Literaturverzeichnis

Fußnoten

Vorwort zur Neuauflage

Die Aufforderung des Verlages, das Profilbuch über den Offenen Kindergarten zu überarbeiten und zu erweitern, war eine gute Gelegenheit, sich Weiterentwicklungen bewusst zu machen. Es ist viel im Fluss seit dem PISA-Schock, und es wird immer deutlicher, wie wichtig der Elementarbereich als Beginn der außerfamiliären Bildung ist.

Dadurch wachsen die Chancen, allen Kindern gerecht zu werden. Die pädagogische Arbeit in Offenen Kindergärten bleibt eine unendliche Geschichte. Erzieherinnen stellen sich immer wieder neuen Herausforderungen und setzen sich mit neuen Entwicklungen auseinander, um angemessene Entscheidungen zu treffen. Stichworte hierzu sind Qualitätsoffensive, Bildungsverständnis und hierauf bezogene Praxis, Beobachtung und Dokumentation, Dialog, Erziehungspartnerschaft mit Eltern, Aufnahme der unter Dreijährigen, Bildungsplan, Einrichtung von Krippen. Wir haben diese Themen aufgegriffen und dazu Antworten gegeben, so wie sie in Offenen Kindergärten zu entdecken oder in der Logik einer konsequenten kindzentrierten Pädagogik zu sehen sind.

Die Basisbewegung offene Arbeit mit dem Offenen Kindergarten als herausragender Weiterentwicklung im Elementarbereich ist nach wie vor in einer ständigen Ausweitung begriffen, denn die Zahl der offen arbeitenden Einrichtungen wächst. Das ist sehr erfreulich. Die Entwicklung von Konzepten ist, je nach Einrichtung, verschieden und hängt ab von den jeweiligen Erzieherinnen. So zeigt sich jede Einrichtung mit ihrem individuellen Stand und Engagement um einen offenen Entwicklungsrahmen und eine immer konsequentere kindzentrierte Ausrichtung. Eine offene Teamarbeit bleibt dabei ebenso Voraussetzung wie die Bereitschaft zu einem persönlichen Lernprozess, bezogen auf Autonomie, Kooperation, Selbstwirksamkeit, Dialogbereitschaft, Handlungsforschung und Selbstbildung. Veränderungen bedeuten immer auch, sich auf Neues einzulassen und Neues zu wagen und nicht einfach Erfahrungen anderer offen arbeitender Kindergärten zu kopieren.

Nach wie vor besteht das Problem, dass die Begriffe „offene Arbeit“ und „Offener Kindergarten“ relativ plakativ verwendet werden und deshalb von der dahinter stehenden, differenzierten Pädagogik zu wenig erkennen lassen. Von Außenstehenden werden immer noch uneingeschränkte Freiheit und Beliebigkeit vermutet und nicht das Ringen um ein kind- und zeitgemäßes Profil. Die Zeit ist reif, die bestehende Begrifflichkeit auszudifferenzieren und mit genaueren Begriffen vor allem die vielschichtige Alltagsarbeit mit den Beziehungen zu Kindern zu benennen. In einem gerade erschienenen Buch (G. Regel, 2006) wird für eine offene Pädagogik der Achtsamkeit plädiert und damit die Diskussion um eine weiterführende Begrifflichkeit eröffnet. Dadurch kann u.a. der Beziehungsansatz als die eher unsichtbare Seite offener Kindergartenarbeit ins Zentrum rücken und den Blick von den Strukturen auf die Beziehungsgestaltung lenken.

