Pauschal ins Paradies - Jakob Hein - E-Book

Pauschal ins Paradies E-Book

Jakob Hein

3,9

Beschreibung

Das sommerliche Reisen in die Urlauberhochburgen verlangt nach einer schrägen und wahren literarischen Aufarbeitung! In diesem Buch leisten Schriftsteller und Musiker ihre Beiträge für den Weltfrieden: Jakob Hein lästert über die Passagiere, mit denen er nach Mallorca fliegen wird, Matthias Klaß stressen im Ferienlager die Hormone, Ice sieht sich während einer Safari dem Überlebenskampf ausgeliefert, Rigoletti muss sich in Spanien von ihrem Kind beschimpfen lassen, Ahne ist auf den Spuren bayrischer Mythen, Andreas Gläser droht vor Malta mit seinem Schiffchen zu kentern, Willi Wucher zeigt der Unterschicht den Weg nach Sylt …

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Collect 6

 

 

 

 

 

 

 

Collect 6

Verlag Voland & Quist, Dresden und Leipzig, 2007

© by Verlag Voland & Quist – Greinus und Wolter GbR

Umschlaggestaltung: Mario Helbing und Marcel Theinert

Gestaltung und Satz: Tropen Studios, Leipzig

ISBN: 978-3-86391-053-2

www.voland-quist.de

 

INHALT

 

Matthias Klaß Sieben Sommersprossen

Anne Hahn Freundesland

Frank Willmann Her mit den kleinen Tunesierinnen!

Spider Weiße Nächte mit zollfreiem Stoff

Falko Hennig China gibt es doch

Gabriele Damtew Für eine Handvoll Dollar

Jakob Hein Auf dem Weg nach irgendwo

Marion „Rigoletti“ Pfaus Was will ich in Spanien, wenn ich kein Wort Spanisch spreche

Jan Off Dynamo Opfergang

Ahne Gefüllte Rauchfleischrolle

Jan Drees All Inclusive

Jochen Schmidt Salz auf unseren Hoden

Konrad Endler Bad Grund (Oberharz)

Volker Strübing Unerwünschter Einblick

Uli Hannemann Malle und abwinken

Yaneq Dogmaurlaub

Friederike von Koenigswald Sandhügel im Atlantik

Mattias Klaß Türkye Mectubu

Ice Mightmare on the Niemandsroad

Willi Wucher Sylt – die Reichen, die Schönen und Willi Wucher

Andreas Gläser Malteser Hafenrundfahrt

Ian Beer Wenn Könige reisen

Robert Weber Vom Vergessen der Welt

Ahne Flausen

 

SIEBEN SOMMERSPROSSEN

 

MATTHIAS KLAβ

 

         Als Schulkind kamen meinem Reisewahn die Kinderferienlager der DDR entgegen, die zu Hunderten im Arbeiter- und Bauernstaat existierten. Mit sieben Jahren durfte ich das erste Mal fahren, mit dreizehn das letzte Mal. Üblicherweise dauerte ein Aufenthalt zwei Wochen, was mir viel zu wenig war. Also fuhr ich, gerade zu Hause angekommen, meist noch einmal in ein anderes Lager. Von den acht Wochen Sommerferien, mit denen die DDR ihre Schüler beschenkte, war ich sechs Wochen unterwegs; zwei Wochen mit meinen Eltern auf der Insel Poel oder in Arendsee, und vier Wochen im Ferienlager. Ich wäre auch in den restlichen zwei Wochen verreist, doch meine Eltern waren dagegen, weil ich sie noch länger mit dem gnadenlosen Nachäffen irgendwelcher Fremddialekte neuer Kameraden genervt hätte. Meine Ferienlagerpremiere hatte ich in Ruhla. Es folgten Freiberg, Wilhelmstal, Kamsdorf, der Kyffhäuser, Saalfeld, Rheinsberg und Prebelow. Letzteres war mein Abschiedsferienlagerurlaub. Ich fühlte mich das erste Mal im Leben zu alt, ich wurde vierzehn. Das letzte Intermezzo sollte das schönste werden. Prebelow war wie alle anderen Lager auch. Um zehn vor sieben dröhnten blechern die Pionierlieder aus den Lautsprechern, welche heute höchstens noch Depeche Mode als Staffage für ihre Videos nutzen könnten. Dann ging es zu den Waschräumen, der Frühsport schloss sich an, gefolgt vom Morgenappell. Nach dieser allmorgendlichen Prozedur durfte zum Frühstück eingerückt werden. Natürlich nicht ohne vorher die Betten gemacht zu haben und die Stuben zu kehren. Prebelow war zweigeteilt, in ein Pionier- und ein Betriebsferienlager, wie sie jeder größere VEB der DDR unterhielt. Die Betriebe tauschten untereinander Lagerplätze, damit die Kinder der Arbeiterklasse nicht immer in denselben Baracken Ferien zu machen brauchten. Die Pionierferienlager hingegen waren Elitecamps, in die nur jene Rausgucker reisen durften, die durch hervorragende Leistungen bestochen hatten. Sie würden später den Arbeiter und Bauernstaat in eine goldene Zukunft führen, so dachten damals fast alle. Normalerweise hätten wir uns über solch eine Klassifizierung in der klassenlosen Gesellschaft beschweren sollen. Doch wir hatten nichts dagegen, zur Unterklasse stigmatisiert zu werden, zumal wir den ganzen Tag in Nickis und Niethosen, oder in Sporetta-Trainingsanzügen rumschlurfen durften, wohingegen den Strebern nur Pionierhemden und Halstücher gestattet wurden.

