Parlamentarismus vs. Post-Parlamentarismus - Eine Idealtyp orientierte Verortung der Europäischen Union - Robert Huber - E-Book

Parlamentarismus vs. Post-Parlamentarismus - Eine Idealtyp orientierte Verortung der Europäischen Union E-Book

Robert Huber

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2006
Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Politik - Thema: Europäische Union, Note: 1,7, Universität Regensburg (Politikwissenschaft), Veranstaltung: Governance in Mehrebenensystemen - Leistungen und Defizite der Europäischen Union zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Sprache: Deutsch, Abstract: „Was ist Europa? Und, damit zusammenhängend: Was soll Europa sein? Kurz gesagt: Europa hat noch immer keinen Begriff von sich selbst.“ Diese provokante Feststellung von Beck/Grande in einem kürzlich erschienenen Artikel soll als Leitmotiv dieser Arbeit dienen. Das komplexe System „Europäische Union“ entzieht sich durch seine Neuartigkeit jedem Zuordnungsversuch. Oftmals wird es als politisches System eigener Art (sui generis) charakterisiert. Dies kann allerdings in einer wissenschaftlichen Analyse nur als Flucht vor einer begrifflichen Fixierung verstanden werden. Ein durch die Realität geschaffenes neues System bedarf auch neuer Überlegungen und Begriffsschöpfungen. Die in diesem Zusammenhang auftauchenden Begriffe sind nötig, aber trotzdem ist kritisch zu fragen, ob sie den Erkenntnisstand erhöhen, oder ob sie nur ein weiterer „Baum“ im wachsenden „Begriffsdschungel“ sind. Während die Begrifflichkeiten bei der Definition des politischen Systems der EU von „Empire Europe“, „Mehrebenensystem“ bis zum „konsoziativen Staat“ gehen, so wird auch das Regierungssystem mit immer neueren Wortschöpfungen bedacht, da die gängige Spielart der repräsentativen Demokratie, der Parlamentarismus, bezogen auf das System der EU als überholt angesehen wird. Auch im nationalen Rahmen wird den Parlamenten unter dem Schlagwort „Entparlamentarisierung“ ein immer stärkerer Bedeutungsverlust attestiert. Ein in diesem Zusammenhang häufig auftauchender Begriff ist der des „Post-Parlamentarismus“. Dieser erstmals von Andersen/Burns in einem Artikel benutzte Begriff zielt auf die immer schwächer werdende Stellung der Parlamente im Allgemeinen und des Europäischen Parlaments im Speziellen ab. Diese Einschätzung bildet den Nährboden für unzählige Kritik am „demokratischen“ Europa. Die einzige direkt vom Volk legitimierte Institution der EU hätte aufgrund der Vormachtsstellung von Kommission und Rat faktisch kaum Einflussmöglichkeit auf europäische Politik, so die Kritiker. Andere sehen das EU-Parlament wiederum als eine vielfach unterschätzte Institution Europas an. Die um den relativ diffusen Begriff „Post-Parlamentarismus“ entstandene Diskussion ist mannigfaltig und unüberschaubar. Die in der Debatte bisher aber kaum beantworteten Fragen sind: Wie lässt sich der Post-Parlamentarismus eigentlich charakterisieren und lässt sich dieser in der Europäischen Union tatsächlich feststellen? [...]

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Was ist Europa?
2. Arbeitsdefinition Parlamentarismus
3. Die Grenzen des territorial repräsentativen Parlamentarismus
Kapitel
4.1.1. Repräsentationsfunktion
4.1.2. Gesetzgebungsfunktion
4.2. Systemische Perspektive
4.2.1. Souveränität
4.2.2. Verantwortlichkeit
4.2.3. Legitimität
5.1. Rahmenbedingungen des EU-Systems
5.2. Funktionalistische Perspektive
5.2.1. Repräsentation in der EU
5.2.3. Kontrolle in der EU
5.3. Systemische Perspektive
5.3.1. Souveränität in der EU
5.3.2. Verantwortlichkeit in der EU
5.3.3. Legitimität in der EU
5.4. Bewertung der Ergebnisse
6. Schlussbetrachtung

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1. Einleitung: Was ist Europa?

„Wasist Europa? Und, damit zusammenhängend: Was soll Europa sein? Kurz gesagt: Europa hat noch immer keinen Begriff von sich selbst.“1Diese provokante Feststellung von Beck/Grande in einem kürzlich erschienenen Artikel soll als Leitmotiv dieser Arbeit dienen. Das komplexe System „Europäische Union“ entzieht sich durch seine Neuartigkeit jedem Zuordnungsversuch. Oftmals wird es als politisches System eigener Art (sui generis) charakterisiert.2Dies kann allerdings in einer wissenschaftlichen Analyse nur als Flucht vor einer begrifflichen Fixierung verstanden werden. Ein durch die Realität geschaffenes neues System bedarf auch neuer Überlegungen und Begriffsschöpfungen. Die in diesem Zusammenhang auftauchenden Begriffe sind nötig, aber trotzdem ist kritisch zu fragen, ob sie den Erkenntnisstand erhöhen, oder ob sie nur ein weiterer „Baum“ im wachsenden „Begriffsdschungel“ sind.

