Paule Rennrad - Herbert Friedrich - E-Book

Paule Rennrad E-Book

Herbert Friedrich

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Beschreibung

Paul und Jörg sind seit der Sandkastenzeit beste Freunde. Wenn Jörg „Pau-le“ ruft, weil er nicht so laut pfeifen kann, flitzt Paul aus dem Haus, klettert über eine hohe Mauer – und schon ist er auf dem Hof von Jörgs Haus. Überall hängen große Plakate, die ein Radrennen ankündigen – Start und Ziel ist direkt vor Jörgs Haus. Da Jörgs Familie ganz oben wohnt, gibt es keinen besseren Aussichtspunkt als Jörgs Balkon. Dort wird Paul am Sonntag mit Jörg das Rennen beobachten. Vorher muss Paul aber noch mit Jörg für das Diktat üben. Das hätte er auch getan, hätte er nicht die Filmleute vor dem Laden gesehen, die einen Hund brauchten. Jörgs Hund Brücke ließ sich von Paul entführen und Paul spazierte mit Brücke vor der Kamera, wofür er 5 Mark erhielt. Jörg beobachtete das von oben, riss Paul den Hund aus der Hand, nannte ihn Paule Hundefänger – und aus war es mit der Freundschaft und dem guten Ausblick auf das Rennen am Sonntag. Paul fand dann aber einen noch besseren Platz und durfte für den Rennfahrer Jo den Schlauch aufbewahren. Nach dem Rennen erfuhr er von einer echten Freundschaft, die Alfred den Sieg brachte. Solch ein Freund wollte er dem Jörg auch sein, von dem er schließlich den Namen Paule Rennrad erhielt. Für Kinder ab neun Jahren.

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Impressum

Herbert Friedrich

Paule Rennrad

ISBN 978-3-96521-528-3 (E-Book)

Umschlaggestaltung: Ernst Franta

Das Buch erschien 1966 in Der Kinderbuchverlag Berlin.

Für Leser von 9 Jahren an

2021 EDITION digital

Pekrul & Sohn GbR

Godern

Alte Dorfstraße 2 b

19065 Pinnow

Tel.: 03860 505788

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.edition-digital.de

Paule Rennrad

Wer in die kleine Stadt Blumenberg am Rande der Heide kommt, der frage dort nach der Mühlenstraße, die kennt jedes Kind. Da wohnt nämlich Paule Rennrad. Hoch unter dem Dach eines dreistöckigen Hauses wohnt er, an dem nicht viel zu sehen ist, eines wie jedes andere in der bergigen Mühlenstraße. Vor dem Haus liegt ein Garten mit einem festen Zaun darum, in dem Paules Vater nach Feierabend jätet und hackt und endlich auch einmal erntet. Und hinter dem Haus erstreckt sich ein Hof, der von einer Mauer begrenzt wird. Von dieser Mauer kennt Paule jeden Stein. Dahinter dehnt sich nämlich ein anderer Hof. Der gehört zu dem Haus in der benachbarten Brückenbachstraße. Und dort wohnt Jörg. Und Paule ist sein Freund. Und seinen Namen hat Paule Rennrad diesem Jörg zu verdanken.

Sie hatten zusammen schon im Sandkasten neben der Ziegelmauer gespielt; sie hatten in mehr als einer Expedition den Lauf des Brückenbaches erforscht mit seinen Strauch-Urwäldern, Kiesel-Wasserfällen und Tränken, an denen die Vögel nippten.