Was wir auch dieses Mal nicht bieten können, ist eine umfassende Theorie oder gar ein für alle Einrichtungen direkt umsetzbares Konzept. Der Offene Kindergarten mit seiner nun fast 20-jährigen Erfahrung wird zwar mit seiner pädagogischen Gestalt durch die Orientierungspläne aufgewertet (vgl. Kapitel 2). Er wird jedoch in erziehungswissenschaftlicher Hinsicht eher stiefmütterlich behandelt. Seine Bedeutung und Effektivität für heutige Kinder, die nicht nur gebildet und Ich-stark in die Zukunft gehen sollen, sondern auch eine elementare Grundausstattung zum Leben in einer offenen Gesellschaft brauchen, muss durch Forschungsarbeit untermauert werden. Wir können in diesem Buch lediglich theoretische Zusammenhänge einbeziehen oder darauf hinweisen, welche Bedeutung sie in Offenen Kindergärten mit langjähriger Erfahrung erlangt haben. Dadurch entwickelt sich nach und nach ein immer klarer konturiertes Theoriegebäude.

Wenn Sie als LeserIn mit der offenen Arbeit vertraut sind, werden Sie sich vielfach bestätigt fühlen. Sie werden jedoch auch zu einer größeren Bewusstheit finden und sicherlich neue Anstöße bekommen. Ist Ihnen der Offene Kindergarten noch gänzlich unbekannt, wünschen wir uns Offenheit für seine Idee. Sie werden erkennen, dass Erzieherinnen in der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für Kinder viel gewagt haben. Gleichzeitig haben sie ihr Selbstverständnis und ihre Professionalität erweitert. Erzieherinnen aus Offenen Kindergärten erklären immer wieder, dass es für sie kein Zurück mehr gibt, auch wenn die veränderte Pädagogik oft nur in einem anstrengenden Prozess mit KollegInnen aufgebaut und weitergeführt werden konnte.

Und trotz aller Veränderungen, die durch die offene Arbeit in Gang gesetzt werden, können sie auch entdecken, welche bewährten Aspekte einer über hundertfünfzig Jahre alten Elementarpädagogik bedeutsam bleiben. Aus diesem Grunde haben wir uns entschlossen, durchgängig den Begriff Kindergarten zu verwenden. Gemeint sind damit selbstverständlich auch die Tageseinrichtungen und andere Formen für Kinder im Vorschulalter. Durchgängig benützen wir aus Gründen der Vereinfachung das Wort Erzieherin für alle weiblichen und männlichen Mitarbeiter der Kindergärten.

Die nun folgende Geschichte des Offenen Kindergartens wird als Qualitätsentwicklung dargestellt und gewürdigt.

Wennigsen/​Garbsen, im Oktober 2006

Gerhard Regel und Thomas Kühne

1 Wie alles anfing. Zur Geschichte des Offenen Kindergartens als Qualitätsentwicklung

Der Offene Kindergarten kam nicht von außen mit einer handlungsleitenden Theorie in die Einrichtungen, sondern entstand als eine Basisbewegung und hat deshalb eine komplexe Geschichte. Der Prozess der Öffnung der Gruppenräume ist im Grunde die Vorwegnahme einer Qualitätsentwicklung wacher, selbstkritischer und reflexionsbereiter Erzieherinnen und Kindergartenteams, weit bevor diese um die Jahrtausendwende durch unterschiedliche Konzepte immer stärker eingefordert wurde. In Verbindung mit der offenen Arbeit wuchs das Bewusstsein, ein eigenes Profil zu schaffen, um den Kindern stärker gerecht zu werden. In diesem Prozess der Selbstwirksamkeit kristallisierten sich Themen heraus, die später auch Eingang in die Qualitätskonzepte fanden. Es ist deshalb kein Zufall, dass sich Teams Offener Kindergärten später weigerten, bestimmten „Trends“ der Qualitätsentwicklung zu folgen, insbesondere dann, wenn damit hohe Kosten und die Steuerung von außen verbunden waren. Sie fühlten sich nicht angesprochen, da es kein neues Thema für sie war. Als passend wurde die dialogische Vorgehensweise angesehen, wie sie z.B. der Kronberger Kreis anregte.

Die Geschichte des Offenen Kindergartens ist die Geschichte der Eigenaktivität von Kindergartenteams. Sie führte zu einem Profil mit eindeutigen Qualitätsakzenten und bleibt zugleich ein kontinuierlicher Prozess mit zwei fundamentalen Aufgaben:

Auf den Wandel der Zeit zu antworten und neue Erkenntnisse zu integrieren.

