Pferde, Forschung & Psychologie - Kathrin Schütz - E-Book

Pferde, Forschung & Psychologie E-Book

Kathrin Schütz

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Beschreibung

Für Reiter ist es eindeutig: Pferde haben einen positiven Einfluss auf Menschen; sie reagieren auf feine, nonverbale Signale und sind intelligente Lebewesen. Der Einsatz von Pferden im psychotherapeutischen Bereich und in weiteren pferdegestützten Interventionen (z. B. im Coaching oder im Therapeutischen Reiten) scheint ebenfalls wirksam zu sein. Doch stimmt diese eher alltagspsychologische Sicht auch im Hinblick auf den Stand der wissenschaftlichen Forschung? In diesem Buch geht es um die Studien zu den Fähigkeiten von Pferden (Intelligenz, Lernverhalten, Gedächtnisleistungen, Denken, Entscheiden). Weiterhin werden wissenschaftliche Studien erklärt, wie Pferde auf Menschen reagieren, gefolgt von der Wirkung auf Menschen im Therapeutischen Reiten, im psychotherapeutischen Bereich und im pferdegestützten Coaching. In diesem Zusammenhang werden grundlegende Informationen und Einsatzbereiche zu den jeweiligen pferdegestützten Interventionen erläutert, gefolgt von wissenschaftlichen Erkenntnissen.

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Inhalt

Einleitung

Intelligenz und Fähigkeiten von Pferden

2.1 Lernverhalten von Pferden

2.2 Erinnerungsleistung von Pferden

2.3 Denken und Entscheiden bei Pferden

Reaktionsmöglichkeiten von Pferden auf Menschen

Die Wirkung von Pferden auf Menschen

4.1 Gründe für den Einsatz von Pferden bei Interventionen

4.2 Pferde im Therapeutischen Reiten

4.2.1 Einsatzbereiche von Pferden im Therapeutischen Reiten

4.2.2 Wissenschaftliche Erkenntnisse zu Pferden im Therapeutischen Reiten

4.3 Pferde in der Psychotherapie

4.3.1 Einsatzbereiche von Pferden in der Psychotherapie

4.3.2 Wissenschaftliche Erkenntnisse zu Pferden in der Psychotherapie

4.4 Pferde im Coaching

4.4.1 Einsatzbereiche von Pferden im Coaching

4.4.2 Wissenschaftliche Erkenntnisse zu Pferden im Coaching

Literatur

Autorin

1 Einleitung

Für Reiter1 ist es eindeutig: Pferde haben einen positiven Einfluss auf Menschen; sie reagieren auf feine, nonverbale Signale und sind intelligente Lebewesen. Reiten wirkt sich auf das eigene Wohlbefinden aus – sei es, dass man sich entspannen kann oder die emotionale Intelligenz im Umgang mit dem Pferd und mit anderen Menschen steigert. Somit scheint der Einsatz von Pferden im psychotherapeutischen Bereich und in weiteren pferdegestützten Interventionen (z. B. im Coaching oder im Therapeutischen Reiten) ebenfalls lohnend zu sein. Doch stimmt diese eher alltagspsychologische Sicht auch im Hinblick auf den Stand der wissenschaftlichen Forschung? Nachfolgend geht es zunächst um die Fähigkeiten, die Pferde in Untersuchungen zeigten, die auch die Intelligenz, das Lernverhalten sowie die Gedächtnisleistungen oder das Denken und Entscheiden beinhalten. Hier liegt der Fokus auf den Pferden, wohingegen sich der nächste Bereich auf die Interaktionen zwischen Pferden und Menschen bezieht. Dabei werden wissenschaftliche Studien erklärt, wie Pferde auf Menschen reagieren und wie gut Pferde die menschliche Sprache „lesen“ können, z. B. unsere Gesichtsausdrücke. Basierend auf den Studien zu den grundlegenden Fähigkeiten der Pferde und den allgemeinen Interaktionen folgen im Anschluss die Kapitel zur Wirkung von Pferden auf Menschen. Hier geht es neben dem Einsatz der Tiere im Therapeutischen Reiten, im psychotherapeutischen Bereich auch um das pferdegestützte Coaching. In diesem Zusammenhang werden grundlegende Informationen und Einsatzbereiche zu den jeweiligen pferdegestützten Interventionen erläutert, gefolgt von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den jeweiligen Bereichen.

1 Obwohl aus Gründen der Lesbarkeit im Text die männliche Form gewählt wurde, beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.

