Perry Rhodan 2917: Reginald Bulls Rückkehr - Hubert Haensel - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2917: Reginald Bulls Rückkehr E-Book und Hörbuch

Hubert Haensel

3,9

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Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden. Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als "nichtmenschlich" bezeichnet hätte. Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen. In der Milchstraße hingegen werden die Gemeni aktiv. Sie geben sich selbst als Gesandte einer Superintelligenz aus und wollen die verwaiste Mächtigkeitsballung von ES beschützen. Die Gemeni bieten den Völkern der Milchstraße Geschenke an, die wahrhaft atemberaubend sind. In diesen aufregenden Tagen vollzieht sich auch REGINALD BULLS RÜCKKEHR ...

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Zeit:4 Std. 4 min

Sprecher:Andreas Laurenz Maier
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Nr. 2917

Reginald Bulls Rückkehr

Er ignoriert seine Vergangenheit – und erlebt eine Katastrophe

Hubert Haensel

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Epilog

Glossar

Clubnachrichten

Impressum

Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden.

Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen.

In der Milchstraße hingegen werden die Gemeni aktiv. Sie geben sich selbst als Gesandte einer Superintelligenz aus und wollen die verwaiste Mächtigkeitsballung von ES beschützen. Die Gemeni bieten den Völkern der Milchstraße Geschenke an, die wahrhaft atemberaubend sind. In diesen aufregenden Tagen vollzieht sich auch REGINALD BULLS RÜCKKEHR ...

Die Hauptpersonen des Romans

Reginald Bull – Der Terraner kehrt in die Milchstraße zurück.

Toio Zindher – Die Tefroderin ist mehr als nur Bulls Begleiterin.

Icho Tolot – Der Haluter lebt als Einsiedler.

Mutru – Eine heimliche Klosterwächterin.

Shinae

Prolog

Er stand am Fenster des Wohnraums und blickte über die frisch begrünten, teils schon aufblühenden Fassaden der Nachbargebäude hinweg. Vieles in seinem Blickfeld befand sich in langsamer Bewegung, weil die Wandsegmente der optimalen Sonneneinstrahlung folgten.

Die ersten Frühlingstage nach der tristen Kältezeit tauchten die Siedlung in neue Farben. So wie in diesem Stadtteil war ihm das Erwachen der Natur bislang auf keiner anderen Welt bewusst geworden. Zumal ihm das letzte Jahr ohnehin bemerkenswerte Veränderungen gebracht hatte.

»Worüber denkst du nach?«

Die Stimme seiner Gefährtin schreckte ihn aus den Überlegungen auf. Er antwortete nicht sofort. Vieles war anders geworden, als er es sich jemals vorgestellt hätte. Besser? In Gedanken zuckte er die Achseln. Schlechter? Nein, das gewiss nicht. Ungewohnt eben.

»Es fängt an ...« Seine Frau verstummte, dann atmete sie bebend ein.

Er verharrte am Fenster. Die Arme vor dem Brustkorb verschränkt, blickte er nach draußen. Als gälte es, irgendwie die Zeit totzuschlagen. Nur langsam drehte er sich um.

»Bis zum bestätigten Geburtstermin sind es gut zwei Wochen«, sagte er zögernd. »Bis dahin ...«

Aus weit aufgerissenen Augen blickte seine Frau ihn vom Sofa an. Sie presste beide Hände auf den Körper und vergrub die Finger in dem grell bunt gewordenen Biogewebe, das Schwangere von der medizinischen Robotbetreuung erhielten. Das Kleidungsstück reagierte sensorisch auf hormonelle Veränderungen und informierte die Betreuer.

»Es ist wirklich schon so weit?«, fragte er überrascht.

Sie nickte stumm, die makellos weißen Zähne fest zusammengebissen, die vollen Lippen im jähen Schmerz verzogen. Schweiß perlte auf ihrem Gesicht, das grau geworden war und nichts mehr vom kupferfarbenen Schimmer der Haut erkennen ließ.

