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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5658 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Als man aber in der Liga Freier Galaktiker erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, wird unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff in Marsch gesetzt: die RAS TSCHUBAI, unter dem Kommando von Perry Rhodan. Von einem Chaoporter geht sicher eine ungeheure Gefahr für die Galaxis aus. Rhodan findet in der kleinen Galaxis Cassiopeia Spuren, die darauf hindeuten, dass dort der Chaoporter FENERIK havariert ist – weil ihn das Kosmokratenschiff LEUCHTKRAFT gerammt hat. Die Aktionen der Chaosmächte in der kleinen Galaxis nehmen immer mehr zu, vor allem, weil die Menschen mit Kommandounternehmen beginnen. Nun droht eine Strafaktion von FENERIK gegen eine ganze Welt. Das Schlimmste verhüten könnte womöglich DAS IRRLICHT VON VALOTIO ...
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Seitenzahl: 171
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Nr. 3140
Das Irrlicht von Valotio
Donn Yaradua in Geheimmission – auf der Suche nach dem König der Gaukler
Susan Schwartz
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1. Die Statue von Stunn
2. Der Tausch
3. RAS TSCHUBAI
4. KITAI ISHIBASHI
5. Pahrayn
6. Der Gaukler
7. Suite 9211
8. Das Staunfest
9. Vosskon, der Retter?
10. Die Gharsen kommen!
11. Lagershow
12. Eine Zugabe
13. Die letzte Zugabe
Report
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5658 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.
Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.
Als man aber in der Liga Freier Galaktiker erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, wird unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff in Marsch gesetzt: die RAS TSCHUBAI, unter dem Kommando von Perry Rhodan.
Von einem Chaoporter geht sicher eine ungeheure Gefahr für die Galaxis aus. Rhodan findet in der kleinen Galaxis Cassiopeia Spuren, die darauf hindeuten, dass dort der Chaoporter FENERIK havariert ist – weil ihn das Kosmokratenschiff LEUCHTKRAFT gerammt hat.
Die Aktionen der Chaosmächte in der kleinen Galaxis nehmen immer mehr zu, vor allem, weil die Menschen mit Kommandounternehmen beginnen. Nun droht eine Strafaktion von FENERIK gegen eine ganze Welt. Das Schlimmste verhüten könnte womöglich DAS IRRLICHT VON VALOTIO ...
Vosskon – Das Licht von Valotio wird vielfach gesucht.
Donn Yaradua – Der Mutant ist neugierig auf die Fähigkeiten des Sossniden.
Vetris-Molaud – Der Tamaron aus der Milchstraße begleitet eine Meisterin.
Od Hairac und Zuhaive Antann – Die Vertrauten des Meistergauklers erweisen sich stets als loyal.
Lousha Hatmoon
1.
Die Statue von Stunn
Das ist doch nicht meine Schuld!, dachte Vosskon zum wiederholten Mal, während er zur nächsten Station hetzte und auf eine »Raupe« sprang.
Dabei handelte es sich um Züge, die wegen ihrer Segmente so bezeichnet wurden, und die unermüdlich auf vielen Ebenen kreuz und quer durch Stunn, die Hauptstadt des Planeten Terril, unterwegs waren. Die Einschienen-Magnetbahnen hatten keine Kabinen, sondern waren wie Wannen nach oben vollständig und zu den Seiten halb offen. Man konnte jederzeit zu- und abspringen, und zum Wechsel nutzte man einen der Hunderte Verbindungsknoten, die »Stationen«, obwohl die Züge nie anhielten.
Für fünfarmige Dreibeiner war es nicht schwierig, sich an den Gestängen hinauf- und hinunterzuhangeln; es gab alternativ gläserne Antigravschächte, doch die waren langsamer. Die Terrilianer hatten nicht nur Spaß an der vertikalen Bewegung, sondern sie hatten auch keine Mühe, jeweils den richtigen Absprung zu finden und beim Hineinspringen auf die Freihaltepunkte das Gleichgewicht nicht zu verlieren und versehentlich Mitfahrer zu schubsen.