Immer konsequenter kindzentriert zu arbeiten, indem mit Kindern offen, achtsam und dialogisch umgegangen wird.

Welche wichtigen Qualitätskriterien zeigen sich nun in der Geschichte des Offenen Kindergartens?

1.1 Praxisreflexion und -überprüfung

Kinder aufmerksamer zu beobachten und sich selbst sorgfältiger wahrzunehmen standen am Anfang, als einzelne Erzieherinnen und Kindergartenteams in den 1980er Jahren begannen, sich kritisch mit der eigenen pädagogischen Praxis zu beschäftigen und diese kindzentrierter auszurichten. Die eigene Unzufriedenheit und die genaue Wahrnehmung der Kinder im Gruppenraum und draußen wurden zum Anlass genommen, etwas zu verändern und gemeinsam bessere Bedingungen für Kinder zu schaffen.

So stellten Erzieherinnen fest, dass einzelne Kinder nach ihrer Eingewöhnung immer wieder den Raum verließen, um sich länger in der Garderobe, im Waschraum oder Flur aufzuhalten und dort mit dem Freund oder der Freundin zu spielen. Oder die Kinder wollten nach der Freispielzeit im Außengelände draußen bleiben, spielten einfach weiter oder versteckten sich. Aufgrund ihrer Aufsichtspflicht mussten die Erzieherinnen diese Kinder immer wieder in den Gruppenraum holen, womit sich so manche Erzieherin öfter beschäftigte, als ihr lieb war.

Beobachtungen in den Gruppenräumen selbst signalisierten noch deutlicher, dass etwas nicht stimmte. Spielten einige Kinder lebhaft miteinander, kam es zu massiven Störungen, weil es zu laut war oder etwas zerstört wurde, und die Erzieherinnen waren immer wieder gezwungen, die Kinder zu reglementieren oder ihr Spielen zu regulieren. Sie erkannten, dass der für ruhiges Spielen in den Funktionsecken und an den Tischen gedachte Rahmen in Stammgruppen nicht mehr ausreichte. Unbefriedigend war auch, dass die pädagogische Absicht, einzelne Kinder in ihrer Entwicklung zu unterstützen, bei einer zunehmenden Zahl von „verhaltens- und sprachauffälligen“ Kindern immer weniger möglich war. Später hat sich dann gezeigt, dass „Verhaltensauffälligkeiten“ zum großen Teil hausgemacht waren, denn durch erweiterte Spielräume verschwanden diese von selbst.

Mit der Reflexion dieser Beobachtungen wurde die Bedeutung äußerer, gesetzter Strukturen als fördernde oder störende Gegebenheiten erkannt, und deshalb ging es mehr und mehr darum, Kinder nicht an bestehende Strukturen anzupassen, sondern die Strukturen an die Bedürfnisse der Kinder. Größere Freiheit und mehr Freizügigkeit waren die Folge. Der Kindergarten ging nun bis zum Zaun und die Kinder konnten wählen, ob sie drinnen oder draußen spielen wollten. Gleichzeitig beschäftigten sich die Teams neu mit der Aufsichtspflicht und stellten deren Vorrangigkeit in Frage.

1.2 Konsequente Kindzentrierung – Beobachtung individueller Bedürfnisse

Bedürfnisorientierung war zunächst ein zentraler Begriff. Er bezog sich auf die Frage, was Kinder brauchen. Zunächst waren damit eher alle Kinder gemeint, bis der Blick mehr und mehr auf das einzelne Kind gelang und damit zugleich auf seine Einmaligkeit. Hinzu kam der Trend der damaligen Zeit, Kinder weniger zu bevormunden und ihnen mehr selbständige Entscheidungen zuzutrauen. Die pädagogischen Konsequenzen hieraus waren vielfältig: So entfiel z.B. das gemeinsame Schlafen aller Altersgruppen, aus dem gemeinsamen Frühstück wurde das rollende oder gleitende Frühstück in der Cafeteria, aus der Beschäftigung das gruppenübergreifende Angebot, aus dem angeleiteten Freispiel eines mit echten Freiheiten in unterschiedlich gestalteten Räumen.

