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Die Tage des Wahnsinns beginnen - und die besten Männer des Imperiums werden zu Mördern Im Solsystem, das seit dem "Tag Laurin" um fünf Minuten in die Zukunft versetzt und dadurch für das übrige Universum unsichtbar und nicht-existent wurde, schreibt man Anfang Juni des Jahres 3432. Innerhalb des Solsystems - neuerdings auch "Ghost-System" genannt - herrscht wieder Ruhe. Der Handel mit dem Planeten Olymp, der über die Zeitschleuse getätigt wird, verläuft ganz nach Plan. Ja, man kann sagen, daß die interstellaren und intergalaktischen Geschäfte geradezu florieren. Weniger rosig ist die Lage der galaktischen Großmächte, die zur antisolaren Koalition gehören. In ihren Reihen gärt es, und das Auftauchen der Accalauries, der mysteriösen Antimateriewesen, erregt allerorten die Gemüter. Viel schlimmer ist jedoch das Wirken Ribald Corellos in der Galaxis. Der Supermutant, den bisher noch niemand zu Gesicht bekommen hat, scheint die Menschheit abgrundtief zu hassen. Tod und Chaos sind die Spuren, die Ribald Corello hinterläßt und sein Vorgehen erinnert fatal an die Tage des Wahnsinns und an den AMOKLAUF DER MUTANTEN...
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Nr. 408
Amoklauf der Mutanten
Die Tage des Wahnsinns beginnen – und die besten Männer des Imperiums werden zu Mördern
von WILLIAM VOLTZ
Im Solsystem, das seit dem »Tag Laurin« um fünf Minuten in die Zukunft versetzt und dadurch für das übrige Universum unsichtbar und nicht-existent wurde, schreibt man Anfang Juni des Jahres 3432.
Innerhalb des Solsystems – neuerdings auch »Ghost-System« genannt – herrscht wieder Ruhe. Der Handel mit dem Planeten Olymp, der über die Zeitschleuse getätigt wird, verläuft ganz nach Plan. Ja, man kann sagen, dass die interstellaren und intergalaktischen Geschäfte geradezu florieren.
Weniger rosig ist die Lage der galaktischen Großmächte, die zur antisolaren Koalition gehören. In ihren Reihen gärt es, und das Auftauchen der Accalauries, der mysteriösen Antimateriewesen, erregt allerorten die Gemüter.
Die Hauptpersonen des Romans
Atlan – Der Lordadmiral erinnert sich an ein Schicksalsjahr der Menschheit.
Perry Rhodan – Begründer und Großadministrator des Solaren Imperiums.
John Marshall – Chef des Mutantenkorps.
Professor Dr. Ern Kottena – Leiter der Paraklinik auf dem Saturnmond Mimas.
Tako Kakuta, André Noir, Wuriu Sengu, Son Okura, Kitai Ishibashi, Tama Yokida, Ralf Marten und Betty Toufry – Die Second-Genesis-Krise macht sie zu Mördern.
Nos Vigeland – Ein USO-Spezialist wird zum Verräter.
1.
Der Vorposten der Zivilisation auf dem Planeten Vinzsa im Al-Tont-System existierte nicht mehr. Die Kolonisten, Angehörige der Ross-Koalition, hatten die Leichtmetallhallen und Messstationen mit Waffen oder mit bloßen Händen zerstört. Aus dem Tal, in dem nach dem Willen der Pioniere die erste Stadt entstehen sollte, stiegen Rauchwolken in den Himmel.
Die Menschen, die für die Zerstörung verantwortlich waren, hockten mit gleichgültigen Gesichtern zwischen den Trümmern ihrer Behausungen. Der Rausch, der über sie gekommen war, schien abgeklungen zu sein.
Perry Rhodan und Atlan, die mit einem Beiboot der INTERSOLAR auf Vinzsa gelandet waren, standen auf einer Anhöhe und blickten auf die zerstörten Anfänge einer Stadt hinab.
