Perry Rhodan Neo 51: Lotsen der Sterne - Gerry Haynaly - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 51: Lotsen der Sterne E-Book und Hörbuch

Gerry Haynaly

3,1

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Beschreibung

Mai 2037: Perry Rhodan rückt, nachdem er auf dem Mond die menschenähnlichen Arkoniden getroffen hat, dem großen Arkon-Imperium immer näher. Zu diesem Sternenreich zählen Tausende von Planeten, viele von ihnen in einem Kugelsternhaufen, der Zigtausende von Lichtjahren von der Milchstraße entfernt ist. Das Imperium steht unter der Herrschaft eines Regenten, der die Erde vernichten möchte. Nur wenn Rhodan und seine Freunde ins Zentrum der Macht vorstoßen, können sie etwas gegen den Regenten unternehmen. Dann aber wird ausgerechnet Rhodans wichtigster Begleiter entführt: der arkonidische Wissenschaftler Crest, der den Menschen bei ihrem Weg zu den Sternen hilft. Crest ist nun auf sich allein gestellt - der alte Mann riskiert eine gefahrvolle Flucht ...

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Zeit:6 Std. 1 min

Sprecher:Hanno Dinger
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Band 51

Lotsen der Sterne

von Gerry Haynaly

Cover

Vorspann

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

Impressum

Mai 2037: Perry Rhodan rückt, nachdem er auf dem Mond die menschenähnlichen Arkoniden getroffen hat, dem großen Arkon-Imperium immer näher. Zu diesem Sternenreich zählen Tausende von Planeten, viele von ihnen in einem Kugelsternhaufen, der Zigtausende von Lichtjahren von der Milchstraße entfernt ist.

Das Imperium steht unter der Herrschaft eines Regenten, der die Erde vernichten möchte. Nur wenn Rhodan und seine Freunde ins Zentrum der Macht vorstoßen, können sie etwas gegen den Regenten unternehmen.

Dann aber wird ausgerechnet Rhodans wichtigster Begleiter entführt: der arkonidische Wissenschaftler Crest, der den Menschen bei ihrem Weg zu den Sternen hilft. Crest ist nun auf sich allein gestellt – der alte Mann riskiert eine gefahrvolle Flucht ...

1.

Vergangenheit

Golath blinzelte. Nur langsam gewöhnten sich seine Augen an das grelle Licht der Empfangshalle. Verschwommen nahm er Arkoniden und Mehandor wahr, die wie Schemen an ihm vorbeiglitten.

»Passen Sie auf, wo Sie hintrampeln!«, erklang eine keifende Fistelstimme vor seinen Füßen.

Golath blieb stehen und schloss für einen Moment die Augen. Tränensekret sickerte aus seinen Augenwinkeln. Er wischte es entschlossen mit einer Bewegung der Rüsselfinger weg und öffnete die Augen wieder. Dann beugte er sich nach vorn, um besser sehen zu können, wer in diesem Ton mit ihm sprach.

Vor ihm stand – oder genauer: kauerte – ein Swoon, dessen faltige grüne Gesichtshaut nichts Gutes verhieß. Das winzige Wesen rappelte sich gerade hoch und stemmte beide Armpaare in die Seite.

»Es war nicht meine Absicht ...«, begann Golath.

»Ungehobelter Langrüssel«, zischte der Swoon.

Zu Golaths Glück ging die restliche Schimpftirade im Dröhnen unter, das von den Aggregaten eines landenden Kugelraumers ausging. Der Swoon drehte sich um und trippelte hinter seinen Artgenossen her, die ein paar Meter entfernt auf ihn warteten. Wieder verschwamm Golaths Sicht, doch er hätte schwören können, dass der Swoon ihm zum Abschied mit allen vier Händen obszöne Gesten zeigte.

»Auch das noch!« Golath schüttelte den Rüssel. Gleich in den ersten Minuten auf Lepso hatte er sich zwar keinen Feind geschaffen, aber er war stärker aufgefallen, als er je gewollt hatte. Rasch verließ er die kahle, nüchtern wirkende Halle.

Vor dem Empfangsgebäude ragte ein runder Turm in die Höhe, den unzählige Lichter aus der Dunkelheit rissen. Wie von Zauberhand erschien ein Hologramm in der Luft.

»Orbana Spaceport Palace«, stand da, Werbung für ein Luxushotel, benannt nach Lepsos Hauptstadt. Darunter kamen die sich drehenden dreidimensionalen Bilder der Hotelzimmer sowie Preislisten. In einem früheren Leben hätte er sich dort eine der Suiten leisten können!

