Perry Rhodan 1803: Der Riese Schimbaa - Hubert Haensel - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 1803: Der Riese Schimbaa E-Book und Hörbuch

Hubert Haensel

0,0

Der Titel, der als Synchrobook® erhältlich ist, ermöglicht es Ihnen, jederzeit zwischen den Formaten E-Book und Hörbuch zu wechseln.
Beschreibung

Sie suchen das Tor zu Kummerog - eine Verheißung soll sich erfüllen Mit dieser Entwicklung konnte niemand rechnen: In direkter Nachbarschaft der Erde ist eine fremde Kultur aufgetaucht - und zwar auf Trokan, dem "zweiten Mars", der in einer spektakulären Aktion gegen den Roten Planeten ausgetauscht worden war. Dabei ist die Situation im Jahr 1288 Neuer Galaktischer Zeitrechnung - das entspricht dem Jahr 4875 alter Zeit - angespannt genug. In der Menschheitsgalaxis haben die Arkoniden alte imperiale Träume wiederbelebt und das Kristallimperium etabliert. Seit Jahrzehnten beäugen sich die Machtblöcke der Arkoniden, der Liga Freier Terraner und des in sich zerstrittenen Forums Raglund voller Misstrauen. Perry Rhodan ist einer der wenigen, von denen sich Milliarden Intelligenzwesen in der Galaxis einen Ausweg aus der Krise erhoffen. Mit seinen unsterblichen Freunden hat sich der Terraner aus der Politik zurückgezogen und das geheimnisvolle Projekt Camelot aufgebaut. Eine neue Zivilisation in direkter Nachbarschaft zur Erde, die sich im Schutze eines Zeitrafferfeldes entwickelte - das konnte aber nicht einmal der unsterbliche Terraner einkalkulieren. Und was auf die Herreach zukommt, verändert deren gesamtes bisheriges Weltbild. Unter anderem erscheint DER RIESE SCHIMBAA …

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 141

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:3 Std. 39 min

Sprecher:Oliver El-Fayoumy
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 1803

Der Riese Schimbaa

Sie suchen das Tor zu Kummerog – eine Verheißung soll sich erfüllen

von Hubert Haensel

Mit dieser Entwicklung konnte niemand rechnen: In direkter Nachbarschaft der Erde ist eine fremde Kultur aufgetaucht – und zwar auf Trokan, dem »zweiten Mars«, der in einer spektakulären Aktion gegen den Roten Planeten ausgetauscht worden war.

Dabei ist die Situation im Jahr 1288 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 4875 alter Zeit – angespannt genug. In der Menschheitsgalaxis haben die Arkoniden alte imperiale Träume wiederbelebt und das Kristallimperium etabliert. Seit Jahrzehnten beäugen sich die Machtblöcke der Arkoniden, der Liga Freier Terraner und des in sich zerstrittenen Forums Raglund voller Misstrauen.

Perry Rhodan ist einer der wenigen, von denen sich Milliarden Intelligenzwesen in der Galaxis einen Ausweg aus der Krise erhoffen. Mit seinen unsterblichen Freunden hat sich der Terraner aus der Politik zurückgezogen und das geheimnisvolle Projekt Camelot aufgebaut.

Eine neue Zivilisation in direkter Nachbarschaft zur Erde, die sich im Schutze eines Zeitrafferfeldes entwickelte – das konnte aber nicht einmal der unsterbliche Terraner einkalkulieren. Und was auf die Herreach zukommt, verändert deren gesamtes bisheriges Weltbild. Unter anderem erscheint DER RIESE SCHIMBAA …

Die Hauptpersonen des Romans

Gloom Bechner – Der ehrgeizige Journalist sorgt auf Trokan und im ganzen Solsystem für Unruhe.

Bruno Drenderbaum – Der Assistent des LFT-Kommissars versucht die Journalisten-Gruppe zu stoppen.

Presto Go – Die oberste Künderin der Herreach.

Gen Triokod – Einer der wichtigsten herrachischen Freiatmer.

Sibyll Norden und Mirco Adasta

1.

Das Hologramm hatte die Brillanz einer syntronisch nachbearbeiteten Studioaufnahme, vermittelte zugleich aber auch das Flair des Augenblicks. Deutlich traten die rötlich schimmernden Adern in dem gläsern wirkenden Gesicht hervor.