»Wir sind zu spät gekommen«, stellte Rhodan fest. »Ribald Corello hat bereits zugeschlagen.«
»Ich habe mit einem solchen Anblick schon gerechnet, als wir auf die zerstörten Schiffe der Kolonisten im Al-Tont-System stießen«, erwiderte der Arkonide.
Rhodan dachte an die Wracks, die jetzt um Vinzsa kreisten. Die Schiffe waren von ihren Besatzungen zerstört worden. Alle Menschen im Al-Tont-System waren vom Zwang der Zerstörung befallen. Ein paar Schiffe Ribald Corellos waren während des Chaos auf Vinzsa gelandet. Corellos Soldaten hatten alle wichtigen Instrumente und Geräte gestohlen.
»Dein Verbindungsmann hat uns zu spät informiert«, sagte Rhodan. »Wahrscheinlich hat Corello auch diesmal keine Spuren hinterlassen.«
»Gehen wir hinunter in die zerstörte Stadt«, schlug Atlan vor. »Vielleicht finden wir einen Kolonisten, mit dem wir vernünftig reden können.«
Rhodan warf seinem Freund einen Seitenblick zu.
»Du hoffst, dass du den USO-Agenten noch lebend findest«, sagte er.
Atlan nickte.
Sie versiegelten das Beiboot, so dass es nur mit einem Funkimpuls aus ihren Armbandfunkgeräten geöffnet werden konnte und machten sich an den Abstieg ins Tal.
Vinzsa war der vierte Planet, den Ribald Corello in einer Woche überfallen hatte. Die Brutalität, mit der der geheimnisvolle Angreifer vorging, war erschreckend. Corello nutzte seine paraphysischen Kräfte rücksichtslos aus. Die Vinzsa-Kolonisten waren durch Suggestiv-Befehle gezwungen worden, ihre Raumschiffe und Energieanlagen auf der Oberfläche des Planeten zu zerstören. Corello ging kein Risiko ein. Um in den Besitz einiger wertvoller Maschinen zu kommen, gab er Tausende von Menschen dem Wahnsinn preis. Der Traum, den die Kolonisten geträumt hatten, war zu Ende. Anstatt auf einer neuen Welt, würden diese Menschen die nächsten Jahre in Kliniken zubringen.
Rhodan und Atlan erreichten die ersten zerstörten Gebäude. Ein Mann in zerfetzten Kleidern taumelte an ihnen vorbei, ohne sie zu beachten. Atlan holte ihn mit wenigen Schritten ein und hielt ihn am Arm fest.
»Können Sie mich verstehen?«, fragte der Arkonide.
Der Kolonist verdrehte die Augen und lallte ein paar unverständliche Worte. Atlan gab ihn frei.
»So sehen sie alle aus«, sagte er bitter. »Wir werden keinen finden, der uns Auskünfte geben kann.«
»Dort drüben liegen die Überreste der Funkstation«, sagte Rhodan. »Sehen wir uns an, was noch übrig ist.«
Atlan blieb stehen und starrte mit zusammengekniffenen Augen in Richtung eines eingestürzten Gebäudes, vor dem zwei Männer auf dem Boden saßen.
»Dort!«, rief der Arkonide. »Einer dieser beiden Männer ist Leutnant Maltor.«
»Bist du sicher?«
»Natürlich«, sagte Atlan.
Keiner der beiden Männer reagierte, als Atlan und Rhodan sich ihnen näherten.
»Er ist es«, flüsterte Atlan, als sie vor den Männern standen.
»Beide sind krank«, sagte Rhodan.
»Leutnant Maltor!«, rief Atlan. »Stehen Sie auf.«
Der Mann, den Atlan angesprochen hatte, hob den Kopf. Sein Gesicht war rußgeschwärzt. Er verdrehte die Augen.
Atlan beugte sich hinab und zog ihn mit einem Ruck hoch. Er schüttelte ihn ein paar Mal.