Golath lachte heiser auf. Er war nur ein mittelloser Gha'essold, ein Schatzsucher, der seine letzten Barmittel für die Passage nach Lepso verbraucht hatte.

Schatzsucher – welch ein Hohn! Das Wort suggerierte, dass das Dasein eine unendliche Suche war – nach Schätzen, dem Leben und sich selbst. Dabei benötigte es schon etwas mehr als einen Schatz, um die Schuld zu tilgen, die er auf sich geladen hatte. Er stampfte mit einem Fuß so fest auf dem Boden auf, dass er die niederfrequenten Schwingungen des Betonplasts hörte.

Links und rechts von ihm bauten sich weitere Hologramme auf, die alle möglichen Unterkünfte in der Umgebung des Raumhafens anboten – vom Luxusappartement bis hin zu einfachen Wabenunterkünften, die ihn an die Tiefschlafkojen an Bord der EM'BAKIR erinnerten. Sie boten keinen Komfort, gerade mal ein winziges Fach für persönliche Dinge sowie einen kombinierten Holo- und Fiktivspielprojektor. Dafür kosteten sie nur den Bruchteil eines echten Hotelzimmers. Trotzdem war dies mehr als die paar kümmerlichen Chronners, über die er noch verfügte.

Mit einer ungelenken Bewegung wischte er die Holos zur Seite. Am liebsten hätte er den Werbetafeln »Aus!« zugerufen, doch das hätte nur die Arkoniden des Sicherheitsdienstes auf ihn aufmerksam gemacht – und das musste nicht gleich in den ersten Minuten nach der Landung sein.

Er sah sich um. Dutzende Schildkrötenrobots mit Gepäck auf dem Rücken wuselten durch die Halle oder schwebten ihren Besitzern hinterher. Die kleinen Roboter hatten viel zu tun, denn allein mit ihm waren 3800 Wesen aus allen Winkeln der Galaxis den Verheißungen von Lepso gefolgt und hatten die Mehandor-Walze verlassen. 3800 Wesen, aber kein einziger weiterer Unither, wie er bei einer Anfrage beim Chefsteward der Mehandor-Crew erfahren hatte. Missmutig blickte er in die Richtung, aus der er gekommen war. Kein Rüssel weit und breit – und von dem grün gemusterten Gepäckstück mit seinen Habseligkeiten war ebenfalls nichts zu sehen.

Das muss nichts bedeuten, redete er sich ein. Wahrscheinlich waren noch nicht alle Container der EM'BAKIR entladen worden. Trotzdem wurde er langsam unruhig. Er war jetzt eine Stunde wach, aber es kam ihm vor, als wären es zwanzig. Oder hundert. Die Gesellschaft von anderen Unithern fehlte ihm, und wenn er ehrlich war, fehlte ihm ganz Unitha. Ein trockenes Gefühl breitete sich in seinem Rüssel aus.

Erhöhter Wasserbedarf, stellte er nüchtern fest. Das war eine der Nebenwirkungen des ZX-3, das verhinderte, dass arme Schlucker wie er sich in ihren depressiven Phasen etwas antaten. Nicht, dass es lebende Unither ersetzen konnte, nein, das war nicht die Aufgabe des Medikaments. Es dämpfte die Emotionen und verhinderte, dass ein Unither zu lange über seine Einsamkeit nachdachte. Aber ohne Gepäck kein ZX-3 und ohne ZX-3 keine normalen Gedanken – nur Erinnerungen und Selbstmitleid. Doch er war selbst schuld; warum hatte er auch die Ergebnisse des Auswahlverfahrens manipuliert?

Weil es so einfach gewesen war? Er hätte es besser wissen müssen. Wenn etwas zu schön war, um wahr zu sein, war es meist nicht wahr.

Wie ein Anfänger war er in die Falle getappt, die Manerk ihm gestellt hatte. Irgendein Lakai, wahrscheinlich dieser hinterhältige Regas, dürfte dem Leiter der Centro-Chronners von Unitha gesteckt haben, dass es da einen profilierungssüchtigen Subdirektor namens Golath gab.

Aber für derartige Überlegungen war es längst zu spät. Er war ein Ausgestoßener, der sich die Gemeinschaft anderer Unither erst wieder erkaufen musste.

Das Röhren eines Triebwerks unterbrach seine Gedanken, die er bestimmt schon zum tausendsten Male wälzte und die doch nur in eine Richtung führten: in einen Kreis, der sich um sich selbst drehte. Auf dem größten Raumhafen des Planeten starteten und landeten unentwegt Raumschiffe – im Schnitt wurden zwei Millionen Reisende pro Tag abgefertigt, wie die Robotstimme am Eingang verkündet hatte. Von ihr wusste er auch, dass über ihm 48 Etagen und unter ihm weitere einhundert nur für die Passagiere dieser Schiffe gedacht waren – jede mit eigenen Gleiterparkplätzen und Anbindung an die öffentliche Infrastruktur.