Der Schädel erinnerte an ein auf die Spitze gestelltes Ei. Die schräg stehenden, geschlitzten grünen Augen ebenso wie der kleine und schmale Mund wurden von dem fleischigen Nasenrüssel dominiert.

Die eigenartige Transparenz der Haut und des darunter liegenden Gewebes vervollständigten den Eindruck der Fremdartigkeit. Dieses Wesen war auf Trokan geboren worden, dem neuen vierten Planeten des Solsystems.

»… ich glaube, im Namen vieler zu sprechen, wenn ich behaupte, die Eingeborenen von Trokan sind Stiefkinder der Sonne …«

Die Sendung war eine perfekte optische Darstellung, verbunden mit einem Kommentar, der den Hunger nach mehr weckte. Aber das war leider alles illegal. Unmittelbar nach dem Ausfall des Zeitrafferfelds hatte der LFT-Kommissar Trokan zum absoluten Sperrgebiet erklärt.

»Die Sendung wird über Relais im gesamten Sonnensystem verbreitet«, lautete die lapidare Feststellung der Funkzentrale.

»Das interessiert mich nicht. Ich will wissen, ob die Peilung endlich steht.«

Bruno Drenderbaum, nur 1,65 Meter groß und schmächtig, mit rundem Gesicht, schwarzem Haarkranz und tief in den Höhlen liegenden dunklen Augen, wurde von anderen leicht übersehen. Ihm machte das nichts aus. Im Gegenteil. Mit seinem nachgiebigen Lächeln und der meist ein wenig ängstlich wirkenden Haltung trug er selbst dazu bei. Je weniger er als Assistent des LFT-Kommissars Beachtung fand, desto gezielter konnte er aus dem Hintergrund heraus agieren.

Die Wiedergabe im Hologramm wechselte und zeigte einen mit Wolkenfetzen bedeckten Nachthimmel. Flackerndes Wetterleuchten, von einzelnen Blitzen durchbrochen. Dann schmucklose, aus Backsteinen gemauerte Häuser, eine schmale Gasse, spärlich erhellt von primitiven Glühlampen.

Auf der Nachthälfte des Planeten brauten sich Gewitter zusammen. Sturmböen mit Geschwindigkeiten von mehr als fünfzig Stundenkilometern wirbelten die dünne Atmosphäre durcheinander. Nach Jahrmillionen konstanter Klimabedingungen im Schutz des Temporalfelds waren erstmals die Temperaturen in die Nähe des Gefrierpunkts gesunken. Das konnte nicht ohne Folgen bleiben.

»Wo bleiben die Daten? Überspielung zu mir!«

Ein Koordinatensystem. Drenderbaum achtete nicht mehr auf die Nachrichtensendung von Terrania News Report. In Gedankenschnelle wechselte die Wiedergabe auf dem Monitor.

Die Nachtseite des Planeten. Äquatorialbereich. Die automatische Funkpeilung blendete Markierungen ein. Endlich eine Stabilisierung.

SENDER WURDE LOKALISIERT. DISTANZ 2480 KILOMETER. ZIELKOORDINATEN …

»Ich übernehme den Anflug in Handsteuerung.«

Vor den beiden Korvetten, Beibooten des LFT-Flaggschiffs PAPERMOON, lag die größte Ansiedlung auf Trokan. Eingebettet in eine weitläufige, intensiv landwirtschaftlich genutzte Ebene, die nur im Norden von mittelgebirgsähnlichen Höhenzügen begrenzt wurde.

Eine Millionenstadt war rings um das 1089 Meter hohe Bohrkopfobjekt entstanden, das 250 Millionen Relativ-Jahre offenbar unbeschadet überdauert hatte. Was immer auf dem ehemaligen Archivplaneten der Ayindi geschehen war, es hatte am 15. September des Jahres 1222 NGZ begonnen, als genau dieser Bohrkopf sich aus dem Boden gewühlt hatte. Nur war er damals lediglich 30 Zentimeter groß gewesen.

Inzwischen stand die PAPERMOON im Zentrum der Stadt, auf dem freien Platz neben dem Bohrkopf. Cistolo Khan hatte erste Kontakte zu den Eingeborenen hergestellt.

»Ortung?«

Nichts. Weder Masse- noch Energieanzeige. Die Space-Jet der Terrania News Report war und blieb verschwunden.