Gurgelnd sank sie zur Seite.

»Toio!« Er war neben ihr, bevor sie auf den Boden stürzen konnte. Tränen schimmerten in ihren Augen.

Sekunden später bäumte sie sich auf, und ihre Kleidung schien in Flammen aufzugehen. Mit beiden Händen griff sie sich in den Halsausschnitt und riss den Magnetsaum auseinander.

»Die Geburtshelfer ...« Sie bäumte sich auf und biss sich die Unterlippe blutig. »Wann kommen die Roboter?«

»Die Überwachungsstelle ist über deinen Zustand bereits informiert«, sagte er beruhigend. »Höchstens fünfzehn Minuten, dann wirst du bestens versorgt.«

Toio Zindher atmete keuchend. »Unsere Tochter hat es eilig, Reginald.«

Er ging vor dem Sofa auf die Knie und tupfte ihr den Schweiß von der Stirn. »Bist du sicher?«

Sie nickte knapp. »Das bin ich, denn ich spüre es. Und vor allem sehe ich deine Nervosität.« Ihr Lachen klang spöttisch. »Mehr als drei Jahrtausende sollten dir ausreichend Erfahrungen mitgegeben haben. Trotzdem bringt dich die Geburt unserer Tochter aus dem Gleichgewicht ...«

»Davon kann keine Rede sein«, widersprach er. »Im Übrigen – auch wenn es in dieser über den halben Kosmos verstreuten Stadt verpönt ist, das Geschlecht frühzeitig festzustellen – bekommen wir einen Sohn.«

»Tochter!«, beharrte Toio. »Aber wie auch immer, du solltest längst eine gewisse Routine haben als Vater, Großvater oder was weiß ich.«

»Um die Kinder zu zählen, die ich in die Welt gesetzt habe, brauchst du nicht einmal die Finger einer Hand«, protestierte er. »Atlan war der Schwerenöter, verwechsle das nicht. Andere Informationen über mich traue ich nicht einmal dem Geheimdienst deines Neuen Tamaniums zu. Und selbst wenn du es anzweifelst: Ich war bei keiner Geburt dabei.«

Reginald Bull richtete sich ruckartig auf und schaute hinüber zu der dunklen Kontaktkugel auf einem der Wandregale. Ebenso schnell wandte er sich wieder seiner Frau zu. »Wir haben das gemeinsam zuwege gebracht, also stehen wir es zusammen durch.« Er berührte mit zwei Fingern der rechten Hand erst seinen Mund und dann Toio Zindhers Lippen. »Geht es wieder?«

Toios Gesichtszüge verkrampften. Deutlich war zu erkennen, dass sie sich den Schmerz verbiss.

»Ich sehe die Vitalität unserer Tochter, Reginald. Ihre Aura ist überraschend intensiv. Sie ist auf dem Weg.« Mit beiden Händen streichelte Toio über ihren Leib.

Bull schaute erneut zu der Kontaktkugel. Er wartete auf die Bestätigung der Überwachungsstelle, dass die Veränderung registriert worden war. Die Robotbetreuung würde sich melden und rechtzeitig eintreffen, das war Toio und ihm versichert worden. Doch die Kugel blieb dunkel.

Schweiß perlte auf Toios Stirn.

Sie war immer schon sehr attraktiv gewesen. Bull kannte sie nicht anders. Ihr ebenmäßiges Gesicht, ihr verlockender Blick, der sinnliche Mund. Das lange kastanienrote Haar trug sie üblicherweise hochgesteckt, mittlerweile hatte es sich gelöst und umschmeichelte ihr Gesicht.

Seine Frau war in der Schwangerschaft sogar schöner geworden, fand er. Vielleicht, weil vor knapp dreißig Jahren ihre Alterung durch eine Zelldusche aufgehalten worden war. Konserviert im Lebensalter von 33 Jahren für die Dauer von 62 Jahren, so wie bei Perry Rhodan und Bull selbst, damals, kaum dass sie zaghaft nach den Sternen gegriffen hatten.

