Perry Rhodan 870: Plondfair, der Berufene - William Voltz - E-Book

Perry Rhodan 870: Plondfair, der Berufene E-Book

William Voltz

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Beschreibung

Er ist ein Zweifler - er stellt die Macht des Alles-Rads in Frage ES, die Superintelligenz, die seit langem auf das Geschick der Menschheit heimlichen Einfluss ausübt, hat es im Jahr 3586 fertiggebracht, zwei terranische Expeditionen auf die Suche nach BARDIOCS verschollenem Sporenschiff PAN-THAU-RA auszusenden. Da ist Perry Rhodans SOL, die nach der erfolgten Vereinigung von BARDIOC und der Kaiserin von Therm und nach Erhalt der genauen Zielkoordinaten zur Galaxis Tschuschik startet - und da ist die vom Mondgehirn NATHAN noch im Auftrag der aphilischen Erdregierung konzipierte und erbaute BASIS unter dem gemeinsamen Befehl von Jentho Kanthall und Payne Hamiller, die das gleiche Ziel anstrebt. Wie aber sieht es in der Galaxis Tschuschik, die von ihren Bewohnern Algstogermaht genannt wird, überhaupt aus - und welche Verhältnisse herrschen dort? Eine erste Antwort auf diese Fragen erhalten wir durch den jungen Plondfair, einen Lufken. Plondfair, der sich seiner Ziehmutter eng verbunden fühlt, ist ein äußerst tatendurstiger, energischer Mann. Obwohl seine kritische Einstellung zu dem in seiner Heimatgalaxis herrschenden System bekannt ist, wird er überraschenderweise in einen exklusiven Kreis erwählt. Er wird PLONDFAIR, DER BERUFENE ...

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Nr. 870

Plondfair, der Berufene

Er ist ein Zweifler – er stellt die Macht des Alles-Rads in Frage

von WILLIAM VOLTZ

ES, die Superintelligenz, die seit langem auf das Geschick der Menschheit heimlichen Einfluss ausübt, hat es im Jahr 3586 fertiggebracht, zwei terranische Expeditionen auf die Suche nach BARDIOCS verschollenem Sporenschiff PAN-THAU-RA auszusenden.

Da ist Perry Rhodans SOL, die nach der erfolgten Vereinigung von BARDIOC und der Kaiserin von Therm und nach Erhalt der genauen Zielkoordinaten zur Galaxis Tschuschik startet – und da ist die vom Mondgehirn NATHAN noch im Auftrag der aphilischen Erdregierung konzipierte und erbaute BASIS unter dem gemeinsamen Befehl von Jentho Kanthall und Payne Hamiller, die das gleiche Ziel anstrebt.

Wie aber sieht es in der Galaxis Tschuschik, die von ihren Bewohnern Algstogermaht genannt wird, überhaupt aus – und welche Verhältnisse herrschen dort?

Eine erste Antwort auf diese Fragen erhalten wir durch den jungen Plondfair, einen Lufken. Plondfair, der sich seiner Ziehmutter eng verbunden fühlt, ist ein äußerst tatendurstiger, energischer Mann. Obwohl seine kritische Einstellung zu dem in seiner Heimatgalaxis herrschenden System bekannt ist, wird er überraschenderweise in einen exklusiven Kreis erwählt.

Die Hauptpersonen des Romans

Plondfair – Ein junger Lufke erhält Die Berufung.

Koßjarta – Plondfairs Nährmutter.

Gainth – Ein hochstehender Kryn.

Payne Hamiller – Wissenschaftlicher Kommandant der BASIS.

Demeter – Die »Göttin« erfährt von ihrer Herkunft.

Harso Sprangohr

1.

Die Bläser auf den Ecktürmen von Banschura hatten gerade den Beginn der dritten Windwende verkündet, als Koßjarta ihr Haus verließ und dem Beziehungsvogel auf der Stange neben dem Eingang ein paar Körner in den Napf warf. Sie ging den Hügel bis zur Passantenschneise hinab und wartete dort, dass das Transportband einen Augenblick anhalten würde, damit sie aufspringen konnte. Koßjarta war stämmig aber nicht dick, ihr langes silbernes Haar hatte sie zu einem Knoten im Nacken zusammengebunden, so dass sie strenger aussah als es ihrem Gemüt entsprach. Mit eineinhalb Meter Größe besaß sie den Durchschnittswuchs der Wynger. Koßjarta war eine ältere Frau, sie hatte schon sechsmal als Nährmutter gearbeitet. Sie gehörte dem Stamm der Lufken an, wie fast alle Wynger hier auf dem Planeten Kschur im Gurschin-System. Natürlich lebten auf Kschur auch Angehörige anderer Stämme, vor allem Mitglieder der diplomatischen Vertretungen und Spezialisten, aber sie hatten nur wenig Kontakt zu den Einheimischen. Nur im Torgnisch-System, dem kulturellen und religiösen Zentrum der mächtigen Wynger-Zivilisation, lebten Wynger aller Stämme bunt zusammengewürfelt auf den Monden des Riesenplaneten Välgerspäre.