Die Gestänge überzogen die ganze Stadt, horizontal wie vertikal, und führten zu Plateaus, von denen aus kugelige Bauten erreicht wurden, die nur zur Übernachtung oder für die Arbeit genutzt wurden. Die vielkugeligen Gebäude standen auf Stielen, sodass sie von Weitem wie in einem Kopf zusammenstehende Blütensprossen mit darunterliegenden Verästelungen aussahen. Das private Leben fand in aller Geselligkeit statt, bevorzugt in einer der zahlreichen Arenen, wo es Holovorführungen gab, Wettkämpfe, Schaukämpfe, Sport und echte Kämpfe, außerdem Kunst und Literatur sowie Theater.
Und Vosskons Zaubershow, die beste der ganzen Galaxis, das musste bei aller Bescheidenheit festgestellt werden.
Undankbar sind sie! Ich beehre sie mit meiner großen Kunst – und wie danken sie es mir? Ich tue ihnen Gutes, und sie jagen mich dafür! Was für eine Zeitverschwendung! Nie wieder setze ich einen Fuß auf diesen Hintermondplaneten, der besser im Zauberhut geblieben wäre!
Aber um diesen Schwur umzusetzen, musste er seinen Fuß erst einmal von dem Planeten wegbewegen. Und das war im Moment nicht ganz einfach.
Vosskon war ein Zweibeiner und Zweiarmer und normalerweise nicht darin geübt, sich durch Gestänge zu hangeln, anstatt sich auf Gleitbändern durch Straßen zu bewegen, wie es sich gehörte. Welch ein Glück, dass er ein begnadeter Athlet war und sich immer in Form hielt! Das war unerlässlich in seinem Beruf.
Die Raupen ließen ihn schneller vorankommen und gaben ihm ab und zu Gelegenheit zu verschnaufen.
Doch er musste einräumen, dass die Verfolger ihm trotzdem näher kamen. Und er sich immer mehr vom Raumhafen entfernte.
Er unterbrach seine Überlegungen, als er bemerkte, dass er angestarrt wurde. Was ...
Dann sah er es; die innerhalb der Segmenteinschnitte projizierten Holos zeigten es.
Ihn selbst!
Oder zumindest das, was die terrilianische Polizei als Vosskon beschrieb. Es war kein gutes Bild. Begleitet von einer panischen Stimme, untermalt mit Schrift, dass er gesucht werde, womit dieses Bild noch schlimmer wirkte.
»Frechheit!«, rief Vosskon empört. »So sehe ich doch überhaupt nicht aus! Allein diese Nase! Das ist ein Riesenzinken!« Er griff sich an das, was er gern als »Stupsnäschen« bezeichnete, wenn er sich im Holospiegel ansah. Diese Erhebung war allerdings immer noch ein untrügliches Erkennungsmerkmal im Vergleich zu den Geruchslamellen der Terrilianer.
Das Problem war: Es gab in Stunn zwar durchaus raumfahrende Besucher von anderen Welten, aber die sahen allesamt nicht so aus wie er. Ganz und gar nicht. Seines Wissens – und darin irrte er sich nie oder höchstens selten – war er der einzige Stossnide auf Terril. Allgemein waren in Valotio nicht sehr viele Stossniden auf Reisen; deshalb lag die Wahrscheinlichkeit nicht sehr hoch, dass sich zwei gleichzeitig auf demselben Planeten aufhielten. Schon gar nicht auf einer so rückständigen Welt wie dieser.
Warum hatte er sich bloß darauf eingelassen? Er hatte es nicht nötig, sich mit solchen unbedeutenden Hintermondplaneten abzugeben. Aber nun ... wenn man einen Auftrag erhielt ... wer wusste schon, was sich vielleicht später einmal daraus ergab? Die Popularität konnte steigen ... er brachte Freude und Staunen ...