»Woran denkst du?«

Die Frage erschreckte ihn. Er fühlte sich ertappt. Er hatte in der Tat daran gedacht, dass Toio eines Tags wieder altern würde. Im Gegensatz zu ihm, den der implantierte Aktivatorchip potenziell unsterblich machte.

»Diesen Blick kenne ich, Reginald! Du denkst an Rhodan und fürchtest, dass es dir wie ihm ergehen könnte. Bald wird unser Kind biologisch älter sein als du ...«

Die nächste Wehe kam. Toio verbiss sich einen Aufschrei. Trotzdem verlor ihre Haltung allmählich die selbstsichere Beherrschtheit, die Bull jahrelang auf Distanz gehalten und ihn zugleich immer mehr angezogen hatte.

»Sie dreht sich nicht.« Stöhnend umklammerte Toio ihren Bauch. »Unsere Tochter kommt in Steißlage. So ... wird das nichts.«

Bull eilte durch den Wohnraum und zog die Kontaktkugel aus dem Regal. Er bemühte sich um eine Verbindung zur Robotbetreuung, aber nur das Knistern statischer Störungen drang aus dem Empfang.

»Kein Kontakt!«, schimpfte er. »Carpenseen ist das Letzte an technischer Zuverlässigkeit, vor allem wird es stetig schlimmer. Ja, ja, ich weiß, in anderen Stadtteilen gehören diese Probleme längst zum Alltag ...«

Bull schaltete an dem Kombiarmband, das er erst vor wenigen Tagen reaktiviert hatte. Er ließ eine Verwünschung folgen, weil sich über seinem Handrücken nur neblige Holoschleier aufbauten.

»Wen willst du damit erreichen?« Toio Zindher stöhnte. »Ihn? Ich brauche keinen Kampfkoloss, sondern einen Helfer! – Und wenn es Makkia wäre, sie hat bestimmt jede Menge Erfahrung.«

Gurgelnd bäumte Toio sich auf. Mit beiden Händen drückte und zerrte sie an ihrem Unterleib. Sie keuchte. Dann schrie sie wieder.

Bull zögerte. Er schwankte zwischen helfen und Hilfe holen. Notfalls konnte er Schäden im Triebwerkssektor eines ihm fremden Raumschiffs reparieren. Doch eine Steißlage korrigieren? Da hatte er zwei linke Hände. Er stürmte aus dem Haus.

»Beeil dich, Reginald!« Toios Aufschrei folgte ihm.

*

Der Himmel über Carpenseen war erschreckend. Eine eigentümliche Düsternis verschluckte die in großer Höhe treibenden Wolkenschleier. Es hatte den Anschein, als sänke eine unheimliche Last aus dem Weltraum herab.

Der Schweiß brach Reginald Bull aus allen Poren, als er zwischen den verwinkelt stehenden Häusern in Richtung Gleiterschneise lief. Der Aktivatorchip unter seinem linken Schlüsselbein machte sich mit ziehenden Impulsen bemerkbar.

Der Zellaktivator war einer der Gründe, weshalb Bull nicht in die Milchstraße zurückgekehrt war. Wenn es ein Problem für ihn gab, das sein Leben beeinflusste, dann war es die vor knapp drei Jahrzehnten erfolgte Neuprägung seines Aktivators. Im ewigen Kampf zwischen Ordnung und Chaos stellte sie ihn auf die Seite der Gegner. Und genau das machte ihm mittlerweile Angst. Seit er von Toios Schwangerschaft wusste, bangte er, ob der chaotarchische Einfluss sich irgendwie auf ihr Kind auswirken würde. Dabei wusste er nicht einmal, was die Prägung mit ihm selbst anstellte.