Das Band hielt an. Koßjarta konnte sich einen Platz in der Mitte aussuchen, denn um diese Zeit herrschte wenig Verkehr. Die meisten Einwohner von Banschura arbeiteten noch in den Industrieanlagen außerhalb der Stadt. Banschura war mit knapp zwei Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt auf Kschur.

Unmittelbar neben Koßjarta stand ein junger Wynger auf dem Band. Koßjarta vermutete, dass er zum Stamm der Belten gehörte, denn er hielt ein Musikinstrument in den Händen und machte einen verträumten Eindruck. Die Belten waren die Künstler unter den Wyngern. Manchmal wünschte Koßjarta, sie hätte einem anderen Stamm angehört, denn aus dem Stamm der Lufken rekrutierten sich die Kämpfer und Soldaten, was bedeutete, dass diese Wynger von Geburt an ein hartes und entbehrungsreiches Leben führen mussten. Es gab sechs bedeutende große Stämme und ein Dutzend kleinerer, die keine besondere Rolle innerhalb des Sternenreichs der Wynger spielten. Neben den Lufken und Belten gab es noch die Zorben, die die Händler und Politiker stellten; die Doprer, aus deren Reihen die Raumfahrer und Ingenieure hervorgingen; die Agolpher, die sich mit Wissenschaften und Philosophie beschäftigten und die Grysen, die sich um die Bestellung der Felder und um die Viehaufzucht kümmerten.

Das Band trug Koßjarta aus der Schneise auf das oberste Handelstablett im stufenförmig angelegten Stadtzentrum. Hier gab es Waffen und schwere Arbeitsgeräte zu kaufen, alles Dinge, für die Koßjarta kaum Interesse aufbrachte. Sie sah auch fast nur Männer in den offenen Ausstellungen. An einer Stelle wurden Kampfspiele dargeboten. Junge, muskulöse Lufken hieben mit Holzschwertern aufeinander ein. Die Gefahr, dass sie sich dabei umbrachten, war gering, aber Koßjarta sah, dass auf dem Kampfplatz nicht nur Schweiß vergossen wurde. Einige der Teilnehmer bluteten aus den Wunden, die ihnen ihre Gegner zugefügt hatten. Unwillkürlich schaute sich Koßjarta um, ob einer ihrer Nährsöhne unter den Kämpfern weilte. Sie hatte sechs Kinder aufgezogen, vier davon waren männlichen Geschlechts.

Nach Plondfair brauchte sie allerdings keine Ausschau zu halten, denn dieser stille junge Mann würde sich kaum an solchen rauen Spielen beteiligen, obwohl er ein Kräftemessen mit Gleichaltrigen nicht zu scheuen brauchte. Bei dem Gedanken an Plondfair wurde Koßjarta warm ums Herz. Eine Nährmutter sollte alle Pflegekinder gleich behandeln und gleich lieben, aber Plondfair hatte bei ihr immer eine bevorzugte Rolle gespielt.

Das Band erreichte das zweite Handelstablett, aber diese Umgebung war noch weniger nach Koßjartas Geschmack als die obere Stufe. Hier lag das Vergnügungszentrum mit seinen Rauschdampfräumen, Lichterfallen, Liebesbrunnen, Lotteriewagen, Musikschächten und Experimentierstuben. Einen Augenblick nahm Koßjarta den Wirbel bunter Sinneseindrücke in sich auf, sie atmete die parfümierte Luft und lauschte den Klängen exotischer Stimmen von extrawyngerischen Ausrufern. Dann blieb dieses Tablett über ihr zurück. Unwillkürlich atmete sie auf.

In diesem Augenblick riss das Band.

Es gab ein seltsames Geräusch, als knalle jemand mit einer Peitsche. Koßjarta hörte einen Aufschrei, dann hatte sie das Gefühl, dass der Boden unter ihren Füßen nachgab und wegsackte. Für den Bruchteil einer Sekunde schien sie schwerelos zwischen zwei Tabletten zu hängen, dann machte ihr Körper den rasenden Sturz des Bandes mit. Im Fallen sah sie, wie die Wynger auf dem Band durcheinanderpurzelten wie kleine leblose Holzfiguren. Einige der Passagiere wurden seitwärts davongeschleudert, sie prallten auf die Einfassung des Bandes und klammerten sich (wenn sie Glück hatten) daran fest oder stürzten kopfüber in die Tiefe.