2 Intelligenz und Fähigkeiten von Pferden

Pferde und deren Verhalten werden bereits seit rund 40 Jahren wissenschaftlich erforscht (Leblanc, 2010). Die Intelligenz von Pferden, deren (mentale) Fähigkeiten und das Lernverhalten standen hingegen bislang kaum im Fokus der Forschung. Häufig handelt es sich um Studien, die das Lernen durch Belohnung bzw. die operante Konditionierung beinhalten (Murphy & Arkins, 2007). Dadurch, dass ein bestimmtes (zufälliges) Verhalten verstärkt wird (z. B. durch Futter), lernt das Pferd, dieses Verhalten häufiger zu zeigen, um erneut Futter zu erhalten. Unter Lernen werden hier Veränderungen im Verhalten eines Tieres verstanden, die aus bestimmten Bedingungen oder Zusammenhängen durch gewisse Umstände resultieren (Chance, 1993; Tarpey, 1975). Dabei beinhalten sowohl das aktive als auch passive Lernen die bislang gemachten Erfahrungen (Murphy & Arkins, 2007).

Es gibt außerdem Konzeptstudien, die höhere kognitive Fähigkeiten von Pferden ansprechen, da sie die verschiedenen Eigenschaften von Objekten (z. B. welche Objekte größer oder kleiner sind) verstehen und dieselben in die gleiche Kategorie einordnen müssen. In Studien wurde gezeigt, dass Pferde besondere soziale Kognitionen gegenüber anderen Spezies haben, z. B. bei der Wahrnehmung oder Speicherung von Informationen. Pferde aus einer sozialen Einheit müssen Menschen nicht nur wahrnehmen, sondern es geht auch darum, die Beziehungen zwischen ihnen zu verstehen und zwischen fremden und vertrauten Personen unterscheiden zu können. Pferde müssen vorhersagen können, wie sich fremde Personen verhalten und sich noch eine lange Zeit daran erinnern. Pferde können Menschen weiterhin gut auseinanderhalten und auch ohne weiteren Kontakt in Erinnerung behalten (Henderson, 2013).

Nachfolgend werden Studien zum Lernverhalten von Pferden, zu deren Erinnerungsleistungen sowie dem Denken und Entscheiden dargestellt.

2.1 Lernverhalten von Pferden

Experimentell wurde das Lernverhalten bei Pferden in einer der ältesten Studien zu diesem Thema im Hinblick auf die Fähigkeit zwischen Reizen differenzieren zu können untersucht. Dabei sollten die Pferde eine Futterkiste von einer weiteren, die mit einem schwarzen Tuch abgedeckt war, unterscheiden. Jüngere Pferde waren hier weitaus interessierter an den neuen Reizen und hatten weniger Angst als ältere Pferde; Geschlechterunterschiede gab es nicht (Gardner, 1937). Eine weitere Form des Lernens wurde dahingehend untersucht, dass Veränderungen bei Belohnung je nach Reiz variieren und Pferde auch umgekehrt lernen bzw. ihr Verhalten je nach Reiz anpassen sollen. In einer Studie schafften es die Pferde nicht nur, eine schwarze von einer weißen Futterkiste zu unterscheiden, sondern lernten auch, dass sich die jeweilige Box mit Futter von Tag zu Tag änderte, und reagierten entsprechend (Warren & Warren, 1962). Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die untersuchten Tiere nicht nur variabel zwischen unterschiedlichen Farben von Futterbehältnissen unterscheiden konnten, sondern zusätzlich auch zwischen Ziel-Futterbehältnissen je nach räumlicher Anordnung (d. h. ob sie rechts oder links angeordnet waren). Obwohl die Pferde dazu in der Lage waren, beide Varianten der sowohl räumlichen als auch visuellen Veränderungen mit der zugehörigen Unterscheidung, in welchem Behältnis das Futter zu finden war, zu lernen, wurden die räumlichen Veränderungen leichter gelernt. Warum die visuellen Reize bzw. deren veränderte Darbietung schlechter gelernt wurden, beantworten die Forscher mit unterschiedlichen Erklärungsmöglichkeiten, die sich in Teilen auch widersprechen. Dies könnte beispielsweise mit der Helligkeit des Leuchtens (Lumineszenz) der Farben oder den Farbtönen, die Pferde unterscheiden können, zusammenhängen (Geisbauer, Griebel, Schmid & Timney, 2004; Hall & Cassaday, 2006; Macuda & Timney, 1999; Saslow, 1999; Smith & Goldman, 1999).