Vor ihm klatschte etwas auf den Boden und zerplatzte. Blutrote Schleimfäden wirbelten durch die Luft, aber da hatte Bull sich schon herumgeworfen und wählte einen anderen Weg. Er hörte weitere reife Tokkafrüchte aufschlagen und ihre Samen freigeben. Jede Berührung mit den Fäden war unangenehm, denn sie sonderten eine kurzzeitig lähmende Substanz ab. Das half den Pflanzensamen, in ihre Wirtstiere einzudringen, kleine Nager, in denen sie zum Steckling heranwuchsen, der schließlich auf normalem Weg ausgeschieden wurde. Eine perfekte Symbiose, denn die Nager lebten von dem Gewürm, das sich unter der Rinde der Tokkabäume ansiedelte.

Im Laufen hantierte Bull mit der Kontaktkugel, die er mitgenommen hatte. Frequenzen überlagerten einander. Für Sekunden erklang ein unverständliches Stimmengewirr, danach war alles wieder tot.

Vor ihm plätscherte der seichte Bach, dessen begrünte Ufer in regelmäßigen Abständen Landeplätze aufwiesen. In der Nähe stand lediglich einer der allgemein verfügbaren Prallfeldgleiter. Bull sprang in das blattförmig gewölbte offene Fahrzeug. Knirschend reagierte der Antrieb. Der Gleiter ruckte an, rutschte ein Stück weit über die Landezone und kippte in den Bach.

Wasser schwappte über die Bordwand. Bull achtete kaum darauf, denn er bemühte sich, wenigstens über den Sender des Fahrzeugs die medizinische Robotbetreuung zu erreichen.

Es gab keine Reaktion. Bull hatte es nach dem Versagen des Antriebs bereits befürchtet: Die technischen Probleme weiteten sich aus. Unter diesen Umständen durfte er kaum schnelle Hilfe erwarten. Gut zwei Stunden würde er zu Fuß bis zum Sitz der Robotbetreuung unterwegs sein. Viel zu lange, sagte ihm seine Besorgnis wegen Toios Zustand.

Bis zu den Knien im Wasser, stapfte er ans Ufer zurück. Etliche Gaffer hatten sich eingefunden. Er ignorierte sie. Carpenseen war ein Schmelztiegel ungezählter Völker. Hunderte siedelten in diesem Stadtteil, dessen kosmische Position Bull nicht einmal kannte. An diesem Ort fielen ein Terraner und eine Tefroderin nicht im Geringsten auf. In Carpenseen war Anderssein normal.

Zwei mit Fellfetzen bedeckte Tentakel tasteten ihm entgegen. Bull streckte die Arme aus, die Tentakel umschlangen ihn und zerrten ihn die Uferböschung hinauf. Krächzend redete sein Helfer – ein vogelartiges Wesen, das statt über Flügel über Tentakelbüschel verfügte –, auf ihn ein. Bull folgte dem in die Höhe gereckten Schnabel mit den Blicken.

Die Schwärze reichte fast von Horizont zu Horizont. Nur in der Ferne stachen letzte Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke. Nach den Silhouetten von Fluggleitern suchte Bull vergebens.

»Danke!«, rief er dem Tentakelwesen zu und löste sich aus dessen locker werdendem Griff.

Im Laufschritt bahnte er sich seinen Weg durch die Menge. Längst kannte er etliche der Umstehenden so, wie sie ihn und Toio kannten, deshalb wusste er, dass sie ihm keine Unterstützung geben konnten. Er brauchte die offiziellen Geburtshelfer, die mit den Besonderheiten jedes Volkes klarkamen. Und das, wie sie behaupteten, unter den widrigsten Bedingungen.

Die Vorstellung, dass Toio sich vor Schmerzen krümmte, während er die wenige Zeit verschenkte, die ihr womöglich blieb, trieb Bull kalten Schweiß auf die Stirn. Er war kein Mediker, aber die Komplikationen, die sich unerwartet ergeben hatten, waren ihm deutlich bewusst.

Er lief zu den Häusern zurück. »Und wenn es Makkia wäre«, hallte Toios Stimme in seinen Gedanken nach.