Sie hatten die Zeit erlebt, da flinke, spaßige Maurer in der Mühlenstraße auftauchten und die neuen Läden bauten, in denen später Paules und Jörgs Mütter Milch und Gemüse, Fleisch und Backwaren kaufen konnten, gerade über der Straße vor Paules Wohnung. Da konnten sich die Mütter freuen. Solange aber an den Läden gebaut wurde, brauchten sie die beiden Jungen zur Abendbrotzeit nicht mehr zu suchen. Sie wussten genau, wo sie steckten: im Irrgarten der Baustelle, zwischen dem Geschachtel von Kalkbottichen und Schubkarren, unter Gerüsten und auf Ziegelgebirgen. Das war den Müttern nicht recht; wir können es verstehen, denn kein Mensch kann soviel Hosen flicken und waschen, wie die beiden dort verdarben.

Dann kam ein Tag, da erschien Jörg zu einem Treffpunkt mit Paule am schattigen Brückenbach und hatte einen anderen Freund bei sich, der hatte vier Beine und bellte. Das Hündchen brachte er auf dem Arm angeschleppt, ein schwarzes Knäuel. Sein Fell zitterte, und seine Nase war feucht. Jörgs Vater hatte das Hündchen von einem befreundeten Schlosser in der MTS geschenkt bekommen, und er hoffte, Jörg dadurch von der Baustelle fernzuhalten.

Paule freute sich über die Maßen, und sie verbrachten den lieben, langen Nachmittag damit, einen Namen für den Hund zu finden. Und da der Brückenbach ihnen mit seinem Geplätscher raten half, nannten sie das Hündchen Brücke. Ich glaube nicht, dass je ein Hund auf der Welt war, der Brücke hieß. Aber den Namen hatte ja Jörg gefunden, und ihr werdet an der Geschichte sehen, dass Jörg im Erfinden seltsamer Namen groß war.

Der Bau der Ladenstraße gedieh, der Hund wuchs heran, und schon gingen Paule und Jörg das vierte Jahr zusammen in die Schule am Wäldchen, hatten hundert Streiche verübt und tausend Abenteuer bestanden. Ja, sie gingen zusammen, einer wartete auf den anderen, einer schaute nach dem anderen aus. Wenn Paule oben am Fenster des dritten Stockes pfiff, trat Jörg im Haus jenseits der Mauer auf den Balkon heraus, trotz Regens und Schnees und auch in der heißen Sonne. Und wenn es Jörg im Hof zu langweilig wurde, hob er den Hund Brücke auf die Mauer, steckte seinen geschorenen Kopf darüber und rief gellend: „Pau-Ie!“ Denn pfeifen konnte er nicht so schön wie Paule, und die drei Treppen zu ihm hinaufsteigen mochte er nicht, das war Ihm zu hoch.

Und so wartete er an der Mauer, und Brücke musste mitrufen, bis sich Paules schmales, sommersprossiges Gesicht hoch oben am blanken Fenster zeigte. Tauchte es aber nicht auf, rief er wieder: „Pau-Ie!“ Und nun wissen wir schon, wie aus dem Paul ein Paule geworden war. Das aber ist erst die Hälfte seines Namens Paule Rennrad und kaum der Anfang unserer Geschichte.

An einem heißen Juninachmittag saß Paule auf der Mauer, als Jemand seinen Namen rief, mit hoher Stimme und nicht sehr laut; knapp und einfach Paul. Wie ein Befehl.

Paule gehorchte augenblicklich. Die Stimme gehörte seiner Mutter, der Frau Schenk. Er kroch von der Mauer herunter und hastete die Stufen im kühlen Treppenhaus hinauf bis unter das Dach. Die Wohnungstür war schon angelehnt, und Frau Schenk rumorte in der Küche. Sie nickte ihm zu und deutete auf den Tisch. Da lag Geld.

„Hole bitte Milch und Butter“, sagte sie, „sonst haben wir nichts zu essen.“ Sie schaltete das Bügeleisen an. Wenn man den ganzen Tag im Kindergarten arbeitet, muss man sich zu Hause sputen.

Paule bückte sich nach dem Milchkrug. „Einen Liter, drei Stück Butter …“ Er konnte sein Verslein schon auswendig. Auch fragte er, ob sie Eier brauche und Käse, und Herr Klemmchen hätte dieser Tage einen schönen Quark zu verkaufen. Und wenn Jörg käme, der solle warten, er sei gleich zurück.

