Perry Rhodan 279: Die Bezwinger der Zeit - William Voltz - E-Book

Perry Rhodan 279: Die Bezwinger der Zeit E-Book

William Voltz

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Beschreibung

Er ist ein Meister der Insel - er allein kann die Zeitmauer niederreißen Die Männer des Flottentenders DINO-3 überlisteten die Zeitfalle von Vario. Sie drangen in die Vergangenheit ein, um Perry Rhodan Hilfe zu bringen. Obwohl sie das Rendezvous mit der CREST verpaßten, fanden die Männer des Tenders eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit Perry Rhodan. Memosender wurden an strategisch wichtigen Punkten postiert - und die Lebenden vernahmen die Botschaft der Toten. Mit den im Tender aufgefundenen Triebwerken gelingt es der CREST, auf Schleichwegen die Galaxis zu verlassen und den Andromeda-Nebel anzufliegen, von wo aus der Fünfzigtausendjahressprung eingeleitet werden soll. Wegbereiter dieses kühnen Unternehmens sind neun schmutzige "Weltraumtramps" und Mausbiber Gucky, die in geheimer Mission auf Neulemuria landen. Die angeblichen Weltraumtramps wollen Nevis-Latan, einen Meister der Insel, in ihre Gewalt bringen, um die Realzeit des Jahres 2404 wieder erreichen zu können. Gucky und die neun sind die eigentlichen BEZWINGER DER ZEIT!

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Nr. 279

Die Bezwinger der Zeit

Er ist ein Meister der Insel – er allein kann die Zeitmauer niederreißen

von WILLIAM VOLTZ

Die Männer des Flottentenders DINO-3 überlisteten die Zeitfalle von Vario. Sie drangen in die Vergangenheit ein, um Perry Rhodan Hilfe zu bringen.

Obwohl sie das Rendezvous mit der CREST verpassten, fanden die Männer des Tenders eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit Perry Rhodan.

Memosender wurden an strategisch wichtigen Punkten postiert – und die Lebenden vernahmen die Botschaft der Toten.

Mit den im Tender aufgefundenen Triebwerken gelingt es der CREST, auf Schleichwegen die Galaxis zu verlassen und den Andromeda-Nebel anzufliegen, von wo aus der Fünfzigtausendjahressprung eingeleitet werden soll.

Wegbereiter dieses kühnen Unternehmens sind neun schmutzige »Weltraumtramps« und Mausbiber Gucky, die in geheimer Mission auf Neulemuria landen.

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Großadministrator spielt die Rolle eines Vagabunden.

Atlan – Perry Rhodans Gefährte hält einen »Neurodestrator« bereit – für alle Fälle.

Gucky – Der Mausbiber versetzt zwei Polizisten in Angst und Schrecken.

Tannwander – Chef einer verbrecherischen Organisation – und unfreiwilliger Helfer der Terraner.

Nevis-Latan – Wer diesen Mann überlistet, der überlistet die Zeit.

André Noir – Hypno des Mutantenkorps.

Dromm

1.

Der schwere Turbinengleiter lemurischer Bauart wäre in der Lage gewesen, mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit dahinzurasen. Er schwebte jedoch nur langsam über die riesige Stadt dahin, als hätten seine elf Passagiere, acht Terraner, ein Arkonide und zwei Lemurer, alle Zeit des Universums zur Verfügung.

Doch diese Zeit hatten sie nicht. Ganz im Gegenteil: Rund fünfzigtausend Jahre trennten die acht Terraner und den Arkoniden von ihrer Realzeit. Die räumliche Entfernung von ihrer Heimat war nicht weniger phantastisch. Sie betrug rund 1.450.000 Lichtjahre. Das sind 1.450.000 mal 9463 Billionen Kilometer.

Tannwander, der jugendliche Chef der größten lemurischen Untergrundorganisation, stand hinter dem Piloten und blickte auf die Stadt hinab. Auf der einen Seite sah der Lemurer eine langgestreckte Bergkette, deren höchste Gipfel die Zehntausendmetergrenze erreichten. Auf der anderen Seite erstreckte sich der Raumhafen von Atarsk weit in die große Ebene von Taman hinein.