Die Kinder zeigten sich in all diesen Situationen zunehmend kompetent und so konnten die Möglichkeiten eigenständiger Entscheidungen immer wieder erweitert werden, wie es im zweiten Kapitel genauer beschrieben wird.

1.3 Bewegung, das Tor zum Lernen

Mit den Bedürfnissen der Kinder, den Stammgruppenraum zu verlassen, verband sich nicht nur die Neugier, den ganzen Kindergarten kennen zu lernen, sondern vor allem der Wunsch, sich mit anderen Kindern spontan zu bewegen.

An der Bewegungsfreude der Kinder wurde erkannt, dass die Spontanaktivität Antrieb und Motor ist, um sich mit dem eigenen Körper vielfältig zu erproben und über Aktivitäten Erfahrungen zu sammeln.

Die vielfältige Tätigkeit des Kindes beim Wahrnehmen, Bewegen, Handeln, Forschen, Experimentieren, Sprechen und Spielen erhält somit einen hohen Stellenwert für Lernen, Entwicklung und Bildung. Das setzt jedoch spontane Bewegungsvielfalt voraus. Sie wurde angeregt und gefördert, indem Platz geschaffen wurde für großflächiges Spielen und zum Toben und Bewegen. Dafür boten sich Halle, Flure, Bewegungsraum und Außenbereich an, zugleich ausgestattet mit bewegungsfördernden Geräten aus der Psychomotorik und großen Materialien. Sie ermöglichten zugleich Aktivitäten wie Höhlenbauen und Rollenspiele vielfältiger Art. Durch eine solche Gestaltung fand die Verwandlung vom Sitz- zum Bewegungskindergarten statt, so dass nach dem heutigen Konzept der Kindergarten ein Spielraum für Bewegung ist.

1.4 Auf veränderte Lebensverhältnisse von Kindern antworten

Beim genaueren Hinschauen, wie Kinder leben, wurde schon vor 20 Jahren erkannt, dass ihnen Freiräume fehlen, innerhalb derer sie selbstbestimmt mit anderen Kindern zusammen und ohne die ständige Anwesenheit von Erwachsenen ihren Spiel-, Bewegungs- und Forscherinteressen nachgehen können. Charakteristisch ist seit langem zusätzlich der Bewegungsmangel, der mit unserer modernen Lebensweise zusammenhängt und nicht selten mit übermäßigem Medienkonsum verbunden ist. So wird das genetisch mitgegebene Energiepotential nicht ausgeschöpft, was besonders für Kinder mit ihrer sprudelnden Lebendigkeit ein Nachteil für ihre Gesundheit und Entwicklung darstellt.

So war das Ergebnis der kritischen Reflexion dieser Lebensweise, Kindern alternative Lern- und Handlungsmöglichkeiten durch einen offenen Bewegungskindergarten zu erschließen und mit der Öffnung nach außen auf die mangelnden Erfahrungen im Lebensumfeld der Kinder zu reagieren.

1.5 Offene Teamarbeit, Qualität im Dialog

Weiterentwicklungen gelangen dann am besten, wenn Offenheit im Team praktiziert und dadurch das dialogische Gespräch eröffnet wurde. Wie ein Prinzip zog sich die Offenheit durch die veränderte pädagogische Arbeit, brachte den Prozess voran oder verlangsamte ihn. Mit Offenheit ist die Bereitschaft und Kompetenz der Erzieherin gemeint, sich im Prozess der Umgestaltung mit Interesse und Lust „aufzuschließen“ und in Beziehung zu treten. Das begann bei der eigenen Person, indem Gedanken, Gefühle, der erlebte Druck, Widerstände, Unsicherheiten, Verluste usw. wahrgenommen und ausgesprochen wurden. Es setzte sich fort in der Aufgeschlossenheit gegenüber einzelnen Kindern und ihren Lebenshintergründen sowie gegenüber allen Kindern des Einzugbereiches (gemeinsame Erziehung), gegenüber Kolleginnen und schließlich in der Bereitschaft, offen für Eltern, Träger und das weitere Umfeld wie Schule und Öffentlichkeit zu werden, und sich den kritischen Anfragen hinsichtlich der veränderten pädagogischen Arbeit zu stellen. Das alles erforderte zugleich Wissenserweiterung, also Offenheit für Theorie, um die sichtbare praktische Veränderung kompetent und damit professionell zu begründen.