Makkia war eine der Fremden in der Nachbarschaft.

Wirklich ein weibliches Wesen? Äußere Unterschiede zwischen ihr und ihrem Gefährten Terrem hatte Bull bislang nicht gefunden. Abgesehen davon, dass Terrems Schuppenleib in schöner Regelmäßigkeit anschwoll und die Familie mittlerweile aus mindestens zwanzig Mitgliedern bestand. Ihr männlicher Part trage jeweils nach zwei Wochen wieder neues Leben, hatte Makkia irgendwann erklärt, dabei sei er doch so schrecklich wehleidig bei jeder Geburt.

»Makkia?«, fragte Bull einen der Heranwachsenden, die vor dem Haus lärmten. Der Kleine streckte einen seiner längeren Mittelarme aus und zeigte zur Tür.

Sekunden später stand Bull der Gesuchten gegenüber. Ihre Stielaugen, lang wie Fühler, pendelten ihm entgegen und blinzelten.

Makkia verschränkte die oberen beiden Armpaare. Zwei der übrigen Arme packten zu, die dreifingrigen Hände gruben sich in Bulls Hüfte.

»Du hast Probleme. Das sehe ich dir an.« Makkia zischelte rau.

»Meine Frau.« Bull nickte knapp, ohne zu wissen, ob die Raupenähnliche die menschliche Bewegung überhaupt verstand. »Es gibt Komplikationen und ...«

»Männer werden nie verstehen, was zu tun ist.« Makkia stand nur auf den beiden hinteren Gliedmaßenpaaren vor ihm, deshalb konnte sie von oben auf ihn herabschauen. Ihr eingewölbtes Gesicht schien einen nachdenklichen Ausdruck anzunehmen. Jedenfalls taxierte sie ihn eindringlich. »Warum trägst du die Frucht nicht in dir, wie es deinen Körpermaßen zustünde? Deine Frau ist zu dünn.«

Sie ließ sich vornübersinken. Die fünf Armpaare unterstützten ihre schnelle Fortbewegung.

Makkia schlängelte sich an Bull vorbei, und er hatte Mühe, ihr zu folgen.

*

Toio Zindher wand sich in Krämpfen. Die Wehen kamen in kurzen Abständen. Makkia hatte zielsicher erkannt, dass das Kind falsch herum lag. Allerdings gelang es ihr nicht, es in die richtige Position zu drehen.

Seit zwei Stunden kauerte Bull bereits neben seiner Frau, tupfte ihr den Schweiß von der Stirn, gab ihr zu trinken, verfolgte überaus aufmerksam die Bemühungen der Nachbarin – und setzte alles daran, seine wachsende Panik zu unterdrücken.

Toio war trainiert und beherrschte ihren Körper. Das gehörte zu ihr als ehemaliger Agentin des Tefrodischen Mutantenkorps. Nicht umsonst war ihr die Aufgabe zugekommen, Perry Rhodan zu jagen und festzunehmen. Die schwere Schussverletzung, die sie bei Rückzugsgefechten auf der Erde erlitten hatte, hätte eigentlich tödlich sein müssen. Toio hatte diese Verwundung überlebt.

Das lag lange zurück.

Trotzdem hatte sie seitdem wenig von ihrer Kondition eingebüßt.

Wieder bebte sie. Ihr Wimmern verstummte nicht mehr. Bull griff nach ihrer Hand und drückte sie. Toio wandte ihm kurz den Kopf zu. Ihre Augen waren blutunterlaufen und matt, aber ihre Finger verschränkten sich mit seinen, und ihr Druck wurde extrem hart. Fast, als hätte Bull seine Hand in einen Schraubstock gelegt.

Es war keine einfache Geburt.