»Ergreift ihn!«, schrie jemand.
Die gesamte Menge im Segment wandte sich gegen ihn. In den anderen Segmenten blickte man neugierig herüber.
»Jetzt aber mal langsam, Leute!« Vosskon hielt abwehrend die sechsfingrigen Hände hoch. Schlanke, lange, elegante Finger, nicht diese vier kurzen fetten Stummel der Terrilianer. Wieso hatte er sich nur darauf eingelassen, auf dieser Welt eine Station seiner Tournee einzuplanen? Diese plumpen, rückständigen Leute waren überhaupt keine Feingeister!
Mit schnellem Griff zauberte er einen leuchtenden Blumenstrauß aus den Falten seines schwarzviolett schimmernden Magieranzugs und überreichte ihn einer Terrilianerin – leicht zu erkennen an der kräftig orangefarbenen Haut, im Gegensatz zu den gelbhäutigen Männern –, die ihn erstaunt entgegennahm.
Vosskon verbeugte sich galant vor ihr, während er gleichzeitig dem Mann neben ihr drei Geldchips hinhielt, die er scheinbar aus dem großen Fächerohr gezaubert hatte.
Die beiden sahen einander geschmeichelt kichernd an, der Rest der Menge rückte jedoch weiterhin näher.
Vosskon richtete sich auf. »Geschätztes Publikum!«
Das Stimmmodul, das auch als Translator eingesetzt werden konnte, hatte er auf die Frequenz gestellt, die für die Terrilianer »charismatisch« umfasste. Sie konnten sich diesem Einfluss nicht entziehen und hielten überrascht inne.
»Ich bin Vosskon, der Gaukler, der größte Magier von Valotio! Soeben habe ich meine fulminante Show beendet, auf der ich Dinge oder Wesen verschwinden lasse – aber nie für immer! Sie sind da, nur nicht dort, wo ihr sie vermutet. Ich kann nichts dafür, wenn das Volk der Terrilianer nicht begreifen will, dass es ein Trick ist! Illusion! So wie dies!«
Er schnippte mit den Fingern, und der leuchtende Blumenstrauß und die Geldchips explodierten in Tausende Fünkchen in den Greifhänden der beiden Terrilianer. Sie zogen zuerst entsetzte, dann wütende Mienen.
»Das ist mein ganzes Verbrechen – eure Humorlosigkeit unterschätzt zu haben. Und damit gehabt euch wohl!« Er verbeugte sich erneut, war dann mit einem mächtigen Satz aus der Wanne, unterstützt von seinem Antigrav, balancierte kurz auf einer Stange, ließ ein paar Blumensterne auf die letzten Segmente der Raupe hinabregnen, die soeben an ihm vorüberrauschten, und schwang sich davon.
*
Sie sind ignorant, sie sind phantasielos, warum nur wollten sie sich überhaupt von mir verzaubern lassen?
Lachend hangelte Vosskon sich weiter und musste kurz darauf feststellen, dass es den scheinbar plumpen Terrilianern nicht nur gelungen war, ihn einzuholen, nein, man hatte ihn sogar umzingelt. Oben, unten, hinten, vorne, links, rechts. Offenbar waren sämtliche Sicherheitskräfte von Stunn mobilisiert worden, nur um ihn zu fangen! Da fühlte er sich doch umgehend geschmeichelt.
In der Klemme war er deswegen längst nicht. Er richtete sich hoch auf, breitete die Arme aus und rief: »Hochverehrtes Publikum! Ich danke sehr für den rauschenden Applaus und gebe gerne eine Zugabe. Sehet zu und staunet!«
Sein schillernder Schal blähte sich auf und explodierte in einem fulminanten, lautlosen Feuerwerk, das Vosskons Körper mit einem glitzernden Nebel umhüllte, der sanft verblassend herniederrieselte. Als er sich gänzlich auflöste, war Vosskon verschwunden. Der gesamte Vorgang hatte nicht länger als fünf Sekunden gedauert.