Glaus und Kollegen (2013) beschäftigten sich mit dem räumlichen Lernverhalten von Pferden (sechs Freiberger Hengste). Die Tiere wurden basierend auf ihrem Temperament zwei Gruppen zugewiesen, denen eine T-förmige Anordnung (rechts und links) von Reizen präsentiert wurde. Das bedeutet, die Pferde sollten lernen, in welchem von zwei Eimern (rechts vs. links) Futter vorhanden ist. Dabei sollten sie den gefüllten Futtereimer (bedeckt mit einer Holzplatte) suchen und öffnen. Die Forscher stoppten die Zeit von der Startlinie bis zum Futtereimer. Der Versuch erstreckte sich über drei Tage mit jeweils sechs Durchgängen, wobei alle Pferde zu knapp 100% richtig „antworteten“. Der Lernerfolg zeigte sich bereits nach zwei Durchgängen, da die Hengste wussten, ob sich der Eimer mit Futter auf der rechten oder der linken Seite befand. Auch nach neun Monaten, als das Experiment mit fünf der Hengste wiederholt wurde, konnten sich die Tiere daran erinnern, wie sie am schnellsten an den vollen Eimer gelangen. Sie waren so motiviert, dass sie zu Beginn des Versuchs direkt lostrabten.

In einer französischen Studie ging es um die Aufmerksamkeitsleistung von Pferden und wie diese für Lernaufgaben genutzt werden kann. Für die Studie wurde ein neuer, bewegter, visueller Reiz ausgewählt, um Verzerrungen aufgrund der Reizvertrautheit zu vermeiden und die Fähigkeit der Pferde zu berücksichtigen, dass sie Bewegungen erkennen. Pferde besitzen insgesamt wegen der seitlichen Anordnung der Augen besondere Fähigkeiten, Bewegungsstimuli zu erkennen. In der Untersuchung wurde mit einem Laserpointer gearbeitet, auf den die Pferde ebenso reagierten wie auf natürliche Reize oder Veränderungen in ihrer Umgebung. Somit kann auch mit computergenerierten Reizen gearbeitet werden. Außerdem zeigte die Studie, dass die Aufmerksamkeitseigenschaften der getesteten Stuten am zweiten Tag vorhergesagt werden konnten und diese Erkenntnisse auch für Lernaufgaben genutzt werden können (Rochais, Sébilleau, Houdebine, Hausberger & Henry, 2017).

Abgesehen von experimentellen Studien gibt es auch Untersuchungen zum sozialen Lernen und Beobachtungslernen. Im Alltag wird jüngeren Pferden häufig etwas beigebracht, indem sie von einem älteren, erfahrenen Pferd begleitet werden, das als Vorbild dient bzw. von dem sie etwas lernen können. Anwendung findet dies beispielsweise beim Springen über Hindernisse, beim Transportieren in einem Anhänger oder dem Beiseitestehen, wenn der Schmied kommt, um die Hufe auszuschneiden oder zu beschlagen (Kiley-Worthington, 1987). In einer Studie zum Beobachtungslernen bei Pferden von Clark und Kollegen wurden 14 Pferde unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Rasse untersucht, wobei jeweils sieben Pferde der Kontrollgruppe bzw. Experimentalgruppe des Beobachtens angehörten. Der Beobachtergruppe wurde ein korrektes Verhalten durch ein trainiertes Pferd, welches die Testobjekte nicht kannten, gezeigt (20 Versuche innerhalb von zwei Tagen). Die Kontrollgruppe kam mit einem solchen Pferd, an dem sie sich orientieren konnten und welches ihnen das korrekte Verhalten vormachte, nicht in Kontakt. Die Forscher konnten keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen feststellen, wie es auch bei einer früheren Forschergruppe der Fall gewesen war (Baer, Potter, Friend & Beaver, 1983; Clarke, Nicol, Jones & McGreevy, 1996). Auch weitere Studien zum sozialen Lernen bei Pferden konnten keine Nachweise erzielen, dass dies Pferde tatsächlich auf diese Art und Weise lernen (Lindberg, Kelland & Nicol, 1999; Miller Baker & Crawford, 1986). Auch andere Autoren gehen davon aus, dass Pferde nicht voneinander lernen (Murphy & Arkins, 2007; Nicol, 2002).