Fünf Stockwerke waren für die Abfertigung der Neuankömmlinge der EM'BAKIR geöffnet worden, obwohl man auf Lepso nicht unbedingt von Abfertigung sprechen konnte. Die Freihandelswelt hatte den Ruf als verkommenster Schmelztiegel des arkonidischen Imperiums, auf dem die meisten Gesetze nicht oder nur in abgeschwächter Form galten.

Und auf dem niemand dumme Fragen stellt, dachte er.

Er schlurfte weiter. In seinen Beinen spürte er das Hämmern der Medikamente, die die Auswirkungen seines monatelangen Tiefschlafs neutralisieren sollten. Da das Transitionstriebwerk des altersschwachen Raumschiffs nur für Sprünge von zweihundert Lichtjahren ausgelegt war, hatte der Transport entsprechend lange gedauert – und entsprechend geschwächt waren seine Muskeln. Die Tiefschlafkojen versorgten ihre Benutzer zwar mit Sauerstoff und Medikamenten, die dem Muskelschwund entgegenwirken sollten, aber dies funktionierte nur bis zu einem gewissen Punkt.

Auf einer normalen Passage wäre ihm das nicht passiert, doch mit seinen beschränkten finanziellen Ressourcen hatte es nur für die billigste Kategorie nahe dem Ringwulst gereicht. Wenn er an das Wummern und Vibrieren der Impulstriebwerke des alten Kahns dachte, war er fast dankbar, dass er dies nur beim Start und bei der Landung erlebt und die restliche Zeit im Tiefschlaf verbracht hatte.

Er streckte seinen Körper durch und beugte die Arme. Es knirschte wie bei einem eingerosteten Robot, dessen Wartungsintervall schon vor Jahren abgelaufen war.

»Herr?«

Golath ignorierte die Stimme, die unmöglich ihn gemeint haben konnte.

»Herr?«

Diesmal war die Lautstärke bedeutend höher und eindringlicher, sodass er nicht anders konnte, als nach ihrem Ursprung zu sehen. Eine der Schildkröten schwebte neben ihm lautlos auf ihren Magnetkissen in der Luft. Blinkende Anzeigen an der Vorderseite forderten ihn auf, den Empfang seines Rucksacks mit seinem Fingerabdruck zu quittieren.

Golath hielt die Hand vor die Erfassungseinheit des Robots, was dieser mit einem gleichmütigen »Danke, Herr« quittierte. Die Haltegurte klickten und gaben das Gepäckstück frei. Ein kurzer Blick genügte, um zu erkennen, dass noch alles da war, was er besaß.

Ein piepsendes Geräusch an seinem Handgelenk signalisierte ihm, dass sich der Multikom ins Netz von Lepso eingebucht und sich auf Ortszeit synchronisiert hatte.

Drei Uhr morgens.

Wenn er nicht gleich einen ruhigen Schlafplatz fand, konnte er genauso gut auf den Sonnenaufgang warten. Er vergewisserte sich, dass die Arkoniden des Wachdiensts nicht auf ihn achteten, und schlüpfte in den für die Manap-Sippe reservierten Bereich des Raumhafens, wo ihn weiche Polstersessel in Blau-Weiß und ein Wasserspender erwarteten.

»Wie verzweifelt muss man sein, um auf Lepso sein Glück zu versuchen?« Die helle Stimme ertönte in seinem Rücken.

Golath stockte mitten im Schritt. Betont langsam drehte er sich um. Vor ihm stand ein Unither wie er, doch der andere war höchstens halb so alt, kaum den Gemeinschaftshöfen entwachsen, in denen junge Unither auf die Welt vorbereitet wurden. Die hellbraune Haut wies keinerlei Falten auf, und auch der muskulöse Rüssel wirkte nicht, als hätte er in seinem Leben viel damit niedergerissen. Dafür überragte der Junge Golath um ein paar Zentimeter. Seine Kleidung wirkte alt und zerschlissen, aber das kannte er von Unithern dieses Alters zur Genüge.

»Was willst du?«, herrschte Golath den Jüngling an. »Spionierst du mir etwa nach?«

»Mach dich nicht lächerlich!«, antwortete der Junge.