»Dieser Bechner ist ein Hasardeur.« Bruno Drenderbaum knirschte mit den Zähnen. »Nur wenige Kilometer von der PAPERMOON entfernt dreht er seine Spots.«

Ihm war nicht klar, ob er den Chefreporter von TNR wegen seiner Unverfrorenheit bewundern, oder wegen Dummheit bedauern sollte. Wahrscheinlich ersteres. Die Space-Jet hatte Bechner vermutlich in einem Gebirgstal im Schutz des Deflektorschirms zurückgelassen.

Die Silhouette der Stadt. Deutlich erkennbar der weit mäandernde Flusslauf, der die Siedlung teilte. Nebel hing über der Szenerie; Bilder wie aus einem alten Kriminalfilm zur Zeit der ersten Mondlandung. Bruno Drenderbaum entsann sich. London war damals eine beschauliche Metropole gewesen.

DISTANZ 18 KILOMETER, erschien eine neue Einblendung auf dem Monitor.

»Das Ziel ist lokalisiert, es bewegt sich flussabwärts.«

Drenderbaum kniff die Brauen zusammen. Bevor er nachfragen konnte, kam ein Zusatz.

»Der Sender treibt auf dem Wasser.«

»Auffischen!«

Nicht übel, Bechner!, dachte er. Gar nicht ungeschickt. Aber das wird dir kaum helfen.

Das Hologramm erlosch. Augenblicke, bevor ein Traktorstrahl den Hyperfunksender an Bord der Korvette holte. Es handelte sich um eine Mini-Kamera mit Zusatzchip. Die Sendung hatte nahezu die gesamte zur Verfügung stehende Energie verbraucht. In wenigen Sekunden wäre deshalb der Antigrav ausgefallen und das teure Gerät im Schlamm des Flussbettes versunken.

»Die Suche flussaufwärts ausdehnen!«, bestimmte Drenderbaum. »Infrarot, Energie …«

»Ortung!«, meldete jemand. »Schwache Emission bei vier Kilometer Distanz.«

»Genauer!«

»Verzerrte Charakteristika einer Thermowaffe.«

»Ist dieser Sensationsreporter verrückt geworden?«, stieß Drenderbaum hervor. »Falls er sich mit Trokanern anlegt, wird er seines Lebens nicht mehr froh. Das verspreche ich. – Neue Position anfliegen! Landekommando fertig machen zum Aussteigen!«

*

Schieß!, dröhnte es unter Gloom Bechners Schädeldecke. Schieß, bevor er dich erwischt!

Sein Finger berührte den Auslöser … doch er zögerte. Die Korvetten der PAPERMOON würden die Energieentladung orten und wie Aasgeier herabstürzen. Was ihn danach erwartete, konnte er sich lebhaft ausmalen. Im schlimmsten Fall eine Anklage wegen Gefährdung der inneren Sicherheit der LFT. Das bedeutete, dass er seinen Job an den Nagel hängen musste. Und das wäre für ihn fast wie der Tod, denn er war Reporter mit Leib und Seele. Ohne den täglichen Balanceakt auf dem schmalen Grat zwischen Sensation und Moral würde er verkümmern wie eine Blume ohne Wasser.

»Gloom«, krächzte Sibyll, »willst du dich umbringen lassen?«

Sie war bis zu den Hütten zurückgewichen, während Mirco Adasta immer noch mitten auf der Gasse stand und ohne Rücksicht auf die eigene Sicherheit filmte. Ein kurzer Schwenk hinauf zu den Korvetten …

Das gibt wenigstens Material für einen würdigen Nachruf.

Schmerzhaft drückte das rostige Eisengeländer unter die Schulterblätter des Chefreporters. Er konnte nicht weiter zurück, nicht einmal mehr in die stinkende Kloake springen und untertauchen. Die Schritte des Monstrums erschütterten die Uferbefestigung. Eine massige Gestalt, dennoch seltsam unwirklich, transparent wie die Körper der Eingeborenen. Oder sogar durchscheinend. Für einen flüchtigen Moment schienen die Säulenbeine, schien der wuchtige Körper sich auflösen zu wollen …

Einbildung!

Bechner schoss, als die mächtigen Pranken nach vorne zuckten. Der Thermostrahl brannte sich in die Brust des Angreifers – oder floss er vorher auseinander? Dem Chefreporter blieb keine Zeit, sich darüber klar zu werden. Eine der Pranken klatsche neben ihm auf das Geländer, die Eisenstangen zerbrachen mit bösartig reißendem Geräusch; gleichzeitig verlor er den Halt und taumelte rückwärts.

