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Die Geschichte der Gründermutter - und die Zukunft der Friedensfahrer Die Lage für Perry Rhodan und die Menschheit ist verzweifelt: Eine gigantische Raumflotte, die Terminale Kolonne TRAITOR, hat die Milchstraße besetzt. Sie wirkt im Auftrag der Chaotarchen, und ihr Ziel ist kompromisslose Ausbeutung. Die Milchstraße mit all ihren Sonnen und Planeten soll als Ressource genutzt werden, um die Existenz einer Negasphäre abzusichern. Dieses kosmische Gebilde entsteht in der nahen Galaxis Hangay - ein Ort, an dem gewöhnliche Lebewesen nicht existieren können und herkömmliche Naturgesetze enden. Mit verzweifelten Aktionen gelingt es den Menschen auf Terra und den Planeten des Sonnensystems, dem Zugriff der Terminalen Kolonne standzuhalten. Sie verschanzen sich hinter dem TERRANOVA-Schirm und versuchen, die Terminale Kolonne zu stören. Die Chancen für einen Sieg über die Mächte des Chaos sind dadurch gestiegen, dass Perry Rhodan seine Dokumentation einer erfolgreichen Retroversion nach Terra bringen konnte. Zudem gelang es, die Dienstburg CRULT auszuschalten und damit Zeit zu gewinnen. Bei den Friedensfahrern kommt es zu einer folgenreichen Entwicklung, die zugleich eine Aufdeckung der Hintergründe ihrer Geschichte mit sich bringt. Diese ist auf das Engste verknüpft mit dem LICHT VON AHN...
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Seitenzahl: 154
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Nr. 2478
Licht von Ahn
Die Geschichte der Gründermutter – und die Zukunft der Friedensfahrer
Christian Montillon
Die Lage für Perry Rhodan und die Menschheit ist verzweifelt: Eine gigantische Raumflotte, die Terminale Kolonne TRAITOR, hat die Milchstraße besetzt. Sie wirkt im Auftrag der Chaotarchen, und ihr Ziel ist kompromisslose Ausbeutung.
Die Milchstraße mit all ihren Sonnen und Planeten soll als Ressource genutzt werden, um die Existenz einer Negasphäre abzusichern. Dieses kosmische Gebilde entsteht in der nahen Galaxis Hangay – ein Ort, an dem gewöhnliche Lebewesen nicht existieren können und herkömmliche Naturgesetze enden.
Mit verzweifelten Aktionen gelingt es den Menschen auf Terra und den Planeten des Sonnensystems, dem Zugriff der Terminalen Kolonne standzuhalten. Sie verschanzen sich hinter dem TERRANOVA-Schirm und versuchen, die Terminale Kolonne zu stören.
Die Chancen für einen Sieg über die Mächte des Chaos sind dadurch gestiegen, dass Perry Rhodan seine Dokumentation einer erfolgreichen Retroversion nach Terra bringen konnte. Zudem gelang es, die Dienstburg CRULT auszuschalten und damit Zeit zu gewinnen.
Bei den Friedensfahrern kommt es zu einer folgenreichen Entwicklung, die zugleich eine Aufdeckung der Hintergründe ihrer Geschichte mit sich bringt. Diese ist auf das Engste verknüpft mit dem LICHT VON AHN …
Cosmuel Kain – Kantirans Gefährtin muss den Bewerber um das Patronat aus der Not retten.
Die Gründermutter – Sie entdeckt Feinde und erinnert sich ihrer schmerzhaften Geschichte.
Kantiran –
Kamukos Gesellschafter stand neben ihrem Sessel und war seit 16 Jahren tot.
Kantiran:
9. September 1347 NGZ
Kantiran starrte auf den Bildschirm, der eine Wiedergabe der Gestalt zeigte, die vor ihnen den Transmitterbogen durchschritten hatte.
Dies war also die Gründermutter.
Eine Aeganerin.
Und sie trug die Nachtlicht-Rüstung.
Das beseitigte die letzten Zweifel, mit wem er es zu tun hatte, denn diese Rüstung war von ARCHETIM speziell für ein Lebewesen geschaffen worden. Eine Persönlichkeit, die er von einem Speicherkristall her kannte, den sein Vater Perry Rhodan ihm überreicht hatte.
Die wohl wichtigste Soldatin in der Finalen Schlacht, die vor zwanzig Millionen Jahren in der entstehenden Negasphäre Tare-Scharm geschlagen worden war.