Die Aussage regte Golath nur noch mehr auf. Er würde diesem Jungspund Manieren beibringen, der so despektierlich mit ihm redete. »Ich frage dich noch mal: Was willst du? Und lass dir eine verdammt gute Erklärung einfallen, sonst ...« Golath trommelte mit den Zehen auf den Boden.

»Dasselbe wie du.« Der andere machte eine Pause, wie um nachzudenken, was er sagen sollte. Er kratzte sich mit dem Rüssel an einer abgewetzten Stelle seines Overalls. Dann schnalzte er mit der Zunge, so als ob ihm die Antwort erst jetzt eingefallen wäre, hob den Rüssel zur Bestätigung in die Höhe und sagte nur ein Wort: »Golath!«

Golath zuckte zusammen. Der andere konnte unmöglich wissen, dass er ... Und was, wenn doch?

Er rollte den Rüssel zur Seite, bedeckte mit seiner Spitze den Mund. In all den Monaten, seit er von Unitha verbannt worden war, hatte er die Schmach verdrängt. Und dieser hellhäutige ...

Ein Schauer lief über seinen Rücken und ließ dort sämtliche Haare zu Berge stehen. Woher kannte dieser verwahrloste Jüngling seinen Namen?

»Du musst mich mit jemandem verwechseln. Ich kenne keinen Golath, und ich wäre dir dankbar, wenn du mich nun verlässt. Ich möchte in Ruhe schlafen!«

Für einen kurzen Moment huschte ein erstaunter Ausdruck über das Gesicht des Jungen, doch er hatte sich schneller wieder im Griff, als es Golath recht war. »Lass die Späße! Wir wissen beide, dass du Golath, der flinke Rüssel, bist.«

Golath trompete protestierend, aber der Junge zog ein zusammengerolltes Datendisplay aus der Gesäßtasche des Overalls. Die Folie leuchtete auf. Sie zeigte einen Golath, der in die Objektive der Kameradrohnen blickte, sichtlich gezeichnet von der Gerichtsverhandlung gegen Manerk.

»Verdammt, Alter, ich habe keine Zeit für deine Versteckspiele! Entweder du gibst auf der Stelle zu, dass du Golath bist, oder du kannst meinetwegen die Nacht wirklich auf dieser Pritsche verbringen.«

»Was willst du von mir? Du behauptest, dass ich dieser Golath auf deinem Spielzeug sein soll – und ich kenne nicht einmal deinen Namen.«

»Wenn es weiter nichts ist: Man nennt mich Liszog.« Der Junge machte eine übertriebene Verbeugung, bei der sein Rüssel fast den Boden streifte. Als er sich aufrichtete, war jede Freundlichkeit aus seinem Gesicht verschwunden. »Und was das Behaupten angeht: Du kannst mir nichts vormachen, Golath. Ich weiß noch mehr über dich.«

Golath hob abwehrend die Arme.

»Ich weiß zum Beispiel«, fuhr Liszog fort, »dass du auf KE-MATLON ein Geschäft selbst verbockt hast, weil du zu gierig geworden bist.« Golaths Augen weiteten sich, aber der Junge sprach weiter. »Ich weiß auch, dass dich in dem dortigen Kasino ein Ara über den Tisch gezogen hat.«

»Das war Pech. Die Karten waren an diesem Abend gegen mich.«

Liszogs Augen glänzten vor Freude. »Wir beide machen Fortschritte. Du gibst also zu, dass du Golath bist?«

»Ja, wenn es sein muss«, knurrte Golath.

»Gut, dann komm! Ich kenne einen weiteren Unither, der dich kennenlernen will und der dir vor allem einen weichen Schlafplatz bieten kann.«

Golath protestierte schwach, aber er war von der Tiefschlafpassage viel zu ermattet, um ernsthaft zu widersprechen. Insgeheim freute er sich über die Aussicht auf die Gesellschaft von Artgenossen. Das dämpfte die Einsamkeit.

Morgen war schließlich auch noch ein Tag. Er blickte auf die blau-weißen Sessel in der Suite, die ihre lederne Unbequemlichkeit herauszuschreien schienen. »Eines weiß ich immer noch nicht: Was wollt ihr von mir?«

Liszog rollte den Rüssel zusammen. »Das soll dir Zerft selbst sagen.«

»Ihr wollt was?« Golath verdrehte den Rüssel zu einer abwehrenden Spirale. Er beugte sich vor und stützte sich mit beiden Ellenbogen auf der hölzernen Tischplatte auf.