In aktuelleren Studien konnte jedoch gezeigt werden, dass Pferde sehr wohl von anderen Artgenossen lernen, wie Krueger und Flauger (2007) sowie Krueger und Heinze (2008) nachweisen konnten. Hier gab es jedoch die Einschränkungen, dass es auf das Alter und den Rang der Pferde, die miteinander interagierten, ankam. Die Pferde lernten von älteren und ranghohen, ihnen bekannten Pferden, allerdings nicht von jüngeren Pferden oder solchen, die sie nicht kannten, sowie die rangnieder waren. Zusätzlich wurde herausgefunden, dass die Lernfähigkeit mit zunehmendem Alter abnahm. In französischen Studien wurden Mutterstuten täglich zehn Minuten gestriegelt, was sich auf die Bindung zwischen dem zugehörigen Fohlen und Menschen auswirkte. Eine positive Folge war beispielsweise ein leichteres bzw. weniger problembehaftetes Anreiten des ehemaligen Fohlens einige Jahre später. Demnach lernen hier bereits Fohlen von anderen Pferden (Henry, Hemery, Richard & Hausberger, 2005; Henry, Richard-Yris & Hausberger, 2006).

Pferde können auch lernen, ihre Präferenzen zu kommunizieren, indem sie verschiedene neutrale Symbole berühren und somit zeigen, ob sie eine Decke haben möchten oder nicht. In der zugehörigen Studie wurden 23 norwegische Pferde pro Tag zehn bis fünfzehn Minuten trainiert, gefolgt von einem weiteren Trainingsprogramm. Über operante Konditionierung bzw. Belohnungslernen wurde den Pferden beigebracht, sich einer hölzernen Anzeigetafel zu nähern und diese zu berühren sowie zu verstehen, was drei unterschiedliche Symbole bedeuten. Diese beinhalteten die Aussage „keine Veränderung“, „Decke an“ sowie „Decke aus“ – je nachdem, ob das Pferd bereits eingedeckt war oder nicht. Warmblutpferde lernten dabei schneller als Kaltblutpferde, d. h. sie benötigten weniger Trainingseinheiten. Es wurde auch getestet, wie sich unterschiedliche Wetterbedingungen auf das Lernbzw. Entscheidungsverhalten auswirken. Es zeigte sich, dass das Wetter einen Einfluss darauf hatte, ob die Pferde eine Decke haben wollten oder nicht, denn bei schönem Wetter wollten sie beispielsweise keine. War es jedoch regnerisch, windig oder kalt, entschieden sich die Pferde für eine Decke. Die Forscher schlussfolgerten, dass Pferde die Konsequenzen ihrer Entscheidung verstehen und sie erfolgreich über Symbole lernen können, ihre Präferenzen zu kommunizieren (Mejdell, Buvik, Jørgensen & Bøe, 2016).

Heleski, Bauson und Bello (2008) untersuchten, ob Pferde lernen können, eine Aufgabe zu bewältigen, vor der sie Angst haben, indem sie belohnt (positiv verstärkt) werden. 34 Pferden im Alter von drei bis 29 Jahren wurde hier beigebracht, über eine knisternde Plastikplane zu gehen, was üblicherweise eine neue und typischerweise mit Skepsis und Angst verknüpfte Übung ist. Die Hälfte der Pferde wurde auf die „traditionelle“ Art und Weise trainiert, d. h. es wurde am Strick oder Halfter gezogen, sobald das Pferd nicht weitergehen wollte. So wurde Druck ausgeübt und dieser wurde so lange erhöht, bis die Übung klappte und die Pferde ohne oder mit nur einer geringen Angst die Plane überquerten. Mit der anderen Hälfte der Pferde wurde zwar ebenfalls auf die traditionelle Art und Weise gearbeitet, bei ihnen wurde aber zusätzlich positive Verstärkung eingesetzt. Sie wurden mit Worten und Hafer belohnt. Dieselbe Person arbeitete an drei aufeinander folgenden Tagen mit den Pferden. Neun von ihnen gingen nicht über die Plane, d. h. sie absolvierten die Aufgabe nicht erfolgreich und weigerten sich auch nach zehn Minuten noch, auch nur einen Huf auf die Plane zu setzen. Sechs dieser Pferde gehörten der Gruppe ohne positive Verstärkung an. Die Hälfte dieser Pferde ging später über die Plane, wenn sie belohnt wurden. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Pferde nicht über die Plane gingen, war in der Gruppe ohne Belohnung deutlich höher. Bei den Pferden, die die Aufgabe bewältigten, waren jedoch diejenigen, die keine Belohnung erhalten hatten, schneller. Tendenziell brauchte die Gruppe ohne Belohnung mehr Versuche bis zum erfolgreichen und vor allem gelassenen Überqueren der Plane. Letztlich zeigte sich, dass vor allem die ängstlichen Pferde mit Hilfe der Belohnung besser überzeugt werden konnten, die Aufgabe zu bewältigen, und dass diese dann auch weniger Angst behaftetes Verhalten zeigten. Bei den übrigen (nicht ängstlichen) Pferden klappte es ohne Belohnung schneller. Gerade in pferdegestützten Interventionen handelt es sich bei dem Überqueren der Plane um eine häufig eingesetzte Übung, bei der die Pferde sicher sein müssen, um gefährliche Situationen zu verhindern. Sie müssen die Plane (und deren Geräusche) grundsätzlich kennen und überqueren können.