Atarsk war schöner als Stolark, die andere große Stadt Lemurias. Tannwander lächelte unterdrückt. Auch in Atarsk hätte er nicht wohnen mögen. Sein Reich war eine Insel im Ozean, deren unterirdische Anlagen ihm so vertraut waren.

Dass er sich schon seit Tagen außerhalb seines Reiches aufhielt, lag vor allem an den neun Fremden, die behaupteten, Alarer zu sein. Tannwander warf einen verstohlenen Blick nach hinten. Schmutzig und zerlumpt wie echte Alarer waren sie, und sie stanken auch so. Aber das war auch das einzige, was sie mit den Bewohnern von Alara IV gemeinsam hatten. Tannwander zuckte mit den Schultern. Warum, so fragte er sich, half er diesen Burschen überhaupt noch? Manchmal wurde er das Gefühl nicht los, dass ihn die Fremden heimlich beeinflussten. Aber wie, so fragte er sich, sollten sie das tun?

Als sie gemeinsam von Stolark aus aufgebrochen waren, hatte Tannwander zunächst vorgehabt, sich von den falschen Alarern zu trennen. Doch jetzt, siebentausend Meter über Atarsk, war er immer noch bei ihnen. Er hatte Ogip, seinen Stellvertreter, benachrichtigt, dass er so schnell nicht zur Insel zurückkehren würde.

»Glauben Sie, dass wir eine Landung riskieren können, nach dem, was in Stolark vorgefallen ist?«, riss ihn eine ernste Stimme aus seinen Gedanken.

Tannwander drehte sich um. Der großgewachsene, schlanke Anführer der Fremden hatte gesprochen. Er nannte sich Schintas, aber Tannwander war überzeugt, dass dies nicht sein richtiger Name war.

»Wir können unbesorgt landen«, erwiderte er. »Nach Trahailors Tod wird Ostrum andere Sorgen haben, als uns zu jagen.«

Perry Rhodan, der sich jetzt Schintas nannte, nickte nachdenklich. Er überlegte, ob es nicht vorteilhafter wäre, Tannwander über die Hintergründe von Trahailors Ende zu informieren. Würde Tannwander glauben, dass Tamrat Trahailor von seinem Kollegen Nevis-Latan ermordet worden war?

Würde Tannwander glauben, dass Nevis-Latan ein Meister der Insel war, ein Wesen, das vor nichts zurückschreckte, um die Macht seiner Organisation auszubauen?

Nein, dachte Rhodan. Er erinnerte sich daran, dass sie schon einmal versucht hatten, den jungen Lemurer ins Vertrauen zu ziehen. Tannwander hatte ihnen nicht geglaubt. Wie sollte man ihm auch begreiflich machen, welche Hintergründe die Geschehnisse auf Vario hatten?

Es war besser, wenn Tannwander nur einen Teil der Wahrheit erfuhr und ständig unter der Kontrolle des Hypnos André Noir blieb.

»Landen Sie!«, befahl Tannwander dem Piloten des Gleiters.

Waynton, der Pilot, trug einen Kopfverband. Bei einem Gefecht mit Ostrums Männern hatte er Verbrennungen erlitten. Trotz seiner Verwundung arbeitete er jedoch weiter. Das war für Rhodan ein erneuter Beweis für die erstaunliche Treue, mit der Tannwanders Anhänger den Anführer ihrer Organisation unterstützten.

In immer enger werdenden Kreisen sank der Gleiter einem Parkfeld entgegen.

Rhodan hoffte, dass Gucky noch irgendwo in Atarsk weilte und auf sie wartete. Er brauchte jetzt unbedingt die Hilfe des Mausbibers. Der Teleporter Tako Kakuta konnte ohne Guckys Unterstützung die Jagd auf Nevis-Latan nicht beginnen. Rhodans Pläne von dieser Jagd waren noch unklar. Es hing alles davon ab, ob es Kakuta oder Gucky gelingen würde, noch einmal in das Rettungsboot einzudringen, mit dem sie Vario erreicht hatten.