Sein zweiter Schuss ging fehl und zog eine Glutspur quer über Backsteinmauern. Für die Dauer eines erschreckten Herzschlags ruderte Gloom Bechner hilflos mit den Armen.

Wieder stieß er gegen das Geländer, das jetzt weit über die Uferkante hing. Das Eisengitter fing ihn auf, doch als er nach einer der Querverstrebungen griff, sackte es ruckartig nach unten durch.

Er schrammte über die Ufermauer, der Schmerz raubte ihm beinahe die Besinnung. Nur noch als verzerrten Schemen nahm er die riesenhafte Gestalt über sich wahr.

Ein neuerlicher Ruck. Das Geländer brach weiter aus. Mit Händen und Füßen suchte Bechner Halt an der rauen Steinmauer, und irgendwie schaffte er es, sich abzustützen. Von oben erklang dumpfes Dröhnen und Poltern, als schleife eine Horde mittelalterlicher Belagerer die Stadtmauern.

Bislang hatten die Korvetten ihre Position flussabwärts nicht verändert. Immer noch verbot es sich von selbst, das Flugaggregat zu aktivieren. Den flachen Kombistrahler hatte Bechner wieder an der Magnethalterung befestigt; beide Hände verkrallte er in Mauerfugen, an denen er sich in die Höhe ziehen konnte. Dann, endlich, schwang er sich über die Uferkante hinweg. Gleichzeitig brach das Eisengeländer endgültig aus und verschwand aufspritzend in der stinkenden Brühe.

Bechners Blick fraß sich an dem Stiefelpaar fest, das zum Greifen nahe vor ihm aufragte. Wenn Mirco Adasta filmte, konnte alles um ihn herum im Chaos versinken, er nahm nichts anderes wahr als das Sucherbild.

Bechner folgte der Blickrichtung des Kameramanns. In einer der Fassaden klaffte ein ausgezacktes Loch. Kostbare Sekunden vergingen, bis er begriff, dass die seltsame Kreatur …

»Die Korvetten!«, warnte Sibyll.

Bedrohlich tief schwebten beide Beiboote heran. In gut zweihundert Meter Höhe schleuste ein Landetrupp aus.

Inzwischen kamen die ersten Trokaner, vom Lärm aufgescheucht, wie Maulwürfe aus ihren Bauten.

»Haltet die da oben auf!«, rief Bechner den Eingeborenen zu, wohl wissend, dass sie ihn nicht verstanden. Doch seine Gesten waren eindeutig, die musste der Dümmste begreifen.

Es gab nur einen Weg: dem Monstrum folgen. Selbst im Laufen hielt Adasta die Kamera.

Bilder voll Dramatik entstanden – Licht und Schatten in bizarren Mustern miteinander verschmelzend, dazwischen wie Schattenwesen, die verwirrten Eingeborenen. Und über der Szene, eine bedrohliche Demonstration uneingeschränkter Macht, beide Korvetten.

»Hier entlang, Gloom! Beeile dich!«

Ziegelstaub hing erstickend in der Luft, doch davon bemerkten die Reporter dank ihrer Atemverdichter nur wenig. Sibyll hatte ihren Scheinwerfer auf minimale Leistung geschaltet. Geisterhaft bleich wurde der Lichtkegel reflektiert.

Bechner klappte den Holoprojektor vor sein Auge. Tatsächlich stabilisierten sich die Umrisse eines Gesichts. Tief in den Höhlen liegende schwarze Augen schienen ihm bis auf die Seele zu schauen.

»Gib auf, Gloom Bechner!«, erklang eine markante Stimme. »Eine Flucht verschlimmert deine Situation nur …«

Bruno Drenderbaum. Ausgerechnet der Assistent des LFT-Kommissars war hinter ihnen her. Bechner stieß eine Verwünschung aus. Drenderbaum galt als unglaublich zäh. Zumindest bei denen, die schon mit ihm aneinandergeraten waren.

»Denk an deine Leute, Gloom! Ich glaube nicht, dass sie ebenso leichtfertig wie du ihre Zukunft aufs Spiel setzen.«

Der fahle Lichtkegel erfasste zwei dürre, durchscheinend wirkende Gestalten. Wie Glasspringer vom Arcturus, durchzuckte es den Chefreporter. Doch der Vergleich war an den Haaren herbeigezogen. Glasspringer waren kaum mehr als instinktgeleitete Tiere, Symbionten ihrer Umwelt. Die Trokaner besaßen Intelligenz.