Dies alles brachte Paule vor, ohne Luft zu holen. Und er schwenkte schon mit dem Milchkrug durch den Flur, als sich die Badtür öffnete. Vaters nasses Gesicht zeigte sich. Das Handtuch hing ihm noch um den Hals. Herr Schenk lachte über die verdutzte Miene seines Sohnes.

„Vater, da bist du ja!“ Paule hatte es auf einmal nicht mehr eilig. Wer will es Paule verdenken, da er doch seinen Vater so selten sah. Tagtäglich fuhr Herr Schenk mit dem Bus in das Stahlwerk, zu Zeiten, da Paule noch schlief oder schon wieder schlief. Den Milchkrug schob er auf das Schränkchen. Er musste die Hände frei haben, weil jetzt der übliche Boxkampf begann.

„Tollt nicht so laut!“, warnte Frau Schenk aus der Küche.

Atemlos hielt Paule inne.

„Für Sonntag“, sagte Vater, „habe ich eine Überraschung. Wir fahren an die Talsperre Malter baden. Da haben wir einen ganzen Tag für uns.“

Paule stieß ein Indianergeheul aus und tanzte im Flur. Das war eine Botschaft, die sich hören ließ. Ja, Vater als Stahlwerker wusste, was Hitze war. Und Mutter bügelte in der Küche. Das war auch nicht gerade eine Arbeit zum Abkühlen. Wie werden sie sich am Stausee strecken …

„Nun geh einkaufen“, mahnte Herr Schenk.

Paule rannte zur Tür hinaus. Die Treppe hinunter und über die Straße, das war alles eins. Hundegebell verfolgte ihn. Das mochte Brücke sein, der bereits mit Jörg auf Paule wartete.

Herrlich ist es, an einem Sommertag an die Talsperre zu fahren und sich im Strandbad zu aalen. Braun kommt er wieder, als wäre er in Kuba gewesen oder zumindest an der Ostsee. Viele Boote treiben über das Wasser und entfalten kleine weiße Segel. Für einen solchen Genuss konnte man sich gut und gern gedulden, bis man im Milchladen an der Reihe war. Und vielleicht durfte Jörg mitfahren …

Da entdeckte Paule das Rennrad, mitten im Milchladen. Das Plakat mit dem Rennrad hing an der Kasse, dort, wo jeder vorübergehen musste und es so leicht sehen konnte. Was wollte das Rennrad im Milchladen?

Eigentlich waren es drei Räder auf dem knallgelben Plakat. Die Rennfahrer lagen in der Kurve und lieferten sich einen Kampf auf Biegen und Brechen; das erkannte Paule an ihren Gesichtern. Und sie wurden ihm lebendig, keuchten, und die Beine wirbelten, und die Räder rasten und schnurrten. Und eine Fanfare schien ihm entgegenzudröhnen: Friedensfahrt! Paule lächelte. Keine Meldung von diesem Rennen im Mai hatte er sich entgehen lassen. Und sein Rad stand wohlgepflegt im Schuppen und sah großen Ausflügen entgegen.

Nun zappelte Paule ungeduldig, bis er seine Waren bekam, und als er endlich an die Kasse treten konnte, vergaß er das Bezahlen, weil er endlich lesen wollte, was auf dem Plakat geschrieben stand.

Preis der MTS Blumenberg - Großes Rundstreckenrennen

Als Paule so weit gelesen hatte, verlangte Herr Klemmchen, der bebrillte Verkaufsstellenleiter mit dem schütteren Haar, energisch das Geld von ihm. Paule bezahlte verdattert, murmelte eine Entschuldigung und wandte sich dann aufs Neue dem Plakat zu.