»Auch bei den Arkoniden gibt es Schatzjäger. An die müssen wir rankommen.« Liszog knallte seinen Krug mit vergorenem Karma-Drink so heftig auf den Tisch, dass der Inhalt über den Rand schwappte. Als sei nichts geschehen, wischte er die nasse Hand an einem Tuch ab, das ihm über die Schulter hing. Mit noch immer feuchten Fingern zerrte er einen Controller aus seinem Overall, den er wie ein lebendiges Wesen streichelte. Außer technischen Gadgets schien diesen Fachidioten nichts zu interessieren. Er legte keinen Wert auf sein Äußeres, ja selbst den dreckigen Arbeitsanzug trug er nun schon die ganze Woche.

Wie dieser schmuddelige Typ Assistent in einer Forschungsabteilung gewesen sein sollte, war Golath schleierhaft, genauso, wie er es geschafft haben sollte, Forschungsgelder für seinen privaten Spleen abzuzweigen, die für die Raumfahrt bestimmt gewesen waren. Der Typ hatte glatt das ganze Geld für den Prototyp einer Liege zum Rüsselreinigen hinausgeworfen. Sie sollte das lästige Prozedere schneller und sanfter durchführen als die bisherigen Sanitätsmaschinen oder gar eine professionelle Rüsselspülerin.

Die Sache hätte ihn reich machen können, denn der Rüssel diente Unithern nicht nur als Werkzeug, sondern ebenso der Nahrungsaufnahme. Dass er deshalb mehrmals täglich sorgfältig gereinigt werden musste, verstand sich wohl von selbst. Auch Golath hatte einen mechanischen Reinigungsarm besessen, der fix in den Spiegel des Badezimmers integriert gewesen war, aber das Ding hatte endlos gekratzt. Insofern verstand er Liszogs Versuche. Die Machenschaften des Forschers mussten aber aufgeflogen sein, denn sonst wäre er nicht ebenfalls auf Lepso gestrandet.

Liszog rülpste. Golath fragte sich, wie sich jemand so gehen lassen konnte. Hatte das jahrelange Exil Liszog so werden lassen?

Kurz darauf erschienen Symbole auf dem großen Holoschirm des Wohnraums, die Golath nichts sagten. Liszog machte zwei weitere Eingaben. Er rief eine Liste mit arkonidischen Namen auf. Zahlreiche »de« und »da« wanderten über die Anzeige, jeder einzelne Eintrag eine Beleidigung für jeden Unither, der nur halbwegs politisch gebildet war. Die starke Hand, mit der der Regent nach Unitha griff, konnte nur ein Blinder oder Gefühlloser ignorieren; sie manifestierte sich in den Adelstiteln.

Namen über Namen – für Golath erschien die Aufzählung endlos, umso mehr, wenn er bedachte, dass sie nur Individuen auflistete, die ein gewisses Maß an Vermögen besaßen und im Moment auf Lepso weilten.

»Richtige Schatzjäger.« Zerft sprach die Worte seltsam unbetont aus. Dabei starrten seine Augen ins Leere. Er war nach unithischen Maßstäben ein Riese, zwei Meter groß und bullig. Seine Schlägervisage war zentimeterdick mit schwarzem Matsch bedeckt. Er hatte behauptet, es handle sich um eine traditionelle unithische Schlammmaske, aber Golath hatte keine Ahnung, wie er die auf Lepso aufgetrieben haben könnte.

Über den Rüssel verliefen schlecht verheilte Narben, die bestimmt nicht von einem Missgeschick bei der Maniküre herrührten. Liszog hatte gegenüber Golath erst am Vortag ausgeplaudert, dass Zerft die Regeln der Paarungsrituale etwas zu locker ausgelegt hatte. Während der Brunft war unter männlichen Unithern alles erlaubt, was den anderen nicht gerade verstümmelte oder umbrachte. Letzteres musste Zerft wohl überhört haben, als man ihn über die Verhaltensregeln unter Erwachsenen aufgeklärt hatte. Insofern war Golath froh, dass er diesem Vollidioten nicht in einer dunklen Gasse in der Altstadt von Orbana begegnet war. Aber er würde sich vor dem Schläger in Acht nehmen müssen.

Liszogs Liste stoppte. Ein Name leuchtete heller auf als die anderen, wurde größer, bis er das gesamte Hologramm einnahm. Im Hintergrund glomm das Antlitz eines weißhaarigen Arkoniden mit samtbrauner Haut auf.