Wie ist das möglich?, schoss es Koßjarta durch den Kopf. Wie kann das passieren?

Das Band galt als absolut sicher, in all den Jahren, da es Wynger zwischen den Tabletten von oben nach unten transportierte, hatte es nie einen Unfall gegeben.

Koßjarta wunderte sich, dass ihr die Zeit blieb, über all diese Dinge nachzudenken, als sei der Sturz, der über eine Strecke von etwa sechzig Metern führte, in eine zeitlich endlose Dimension verlagert. Zum ersten Mal kam ihr in den Sinn, dass sie bei dem Unfall sterben könnte. Sie erlitt einen Schock und empfand plötzlich eine Angst, die jedes andere Gefühl zu ersticken drohte.

Oh, Alles-Rad!, dachte sie entsetzt. Rette mich!

Sie prallte auf die Markise eines in unmittelbarer Nähe des Bandes gelegenen Geschäfts und durchschlug sie. Ihr Sturz wurde abgebremst und erhielt eine andere Richtung. Halb betäubt registrierte sie, dass ihr Körper an der Wand eines Gebäudes entlang scheuerte. Instinktiv suchte sie mit den Händen nach einem Halt. Sie bekam einen Schmuckvorhang zu fassen, der vom Dach des Hauses bis zum Eingang hinabhing und krallte sich darin fest. Der Stoff riss ein, aber ein paar Meter weiter unten verknäulte er sich und hielt Koßjarta auf. Sie hing an der Wand und dachte, dass sie in dieser Haltung nur ein paar Augenblicke überstehen konnte. Neben ihr wurde ein Fenster aufgerissen. Zwei Lufken beugten sich heraus und zogen den Schmuckvorhang mit Hilfe einer am Ende abgewinkelten Stange zu sich heran. Einer von ihnen bekam Koßjarta zu fassen. Er zerrte sie über das Fensterbrett, so dass auch sein Helfer zugreifen konnte. Koßjarta gab wimmernde Laute von sich, in ihrem Rücken bohrte ein unerträglicher Schmerz. Sie nahm die Umgebung nur verschwommen wahr. Die beiden Männer hoben sie hoch und trugen sie quer durch ein Zimmer. Dort legten sie sie auf ein mit Fellen bespanntes großes Ruhekissen. Die ganze Zeit über sprachen sie keinen Ton, so konzentriert waren sie auf ihre Arbeit. Sie gingen im Raum auf und ab, dann kehrte einer zum Lager Koßjartas zurück und hielt ihr einen Becher an den Mund. Sie dachte, dass sie nun trinken musste, um den Mann nicht zu beleidigen. Noch immer war sie von Schmerzen überwältigt. Sie glaubte, dass sie eine sehr schlimme Verletzung erlitten hatte. Es musste beim Aufprall auf die Markise geschehen sein. Sie trank einen Schluck und behielt die Flüssigkeit im Mund.

Endlich sprach einer ihrer beiden Retter.

»Wir brauchen einen Arzt, Haisert.«

»Einen Arzt? Was, glaubst du, ist jetzt dort draußen los? Ich schätze, dass drei- bis vierhundert Wynger auf dem Band waren, als es riss.«

»Und was sollen wir tun?«

»Wir lassen sie hier liegen, bis wir einen Arzt bekommen können«, erwiderte der Lufke, der Haisert hieß. Er beugte sich zu Koßjarta hinab. »Es ist alles in Ordnung, Sie sind gerettet.«

»Trotzdem brauchen wir einen Arzt«, beharrte der erste Sprecher. »Ich rufe jetzt in der Klinik an und bestelle jemanden.«

Koßjarta versuchte, die Flüssigkeit in ihrem Mund hinabzuschlucken, dabei geriet etwas davon in ihre Luftröhre. Sie bekam einen Hustenanfall und bäumte sich auf. Die beiden Lufken hielten sie in sitzender Stellung und klopften ihr sanft auf den Rücken, damit sie wieder Luft bekommen sollte.

Koßjarta verlor fast das Bewusstsein.

»Versuch dein Glück, Boldair«, sagte der zweite Mann. »Es scheint ihr tatsächlich sehr schlecht zu gehen.«

Wie aus weiter Ferne hörte Koßjarta den Lärm der Rettungsfahrzeuge. Im Hintergrund des Raumes sprach Boldair mit jemand über Bildkontakt.