Aber noch etwas war anders in diesem Sommer. Das menschliche Wunder der Pubertät hatte begonnen unsere Kindheit zu beenden. Wir warfen nicht mehr mit Steinen nach den Mädchen, sondern kritzelten verstohlen kleine Liebesbriefchen, die wir heimlich durch die angekippten Fenster der Mädchenbaracken warfen. Dass wilde Gekicher der Insassen bestätigte unsere Vermutung: Wir waren Männer geworden! Echte Kerle! Stolz prahlten wir in den Waschräumen mit den ersten Anzeichen unserer Schambehaarung. Im Lagerwellblechdachkino lief unser Spielfilm: „Sieben Sommersprossen“, ein DEFA-Porno, jedenfalls nannten wir den Film so, weil in einer Szene eine nackte Jugendliche gezeigt wurde. Er handelte von zwei jungen Menschen, die zum letzten Mal in ein Ferienlager reisten, um sich dort das erste Mal zu verlieben. Kurz: Dieser Film handelte von uns! Nicht wenigen ging besonders die Nacktszene so nahe, dass sich der ein oder andere sogar nachts damit beschäftigte, wovon am nächsten Morgen zahlreiche eingetrocknete Flecken in der Bettwäsche und auf der Schlafanzughose stumm zu berichten wussten. Wir gingen nicht mehr mit Teddybären ins Bett, sondern mit schmutzigen Phantasien. Omas Warnungen bezüglich der Selbstberührung verhallten ungehört im Schlachtenlärm ungezügelter Hormonrevolution.

Eines Appellmorgens musste mein Doppelstockbettnachbar vor versammelter Mannschaft zum Lagerleiter vor, um sich eine Standpauke halten zu lassen. Zu unserer Überraschung ging es aber nicht um seine nächtlichen Genitalringkämpfe, sondern um den pechschwarzen Rand an seinem Bettlaken. Ohne nennenswerte Zurückhaltung denunzierte mich dieser Schleuderbaron: „Dass ist die Schuld von Matthias Klaß, der tritt immer mit seinen Füßen auf mein Bettlaken, wenn er in seine Koje steigt.“ Der Boss funkelte mich an: „Wieso wäschst du dir nicht die Füße?! Schon vergessen: Wir Thälmannpioniere halten unseren Körper sauber und gesund.“ Ich wollte ihn erst belehren, dass die Füße zu meinen Gliedmaßen und nicht zu meinem Körper gehören, doch sein drohender Blick riet mir ab. „Tut mir ja leid“, suchte ich mein Heil in einer Ausrede. „Aber ich hab meine Seife verloren und mein Taschengeld ist alle.“ Er zitierte eine andere Regel: „Wir Thälmannpioniere sind stets hilfsbereit und helfen einander! Du kannst dir sicher von deinem Kameraden die Seife borgen. Dann hast du saubere Füße und er ein sauberes Bett.“

„Von wegen!“, dachte ich spöttisch. „Wenn heute Nacht die Federn unter seiner Matratze knarren, sieht’s wieder aus wie Sau.“