»So geht es nicht, Nachbar!«, zischelte Makkia. Sie stand am Fußende des Bettes, hatte sich weit über Toio Zindher gebeugt und bemühte sich mit dreien ihrer Armpaare, den Fötus irgendwie zu drehen. »Deine Frau muss operiert werden. Falls nicht, sterben sie und das Kind.«

»Aufschneiden? Hier?« Bull registrierte, dass Toio ihn anstarrte. »Ausgeschlossen!«

Draußen tobte mittlerweile ein schweres Gewitter, wie Bull es in diesem Bezirk von Allerorten nie zuvor erlebt hatte, der Stadt der Universalen Archäologen oder auch Pha Gashapar, wie sie von ihren Bewohnern genannt wurde. Er zweifelte nicht daran, dass kosmische Einflüsse Carpenseen zu schaffen machten. Vielleicht betrafen sie nur den Planeten, auf dem dieser Stadtteil lag, im schlimmsten Fall weit mehr.

»Reginald ...« Toio griff auch mit der anderen Hand nach ihm. Wie eine Ertrinkende klammerte sie sich an ihn.

Er ahnte, was sie von ihm wollte. Er befürchtete es, denn ihr Tonfall verriet viel. Allein, wie sie seinen Namen aussprach.

»Ich will nicht, dass unsere Tochter stirbt. Hilf ihr! Rette wenigstens ihr Leben!«

»Ich will euch beide behalten«, widersprach er entschieden. »Darüber diskutiere ich nicht.«

»Du wirst uns ...« Der Schmerz ließ Toio verstummen. Sie bäumte sich auf und warf den Kopf von einer Seite auf die andere. »So wirst du uns verlieren.« Keuchend sank sie zurück.

»Ich kann dich nicht aufschneiden!«, sagte Bull heftig. »Erst recht nicht ohne Betäubung. Ich bin kein Mediker und ...«

»Red nicht, mach! Worauf wartest du?«

»Ich würde dich umbringen. Glaubst du, ich will das?«

Toio Zindher lachte schrill. »Es gab eine Zeit, da hättest du den Tod als gerechte Strafe für meine Taten gesehen, da ...«

Ihr Griff um seine Handgelenke löste sich. Ihr schweißüberströmtes Gesicht wirkte plötzlich wie erstarrt.

»Verdammt!« Bull griff mit beiden Händen zu und tastete nach den Halsschlagadern seiner Frau.

»Sie ist bewusstlos«, zischte Makkia. »Vielleicht besser so, weil ihre innere Anspannung nachlässt. Deine Frau ist extrem verkrampft. Wollte sie womöglich nie ein Kind?«

Bull ging nicht darauf ein. »Wie viel Zeit bleibt uns?«

»Zu wenig, Nachbar. Vor allem, wenn kein Robothelfer kommt.«

»Wir könnten diesen Stadtteil verlassen. Dafür müssen wir nur die nächste Brevizone erreichen und hindurchgehen. Egal, auf welchem Planeten oder in welcher Galaxis wir ankommen. Einen Stadtteil, in dem eine technisch unterstützte, sichere Geburt möglich ist, werden wir finden. Wenn es sein muss, sogar auf Terra.«

Makkia dehnte ihre vordere Körperhälfte, bis die grünen Hautschuppen knirschend übereinanderrieben und sich abspreizten. Sie hörte aber nicht auf, an Toio herumzudrücken. Bull empfand ihr Verhalten auf einmal als äußerst befremdlich. Wie hatte er überhaupt zulassen können, dass er das Schicksal seiner Gefährtin und ihres gemeinsamen Kindes in die Hände einer nicht-humanoiden Fremden legte, die vom menschlichen Organismus denkbar wenig wusste? Eigentlich gar nichts. Stellte sie deshalb überflüssige Fragen? In der sicheren Umgebung von Allerorten hatte Toio ihre einstigen Bedenken verdrängt und sich für das Kind entschieden.