»Generalin Kamuko«, wiederholte er das, was seine geliebte Cosmuel vor wenigen Augenblicken gesagt hatte. Kamuko war die Gründermutter? Das war schlicht und einfach unmöglich. Sie hatte vor einer Ewigkeit gelebt.
Cosmuel verschränkte die Hände ineinander, wie so oft, wenn sie nervös war.
Trüge sie keinen geschlossenen Einsatzanzug, dachte Kantiran, würde sie jetzt ihre Haare um die Fingerspitzen wickeln. Fast vermisste er diese Geste. Er wunderte sich selbst über diesen Gedanken – als ob es momentan nichts Wichtigeres gäbe. Es zeigte wohl, wie sehr die beiden sich inzwischen aneinander gewöhnt hatten. Wie sehr er sie an seiner Seite brauchte.
»Daran besteht kein Zweifel«, sagte Cosmuel nachdrücklich, die seinen Zweifel wohl gespürt hatte. »Kamuko trägt die Nachtlicht-Rüstung, von der dein Vater erzählt hat. Und dieses grau-blaue Etui an ihrem Gürtel dürfte der Vektor-Helm sein.«
»Vielleicht täuscht uns die Gründermutter, indem sie die Aufnahme manipuliert hat. Sie zeigt uns falsche Bilder.«
»Sei nicht albern. Warum sollte sie ausgerechnet Generalin Kamuko darstellen und dazu noch die Nachtlicht-Rüstung? Niemand in dieser Zeitepoche weiß etwas von ihr. Außer eben Kamuko selbst.«
Dieser bestechenden Logik konnte Kantiran im ersten Moment nicht widersprechen. Aber nur im ersten Moment. »Wir erkennen sie schließlich auch«, versuchte er es erneut.
»Das ist etwas anderes, wie du sehr genau weißt! Wir wissen nur von Kamuko, weil wir den Speicherkristall deines Vaters …« Sie unterbrach sich selbst, als sie sein Grinsen bemerkte.
Kantiran wurde übergangslos ernst und wies auf die Tür, die sie vor wenigen Minuten schon einmal geöffnet hatten. »Da draußen liegt eine stillgelegte Hallenwerft. Wir sind durch einen Transmitter in ein achteinhalb Kilometer großes Etwas gesprungen, eine Station wahrscheinlich, von der wir weder wissen, wo sie liegt, noch welche Funktion sie erfüllt. Aus irgendeinem Grund können wir nicht über ihre Grenzen hinaus orten. Außerdem sind wir der Gründermutter dicht auf den Fersen. Ich denke, angesichts all dessen haben wir Besseres zu tun, als hier herumzustehen und fruchtlos zu diskutieren.«
»Also schauen wir uns alles mal etwas genauer an.«
»Mit einer ganz klaren Priorität: Wir müssen die Gründermutter finden. Sie versteckt sich in dieser Station. Wenn es wirklich Kamuko ist, hat sie den Kontextsprung in die Gegenwart mit der JULES VERNE zumindest zeitweilig mitgemacht, entgegen der Vermutung meines Vaters, ihr Beiboot sei zerstört worden, damals, in der Finalen Schlacht in Tare-Scharm.«
Den Informationen auf dem Speicherkristall zufolge hatte Kamuko versucht, ihr Beiboot in die JULES VERNE einzuschleusen, es aber nicht mehr rechtzeitig geschafft. Vor zwanzig Millionen Jahren, als ARCHETIMS Opfer die Retroversion der Negasphäre Tare-Scharm eingeleitet und diesen entarteten Bereich des Kosmos zurück in den Wirkungsbereich des Moralischen Kodes des Universums gezogen hatte.
»Genau dieses Zeitweilige macht dir noch Kopfzerbrechen, mein Lieber, nicht wahr?«, fragte Cosmuel. »Wenn Kamuko den Kontextsprung mitgemacht hätte, wie hätte sie dann vor Jahrtausenden die Friedensfahrer gründen können? Sie wäre genau wie dein Vater und die JULES VERNE vor Kurzem …«
»Exakt. Um herauszufinden, was dahintersteckt, müssen wir Kamuko fragen, sobald wir sie haben.«
»Ich habe das ungute Gefühl, dass das alles andere als einfach werden wird.«
*
Die Stille war beinahe gespenstisch.