»Leutnant Maltor!«, schrie der Arkonide. »Reißen Sie sich zusammen.«
Maltor stöhnte. Plötzlich griff er nach Atlans Waffengürtel und versuchte, ihn zu zerreißen. Atlan stieß den Leutnant zurück.
»Sie stehen noch immer unter diesem Zerstörungszwang«, sagte Rhodan. »Wir werden von Maltor nichts erfahren.«
Atlan öffnete seine kleine Bereitschaftstasche und entnahm ihr eine Spritze.
»Ich werde Maltor eine Injektion geben«, sagte er. »Das wird ihn beruhigen. Wir nehmen ihn mit an Bord der INTERSOLAR.«
Rhodan war einverstanden.
»Sobald wir an Bord der INTERSOLAR sind, setzen wir einen Funkspruch an die Ross-Koalition ab«, sagte er. »Sie sollen ein paar Schiffe ins Al-Tont-System schicken und diese Unglücklichen abholen.«
Er hatte Maltor die Injektion gegeben. Der USO-Leutnant hielt sich nur mühsam auf den Beinen. Atlan und Rhodan schleppten ihn zum Beiboot. Als sie das kleine Schiff betraten, blickte Atlan noch einmal ins Tal zurück.
»Corello wird allmählich zu einem Albtraum für die gesamte Galaxis«, sagte er. »Wir müssen etwas gegen ihn unternehmen.«
»Dazu brauchen wir Anhaltspunkte«, erwiderte Rhodan. »Bisher wissen wir kaum etwas über diesen geheimnisvollen Mann.«
»Corello ist machthungrig«, sagte Atlan. »Er wird früher oder später einen Fehler begehen.«
Sie banden Maltor auf einem Sitz fest und flogen zur INTERSOLAR zurück. An Bord des Schiffes hatte man inzwischen alle Messergebnisse ausgewertet. Der Überfall auf Vinzsa war vor sieben Stunden erfolgt. Corellos Schiffe waren nicht mehr einzuholen.
Leutnant Maltor wurde in die Bordklinik gebracht, wo sich die Ärzte seiner annahmen. Perry Rhodan ließ einen Funkspruch an die Hauptwelt der Ross-Koalition absetzen und schilderte kurz, was geschehen war. Er forderte die Verantwortlichen auf, ein Klinik-Schiff ins Al-Tont-System zu schicken.
»Mehr können wir für die Kranken nicht tun«, sagte er zu Atlan, der mit in die Zentrale gekommen war.
Der Arkonide antwortete nicht. Er saß an den Kontrollen. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet.
»Woran denkst du?«, erkundigte sich Perry.
Wieder erhielt er keine Antwort.
»Ist er krank, Sir?«, fragte Kommandant Korom-Khan besorgt.
Rhodan beugte sich zu seinem Freund hinüber. Der Arkonide war in körperliche Starre verfallen. Als Rhodan ihn schüttelte, bewegte er sich nicht.
»Ich rufe einen Arzt!«, sagte Korom-Khan alarmiert.
»Das ist nicht nötig«, erwiderte Rhodan. »Es wird ihm nichts geschehen. Ich kenne diesen Zustand. So sieht Atlan immer aus, wenn sich der Gedächtnisteil seines Extrahirns meldet.«
Korom-Khan runzelte die Stirn.
»Ich verstehe nicht, Sir«, sagte er.
»Irgendein Geschehnis hat Atlans Extrahirn aktiviert«, erklärte Perry. »Atlan wird uns wahrscheinlich in wenigen Augenblicken einen Bericht über ein Ereignis in der Vergangenheit geben. Es muss mit unserem Erlebnis auf Vinzsa zusammenhängen.«
Der Kommandant der INTERSOLAR konnte seine Unruhe nicht verbergen.
Es wäre ihm lieber gewesen, wenn Rhodan einen Arzt in die Zentrale bestellt hätte.