Die Sicherheitskräfte stießen wütende Schreie aus und stürmten auf die Stelle zu, an der der Magier soeben verschwunden war.
Nur wenige Sekunden später erklang gut 20 Meter weiter ein spöttisches Lachen. Vosskon stand dort und winkte fröhlich. »Lasst uns die Show an einem anderen Ort fortsetzen!«
Und sprang mit einem gewaltigen Satz davon.
*
Nicht zu fassen, die denken tatsächlich, mich fangen zu können, dachte Vosskon, während er im Schutz seines Deflektorschirms eine Raupe ansteuerte. Mich! Hat denn überhaupt irgendeiner bei meiner Vorstellung aufgepasst? Ich zaubere mich selbst aus dem Weinkrug!
Mittels Holoemittern und dem partiellen Einsatz des Deflektorfeldes verlieh er sich das Aussehen eines der Deronianer, die er als Besucher in Stunn gesehen hatte, und fuhr in der Raupe Richtung Raumhafen. Das fiel nicht auf und würde keinerlei Aufmerksamkeit erregen – vielleicht wollte der Deronianer abreisen.
Vosskon sah den Terrilianern ihre Naivität insofern nach, dass sie keine Vergleichsmöglichkeit hatten – sie wandten einfach das an, was sie kannten. Womit sie bisher bei jedem anderen sicherlich auch Erfolg gehabt hatten. Wie sollten sie es also besser wissen? Erst dadurch lernten sie dazu.
Die Erklärung für seinen Verschwinde-Trick war einfach – es war gar keiner, kein Zauber, keine Magie, nicht einmal Illusion. Nur Ablenkung und Täuschung.
Sein wuchtiger schillernder Schal, den er um Kopf und Schultern trug, bestand aus einem riesigen Schwarm Nanogenten, mit denen er über einen Chip im Handgelenk verbunden war und die er mit für Beobachter unmerklichen Bewegungen steuerte. Gewiss benötigte man dafür jede Menge Erfahrung und auch ein gewisses Talent – aber von Tricks war das weit entfernt.
Illustration: Swen Papenbrock
Die Nanogenten hatten sich nach seinem Verschwinden an anderer Stelle zu einem Abbild Vosskons zusammengesetzt und brachten die Sicherheitskräfte auf die falsche Spur.
Vosskon verfolgte unbemerkt ihren Weg mittels der optischen Sensoren, die ihm ein ungefähres Bild der Umgebung übermittelten, bis er eine geeignete Deckung erkannte, die Nanogenten dorthinein lenkte und sie sich dann auflösen ließ. Damit wäre Vosskon ein zweites Mal verschwunden – und die Verfolger würden in ihrer Suche verzweifeln.
Die Raupe erreichte den Stadtrand, von dort aus fuhr sie von der letzten Station im Bogen wieder zurück.
Vosskon sprang aus dem Zug und stieg nach unten. Es gab keine Gestänge mehr, eine weite, öde Ebene breitete sich aus. Die ersten Raumgefährte standen nicht weit entfernt, die größten parkten in einigen Kilometern Entfernung. Man konnte sie zu Fuß oder mit einer der Schwebeplattformen erreichen, die auf vorgegebenen Wegen zahlreich kreuzten. Am Horizont zog sich eine Gebirgskette mit Gipfeln von vielen Kilometern Höhe entlang, ein blaugrüner Himmel spannte sich darüber.
Der Illusionist behielt seine Tarnung bei, bis er sicher war, dass er allein auf dem weiten Feld war; die nächsten Raumfahrer standen mindestens 600 Meter entfernt. Er desaktivierte die Illusion; gleichzeitig bildete sich der Schal der einzeln zurückgekehrten Nanogenten wieder um Schultern und Kopf.