In einer Halle voller gewaltiger Maschinenkomplexe erwartete Kantiran eine gewisse Geräuschkulisse, besonders in einer Umgebung, die ganz offensichtlich einer Raumschiffswerft entsprach. Eine hoch technisierte Umgebung produzierte ganz automatisch Geräusche – Aggregate brummten leise, schalteten sich ein oder aus … die Fortbewegungslaute von Robotern, ob sie nun liefen oder schwebten, schließlich geschah auch das Schweben auf Antigravfeldern in den seltensten Fällen völlig lautlos … Bauteile wurden verschweißt, stießen aneinander oder wurden ineinander verankert … Material wurde transportiert und umgeschichtet …
In dieser Hinsicht wurde Kantiran jedoch enttäuscht.
Cosmuel und er standen vor der noch offen stehenden Tür zum Transmitterraum, am Rand der Brüstung, auf halber Höhe zur Decke der gewaltigen Halle. Schon vor Minuten hatten sie von hier einen ersten Blick in die Werftanlage geworfen, ehe sie zum Transmitter zurückgekehrt waren und das Bild der Prinzipa entdeckt hatten.
Jedes Aggregat und jeder Roboter in der Werfthalle war desaktiviert. Nirgends auf einer Grundfläche von – Kantiran blickte auf die aktuellen Messwerte seines Orters – knapp einem Quadratkilometer bewegte sich etwas.
Er zählte acht jeweils Dutzende Meter durchmessende, runde und zu allen Seiten offene Zwischengeschosse. Von mächtigen Säulen gestützt, ragten sie als Plattformen in unterschiedlichste Höhen auf.
Nur in der Mitte der Halle gab es keine Maschinenkomplexe, ebenso wenig in einer freien Schneise, die zu einer Wand führte, die der Logik zufolge als Zugangsschott zur Werfthalle dienen musste. In diesen freien Bereichen lagen gewaltige Bauelemente, deren Funktion Kantiran nicht erkennen konnte. Sie wiesen die unterschiedlichsten Formen auf und schimmerten teilweise in eigenartigem Schwarz, das einen verwirrenden optischen Effekt schuf.
Neben Cosmuel schwebte Kantiran mit dem Flugaggregat seines Einsatzanzugs zu Boden.
Eine Gruppe grob humanoid geformter, mehr als drei Meter großer Roboter stand nur wenige Meter weit entfernt. Ihre Oberfläche glänzte silbrig. Alle waren in exakt derselben Pose erstarrt: Drei Arme mit jeweils einer Vielzahl von Gelenken hingen schlaff an den Seiten, reichten bis knapp über den Boden.
Die kugelrunden Kopfsektionen, in denen es mehrere dreieckige Öffnungen gab, waren nach hinten geneigt. Kantiran zog unwillkürlich die Analogie zu einem Terraner – es wirkte, als sei der Schädel in den Nacken gefallen und als müsse der Roboter jeden Augenblick rückwärts umstürzen.
Eine geschwungene Maschine mit quaderförmigen Auswüchsen ragte meterhoch neben den Robotern auf. Eingabeterminals oder sonstige Zugänge waren nicht zu entdecken, über die Funktion dieser Anlage konnte Kantiran nicht einmal Vermutungen anstellen.
Sein Blick irrte zunächst in alle Richtungen und verlor sich jeweils nach wenigen Metern in der Landschaft aus zahllosen Maschinen, Roboterheeren und Aggregateblöcken. Ehe er seinen erhöhten Standort auf der Brüstung verlassen hatte, hatte er sich allerdings einen Überblick verschafft und war zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen, was die Funktion dieser Werftanlage betraf. Sie diente nicht zum Bau von Schiffen, sondern offensichtlich für Zwecke der Reparatur und Wartung.
Er teilte diese Einschätzung Cosmuel mit.