Rundstreckenrennen in Blumenberg! Er lachte. Er fand die Namen der Straßen, durch die die Rennstrecke führte. Sein Gesicht wurde immer vergnügter. Wer kannte diese Straßen in Blumenberg besser als Paule? Höchstens noch der Abschnittsbevollmächtigte Rose. Die Brückenbachstraße, die Pirnaer Straße, die Mühlenstraße und die Rathausstraße! Ja, das waren ihre Straßen, das war das Gebiet, das Jörg stolz das Mühlenviertel genannt hatte, durchzogen auf vielen Streifzügen, erkundet bis zum letzten Stein. Jede Katze kannten sie beide in ihrem Viertel und jeden Sperling. Und Jörg wird Saltos schießen vor Freude und der Hund Brücke aus dem Staunen nicht herauskommen. Start und Ziel lagen genau vor Jörgs Haus! Und auch durch seine Mühlenstraße würden sie flitzen, die Rennfahrer, hastdunichtgesehen, ssssummmm!

Ja, „Hast du nicht gesehen, Paul?“, wird es heißen nach dem Rennen. Ganz klein stand es auf dem Plakat, klein und winzig und doch das Wichtigste: Am Sonntag rasten die Rennfahrer durch seine Straße, wenn er sich im Strandbad Malter von der Sonne so braun wie ein Kubaner braten ließ.

Paule freute sich nicht mehr auf Malter. Er trottete zurück, schwappte im Hauseingang mit der Milch, ließ den Hund Brücke draußen kläffen und den Jungen Jörg hinter der Mauer Pau-Ie schreien und stellte mit saurem Gesicht Mutter alles auf den Tisch.

Frau Schenk hatte den Kaffeetisch gedeckt. Sie prüfte seine düsteren Augen. „Hast du das Geld verloren?“

„Ach wo.“ Er blieb einsilbig.

„Was ist?“, fragte Herr Schenk.

„Am Sonntag, nach Malter, das wird heiß werden im Bus."

„So.“

„Die vielen Menschen … Vielleicht kommen wir gar nicht mit …“

„Soso.“

„Vielleicht regnet es auch am Sonntag, oder es ist zu kalt, dann erkälten wir uns, wenn wir nach Malter fahren …“ Paule schwieg ratlos, und die Eltern lächelten sich zu.

„Was gibt es also?“, fragte Vater.

„Ein Radrennen. Am Sonntag. In unserem Viertel. Stellt euch vor, die fahren durch unsere Straße.“

Frau Schenk setzte die Tasse ab.

„Von überallher werden die Menschen kommen, von Leipzig und Dresden und Berlin …“

„Und von Malter“, ergänzte die Mutter heiter.

Paule nickte eifrig. Und sie wollten wegfahren, wo sie alles vor der Haustür hätten?

Vater und Mutter lachten über seinen Eifer. Da wusste Paule, er wird die Rennfahrer zu sehen bekommen, und er stieß einen Juchzer aus. Nun hofften sie alle drei nur noch, dass der Sonntag nicht so heiß wird. Die Radfahrer könnten nämlich zu sehr schwitzen, und sie selber auch, da es doch mit dem Baden nichts wurde.

Als draußen ein Hund bellte, erinnerte er sich seines Freundes, und als er endlich vor ihm stand, saß der böse im Schatten auf der Hofmauer. „Wo bleibst du bloß“, knurrte Jörg. Den Hund Brücke hielt er auf den Knien.

„Ich weiß etwas, ich weiß etwas!“, sang Paule, um Jörg zu versöhnen, der Hund stimmte ein. In den Wohnungen oben öffneten sich zwei, drei Fenster. Mit einem Blick die Hauswände hoch brach Paule sein Hofkonzert ab.

Er flüsterte: „Komm mit, ich zeig dir was.“

Jörg wurde ein bisschen freundlicher. Er bequemte sich, von der Mauer herabzusteigen. Paule lärmte schon auf der Straße umher.