Nun schlug er den Weg zur VINPA ein, die am hinteren Rand des Mittelfelds auf den Start wartete. Stossniden bauten ihre Raumschiffe üblicherweise in ovaler Form, doch ein solches benutzte Vosskon schon lange nicht mehr. Die VINPA war ein 320 Meter langer und 80 Meter durchmessender Walzenraumer der Gaids, den er vor fast 40 Jahren zusammen mit dem ersten von zwei Vertrauten übernommen hatte, dem alten Gaid Od Hairac.
Die zweite Vertraute wollte er soeben anrufen, da meldete sie sich bei ihm, als hätte sie es geahnt. Das kam nicht zum ersten Mal vor.
Zuhaive Antann war Tefroderin und ging ihm bei allem zur Hand, sie waren ein eingespieltes Team. Sie hatte kurz nach dem Erstehen der VINPA bei ihm angeheuert und hatte sich, genau wie Od Hairac, sehr schnell als vertrauenswürdig und loyal erwiesen. Die einzigen beiden Wesen, zu denen der sonst extrem misstrauische Vosskon fast sofort eine Beziehung aufgebaut hatte und ihnen rückhaltlos vertraute. Gemeinsam hatten sie schon eine Menge durchgemacht, und jeder von ihnen hatte eine Vorgeschichte aufzuweisen, die nicht gerade idyllisch zu nennen war. Sie fühlten sich einander verbunden.
Es waren zehn weitere Besatzungsmitglieder an Bord, die sich jedoch ausschließlich um ihre Aufgaben zu kümmern hatten. Vosskon bezahlte sie gut dafür, dass sie nicht schluderten und akzeptierten, dass ihnen nicht alle Räumlichkeiten der Walze zur Verfügung standen und schon gar kein ständiger Kontakt zu ihm.
Die meisten hatten ebenfalls eine Vorgeschichte, die nicht unbedingt immer im legalen Rahmen abgelaufen war, weswegen sie sich sehr einverstanden mit diesen Konditionen erklärten.
Vosskon recherchierte über jedes Besatzungsmitglied sorgfältig, denn Gewalt- und Kapitalverbrechern würde er selbstverständlich keinen Unterschlupf gewähren. Doch es gab genügend, die tatsächlich unschuldig in die Gesetzesmühlen geraten waren, oder die andere durch ihr Verschwinden schützten. Damit kannte er sich aus.
Die Steuerung der VINPA überließ er dem Kapitän, der zugleich als Hauptpilot fungierte und eigenverantwortlich dafür sorgte, wen er für die Steuerung brauchte; um solcherlei Details kümmerte Vosskon sich nicht. Er verlangte lediglich, bequem ans Ziel zu gelangen, und dass immer frisches und gutes Essen serviert wurde, weswegen er keine Robotküche hatte. Ansonsten mangelte es nicht an Automatiken und Robotern in allen Größen und Varianten, die vor allem für die Show eingesetzt wurden.
So wie Od Hairac das Herzstück der Show war, war Zuhaive Antann Dreh- und Angelpunkt in allem, was die VINPA betraf und damit auch die heimliche Kommandierende. Sie war eine ausgezeichnete, intuitive Tüftlerin und Bastlerin, die Vosskon – neben der Verwirklichung seiner Tricks – dabei geholfen hatte, die VINPA seinen Vorstellungen entsprechend umzubauen.
Das auffälligste Merkmal dabei war, dass das Raumschiff senkrecht landete – und das hatte seinen Grund. Die vollständige Hülle diente als unermüdliche schrillbunte Werbefläche für die nie endende galaktische Tournee, mit Showausschnitten, Verlockungen, Buchungshinweisen, Rabattangeboten und vielem mehr.
Ihr Standort war daher schon von Weitem erkennbar, nicht zuletzt wegen der Werbeholos, die als riesige, sich drehende Kugel marktschreierisch die größte Show der Galaxis anpriesen.