Mit seltsamen Verrenkungen, die nur dank extrem beweglicher Kniegelenke möglich waren, sanken die Eingeborenen zu Boden. Kehlige Laute ausstoßend, reckten sie ihre Nasenrüssel den Terranern entgegen. Ihre Sprache schien reich zu sein an krächzenden Tonfolgen.

Noch übersetzten die Translatoren nicht, war die Syntronik damit beschäftigt, die Grundzüge des fremden Idioms zu analysieren.

Die Spur der Verwüstung endete in einem Innenhof, einem sich nach oben kegelförmig verjüngenden Freiraum. Nur wenig Himmel war zu sehen, beherrscht von flackerndem Wetterleuchten.

Ungefähr fünfzehn Meter durchmaß der Hof. Im Zentrum, umgeben von einer knapp kniehohen Mauer, führte ein Brunnenschacht in die Tiefe. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Brunnen für die Trinkwasserversorgung. Wasser schien auf Trokan ein kostbares Gut zu sein, und Bechner konnte sich nur schwer vorstellen, dass die Eingeborenen ihren Bedarf aus dem Fluss deckten. Zumindest nicht in diesem Abschnitt, in dem er eine Brutstätte für Krankheitserreger zu sein schien.

»Wir wissen, dass du in einem der Häuser steckst, Bechner.« Wieder erklang Drenderbaums Stimme in seinem Gehörgang. »Mach es nicht noch schlimmer!«

Er hatte eine Erwiderung auf der Zunge. Ziemlich unwirsch. Doch er schluckte sie unausgesprochen hinunter. Obwohl vermutlich ein Großteil der Zuschauer auf so etwas wartete – auf Worte, mit denen der kleine Mann seinen Frust abreagieren konnte.

Die Luft begann zu flimmern. Innerhalb von Sekundenbruchteilen erschienen die Umrisse einer kantigen Gestalt, die aber nicht gänzlich materialisierte, als sei ein Teleporter in einer Grenzschicht zwischen fünfter Dimension und Normalraum steckengeblieben.

Die Erscheinung wirkte längst nicht so monströs wie zuvor. Über dem Brunnen löste sie sich auf. Verwehende Nebelschwaden wirbelten in die Tiefe.

»Meinst du, da unten gibt es wirklich nur Wasser?«, fragte Adasta. Er warf einen forschenden Blick hinüber zu den Eingeborenen, die einen monotonen Singsang angestimmt hatten. »Kummerog«, erklang es. Scheinbar endlos. Wie eine Gebetsmühle.

»Deine Galgenfrist läuft ab, Gloom Bechner«, schimpfte es in seinem Ohr. »Bedauerlich, dass du keine Vernunft angenommen hast.«

»Warum sollte ich?«

Die fragenden Blicke seiner Begleiter ignorierte der Chefreporter; sie würden schon von selbst darauf kommen, dass er auf Funkempfang reagiert hatte.

Ein schmetternder Schlag, gefolgt von stakkatoartigem Prasseln, ließ jeden zusammenzucken. Blendende Helligkeit erfüllte plötzlich den Innenhof. Es begann zu regnen. Dicke, schwere Tropfen klatschten herab, zerstäubten und wurden von den trockenen Ziegeln aufgesogen.

Das Gewitter entlud sich unmittelbar über der Stadt.

Im flackernden Widerschein wirkten die Eingeborenen zu bleichen Statuen erstarrt. Ihr Gesang war verstummt. Bechner sah, dass die Nässe in den Gesichtern glitzernde Spuren hinterließ. Sie hoben witternd die Nasenrüssel, als hätten sie nie zuvor Regen erlebt.

Ihr »Kummerog« war verstummt.

»Wasser!«, rief der Chefreporter. »Das ist Wasser. Regen. – Kapiert ihr das?«

Sie waren harmlos. Harmlos und phlegmatisch. Oder leicht unterbelichtet. Aber das sollte nicht seine Sorge sein, das war ein Problem der Ersten Terranerin und des LFT-Kommissars. Entwicklungshilfe für Trokan vom Parlament abgelehnt, sah er in Gedanken die Schlagzeilen vor sich. Terra geht auf Distanz zur Nachbarwelt. Oder, besonders gut: Das Kuckucksei im Solsystem – ein Tausch und seine schlimmen Folgen.

Im Innern des Brunnenschachts gab es eiserne Steighilfen. Der Rost hielt sich in Grenzen.