Es war später Nachmittag, als Tannwanders Maschine auf dem Parkfeld aufsetzte.

»Ich befehle Ihnen, sich sofort in ärztliche Behandlung zu begeben«, sagte Tannwander zu Waynton.

Der Pilot zögerte, verließ dann jedoch ohne Widerrede den Gleiter. Tannwander wandte sich an die neun Männer.

»Was haben Sie nun vor?«, erkundigte er sich.

»Wir brauchen eine Unterkunft«, sagte Atlan. »Dort müssen wir unauffällig einziehen. Vielleicht können Sie uns ein großes Zimmer irgendwo in einem ruhigen Teil der Stadt besorgen.«

»Sollen wir uns nicht mit Juvenog in Verbindung setzen?«, schlug Major Don Redhorse vor.

Rhodan schüttelte den Kopf. Juvenog war der alarische Vertreter auf Vario, das zu dieser Zeit Lemuria genannt wurde. Es genügte, wenn Tannwander über ihre Ziele informiert wurde. Je mehr Personen von ihrer Rückkehr nach Atarsk erfuhren, desto größer wurde die Gefahr einer Entdeckung ihrer wahren Absichten.

»Da ich sowieso noch ein paar Tage in Atarsk bleibe, können Sie in meinem Haus wohnen«, erklärte Tannwander. »Dort steige ich immer ab, wenn ich hier zu tun habe. Aber ich werde wenig Zeit für Sie haben. Ich muss versuchen, Ostrum die Schwingquarze abzujagen, die er Ihnen geraubt hat.«

Rhodan erklärte sich einverstanden. Ihm konnte es nur recht sein, wenn Tannwander nicht ununterbrochen in ihrer Nähe war. Der Großadministrator blickte an sich herab und verzog das Gesicht. So, wie sie aussahen, konnten sie unmöglich auf die Straße hinaus. Selbst Alarer machten nicht einen derart verdreckten Eindruck.

Tannwander schien ähnliche Bedenken zu haben, denn er erbot sich, zunächst für neun gebrauchte Umhänge zu sorgen.

»Sie können im Gleiter auf mich warten«, sagte er. »Ich bin bald wieder zurück.«

Der Lemurer verließ den Gleiter. Durch die Kanzel beobachtete Rhodan, wie er sich rasch entfernte. Rhodan wusste, dass seine Begleiter, sofern sie keine Zellaktivatoren trugen, erschöpft und niedergeschlagen waren. Brazos Surfat, Olivier Doutreval, Lastafandemenreaos Papageorgiu, Chard Bradon und Don Redhorse brauchten dringend einen Tag Ruhe. Die Mutanten Kakuta und Noir sowie er und Atlan konnten sich dagegen ohne Unterbrechung ihrem Problem widmen, das in knappen Worten lautete: Nevis-Latan finden und den MdI dazu bewegen, ihnen die Rückkehr in die Realzeit zu ermöglichen.

Inmitten der geräumigen Kabine entstand plötzlich ein Flimmern und unterbrach Rhodan in seinen Überlegungen. Gucky materialisierte und ließ sich auf Rhodans Knien nieder.

»Ich hatte bereits befürchtet, euch nie wiederzusehen«, piepste er kläglich. »Die ganze Zeit über musste ich mich in den unterirdischen Kanalanlagen versteckt halten. Nachts schlief ich in Kaufhäusern.« Die Erinnerung an die lemurischen Kaufhäuser ließ ihn empört abwinken. »In der Stadt ist nicht eine einzige Karotte aufzutreiben. Kein Wunder, dass die Burschen alle so blass sind, wenn sie keinen Karottenanbau betreiben.«

»Wir haben einen neuen Freund«, unterbrach Rhodan den Redeschwall des Mausbibers. Er kraulte Gucky erleichtert hinter den Ohren.