Vosskon nahm den Anruf an und bemerkte sofort Antanns veränderte Miene im Holo, achtete jedoch nicht gleich darauf. »Zuhaive, ich bin gerade ...«
»Es gibt ein Problem«, unterbrach sie ihn. Weiter kam sie nicht, denn ihr wurde das Wort ebenfalls abgeschnitten.
Noch jemand erschien im Holobild, ein Terrilianer, der seine wulstigen Lippen in die Breite zog.
»Saretori«, sagte Vosskon und runzelte die Stirn. Der Bürgermeister von Stunn hatte den Vertrag über die öffentliche Vorführung in der – übrigens bis auf den letzten Platz ausverkauften – Hauptarena mit ihm geschlossen.
»Ganz recht«, sagte der Angesprochene und ließ süffisant seine Geruchslamellen flattern. »Überrascht?«
»In der Tat. Zuhaive, was hat das zu bedeuten? Wo bist du?«
»Du darfst deiner Assistentin ...«
»Gehilfin«, verbesserte Vosskon automatisch. So weit ging es denn doch nicht.
»Wie auch immer ...« Zum zweiten Mal kam Saretori nicht weiter.
»Sie haben mich reingelegt!«, warf Antann ein. »Sie sagten, eine Überweisung sei nicht üblich, ich müsse das Honorar persönlich abholen, im Büro des Bürgermeisters. Wer denkt da an Geiselnahme?«
»Niemand.« Vosskons silbrig-blaue, haarlose Haut verlor zusehends an Glanz und machte der Düsternis des Zorns Platz. »Normalerweise sollte ein Bürgermeister ein vertrauenswürdiger und ehrenwerter Mann sein.«
»Aber das bin ich! Ich habe deiner ... Gehilfin, was auch immer ... kein Haar gekrümmt. Noch nicht.« Er strich kurz durch das kastanienbraune Haar der grünäugigen, zierlichen Tefroderin.
»Behalte deine Wurstfinger bei dir!«, erboste sie sich und schüttelte wütend den Kopf.
»Wie du siehst«, fuhr Saretori fort, »sind wir nicht halb so dumm, wie du von uns annimmst. Du glaubst, uns abgelenkt zu haben? Wir haben im Gegenteil dich abgelenkt, um die Frau zu verhaften.«
»Verhaften? Weswegen denn? Sie hat nichts getan!«, rief Vosskon.
»Sie nicht.« Die großen runden Augen des Terrilianers verengten sich vertikal. »Aber du.«
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Du hast die Figur des Staphe gestohlen.«
»Die was?«, fragte er verblüfft.
»Die Figur des Staphe, stell dich nicht dümmer als du bist! Du hast sie während der Vorstellung verschwinden lassen ...«
»Ach, das hässliche, dämliche Ding.«
»... aber nicht mehr zurückgebracht. An der Stelle, wo sie sein sollte, war sie nicht!«
»Dann muss etwas dabei schiefgegangen sein. Ich werde nachsehen und ...«
»Du wirst sie zurückgeben, und zwar innerhalb der nächsten zwei Stunden, oder deiner Freundin wird es sehr, sehr schlecht ergehen. Wir haben keine besonders komfortablen Gefängnisse. Wer dorthin kommt, kehrt im Allgemeinen nie mehr zurück.«
Vosskon war am Ende seiner Beherrschung. Seine Stielaugen fuhren auf die vollen fünf Zentimeter aus. »Ihr seid ein unzivilisiertes, barbarisches ...«
»Dann solltest du erst recht so schnell wie möglich die Bedingung erfüllen, denkst du nicht? Und die Bezahlung für deinen Auftritt kannst du ebenfalls vergessen.« Der Bürgermeister schmatzte und prustete vor Vergnügen.