»Was ist an Ordon ... da Kassim so besonders?« Golath las den Namen von der Anzeige ab. »Euch reicht es wohl nicht, einen wertvollen Fünf-D-Schwingquarz zu klauen, was?«

Die beiden anderen hatten ihn in einer Spelunke abgesetzt, in der hauptsächlich Mehandor verkehrten. Liszog hatte bei der Einsatzbesprechung das Wort »verkehrten« mit einem Lachen ausgesprochen. Golath hatte die Bedeutung sofort verstanden, als er die vollbusigen Mehandor-Frauen im Halbdunkel der Kneipe bei ihrem Geschäft gesehen hatte. Wenn ihn nicht Liszog über das Mikrofunkgerät im Ohr beschwichtigt hätte, wäre er am liebsten auf der Stelle wieder hinausgestürmt.

Bei Golaths Eintreten war die Zielperson, ein zierlicher Mehandor mit einem dicken, geflochtenen Zopf, bereits so betrunken gewesen, dass dessen positronischer Kodeschlüssel fast wie von selbst in Golaths Rüssel gelandet war. Zerft hatte den Schlüssel übernommen, aus dem Lager des Händlers einen der schönsten Hyperkristalle gestohlen und den Impulsgeber wieder zurückgebracht, ehe der Mehandor vom Stuhl gerutscht war.

Golath ließ ein tiefes Tröten los. »Sag mal, bist du so dumm, oder stellst du dich nur blöd? Du glaubst doch nicht im Ernst, dass der Kristall für uns drei die Rückfahrkarte nach Unitha ist? Das genügt nicht.« Er hob den durchsichtigen Kristall in die Höhe. Das Licht der Deckenlampe brach sich in den geschliffenen Facetten und erzeugte winzige Regenbögen, die über die Wände tanzten.

»Da Kassim ist eitel wie die meisten Arkoniden!« Zerft spie die Worte förmlich aus. »Damit hat er etwas mit dir gemeinsam.«

Golath wollte aufspringen, aber Liszog hielt ihn zurück. »Lass ihn in Ruhe«, sagte Liszog zu Zerft. »Wir brauchen ihn.«

»Ja, schon gut«, zischte Zerft. »Aber wenn du mich noch einmal belehren willst, drehe ich dir mit meinem Rüssel den Hals um! Ich weiß selbst, was so ein verdammter Kristall wert ist.«

Liszog duckte sich, sagte aber nichts. Zerft, der Schläger, war also der Anführer dieses Duos, aber das würde sich schnell ändern.

Golath wusste auch schon, wie. »Ich habe da eine Idee«, sagte er.

Zerft warf Liszog einen undefinierbaren Blick zu. »Das wurde ja langsam Zeit ...«

»Denk daran, du sollst ihm nur das kleine Raumschiff abnehmen!«, sagte Zerft in seinem überheblichen Türsteher-Jargon.

»Ja«, sagte Golath gedehnt und nickte ihm über den Spiegel im Hygieneraum zu. Das lauwarme Wasser rann in einem weichen Strahl über seine Hände. »Ich werde diesen Arkoniden schon nicht um sein gesamtes Hab und Gut bringen.«

Von zehn Spielern am Tisch waren nur vier übrig, und Golath war einer davon. Vor den entscheidenden Runden hatten die Spieler die Möglichkeit bekommen, sich ein wenig frisch zu machen. Golath hatte die Gelegenheit genutzt, ein letztes Mal mit Zerft und Liszog zu sprechen.

»Ich will dich bloß erinnern, dass du keine Dummheit machst«, sagte Zerft. »Wir können es uns nicht leisten, mehr als notwendig aufzufallen.«

»Ich habe bereits Ja gesagt!« Golath spreizte die Finger. Augenblicklich versiegte das Wasser und machte einem warmen Luftstrom Platz, der seine Hände trocknete. Ein angenehmes Parfum mit Holznote, ganz so, wie es geschäftstüchtige Unither mochten, legte sich wie ein Nebel um ihn. Er drehte sich um und starrte auf die Toilettenkabine, in der er Liszog wusste. »Hast du etwas Neues herausgefunden, was mir gegen da Kassim helfen könnte?«

»Nein«, kam es kleinlaut aus der Kabine. »Sie haben mir am Eingang den Infokom und die Kontaktlinsen abgenommen.«

Der arme Liszog! Ohne seine technischen Spielereien war der Junge offenbar völlig hilflos. Zum Glück hatte Golath auf die Mikrokopfhörer in den Ohren verzichtet. Er wollte sich gar nicht ausmalen, wie die Männer an den Scannern reagiert hätten, wenn sie ihn mit diesen unerlaubten Hilfsmitteln erwischt hätten. Aber Golath setzte sowieso lieber auf seine eigene Intelligenz, die ihn noch nie im Stich gelassen hatte. Außer ...

»Wofür bist du dann nütze?«, schnauzte er Liszog an.