»Ich habe mir erlaubt, diese Tatsache deinen Gedanken zu entnehmen«, sagte Gucky. »Tannwander wird jeden Augenblick zurückkommen, um euch menschenwürdiger auszurüsten. Bis dahin muss ich wieder verschwunden sein.«

»Allerdings mit einem Auftrag«, sagte Rhodan. »Du musst versuchen, das Rettungsboot zu erreichen. Dort entführst du das Mikrofunkgerät, sofern die Lemurer das Versteck noch nicht entdeckt haben. Dann musst du versuchen, die CREST über Funk zu erreichen. Die Besatzung muss wissen, dass wir einen MdI entdeckt haben. Vergiss nicht, dass du nur einen Kurzimpuls abstrahlen darfst, sonst wird man den Sender anpeilen.«

»Nevis-Latan heißt also der Mann, den wir finden müssen«, sagte Gucky, der erneut in den Gedanken seiner Freunde spioniert hatte. »Da er ein Tamrat ist, wird es schwer sein, an ihn heranzukommen.«

»Es gibt eine Möglichkeit, von der wir bisher noch nichts gewusst haben«, sagte Rhodan. »Tannwander hat uns darauf aufmerksam gemacht.«

Gucky entblößte seinen Nagezahn.

»Nevis-Latan ist begeisterter Tiefseefischer«, entnahm er Rhodans Gedanken. »Aber was hat das mit unseren Plänen zu tun? Ah! Ich verstehe ...«

»Genug geredet«, unterbrach ihn Rhodan. »Es wird Zeit, dass du dich an die Arbeit machst. Das Leben in den lemurischen Kaufhäusern ist dir nicht gut bekommen. Du hast Fett angesetzt.«

»Dicke sind gemütlich«, erklärte Gucky würdevoll. »Betrachte nur Brazos Surfat. Er ist ein so lieber Mensch, dass er ...«

Gucky entmaterialisierte, als Sergeant Surfat sich auf ihn zubewegte und unmissverständliche Gesten machte.

2.

Die Hänge der zerklüfteten Berge sahen aus, als habe man flüssiges Wachs von den Gipfeln herabgegossen. Der Sturm trieb Wolken von Ammoniakkristallen vor sich her, wirbelte sie durcheinander, presste sie zu wirren Haufen zusammen und drückte sie auf den zu Eis erstarrten Boden hinab, wo sie wie winzige Bälle auf und nieder tanzten.

Chaos, dachte John Marshall, als er auf den großen Bildschirm blickte, wo sich die Umgebung der CREST III deutlich abzeichnete. Das Chaos einer gewaltsam zerstörten Welt. Früher hatten auf diesem Planeten Maahks gelebt, doch die Bomben der Lemurer hatten ihre Städte vernichtet. Der Planet strahlte radioaktiv.

Ein makabres Versteck, dachte John Marshall.

Er blickte auf die kleine Kalenderuhr über den Kontrollen.

30. Oktober 2404! Dieses Datum galt für die Realzeit. An Bord des Ultraschlachtschiffes hatte man die ursprüngliche Zeitrechnung beibehalten. Die Kalender erschienen Marshall wie ein Symbol der Entschlossenheit der Besatzung, wieder in die Realzeit zurückzukehren.

Der Mutant senkte den Kopf. Vor dreizehn Tagen waren Perry Rhodan und seine Begleiter nach Vario aufgebrochen. Bisher hatte man an Bord des 2500 Meter durchmessenden Flaggschiffes der Solaren Flotte noch keine Nachricht von der kleinen Gruppe erhalten.

Das war kein Grund zur Panik, aber trotzdem beunruhigend. Was sollten sie anfangen, wenn Rhodan nicht mehr zurückkehrte? Marshall wagte nicht, an eine solche Möglichkeit zu denken.