Plötzlich begann der Arkonide zu sprechen.
2.
(Bericht Atlan)
»Ich hasse es, nahe der See zu sein und sie brüllen und toben zu hören wie eine wilde Bestie in ihrem Käfig. Sie erinnert mich an die immerwährenden Anstrengungen der Menschheit, die kämpft, um frei zu sein, und die genau da endet, wo sie begonnen hat.«
William Hazlitt
Zwei Stunden, nachdem er in unruhigen Schlaf gefallen war, erwachte John Marshall von einem Geräusch, das sich, als er sich alarmiert aufrichtete, um zu lauschen, als leises Tappen nackter Füße erwies. Schnell schlug Marshall die Decke zurück. Er vermied es, seine telepathischen Sinne tastend in die Schlafräume auszuschicken, denn die anderen hätten es sofort bemerkt. Marshall wollte unter allen Umständen vermeiden, dass sie in ihm einen Spion sahen.
Dabei war er ein Spion.
Seit zwei Wochen hielt er sich auf dem Saturnmond Mimas auf, um die erkrankten Mutanten zu beobachten.
Schon während der First-Genesis-Krise hatte man die erkrankten Mutanten nach Mimas gebracht, um sie in einer Spezialklinik zu behandeln. Damals vor zwei Jahren war es Dr. Ern Kottena gelungen, die Veränderungen in den Gehirnen der kranken Mutanten zu stoppen.
Marshall presste die Lippen zusammen. Jetzt war nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Er musste herausfinden, wer von den Kranken während der Ruhezeit sein Zimmer verlassen hatte.
Geräuschlos näherte sich John Marshall der Tür seines Zimmers und öffnete sie um einen Spalt. Er fuhr sofort zurück, als er bemerkte, dass das Licht draußen auf dem Gang nicht mehr brannte. Wer immer zu dieser Stunde sein Zimmer verlassen hatte, wollte sein Vorhaben bei Dunkelheit ausführen.
Marshall löschte die Lampe in seinem Zimmer, damit der Lichtschein nicht auf den Gang hinausfiel, dann öffnete er die Tür erneut. Er streckte den Kopf hinaus.
Alles war still.
Ich habe mich getäuscht!, dachte Marshall erleichtert.
Als er die Tür zudrücken wollte, hörte er einen seltsamen Laut, als weinte ein Mensch still vor sich hin. Marshall fühlte, wie Angst in ihm hochstieg. Er war ein erfahrener Mann, der nicht leicht zu beunruhigen war, aber diesmal ging es um das Schicksal von acht Mutanten aus dem Korps. John Marshall kannte die sieben Männer und Betty Toufry noch aus den Jahren, da Perry Rhodan die Dritte Macht gegründet hatte. Er fühlte sich mit diesen Menschen innerlich verbunden.
Marshall glitt in den Gang hinaus und tastete sich mit den Händen an der Wand entlang. Sein eigener Herzschlag kam ihm übermäßig laut vor. Obwohl er seine Atemzüge unterdrückte, war er überzeugt, dass man sie meterweit hören konnte.
Er blieb stehen. Seine Handflächen waren feucht, und die Finger, mit denen er die Wand berührte, zitterten.
Jemand stand neben ihm!
Obwohl er seine telepathischen Sinne völlig ausgeschaltet hatte, war er sensibel genug, um die Anwesenheit eines anderen Menschen in seiner unmittelbaren Nähe zu spüren.
Und dieser andere wusste, dass John Marshall neben ihm stand.
»Also gut!« Marshalls Stimme explodierte in die Stille hinein. »Lass uns das Licht anmachen.«
Er hörte ein Schluchzen und fuhr herum. Seine zugreifenden Hände bekamen weiche Arme zu fassen.
Eine Frau!, schoss es durch Marshalls Gehirn.