1.6 Handlungsforschung als Instrument der Qualitätsentwicklung

Die Ausführungen über die Anfänge des Offenen Kindergartens machen die Eigenaktivität von Erzieherinnen deutlich. Durch die selbstkritische Praxisreflexion wurde Schritt für Schritt ein kindgemäßer und auf die heutige Lebenssituation der Kinder bezogener Entwicklungsrahmen geschaffen und dadurch ein Profil aufgebaut, das zugleich immer wieder überprüft wurde.

Im Rahmen eines Erprobungsprojektes zur gemeinsamen Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung in Cuxhaven unter wissenschaftlicher Begleitung von A. J. Wieland, Universität Oldenburg, wurde ein solches Vorgehen mit dem Ansatz der Handlungsforschung in Verbindung gebracht. Bestehende Praxisprobleme wurden nach einem Schema aus der Aktionsforschung einer gemeinsamen Lösung zugeführt. Gemeinsam wurde nach Wegen gesucht, zusammen offene Strukturen in der Erziehung entwickelt. Die Aussonderung von Kindern wurde damit beendet, was bis heute für alle Kindergärten in Cuxhaven gilt.

Es zeigte sich sehr schnell, dass die Handlungsforschung als Methodenkonzept auch im Kindergarten als sinnvolles Handwerkszeug zur Lösung von Praxisproblemen genutzt werden kann. Dabei wird nach folgendem Schema vorgegangen:

Einzelheiten zur Theorie und Praxis der Handlungsforschung sind in der Literatur zum Offenen Kindergarten zu finden (1991, 1993). In Kapitel 3 taucht sie noch einmal als Strukturmerkmal auf. Hier soll vor allem der Wert der Handlungsforschung als „Methodenkonzept“ herausgestellt werden. Mit Methode wird der schrittweise praktische Weg des Vorgehens bei der Bewältigung von pädagogischen Fragen und Problemen und deren Überprüfung (Evaluation) bezeichnet – ähnlich wie bei der Planungsmethode des Situationsansatzes mit den Schritten des Erkennens, Planens und Handelns. In der Handlungsforschung beziehen sich die Praxisprobleme jedoch nicht nur auf Kinder, sondern auf alle Bezugsfelder: Kind – Kindergarten; Kind – Kinder; Kinder – Erzieherinnen; Eltern – Kindergarten (Erzieherinnen); Träger – Kindergarten; Umfeld (z.B. Schule) – Kindergarten. Das Konzept besteht darin, dass die inhaltliche Arbeit aus der Klärung der jeweiligen Dynamik im Diskurs aller entwickelt wird. Das erklärt auch, warum jeder Kindergarten seinen eigenen Weg der Öffnung geht.

Eine kind- und zeitgemäße Pädagogik im Offenen Kindergarten ist also das Ergebnis individuellen und gemeinsamen Forschens und kann nicht einfach aus der Praxis anderer Offener Kindergärten übertragen werden. Handlungsforschung bezieht sich immer auf eine spezifische Situation und hat den Charakter des Vorläufigen. Erst die Umsetzung und deren spätere Überprüfung zeigen, ob die Entscheidungen aus dem Diskursgeschehen richtig und sinnvoll waren.

Gemeinsam zu forschen und einen für die Kinder geeigneten offenen Entwicklungsrahmen auszubauen erforderte, das Einzelkämpferische der bisherigen Arbeit abzulegen und gemeinsam mit den Kolleginnen eine Teamentwicklung anzustreben. Ohne diese hätte die Basisbewegung der offenen Arbeit nicht stattgefunden.

1.7 Pädagogische Arbeit begründen