Diese hielt ihm statt einer Antwort den rechten Arm hin. »Schau dir das an. Ich habe Aufnahmen der in der Hallenmitte gelagerten Elemente angefertigt und einige Berechnungen durchlaufen lassen. Eins steht fest: Diese Elemente sind nur – wie soll ich sagen – Puzzlestücke. Sie erfüllen keinen eigenen Zweck, sondern lassen sich zusammensetzen und damit zu einem Ganzen kombinieren.«
Über ihrem Arm lief ein kleines Holo ab, das Kantiran an ein Trivid-Spiel erinnerte, ein billiges Kinderspielzeug, das ihm seine Pflegeeltern auf Creiff zu seinem siebten Geburtstag geschenkt hatten. Bau deinen eigenen Kristallkelch, war das Schlagwort gewesen, das ihn wochenlang fasziniert hatte. Je nach Schwierigkeitsstufe hatte er einen arkonidischen Trichterbau aus zehn bis einhundert Teilen zusammensetzen müssen. Kantiran hatte diese Aufgabe immer erfüllt, und stets hatte am Ende ein Holoimitat von Imperator Bostich eine Belobigung ausgesprochen. Diese Denkarbeit hatte Kantiran gereizt und ihm einige Male den Schlaf geraubt. Auf das Pseudolob des Pseudoimperators war er dabei nicht angewiesen, sondern nur darauf, das Rätsel ein weiteres Mal zu lösen.
Noch während er seinen Erinnerungen nachhing, erstarrte die Bewegung über Cosmuels Arm. Dort war ein Gesamtbild entstanden, das sich in 3-D-Ansicht einmal um die eigene Achse drehte und dann stehen blieb.
Kantiran hielt für einen Augenblick den Atem an. Er erkannte das Ergebnis sofort – und damit das, was in Dutzenden Einzelteilen über die Werfthalle verstreut lag.
Er hatte ein solches Raumschiff schon einmal gesehen, es sogar betreten – allerdings lediglich ein Wrack, das vor Jahrtausenden auf den Kapellenmond Ospera abgestürzt war. Es war vor gut zwei Jahren gewesen, als die Heiße Legion Cosmuel Kain entführt und er sie mithilfe von Alaska Saedelaere schließlich gefunden hatte, in der abgestürzten YRKADA, einem Schlachtschiff der Superintelligenz LICHT VON AHN.
»Das ist ein Schiff des LICHTS«, sagte Cosmuel.
Kantiran nickte. Die scheibenartige Grundform war eindeutig. War dieser acht Kilometer umfassende Komplex eine Werftanlage der Superintelligenz, deren Leichnam in der Sonne Rosella Rosado seine letzte Ruhestätte gefunden hatte? Wenn ja – wo befand sie sich? Ein solcher Gigant konnte nicht seit Jahrtausenden unbemerkt im System Rosella Rosado existieren. Und wie kam es, dass die Gründermutter, die sich angeblich von jedem aktiven Handeln zurückgezogen hatte, Zugang zu dieser Station besaß? Hatte diese Anlage bei der Gründung des Geheimbunds der Friedensfahrer eine Rolle gespielt?
Im selben Moment ertönte ein Geräusch und riss ihn aus den Überlegungen.
Kantiran wandte sich um. In einem Auswuchs der geschwungenen Maschine seitlich neben dem Roboterheer öffnete sich eine Klappe und rastete mit hörbarem Klicken ein. Ein tentakelartiger Greifarm schob sich aus der Öffnung. An seiner Spitze bewegten sich klackend metallische Fortsätze, die an acht Finger erinnerten.
»Offenbar ist nicht alles so tot, wie wir dachten«, meinte Cosmuel trocken. »Da streckt uns sogar jemand zur Begrüßung die Hand entgegen. Wollen wir einschlagen?«
Kantiran war nicht nach einer scherzhaften Antwort zumute. Er entdeckte etwas zwischen den Fingern dieser Metallhand. Es konnte mit einigem guten Willen als Reparaturwerkzeug durchgehen – aber ebenso als spitze, geschliffene Wurfklinge.
Der Tentakel richtete sich auf Cosmuel aus, krümmte sich – dann jagte das Werkzeug mit der Klinge voraus durch die Luft.
Kantiran warf sich instinktiv auf Cosmuel und riss sie zur Seite.
Es wäre nicht nötig gewesen, weil diese einfache Attacke ihren Schutzanzug nicht hätte durchdringen können.
Doch die Gefahr war lange nicht gebannt.
Gemeinsam schlugen sie auf den Boden auf.
Ein Strahl aus grellblauem Licht traf dicht vor Cosmuels Füßen auf den Boden. Dort blitzte es, und das Metall verwandelte sich in eine blubbernde Pfütze, von der dichte Schwaden aufstiegen.
Die Halle erwachte ringsum zum Leben.
Es surrte, klickte und schabte überall, und die humanoiden Roboter mit den Kugelköpfen stampften auf die beiden Eindringlinge zu.