Wieder blickte er auf den Bildschirm. Wie ein ungebärdiges Tier sprang der Sturm von den Berghängen herab und warf sich mit unheimlicher Wucht gegen die Außenflächen der CREST III. Aber er hätte ebenso an den Bergen zu rütteln versuchen können. Das mächtigste Schiff, das Menschenhand jemals erschaffen hatte, hielt den Naturgewalten dieser Welt mühelos stand.

In dem kleinen Tal, vor dem die CREST III gelandet war, befanden sich die Trümmer ehemaliger Maahk-Ansiedlungen. Die Überreste einstmals massiver Säulen erinnerten Marshall an ausgehöhlte Riesenzähne. In wenigen Jahren würde ihre einsame Wacht zu Ende sein. Sie würden zusammenbrechen und von Ammoniakschnee bedeckt werden.

Als Marshall seine Blicke abermals vom Bildschirm losriss, wurde er sich wieder der Tatsache bewusst, dass er sich nicht allein in der Kommandozentrale der CREST III aufhielt.

Cart Rudo, der epsalische Kommandant des Schiffes sowie eine Reihe von Offizieren waren bei ihm. Auch Icho Tolot stand schweigend neben dem Eingang des Antigravschachtes. Der riesige Haluter hatte bisher noch keine Antwort auf die Fragen finden können, die die Besatzung beschäftigten.

Keiner der Männer, die jetzt in der Zentrale weilten, hätte unbedingt anwesend sein müssen. Aber die Unruhe ließ sie immer wieder in diesen Raum kommen. Obwohl niemand darüber sprach, warteten alle auf eine Nachricht von Rhodan.

Kaum ein Offizier hielt sich in seiner Kabine auf. Es war, als wollten die verantwortlichen Männer allein durch ihre ständige Anwesenheit in der Zentrale das Schicksal beschwören.

5,6 Lichtjahre war die Sonne dieses Methanplaneten von Big Blue entfernt. Durch die Teleskope des Bordobservatoriums wäre Big Blue deutlich zu sehen gewesen, hätte es keine aufgewühlte Wasserstoff-Methanatmosphäre gegeben, die jeden Blick in den Weltraum verhinderte.

Die CREST III war in Sicherheit, aber was war das für eine Sicherheit?

Es war die Sicherheit des Schwächeren, der sich in ein Versteck zurückgezogen hatte, aus dem er irgendwann wieder herauskommen musste, wenn er weiterleben wollte.

John Marshall wusste, dass er mit seinem Zellaktivator Jahrzehnte innerhalb dieses Schiffes überleben konnte, während die Besatzungsmitglieder ohne Aktivator allmählich altern und sterben würden. Es war kein erfreulicher Gedanke, zusammen mit den anderen Mutanten allein in einem riesigen Schiff zu leben, fünfzigtausend Jahre von der eigenen Zeit entfernt.

Der Telepath gab sich Mühe, an etwas anderes zu denken, doch seine Überlegungen kehrten stets an den gleichen Punkt zurück.

Marshall verließ seinen Platz vor dem Bildschirm und durchquerte den Kommandoraum, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben. Neben Icho Tolot blieb er stehen. Der Haluter blickte ihn aufmerksam an. Seltsam, dachte Marshall, ich kenne ihn jetzt so gut, dass ich selbst seinen nichtmenschlichenGesichtszügen bestimmte Regungen entnehmen kann.

»Sie sind unruhig«, stellte Tolot fest.

Marshall musste lachen. »Wer ist das nicht?«, fragte er ironisch. »Wir sind die unruhigste Besatzung, die es jemals gegeben hat.«

»Sie machen sich Sorgen«, fuhr Tolot fort.

Mein Gott, dachte Marshall entsetzt. Er wird mir doch keinen Monolog über meine Gemütsverfassung halten wollen.

Ein Geräusch ließ ihn herumfahren und in Richtung der Funkkabine blicken. Der Empfänger des Hyperfunks hatte angesprochen.

»Legen Sie die Nachricht zu mir heraus, Sparks!«, rief Oberst Rudo.

Mit wuchtigen Schritten schob sich Tolot an Marshall vorbei, eine monströse Gestalt, an deren Anblick sich die Terraner jedoch längst gewöhnt hatten. Marshall setzte sich ebenfalls in Bewegung.