»Betty!«, zischte er. »Betty, geht es dir nicht gut?«
Er zerrte die Frau mit sich zum nächsten Lichtschalter. Als er das Licht anknipste, erkannte er, dass es nicht Betty Toufry war, die er gestellt hatte.
»Gevoreny!«, sagte John Marshall überrascht. »Ich hatte dir verboten, dich heimlich mit ihm zu treffen.«
Das Anti-Mädchen senkte den Kopf.
»Was soll ich jetzt mit dir tun?«, fragte Marshall. »Die Mutanten sind krank. Du weißt, dass du nicht zu Kitai Ishibashi darfst. Deine Anwesenheit wird ihn innerlich noch mehr erregen. Das ist nicht gut für ihn.«
Gevoreny Tatstun blickte auf. Ihre Augen waren groß und leicht schräg gestellt. Sie besaß eine fliehende Stirn, lange dunkle Haare und einen breiten Mund. Trotzdem wirkte ihr Gesicht zierlich. Für Marshall war sie eines der schönsten Anti-Mädchen, das ihm jemals begegnet war. Sie gehörte zum Pflegepersonal. Es war ein offenes Geheimnis, dass Kitai Ishibashi, der Suggestor, und dieses Mädchen geheiratet hatten. Dr. Kottena wollte jedoch erst nach völliger Heilung des Mutanten erlauben, dass das Paar zusammenlebte.
»Werden Sie mich verraten, Mr. Marshall?«, fragte Gevoreny.
Marshall war unentschlossen.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, gestand er. »Wenn ich dich dem Arzt melde, wird er dafür sorgen, dass du nicht mehr mit Kitai zusammentreffen kannst. Das ist weder für Kitai noch für dich gut.«
Plötzlich sagte sie: »Ich habe Angst!«
»Wovor, Gevoreny?«
»Vor Kitai, Mr. Marshall.«
Verwundert sagte Marshall: »Ich dachte, du liebst ihn?«
Sie griff nach Marshalls Hand und drückte sie.
»Ich liebe und fürchte ihn«, sagte sie. »In letzter Zeit ist er mir unheimlich. Etwas scheint ihn zu bedrücken. Er sitzt oft stundenlang da und starrt vor sich hin, ohne etwas zu sagen.«
»Alle erkrankten Mutanten befinden sich jetzt in diesem Stadium«, sagte John Marshall. »Der Arzt glaubt, dass wir den Beginn der Second-Genesis-Krise miterleben.«
»Wird es wieder so schlimm werden wie vor zwei Jahren?«
Marshall wich ihren Blicken aus. Er starrte in den Gang.
»Ich weiß es nicht«, gestand er. »Vielleicht noch schlimmer.«
»Sie kennen diese Menschen doch«, sagte sie eindringlich. »Sie sind der Chef des Mutantenkorps. Können Sie ihnen nicht helfen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Aber warum sind Sie nicht krank?«, fragte sie. »Sie sind ebenso ein Mutant wie die acht anderen.«
»Es sind nur jene Mutanten erkrankt, deren Eltern eine Genveränderung durch radioaktive Einflüsse erlebten«, erklärte Marshall. »Fellmer Lloyd, Ras Tschubai, Goratschin, die Woolver-Zwillinge und ich sind Mutanten, deren Eltern einer natürlichen Gen-Verformung unterlagen. Das scheint der Grund dafür zu sein, dass wir verschont blieben.«
Das, was er Gevoreny erklärt hatte, war alles, was die Ärzte bisher über die seltsame Krankheit herausgefunden hatten, die acht Mutanten aus dem Korps bedrohte.
»Ich will Kitai nicht verlieren«, sagte das Mädchen leise.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, antwortete Marshall und legte ihr tröstend einen Arm um die Schulter. »Kommen Sie, ich bringe Sie in Ihr Quartier.«
Auf der anderen Seite des Ganges wurde eine Tür aufgerissen. Kitai Ishibashi blickte in den Gang. Der große Japaner trug nur seine Pyjamahose, so dass man den Zellaktivator auf seiner Brust sehen konnte. Die Haare hingen ihm wirr ins Gesicht.