Generalin Kamuko:
9. September 1347 NGZ
Ihr Gesellschafter Deprot stand neben ihrem Sessel und war seit 16 Jahren tot. Wenn sie ins Leere sah …
Ich tue es gerne, seit Jahrhunderten schon, denn irgendwo, weit dahinten im Nichts, wartet jemand auf mich. Oder etwas. Vielleicht der Tod. Vielleicht all meine Vorgänger. Vielleicht … das Glück. Vielleicht ARCHETIM. Oder die schwarze Leere.
… spiegelte sich ihr Gesicht auf dem Bildschirm. Sie sah sich selbst so oft und schon so lange. Viel zu lange. Sie konnte dem Anblick nichts mehr abgewinnen, hatte ihn gründlich satt, so wandelbar er war. Trotzdem blieb sie die Gleiche: ich und ich und ich und ich … Sie kannte jeden Millimeter Haut, jede noch so kleine Falte, jedes winzige Fleckchen im Muster auf der linken Gesichtshälfte.
Es ist schon lange her, und es dauerte monatelang, und bis heute frage ich mich, ob das Ergebnis wirklich korrekt war oder ob ich einen dummen Fehler begangen habe, der von eminenter Wichtigkeit und doch völlig bedeutungslos ist … Ihre Nasenöffnung war mit einem Sekret verschmiert, durch das die kleine Wunde innerlich abheilte, die sich Generalin Kamuko in der Hektik der Flucht vor ihren Verfolgern aus Versehen selbst zugefügt hatte, als sie in ihrer dritten Wohnkammer gestolpert und gegen die Wand gefallen war.
Das alles sah und dachte sie, wenn sie ins Leere schaute, doch wenn sie ihren Blick scharf stellte und dadurch die Wiedergabe des Bildschirms vor ihrem Sessel korrekt in ihrem Gehirn ankam, erkannte sie zwei Eindringlinge. Die beiden widerwärtigen Kreaturen, die sie bis in ihre geheimen Kammern und noch weiter verfolgt hatten.
Was bildeten sie sich nur ein?
Warum ließen sie sie nicht in Ruhe?
Wie konnten sie so dreist sein, ihr auf den Leib zu rücken?
Schließlich war sie die Gründermutter …
Das Credo unseres Geheimbunds: Friedensfahrer stiften Frieden, wenn Gewalt und Krieg drohen, sie verstehen sich als Helfer und Beschützer des Lebens in all seinen Ausprägungen und Mentalitäten. Die Friedensfahrer kämpfen nicht gegen Ordnung oder Chaos als kosmische Prinzipien, sondern für das Leben an sich. Friedensfahrer sind nicht mehr den Völkern verpflichtet, aus denen ihre Mitglieder … und so weiter und so weiter und so fort.
… die Gründermutter und die Prinzipa ARCHETIMS …
Retroversion und STERN und GESETZ-Geber und Oaghonyr und ARCHETIMS HORT und Tare-Scharm und Schmetterblüter und Nadel des Chaos.
… die Prinzipa ARCHETIMS, die oberste Kriegsherrin und die Trägerin der Nachtlichtrüstung.
Und die größte Versagerin in 20 Millionen Jahren.
Sie hasste dieses Gesicht, und sie hasste die wirren Gedanken, die unablässig in ihrem Schädel tobten, ohne dass sie es kontrollieren konnte. Alles und jedes löste eine Assoziationskette aus, und manchmal wurde es so schlimm, dass sich die Erinnerungen ihres langen Lebens verselbstständigten und auch dann noch in ihr kreisten und kreisten und kreisten, wenn sie nichts weiter wollte als schlafen und endlich für ein paar Stunden Ruhe finden.
Sie hasste das Nichts, denn dort könnte etwas auf sie warten, am Ende vielleicht sogar ARCHETIM, der vorangegangen war an diesen Ort. Und seine Mächtigkeitsballung zurückgelassen hatte, ohne das Licht, ohne das Glück, ohne einen Sinn im Leben. Und ohne Frieden.
Was, wenn sie ARCHETIM begegnete?
Nein, nein, nein, wie schlimm wäre das!
»Schau nur her, Deprot!« Sie drehte sich in dem viel zu großen Sessel, in den sie nie hineingewachsen war. »Schau nur her, sie verfolgen mich. Aber ich habe doch alle Vorkehrungen getroffen, dass ich nie mehr mit der Welt in Kontakt trete.«
Dass Deprot sie schon lange nicht mehr hören konnte, spielte keine Rolle. Es war ihr völlig gleichgültig. Er war ihr treuer und einziger Freund.