»Der Funkspruch dauerte nur ein paar Mikrosekunden, Sir!«, rief der Funker. »Es handelt sich um das Kurzsignal ›M‹.«

Es war das verabredete Signal. Marshall hätte am liebsten einen Freudenschrei ausgestoßen. Die Männer waren von ihren Plätzen aufgesprungen und redeten durcheinander. Marshall wusste, warum nur dieser Kurzimpuls durchgekommen war. Jede längere Funknachricht wäre von den Lemurern mit Sicherheit empfangen worden.

»Rhodan hat einen Meister der Insel auf Vario gefunden«, sagte Oberst Rudo. »Mit Hilfe des Impulsorters hat er den Aktivatorträger entdeckt.«

Die Offiziere beglückwünschten einander. Oberst Rudo teilte die erfreuliche Nachricht über Interkom der gesamten Besatzung mit. Die Botschaft des Großadministrators würde den niedergeschlagenen Raumfahrern neuen Auftrieb geben.

John Marshall wandte sich an Icho Tolot.

»Sie bleiben schweigsam«, stellte er fest. »Haben Sie irgendwelche Bedenken, was diese Botschaft betrifft?«

Marshalls Frage folgte augenblickliche Stille in der Zentrale. Die Männer starrten Tolot an.

»Haben Sie wieder ein Haar in der Suppe gefunden, Tolot?«, rief Captain Conrad Nosinsky.

»Ich bedauere, dass ich Ihren Enthusiasmus etwas dämpfen muss«, erklärte Tolot unbewegt. »Aber Sie selbst müssten einsehen, dass die Entdeckung eines MdI auf Vario, dem neuen Lemuria, bestimmte Konsequenzen nach sich zieht.«

»Was reden Sie da?«, entfuhr es Leutnant Drav Hegmar. »Wovon reden Sie überhaupt? Sie selbst haben doch Rhodans Vorstoß nach Vario gutgeheißen. Das Ziel des Großadministrators und seiner Begleiter war es schließlich, einen MdI und damit einen Weg in die Realzeit zu finden.«

Tolot wartete geduldig auf weitere Einwände.

»Ich habe Rhodans Vorhaben befürwortet, das stimmt«, gab er dann zu. »Doch ich habe nicht daran geglaubt, dass die Männer einen MdI auf Lemuria finden würden.«

Seine Worte lösten einen Tumult aus. Wenn Icho Tolot so etwas sagte, dann musste er schwerwiegende Gründe haben. Der Haluter besaß ein Plangehirn, mit dessen Hilfe er blitzschnell logische Kombinationen anstellen konnte.

»Sie glauben also, das Kurzsignal wäre ein Bluff?«, meinte Melbar Kasom.

»Im Gegenteil, ich bin davon überzeugt, dass Rhodan auf einen unserer großen Gegner gestoßen ist«, sagte Tolot, ohne sich um den erneuten Aufruhr zu kümmern, den seine Worte auslösten.

»Erscheint es Ihnen nicht seltsam, dass ausgerechnet zum richtigen Zeitpunkt ein MdI in der Vergangenheit Varios auftaucht?«, fragte Tolot erregt.

Marshall fühlte, wie seine anfängliche Erleichterung sich verflüchtigte. Er ahnte, worauf Tolot hinauswollte, und er wusste, dass der Haluter recht hatte.

»Sie nehmen an, dass der MdI auf Vario ist, um die CREST zu erwarten«, folgerte Oberst Cart Rudo. Er sprach das aus, was Marshall ebenfalls dachte.

»Nicht nur das! Der MdI ist außerdem genauestens über die Zeit informiert, zu der die CREST in den Andromedanebel geflohen ist«, sagte Icho Tolot. »Er ist an Ort und Stelle, um zu verhindern, dass wir in die Gegenwart zurückkehren können.«

»Sie können recht haben«, bemerkte Major Hefrich vorsichtig.