»Ich ... ich habe deine beiden anderen Gegner beobachtet.«

»Und? Ist dabei etwas herausgekommen? Ich habe nicht ewig Zeit, also red endlich!«

»Der Mehandor ...«, antwortete Liszog gepresst, als benutzte er die Toilette gerade wirklich. »Er blufft meistens, wenn er wirklich schlechte Karten hat, anstatt zu passen. Und dann zuckt sein rechter Mundwinkel für einen winzigen Sekundenbruchteil.«

»Das ist mir auch schon aufgefallen«, sagte Golath. »Der rothaarige Händler ist also kein ernst zu nehmender Gegner für mich. Was ist mit der Frau?«

»Die Arkonidenschnepfe?«, polterte Zerft.

»Genau die«, antwortete Golath. »Weiß einer von euch etwas über sie?«

Zerft stieß einen tiefen Trompetenlaut aus, aber Liszog räusperte sich durch seinen Rüssel. Es hörte sich eklig an, so als ob er dringend eine Rüsselreinigung benötigte. »Ich war draußen auf dem Dach, im Gleiter«, sagte er.

»Und das sagst du erst jetzt?« Golath musste sich beherrschen, um nicht laut loszubrüllen.

»Du hast mich ja nicht gefragt.«

Golath legte die Finger auf die Umrandung des Waschbeckens und zählte leise vor sich hin; manche Gewohnheiten legte man eben nie ab. Zehn, elf, zwölf, drölf ...

Liszog schnaufte. »Raja Deriu ist informationsmäßig ein ziemlich unbeschriebenes Blatt. In den Ranglisten von Orbana kommt sie nicht vor, ganz im Gegensatz zu Ordon da Kassim. Aber man munkelt, dass sie zu einem Khasurn gehört, der mit ihrer Hilfe Geld wäscht. Dazu würde auch passen, dass sie so passiv spielt, so oft abwartet, passt oder mitgeht, anstatt zu erhöhen und zu setzen.«

»Das klingt ja schon viel besser.« Golath warf einen letzten Blick in den Spiegel und strich die Smokinghose glatt, für die sie die eine Hälfte ihrer gemeinsamen Barschaft ausgegeben hatten. Mit seiner alten Hose hätte er im Kasino, wie sich diese Spelunke nannte, höchstens den Boden aufwischen können. Die andere Hälfte war für den Eintritt ins »Spaß und Spiele« draufgegangen.

Das fünfstöckige Gebäude in Orbanas Altstadt verfügte über einen Gleiterparkplatz und einen Zugang über die Untergrundbahn der Stadt, damit die Spieler ungesehen die Spielhölle betreten konnten. In den oberirdischen Ebenen frönte Orbanas Mittelschicht erlaubten Dingen – klinisch reinem Sex mit Robot-Puppen, Wettgleiten bei Nullgravitation und jedem Glücksspiel der Galaxis, vom simplen Würfeln bis zum Balidan mit streng limitierten Einsätzen. In den unterirdischen Hallen wohnte das richtige Laster. Drogen und Nutten, hatte Zerft bei der ersten Besprechung gesagt, aber selbst das war untertrieben.

»Und du, mein starker Freund Zerft, hast du auch etwas herausgefunden?«, fragte Golath.

»Nö«, antwortete Zerft trocken.

Golath stöhnte auf; jede weitere Frage war reine Zeitverschwendung. »Gehen wir!«

Liszog betätigte die Spülung und schaffte es mit einigem Gepolter, die Tür von innen zu öffnen. Gemeinsam traten sie vor die Toilettenräume.

Der Gang lag in einem schummrigen Halbdunkel, das von violett fluoreszierenden Pflanzen erzeugt wurde. Ihre rot glimmenden Blütenkelche wiegten sich wie in einem sanften Wind.

Vom Gang zweigten Räume ab, die von Golaths Position aus einsehbar waren. Rechts johlte eine Meute von Arkoniden bei einem verbotenen Hahnenkampf mit metergroßen Hähnen, deren Krallen wie messerscharfe Klingen im Licht der Scheinwerfer glänzten. Links kämpften zwei Naats in einem primitiven Metallkäfig wie archaische Gladiatoren um ihr Leben – und die Menge überbot sich im Setzen auf den vermeintlichen Sieger.

Hier unten gab es keine Limits bei den Einsätzen. Wenn man wollte, konnte man ein ganzes Vermögen verspielen. Bei den Spielmöglichkeiten gab es ebenfalls keine Grenzen, denn im nächsten Ring standen sich zwei Mehandor gegenüber, die in seltsame Umhänge gekleidet waren und ihre Leuchtstäbe als Hieb- und Stichwaffe benutzten.