Sie quälte sich aus dem Sessel, ging einige wankende Schritte und strich über Deprots kegelförmigen, harten und kalten Leib. Dann drehte sie ruckartig den Kopf und starrte auf die Bildwiedergabe.
Wie sehr sie die beiden hasste, die sie in ihre Einsamkeit verfolgt hatten. Sie hatten nicht das Recht dazu, in Kamukos notwendiges Exil einzudringen. Die Gründermutter war weder dazu bereit, ins Rampenlicht zurückzutreten, noch dazu, sich dem Urteil der Welt auszusetzen, das nur eine mögliche Antwort kennen konnte: schuldig!
So lange hatte sie sich zurückgezogen, so lange hatte sie Frieden …
»Ich suche den Frieden, habt ihr ihn?« und »Nennen wir uns doch Friedensfahrer.«
… Frieden gefunden.
Oder doch nicht, sagte eine leise Stimme in ihr. Jene leise Stimme, von der sie anfangs gedacht hatte, sie gehöre Deprot. Doch der Roboter war tot, wie konnte er da in ihrem Kopf sprechen?
Kamuko, die Prinzipa, die Gründermutter, würde sich die Frage nicht gefallen lassen, wie sie es hatte zulassen können, dass die Macht der Nachtlichtrüstung für so lange Zeiten verschwendet wurde.
Schon gar nicht von diesen Gestalten, die sie jagten und verfolgten! Nicht einmal in ihren Höhlenkammern hatte sie wegen diesen Bastarden noch Frieden und Schlaf finden können. Fast hätten sie sie erwischt! Was trieben sie überhaupt schon wieder auf Ospera? Warum zerstörten sie die Ordnung der Dinge?
Frech waren sie, unverschämt und frech! Und nicht nur das. Sie waren Feinde.
Und sie mussten sterben.
Sterben!
Wieso eigentlich?, fragte sie sich. Oder war es Deprot, der da sprach? Aber nein, der war ja tot.
»Armer Deprot.« Sie strich ein letztes Mal über den kalten Leib ihres Gesellschafters. Dann ging sie zurück zum Kommandosessel und setzte sich an die Kontrollen.
Mit geübtem Blick …
Wenn ich etwas kann, dann die vielen Bildschirme im Auge behalten, auf denen sich nichts tut, wie seit so vielen Jahrhunderten.
… sah sie binnen weniger als einer Minute in tausend Räume der Station und fixierte schließlich ihre Feinde. Sie musste etwas gegen sie unternehmen.
Sie stutzte.
Ein Roboterheer griff die beiden Eindringlinge an. Strahlerschüsse jagten durch den Raum. Überall kochten Seen aus flüssigem Metall. Der Transmitter-Empfangsraum in fünfzig Metern Höhe hing schief an der Brüstung, bald würde er gänzlich aus der Verankerung reißen und in die Tiefe stürzen. Robotertrümmer verglühten. Wartungseinheiten walzten auf die beiden Feinde zu.
Verwirrt sah die Gründermutter, dass sie bereits einige Schaltungen ausgelöst hatte, um den Eindringlingen den Garaus zu machen. Seltsam, sie hatte es schon wieder vergessen.
Es war einfach zu viel.
Viel zu viel in so wenigen Stunden nach dieser langen Zeit der Ruhe.
»Ach Deprot«, murmelte sie, »wenn du nur bei mir wärst.«
Ihre Finger huschten über die Kontrollen. Wartungseinheit Lo4-8/15.16 überhitzte und würde binnen Sekunden explodieren. Hübsch war das, wer wusste, ob die Feinde diesen Feuersturm überlebten. Einheit Abr23/42 stand den Feinden ebenfalls nahe. Zwei Handbewegungen, und ihre Verfolger würden eine böse Überraschung erleben.
Kamuko zog die Hände zurück, legte sie auf ihren Beinen ab und schaute ins Leere …
Was ich gerne tue, seit Jahrhunderten schon, denn irgendwo, weit dahinten im Nichts, wartet jemand auf mich. Oder etwas. Vielleicht der Tod. Vielleicht all meine Vorgänger. Vielleicht … das Glück. Vielleicht ARCHETIM. Oder die schwarze Leere.
… und dachte nach. Ihre Gedanken fingen sich in einer Zeit vor zwanzig Millionen Jahren.
Splitter der Geschichte (1)
Finale Schlacht
Chaos.