»Das war von Anfang an dein Plan, nicht wahr?«, zischte Vosskon wütend. »Mich um meinen Lohn zu prellen.«
»Aber nein. Das hast allein du zu verantworten, du trauriger Meister aller Blender. Also – beschaff die Figur des Staphe und bring sie in spätestens zwei Stunden in mein Bürgermeisterbüro, die Adresse übermittle ich dir. Und versuch keinen weiteren Trick – wir werden uns von der Echtheit überzeugen, bevor wir dir deine Gehilfin zurückgeben.«
2.
Der Tausch
Als Erstes rief er den Conférencier an, der dafür zuständig war, die Ansagen zu tätigen und das Publikum durch launige Kommentare und kleine Spielchen abzulenken. Od Hairacs Vorteil dabei: Er hatte nicht etwa nur eine schmeichelnde Stimme, bei der man sich automatisch wohlfühlte – der Gaid verfügte zudem über eine schwache hypnosuggestive Begabung, die er schamlos einsetzte, wenn es auch nur den Anschein einer Erfordernis gab.
»Od, ist bei dir alles in Ordnung?«
Der Gaid, der in dem kleinen Holo erschien und dessen faustgroßer Kopf von einem großen roten Facettenauge beherrscht wurde, begriff sofort. »Was ist mit Zuhaive passiert? Sie ist vor über einer Stunde los, um das Honorar abzuholen. Der Bürgermeister bestand auf Barzahlung. Ich wollte einen der anderen schicken, aber sie traut denen nicht, wenn es um Geld geht.«
»Es war eine Falle«, erklärte Vosskon am Rande seiner Kräfte.
Hairacs am Halsende sitzende Mundöffnung kräuselte sich. »Die haben dich reingelegt?«
»Keinesfalls!«, schrie Vosskon. »Niemand legt mich herein, und schon gar nicht diese Primitivlinge!«
»Was ist es dann?«
»Sie haben Zuhaive entführt, um von mir dieses Dingsbums von Dingsda zu erpressen!«
»Du meinst diese hässliche kleine Statue, die meiner Ansicht nach in den Konverter gehört?«
»Ebendiese!«
»Ist die etwa noch hier an Bord und nicht im Konverter?«
»Richtig. Sie ist ein Souvenir. Verstehst du? An-den-ken! Eine Bereicherung meines Sammelsuriums! Du weißt besser als jeder andere, dass ich leidenschaftlich gerne Erinnerungen von jedem Planeten sammle, vor allem, wenn die Bezahlung schwach ausfällt oder gar nicht stattfindet, so wie in diesem Fall! Das ist der Preis dafür, dass ich sie mit meiner Show, die kilometerweit über ihrem Niveau steht, beehrt habe!«
»Ist ja schon gut, beruhige dich.«
»Hör auf damit! Du weißt, dass ich dafür nicht empfänglich bin.«
Der alte Gaid stieß ein quietschendes, kicherndes Geräusch aus. Er versuchte es immer wieder mit der Hypnosuggestion, aber sie funktionierte bei Vosskon tatsächlich nicht. Vielleicht war er immun, vielleicht aber auch zu abgebrüht. Er war jedenfalls froh darüber, sonst hätte der Gaid wahrscheinlich schon längst alles übernommen.
»Hätte dir aber gutgetan, wieder den kühlen Verstand einzuschalten.«
»Kann ich nicht!« Wie denn auch? Man hatte ihn hereingelegt.
Niemand legte ihn herein! Niemals.
Vosskon war der König der Gaukler, der größte Illusionist aller Zeiten, nicht einmal der erfolgreiche Buchautor M'ar Caherren, selbst ein grundbegabtes Showtalent, kam an ihn heran.
Der Stossnide hatte sich aus der siebenfachen Verkettung in den Tiefen der vulkanischen Schweröde befreit, er war dem Unentrinnbaren Gefängnis des Unendlichen Labyrinths entkommen, er hatte als größtes Kunststück einmal einen lebensechten Miniplaneten erschaffen, mit winzigen Krabbelwesen – es gab viele solcher Beispiele.