»John! Spionieren Sie mir nach?«
Entsetzt hörte Marshall den hasserfüllten Unterton in der Stimme des Suggestors.
»Gehen Sie zurück in Ihr Zimmer«, sagte Marshall. »Ich bringe Gevoreny in ihr Quartier.«
Kitai kam auf den Gang heraus. Sein Gesicht war aufgequollen, die Augen traten hervor. Diese äußeren Symptome der rätselhaften Gehirnkrankheit waren bei allen betroffenen Mutanten gleich.
»Verschwinden Sie, John!«, stieß Ishibashi hervor.
Gleichzeitig griff er Marshall mit einem Suggestivbefehl an. Marshall parierte die Psi-Strömung mühelos. Wie alle Mutanten besaß er ein mentalstabilisiertes Gehirn.
»Lassen Sie den Unfug, Kitai«, sagte Marshall. Es fiel ihm schwer, seiner Stimme jede Unsicherheit fernzuhalten.
Ishibashi wandte sich abrupt um und stürmte in sein Zimmer. Die Tür schlug mit einem Knall zu. Gevoreny begann zu schluchzen. Marshall ergriff sie am Arm und zog sie mit sich davon.
Nachdem er sie in ihr Zimmer gebracht hatte, begab er sich zur Wachstation. Dr. Joysell, einer von Kottenas Assistenten, begrüßte ihn überrascht.
»Ich komme nicht ohne Grund während der Ruhezeit zu Ihnen, Doc«, sagte Marshall. Er berichtete Joysell, was geschehen war.
»Wir werden verhindern müssen, dass das Anti-Mädchen und Ishibashi sich weiterhin treffen«, sagte Marshall abschließend. »Jede Aufregung muss für die Kranken vermieden werden.«
Joysell strich sich über sein dichtes graues Haar und dachte einen Augenblick nach.
»Ich fürchte, jetzt ist es zu spät, die beiden zu trennen«, sagte er.
»Was heißt das?«
»Gevoreny erwartet ein Kind«, sagte Joysell.
»Das wusste ich nicht«, sagte Marshall betroffen.
Der Arzt zuckte mit den Schultern.
»Ich dachte, Dr. Kottena hätte mit Ihnen darüber gesprochen«, sagte er. »Aber anscheinend wollte er Sie nicht beunruhigen. Sie haben genug Verantwortung zu tragen.«
Marshall ließ sich auf einen Sessel sinken. Mehr noch als die Nachricht, dass Gevoreny bald Mutter wurde, beunruhigte ihn das Verhalten Kitai Ishibashis. Gerade mit dem Japaner hatte Marshall immer eine echte Freundschaft verbunden. Jetzt war ihm Kitai mit offenem Hass gegenübergetreten.
Zweifellos sahen die erkrankten Mutanten in ihrem Anführer einen Feind.
»Soll ich Dr. Kottena wecken?«, fragte Joysell.
»Das wird nicht nötig sein«, sagte Marshall. Er blickte auf die Kontrollbildschirme hinter Joysells Schreibtisch. Alle kranken Mutanten hielten sich in ihren Zimmern auf.
»Ich habe einen Fehler begangen«, sagte Marshall. »Ich hätte niemals den Kontakt zu ihnen verlieren dürfen.«
Dr. Joysells dicke Hände spielten mit einem Schreibstift.
»Sie brauchen sich keinen Vorwurf zu machen, Mr. Marshall«, sagte er. »Die Kranken betrachten sich als Einheit, zu der kein Normaler Zutritt haben darf. Unsere Psychiater haben herausgefunden, dass die Mutanten während der First-Genesis-Krise nach Möglichkeit unter sich bleiben wollten. Sie sahen in allen anderen Menschen Gegner. Gegner, die sie verachteten. Das scheint sich nun zu wiederholen.«