In einem Bungalow in der Nähe des Essenraumes waren Schulkinder aus Kassel untergebracht. Es waren die Kinder von DKP-Genossen, einer vom Verfassungsschutz verfolgten kommunistischen Partei, der Folgepartei der verbotenen KPD von Ernst Thälmann. Sie kamen uns in ihren bunten Nickis mit den Werbezügen von verschiedenen Zigarettenfirmen wie die Kinder von Außerirdischen vor. Wenn sie uns erzählt hätten, dass ihre Mütter einst von Marsmenschen entführt worden seien, die jetzt ihre Väter waren – wir hätten ihnen vermutlich geglaubt. Obwohl heranwachsende Kommunisten, zeigten die Kinder aus der menschenfeindlichen BRD keinerlei Disziplin oder Klassenbewusstsein. Im Gegenteil, sie sollten dafür sorgen, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben mit Rowdytum konfrontiert wurde. Und das kam so: In unserem Lagerkino wurde einmal mehr „Sieben Sommersprossen“ gezeigt. Die Kasseler waren gerade eine Woche da und sollten schon am nächsten Tag abreisen. Sie hatten jenen Film, von dem das ganze Lager sprach, noch nicht gesehen und wollten heute Abend dieses Versäumnis nachholen. Doch unangemeldet traf am Vormittag eine Busdelegation Leninpioniere ein, also Jungs der sowjetischen Ausgabe unserer Organisation. Sie wurden mit allen Ehren empfangen und für den Abend ins Kino eingeladen. Natürlich konnte man den sowjetischen Bruderkindern nicht den Anblick ausgebeuteter Kapitalistenkinder zumuten. Ergo wurden die Kasseler wieder ausgeladen. Diese reagierten nun, wie sie es zu Hause von ihren großen Brüdern der 68er-Bewegung gelernt hatten. Sie warfen in Ermangelung von Molotowcocktails Steine und Knüppel auf das Wellblechdach des Kinos, so dass die Volkspolizei gerufen werden musste. „Das sind die Symptome des faulenden sterbenden Kapitalismus“, zitierte unser Lagerleiter beim nächsten Morgenappell den großen Vater der sozialistischen Oktoberrevolution, „sie haben in unserer Mitte weder Platz noch Zukunft“. Nur drei Tage später endete mein Lagerleben für alle Ewigkeit.

Als ich ausgelernt hatte, zog es mich in die Weiten der Welt. Ich heuerte am „Zentralen Jugendobjekt Erdgastrasse“ an, welches der DDR-Regierung diente, um Weltkriegsreparationen an das Freundesland UdSSR zu leisten. In Beresowka, im Uralgebirge, an der europäischen Westgrenze, tat ich meine Pflicht: Zu Gast bei Freunden. Mein Opa hatte in seiner Jugend ebenfalls die UdSSR besucht, war aber nur halb so weit gekommen – bis Stalingrad. Allerdings war er auf Befehl marschiert und nicht, wie ich, freiwillig hier. Letztlich standen sein und mein Sold nicht in gerechtfertigter Relation zueinander. Opa staunte: „4000 Kilometer!“ Ich antwortete: „Tja, mit Höflichkeit kommt man eben weiter.“

Heutzutage habe ich nur ein Andenken aus der Zeit der Ferienlager, obwohl ich seit zehn Jahren mit meiner Freundin glücklich bin das Video „Sieben Sommersprossen“.

 

FREUNDESLAND

 

ANNE HAHN

Der Zug schneidet endlose Nebelfelder entzwei. Dass Polen so groß ist. Ich drücke die Stirn an die Scheibe des Schlafwagenabteils. Ben ist im Sitzen eingeschlafen und hält meine Hand. Max grinst mich im Spiegelbild an. „Noch nen Jägermeister?“ „Rück rüber“, ich mache vorsichtig den rechten Arm frei. Aus dem belegten oberen Bett schießt ein böser Blick auf uns herab. „Nastarowje“ sage ich auf das blasse Gesicht zu, das schnell verschwindet.

Die Stunden verfliegen. Irgendwann nicke ich ein, halb sitzend, den Kopf in die Jacke vergraben. Verschlafe den Gleiswechsel in Brest. Das Rattern und Schunkeln wird zur Musik. Es dämmert, als ich aus einem Traum hochschrecke, in dem Ben mir einen Armstumpf entgegenreckt, während seine abgetrennte Hand auf den Eisenbahnschienen liegen bleibt.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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