Unbeeindruckt ging Golath weiter. Ihm folgte Zerft, der von solchen Kämpfen und vor allem vom Balidan keine Ahnung hatte. Den Abschluss bildete Liszog, wie Golath an den schleifenden Geräuschen erkannte.

Am Ende des Ganges betätigte er den Öffnungsmechanismus des Schotts, das knarzend in der Seite verschwand. Er musste über den Aufwand grinsen, den die Betreiber des Kasinos trieben. Genau so stellte sich wohl jeder Balidan-Spieler die historischen Anfänge des Spieles vor.

Eine einzige Lichtquelle erhellte den Raum, eine Lampe, die tief über dem Balidan-Tisch hing und die weinroten Wände erahnen ließ. Vor dem Croupier, einem Mehandor, der aussah, als gehörte er seit Jahrzehnten zum Inventar des »Spaß und Spiele«, lag ein Stapel Karten.

Seine Gegner saßen bereits am Tisch. Da Kassim starrte auf die Chips, die er vor sich aufgestapelt hatte. Die Arkonidin war sichtlich nervös. Ihr Fuß stieß unentwegt gegen ein Stuhlbein, aber in ihrem Gesicht regte sich kein Muskel. Golath hatte sie im Verdacht, ihre Mimik mit einer kleinen Spritze abgetötet zu haben. Der Mehandor stierte wie unbeteiligt auf die Wände, wo Poster eines antiken Kartensets und die Regeln des Hauses hingen.

Golath ließ sich in den ledernen Stuhl vor seinem eigenen Stapel Chips sinken. Er verschränkte die Finger und streckte die Arme. »Dann kann es ja losgehen.«

Da Kassim nickte ihm zu, die beiden anderen murmelten etwas, das wie »gut so« klang. Der Croupier mischte die Karten, hob die oberste ab und legte sie beiseite, ehe er jedem Spieler zwei Karten austeilte.

»Ach ja, noch eine Kleinigkeit«, sagte der Croupier zu Golath. »Wir wollen hier keine Betrügereien. Bitte unterlassen Sie also jegliche Unither-Mätzchen mit dem Ultraschall! Wir haben überall Mikrofone installiert.«

Golath breitete die Arme aus. »Ich doch nicht!«, sagte er und warf Zerft über den Tisch hinweg einen vielsagenden Blick zu. Er hatte von Anfang an gewusst, dass sie mit dieser plumpen Schummelmethode nicht durchkommen würden.

Da Kassim setzte, Raja Deriu ebenfalls. Der Mehandor, von dem Golath noch immer nicht wusste, wie er hieß, sah verstohlen in die Karten. Er bemühte sich dabei, gleichmütig dreinzublicken, aber es gelang ihm nicht ganz. Außerdem beging er einen weiteren Fehler: Er setzte viel zu schnell.

Dann war Golath an der Reihe. Seine Hände vibrierten leicht, als er mit dem Rüssel nach den Karten tastete und sie vorsichtig hochhob.

Ein roter und ein grüner Ma-len, Hochedle der Zweiten Klasse und damit von der Wertigkeit her nicht allzu hoch, grinsten ihm dreidimensional und in Farbe entgegen. Er kannte die beiden nicht, obwohl die arkonidischen Fürsten sicher täglich in den Klatschmedien zu sehen waren. Golath rechnete die Wahrscheinlichkeiten durch; die Prozentzahlen entstanden wie Holos in seinem Kopf. Er brauchte Liszogs Infokom nicht, um auszurechnen, dass sein Zwilling besser als einer mit zwei Agh-tiga war, aber etwas höher hätten die Karten schon sein können, Ta-moas, also Erzherzöge, etwa.

Dennoch, die beiden Spielkarten waren nur das Anfangsblatt. Golath erhöhte, die anderen gingen mit. Der Croupier legte die nächsten Karten in die Mitte. Zahlen und Prozente schwebten durch Golaths Hirn. Wie im Rausch stürmten sie auf ihn ein.

Durch einen Nebel hörte er den Croupier, der ihm sagte, dass er gewonnen hatte, und ihm einen Stapel Chips zuschob.

Die nächste Runde überraschte ihn mit zwei Imperatoren – als ob nicht einer schon genügte! Imperatoren ... daran merkte man, wie alt die Spielkarten schon waren. Auf neuen Karten war der Regent abgebildet, und auch die nächsten drei Karten waren inzwischen Vertraute des Regenten und nicht Angehörige des Khasurns des Imperators wie auf diesen.