Während die Begrifflichkeiten bei der Definition des politischen Systems der EU von „Empire Europe“, „Mehrebenensystem“ bis zum „konsoziativen Staat“ gehen3, so wird auch das Regierungssystem mit immer neueren Wortschöpfungen bedacht, da die gängige Spielart der repräsentativen Demokratie, der Parlamentarismus, bezogen auf das System der EU als überholt angesehen wird. Auch im nationalen Rahmen wird den Parlamenten unter dem Schlagwort „Entparlamentarisierung“4ein immer stärkerer Bedeutungsverlust attestiert. Ein in diesem Zusammenhang häufig auftauchender Begriff ist der des „Post-Parlamentarismus“. Dieser erstmals von Andersen/Burns in einem Artikel benutzte Begriff zielt auf die immer schwächer werdende Stellung der Parlamente im Allgemeinen und des Europäischen Parlaments im Speziellen ab. Diese Einschätzung bildet den Nährboden für unzählige Kritik am „demokratischen“ Europa. Die einzige direkt vom Volk legitimierte Institution der EU hätte aufgrund der Vormachtsstellung von Kommission und Rat faktisch kaum Einflussmöglichkeit auf europäische Politik, so die Kritiker. Andere sehen das EU-Parlament wiederum als eine vielfach unterschätzte Institution Europas an.5Die um den relativ diffusen Begriff „Post-Parlamentarismus“ entstandene Diskussion ist mannigfaltig und

1Beck Ulrich/Grande Edgar (2005): „Empire Europe: Politische Herrschaft jenseits von Bundesstaat und

Staatenbund“; in: Zeitschrift für Politik (ZfP); Nr. 4; 52. Jahrgang; Dezember 2005; Baden-Baden; S. 397

2Vgl. Jachtenfuchs Markus (1997): „Die Europäische Union - ein Gebilde sui generis?“; in: Wolf Klaus-Dieter

(Hrsg.): „Projekt Europa im Übergang“; Baden-Baden; S. 15ff.

3„Empire Europe“: siehe Beck/Grande (2005); „Mehrebenensystem“: siehe Benz Arthur (1998b); „konsoziativer

Staat“: siehe Schmidt Manfred G. (2000)

4Vgl. Börzel Tanja A. (2000): „Europäisierung und innerstaatlicher Wandel. Zentralisierung und

Entparlamentarisierung?“; in: Politische Vierteljahresschriften; 41. Jahrgang (2000) Heft 2; S. 225-250

5Vgl. Sebaldt Martin (2002): „Parlamentarismus im Zeitalter der Europäischen Integration“; Opladen; S. 3

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unüberschaubar. Die in der Debatte bisher aber kaum beantworteten Fragen sind: Wie lässt sich der Post-Parlamentarismus eigentlich charakterisieren und lässt sich dieser in der Europäischen Union tatsächlich feststellen? Bis heute existiert keine Art von typologischer Analyse des Begriffes. Dazu soll diese Arbeit einen Beitrag leisten. Im ersten Teil der Arbeit soll für den Begriff des „Parlamentarismus“ eine Arbeitsdefinition entwickelt werden, um eine Abgrenzung zu ermöglichen. Daraufhin soll klar gemacht werden, warum ein neues Verständnis der Parlamente im politischen System angebracht ist. Im zweiten Teil wird anhand verschiedener Variablen eine Typologie des „Post-Parlamentarismus“ in Abgrenzung zum „Parlamentarismus“ entworfen. Die Variablen orientieren sich dabei an einer funktionalistischen und einer systemischen Perspektive, durch die es möglich wird, die Rolle der Parlamente im ZPES zu definieren. Im dritten Teil wird dann die Europäische Union anhand dieser Typologie verglichen. In der Schlussbetrachtung wird die Methodologie dieser Arbeit zusammengefasst und kritisch bewertet. Dabei soll auch auf den Zusammenhang zu aktuellen Entwicklungen der wissenschaftlichen Debatte hingewiesen werden.

Durch dieses Vorgehen soll die zentrale Forschungsfrage dieser Arbeit beantwortet werden: Kann das System der europäischen Union als „Post-Parlamentarisch“ bezeichnet werden? Als Arbeitsthese wird angenommen, dass das System der EU weitreichende Gemeinsamkeiten mit dem Konzept des „Post-Parlamentarismus“ aufweist, wie es von Andersen/Burns vorgeschlagen wurde.

Da es sich um einen sehr jungen Begriff handelt, beschränkt sich die Literatur zum „Post-Parlamentarismus“ weitgehend auf zwei Artikel. Zum einen der bereits erwähnte Beitrag von Andersen/Burns, zum anderen der deutsche Beitrag zum Thema von Arthur Benz. Der Typologieentwurf wird sich weitgehend an die Ausführungen von Andersen/Burns halten, an unklaren Stellen werden aber auch eigene Erweiterungen vorgenommen, wenn sie logisch aus den Ausführungen hervorgehen. Die Erweiterungen beziehen sich dabei besonders auf die funktionalen Aspekte des Parlamentarismus, diese werden von Bagehot abgeleitet und anhand der modernen Form bei von Beyme und Patzelt konkretisiert. Bei der Einordnung der EU im Allgemeinen, und des EU-Parlaments im Speziellen, existiert eine Vielzahl von Literatur. Als die relevanteste deutschsprachige wird in dieser Arbeit auf die Werke von Marschall, Meister und Dreischer zurückgegriffen. Diese Arbeiten besitzen zum einen besondere Aktualität und setzen sich zum anderen speziell mit der Rolle der Parlamente auseinander. Im Folgenden soll nun erstmal eine Arbeitsdefinition hergeleitet werden.

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2. Arbeitsdefinition Parlamentarismus

„Parlamentarismusist ein Begriff, der in seiner Verwendung diffus und vielschichtig ist.“6Aufgrund dieser Verwendungsvielfalt ist es nötig einen für diese Arbeit sinnvollen Begriffsrahmen abzustecken, um eine typologische Verwendung zu ermöglichen. Dabei soll der Begriff geschichtlich von einem weiten Rahmen immer stärker eingegrenzt werden, um ihn dann in einer Arbeitsdefinition zu spezifizieren.