»Das ist ein Skandal«, sagte Haisert mit dumpfer Wut. »Sie hätten das Band längst einmal abstellen und überprüfen müssen.«

Was soll das alles noch?, fragte sich Koßjarta müde. Sie wünschte, sie wäre ohnmächtig geworden, dann hätte sie diese Schmerzen in ihrem Rücken nicht länger ertragen müssen. Sie versuchte, ihre Gedanken auf das Alles-Rad zu konzentrieren, aber das gelang ihr nicht.

»Jemand kommt«, sagte Boldair. »Wir können froh sein, dass ich ein paar Wynger dort kenne, denn sie bereiten sich jetzt darauf vor, die Verletzten aufzunehmen.«

»Warum transportieren wir sie nicht in die Klinik?«, fragte Haisert.

»In diesem Zustand? Wenn sie innere Verletzungen hat, bringen wir sie vielleicht dabei um.« Er ging zum Fenster und verschloss es. Das Schrillen der Sirenen und das Geschrei der Verletzten und Helfer wurde etwas gedämpft.

Ich kann mich nicht auf das Alles-Rad konzentrieren!, dachte Koßjarta enttäuscht. Dabei konnte sie nur von ihm Hilfe erwarten.

Trotzdem spürte sie, dass sie innerlich ruhiger wurde. Sie begann sich mit dem, was geschehen war, allmählich abzufinden. Als Nährmutter hatte sie gelernt, mit anderen Wyngern Geduld zu haben.

Ein paar Minuten später kam ein dritter Mann ins Zimmer. Gemessen an der Art, wie Boldair und Haisert ihn begrüßten, konnte es nur der Arzt sein. Er trat an das Ruhekissen, und Koßjarta nahm ihn als großen dunklen Schatten wahr, der sich über sie beugte. Er öffnete ihre klimatisierte Kombination aus hellgrauem Kunststoff und legte ihr das Ende einer Diagnosesonde auf die Brust.

»Es ist ein Wunder, dass sie lebt«, sagte Boldair. »Sie hat sich draußen im Vorhang festgehalten. Wir hörten den Lärm nach dem Unfall und standen am Fenster.«

»Verstehen Sie mich?«, wandte sich der Arzt an Koßjarta.

Sie nickte.

»Können Sie nicht sprechen?«, fragte der Mediziner.

»Ja«, antwortete Koßjarta mühsam. »Es wird schon gehen.«

»Das ist der Schock«, meinte der Arzt. »Sie sind ziemlich schwer verletzt, Wyngerin. Wir müssen warten, bis einer der Spezialtransporter frei ist. Die der Klinik sind jetzt alle besetzt, aber es ist schon Verstärkung aus Lonschau unterwegs.«

Lonschau war die nächstgelegene große Stadt.

Der Arzt gab Koßjarta eine schmerzstillende Injektion.

»Mehr kann ich nicht tun«, sagte er. »Sie wird so schnell wie möglich abgeholt und in die Klinik gebracht. Es ist möglich, dass sie operiert werden muss.«

»Wir wissen nicht einmal, wer sie ist«, meinte Boldair. »Vielleicht hat sie Angehörige, die wir verständigen sollten.«

»Plondfair«, sagte Koßjarta matt. »Benachrichtigt Plondfair.«

Anstatt an das Alles-Rad dachte sie nur an ihren Pflegesohn. Erleichtert registrierte sie, dass die Injektion ihre Wirkung tat. Koßjarta war nie besonders religiös gewesen, aber in diesem kritischen Augenblick hätte sie sich eigentlich überwinden und das Alles-Rad anrufen sollen. Die Worte des Arztes hatten ihr indirekt zu verstehen gegeben, wie es um sie stand. Vielleicht musste sie sterben. Sie stellte sich vor, wie Plondfair zu ihr ans Bett trat, ihre Hand hielt und zu ihr sprach. Dieser Gedanke war tröstlich.

Der Arzt öffnete die Taschen ihrer Kombination und holte ihre persönlichen Unterlagen heraus.

»Da ist eine Adressensammlung«, stellte er fest. »Suchen Sie diesen Plondfair heraus und benachrichtigen Sie ihn. Er soll nicht erst hierher, sondern sofort in die Klinik kommen.«

Seit der Arzt ihre Kombination geöffnet hatte, war das Wärmepolster zusammengebrochen. Koßjarta fror. Sie war immer eine gesunde und tatkräftige Frau gewesen. An den Tod hatte sie eigentlich nie gedacht. Nun war sie unvermittelt mit ihm konfrontiert worden. Wenn das Alles-Rad wirklich über Beginn und Ende eines Lebens bestimmte, dann bediente es sich dabei ziemlich unorthodoxer Methoden. Wahrscheinlich waren bei dem Unfall hundert oder mehr Wynger umgekommen. Gehörten sie alle zu jenen, deren Zeit abgelaufen war? Wie kam es dann, dass sie alle gleichzeitig auf dem Band gestanden hatten, als der Unfall passiert war? Das sah alles mehr oder weniger nach Zufall aus, nicht nach Vorherbestimmung. Nein, dachte Koßjarta trotzig. Ich werde nicht mit dem Großen Flehen beginnen.