Nach zehn Metern schwappte Wasser, kühles, schal riechendes Wasser. Die Oberfläche schillerte in giftgrünen Schlieren.

»Wir kommen nicht weiter«, stieß Adasta hervor. »Wir …« Donner wie lang anhaltendes rollendes Geschützfeuer drang aus der Höhe herab.

Ein schwacher Luftzug war noch immer zu spüren. Die Luft verschwand durch schmale Spalten im Mauerwerk. Also existierte dahinter ein größerer Hohlraum, der mindestens eine zweite Verbindung zur Oberfläche besaß.

Die unaufhörlich zuckenden Blitze vermittelten Weltuntergangsstimmung. Ein Donner vermischte sich mit dem anderen, blechern, als prallten zwei Heere apokalyptischer Reiter aufeinander.

Irgendwie brachte Adastas blindwütiges Tasten den gewünschten Erfolg. Ein Stück der gemauerten Seitenwand schwang zurück.

Der Durchschlupf war eng und nicht für die vergleichsweise steifen Glieder von Menschen gedacht. Bechner zwängte sich als erster hindurch – fand aber keinen Boden unter den Füßen.

Wer Flugaggregate und Antigrav gewohnt war, sie aber nicht einsetzen durfte, geriet rasch ins Schwitzen angesichts eines möglicherweise tiefen Abgrunds. Poröses Mauerwerk brach unter Bechners Händen. Er rutschte ab, stürzte aber höchstens einen halben Meter tief. Sand rieselte auf ihn herab.

»In Ordnung!«, rief er halblaut nach oben. »Keine Gefahr.«

Dumpf hallte das Echo seiner Stimme zurück. Eine Höhle, größer als erwartet? Gloom konnte sich nicht vorstellen, dass die träge wirkenden Eingeborenen im Schweiße ihres Angesichts unterirdische Räumlichkeiten gegraben hatten. Oder spiegelte ihr Verhalten nur den Schock wider, den sie beim Zusammenbruch des Temporalfelds erlitten hatten? Für die Trokaner musste es gewesen sein, als reiße der Himmel auf. Was seit Anbeginn ihrer Entwicklungsgeschichte gegolten hatte, war von einer Minute auf die andere ausgelöscht worden. Eigentlich unvorstellbar.

Sibyll folgte ihm, auch Mirco Adasta kam Augenblicke später federnd auf. Geröll knirschte unter seinen Füßen.

»Halt den Mund!« Abrupt fuhr Bechner herum.

Adasta blickte ihn verständnislos an. »Ich sage überhaupt nichts. Ich …«

»Ruhe, verdammt!«

Nur noch der unaufhörlich rollende Donner war zu hören.

Ein fahler, fluoreszierender Schimmer huschte über kahle Felswände. Offenbar war die Höhle vor Jahrmillionen entstanden, als das Gestein der Planetenkruste zähflüssige Blasen gebildet hatte. Kristallformationen wie Orgelpfeifen spiegelten den Scheinwerfer in allen Farben des Spektrums, aber schon dicht dahinter waren Steinmauern aufgerichtet. Ein zweibeiniger, faustgroßer Nager versuchte quiekend, der ungewohnten Helligkeit zu entkommen.

Adasta grinste breit. »Ist das dein Gespenst, Gloom?«

»Wenn du kein so leidlich guter Kameramann wärst …«

»Was dann?«

»Du gehst mir auf die Nerven, Mirco.«

»Und du bist gereizt. Weil die Kerle aus den Korvetten hinter uns her sind? Das war vorherzusehen.«

»Weil Bruno Drenderbaum die Aktion leitet.«

»Was schert uns Drenderbaum?«, platzte Sibyll Norden heraus. »Falls die Herren ihre Unstimmigkeit endlich beendet haben, wäre es angebracht, die Aufmerksamkeit nach links zu wenden.«

Der Randbereich des schwachen Lichtkegels erfasste eine stumme Prozession hochgewachsener, schlanker Gestalten. Nach wie vor sah Sibyll die Eingeborenen als Zerrbild menschlicher Anatomie. Die eiförmigen, nach oben stark ausgebuchteten Schädel; die schrägen Schlitzaugen, deren Grün an das Glühen robotischer Sehzellen erinnerte; die kurzen, ausgesprochen fleischigen Nasenrüssel … Doch vor allem die Transparenz der Haut bewirkte die Fremdartigkeit.