»Was ist Terra?«

Bull schreckte auf. »Terra ist meine Heimat«, antwortete er. »Eigentlich ... Nein, mir ist jeder andere Planet recht, wenn wir ihn nur schnell erreichen. Können wir Toio transportieren?«

»Wenn wir zwei Spielzeugbretter meiner Nachkommen zusammenbauen, müsste es ganz gut funktionieren. Luftgefüllte Gummiräder ...«

»Hol die Bretter, Makkia!«

»Das Risiko wäre trotzdem enorm ...« Unablässig massierte und drückte die Raupenartige an Toios Körper. »Jeder Übergang aus der Stadt in eine andere Region bedeutet derzeit eine Gratwanderung. Ich habe es erst gestern gehört: Niemand, der die Brevizone betritt, kann rechtzeitig erkennen, wo er ankommen wird. Falls er überhaupt irgendwo ankommt.«

»Mir bleibt keine Wahl, also muss ich es versuchen. Der Gefahr bin ich mir vollauf bewusst. Toio und ich könnten in einer Wüste stranden oder in einem verlassen Stadtteil, was alles nur umso schlimmer machen würde ...«

»Pha Gashapar ist und bleibt undurchschaubar«, pflichtete Makkia ihm bei.

Bull fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. »Ich traue mir nicht zu, Toios Bauch einfach aufzuschneiden. Vielleicht, wenn ich medizinische Geräte hätte und eine perfekte Anleitung ...«

Toio Zindher schreckte mit einem gellenden Schrei und um sich schlagend auf. Bull hatte Mühe, sie festzuhalten. Ebenso unerwartet sank sie gurgelnd wieder zurück.

»Vergiss die Brevizone, Nachbar!«, sagte Makkia heftig. »Euer Kind liegt endlich in der richtigen Position. Ich hoffe das Beste.«

*

Irgendwann war es vorbei.

Bull hörte den quäkenden Schrei, aber begriff erst ein paar Sekunden danach, dass es vorüber war.

Toio Zindher atmete nun ruhig und gleichmäßig. Sie hielt die Augen geschlossen, zitterte aber wie Espenlaub. Das änderte sich erst, als Reginald Bull seine Tochter mitsamt einem der blutverschmierten Handtücher aufnahm und das kleine Mädchen seiner Frau in die Arme legte. Sie hatte recht gehabt: eine Tochter.

»Hauptsache gesund und ihr seid beide noch da«, sagte Bull zu sich selbst. Eigentlich bewegte er nur die Lippen.

Toio hob kurz die Lider. Ein Lächeln lag um ihre Lippen, aber im nächsten Moment forderte die Erschöpfung ihr Recht. Sie schlief ein.

Bull nahm ihr das Baby wieder ab und kümmerte sich um die Nabelschnur. Makkia hatte sie kommentarlos abgebissen. Überhaupt ... das Geräusch der zufallenden Tür ließ ihn aufsehen. Die Raupenartige hatte sich wortlos zurückgezogen. »Danke!«, murmelte Bull, obwohl sie ihn schon nicht mehr hören konnte, dann kümmerte er sich wieder um seine Tochter.

Wann hatte er je so einen Winzling auf den Händen gehalten? Er entsann sich nicht. Wenn, dann musste es viele Hundert Jahre her sein. Jedenfalls hatte es sich nicht in seinem Gedächtnis behaupten können.

Das würde künftig anders sein.

»Wie nennen wir dich? Red, nach dem Spitznahmen meiner Großmutter?« Immerhin, die runzlige Haut seiner Tochter schimmerte durchaus rotbraun.

Wie groß war sie eigentlich? Fünfzig Zentimeter, schätzte er. Ein paar mehr oder weniger, das war ihm völlig egal. Und ihr Gewicht? Vier Kilo, eher sogar etwas darüber.

Die Kleine schlief ein und wachte nicht einmal auf, als er sie in das vorbereitete Bettchen legte. Sie schmatzte im Schlaf, ein Saugreflex.

»Bald, mein Baby«, flüsterte Bull. »Ich weiß, es war anstrengend für dich. Aber das gilt genauso für deine Mutter. Du musst dich also gedulden. Toio hat sehr viel Blut verloren.«