Der Arzt packte seine Instrumente ein und schloss behutsam Koßjartas Kombination. Er klopfte ihr beruhigend auf die Schulter.

»Das ist nicht so schlimm!«, tröstete er sie. »Machen Sie sich keine Sorgen.«

Draußen wurde es allmählich stiller. Die Rettungsmannschaften hatten die Verletzten und Toten abtransportiert. Nun würden Spezialisten kommen und das Band untersuchen. Man würde einen Verantwortlichen für den Unfall finden und ihm den Prozess machen.

2.

»Man kann davon ausgehen, dass die vorherrschende Stellung der Wynger-Zivilisation in der Galaxis Algstogermaht in erster Linie von dem Stamme der Lufken garantiert wird«, sagte der Dozent. »Das bedeutet nicht, dass die anderen Stämme weniger bedeutungsvoll wären, aber wenn es darum ging, unser Sternenreich zu verteidigen, standen wir Lufken immer in vorderer Reihe. Darauf sollten wir stolz sein.«

Was für ein Unsinn!, dachte Plondfair und lehnte sich im Sitz zurück. Unwillkürlich hatte er laut geseufzt, und nun richteten sich alle Blicke auf ihn. Kuntlerai, der Dozent, sah ihn missbilligend an, sagte aber nichts.

Plondfair setzte sich zurecht. Für einen Wynger war er ungewöhnlich groß, 1,71 Meter, aber nicht weniger breit und muskulös als seine Artgenossen. Sein Gesicht war scharfgeschnitten, die Lippen voll. Wie alle Wynger trug er sein silberfarbenes Haar schulterlang. Er hatte große schwarze Augen, die ihm einen ernsten Gesichtsausdruck verliehen. Die anderen nannten ihn mit einer Mischung aus Respekt und Neid oft den »Riesen«. Plondfair war siebenundzwanzig Jahre alt. Er stand am Ende seiner Ausbildung als Soldat, Ultraenergie-Bezwinger und Überraum-Sensibilisator. Er war unbestritten der intelligenteste und stärkste Teilnehmer seiner Gruppe.

Kuntlerai schaltete die lumineszierende Konzentrationskugel ab und erhob sich.

»Heute habe ich zum letzten Mal zu Ihnen gesprochen«, sagte er zu den Schülern. »Die anderen Dozenten werden sich noch von Ihnen verabschieden. Da wir uns nicht wiedersehen werden, wünsche ich Ihnen für Ihren künftigen Lebensweg viel Erfolg. Sie können gehen.«

Der Abgang der Schüler erfolgte ruhig und diszipliniert. Kuntlerai stand am Ausgang und reichte jedem die Hand. Als Plondfair an die Reihe kam, sagte der Dozent: »Sie warten auf mich, Plondfair.«

Der junge Lufke nahm auf einem der vorderen Sitze Platz, um zu warten, bis Kuntlerai alle anderen verabschiedet hatte. Plondfair beobachtete den Dozenten amüsiert, er fand, dass Kuntlerai ein Wynger war, der emotionsgeladene Situationen und pathetische Worte genoss. Vielleicht war er deshalb Dozent für psychologische Kriegführung geworden, dachte Plondfair ironisch.

Als alle anderen gegangen waren, schloss Kuntlerai sorgfältig die Tür, als wollte er vollkommen sicher sein, dass er mit Plondfair allein war. Dann setzte er sich zu Plondfairs Überraschung auf einen der Schülersitze.

»Sie fühlten sich gelangweilt?«, erkundigte er sich.

Der Ton seiner Stimme ließ Plondfair erkennen, dass dies ein persönliches Gespräch werden sollte.

»Ja«, gab er zu.

Kuntlerai war ein mittelgroßer Lufke. Er wirkte sehr gepflegt, sein Alter war schwer zu schätzen. Als er Plondfair jetzt ansah, lächelte er gezwungen.

»Würden Sie glauben, dass mich der Unterricht ebenfalls langweilt?«

»Natürlich«, meinte Plondfair. »Wenn Sie immer wieder die gleichen Geschichten erzählen müssen.«