Inwiefern nicht nur die Art der Belohnung (Leckerli vs. Gebürstetwerden), sondern auch die visuelle Aufmerksamkeit das Lernverhalten von Pferden beeinflusst, wurde von Rochais und Kollegen (2014) untersucht. An der Studie nahmen 15 Konik-Pferde teil, die zwischen einem und zwei Jahren alt waren und in Offenställen lebten. Das Training orientierte sich an einer Methode, bei der die Pferde lernten, auf ein Kommando für wenige Sekunden still stehen zu bleiben, auch wenn der Trainer einen Schritt zurücktrat. Die Einheiten beinhalteten mehrere Versuche und dauerten höchstens fünf Minuten, wobei das Training an fünf aufeinanderfolgenden Tagen stattfand. Pro Versuch gab es nur einen auditiven Stimulus (ein Kommando zum Stillstehenbleiben), anschließend war der Trainer wieder still. Das Experiment fand im Stall der Pferde statt, damit sie möglichst wenig Stress ausgesetzt waren. Sie wurden mit einem Halfter und einem Anbindestrick an der Wand festgebunden und bekamen unbegrenzt viel Heu. Ein Experimentator führte das Pferd in die Mitte des Stalls und stellte sich dem Pferd zugewandt links neben das Tier. Die Pferde wurden für den Test zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe war die Futterbelohnungsgruppe. Diese Pferde bekamen ein kleines Möhrenstück, wenn sie richtig auf das Kommando reagierten. Das Futter bekamen sie dabei erst am Ende, wenn sie ruhig auf der Stelle stehen geblieben waren. Die zweite Gruppe war die Pflege- bzw. Striegelgruppe. In dieser Gruppe wurden die Pferde von dem Versuchsleiter dreimal fünf Sekunden lang gebürstet, wenn sie korrekt reagierten. Um das Lernkriterium (= Voraussetzung) zu erreichen, mussten die Pferde dreimal hintereinander erst für fünf Sekunden still stehen bleiben (erster Schritt), bevor es zum nächsten Schritt gehen konnte, bei dem sie zehn Sekunden still stehen bleiben mussten. Die Anzahl der Schritte war dabei nicht begrenzt, denn nach fünf Minuten endete die Trainingseinheit. Jedes Mal, wenn die Pferde auf das Signal hin still stehen blieben, erhielten beide Gruppen die jeweilige Belohnung, bevor dann der nächste Schritt folgte. Ein Versuch galt als fehlgeschlagen, wenn sich das Pferd vor der angedachten Zeit wieder bewegte oder defensiv verhielt. Misserfolge wurden dabei nicht bestraft. Nach einer Runde wurden die Pferde im Stall herumgeführt, bevor erneut eine Sprachanweisung des Trainers folgte. Das Verhalten der Pferde wurde in allen Trainingseinheiten auf Video aufgenommen. Es konnten deutliche Aufmerksamkeitsunterschiede der Tiere gegenüber dem Trainer je nach Belohnung und während des Verlaufs des Trainings festgestellt werden. Am ersten Trainingstag wurden noch keine Unterschiede zwischen den Gruppen erkennbar. Wenn die Pferde die Person jedoch länger anschauten, veränderte sich die Art und Weise, wie sie diese beobachteten und wie sie sich ihm gegenüber verhielten. Ab dem vierten Tag wurden die Unterschiede jedoch größer. Die Pferde aus der Futtergruppe richteten ihr Verhalten von da an mehr auf den Trainer aus als die Striegelgruppe, die mehr Zeit damit verbrachte den Trainer anzustarren. Umgekehrt verbrachte die Striegelgruppe die gleiche Zeit damit, den Trainer anzustarren und die Umwelt zu „überwachen“, während dies bei der Futtergruppe bis zum dritten Tag abnahm und sie den Trainer weniger anstarrten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nur die Pferde, die mit Futter belohnt wurden, ihre Aufmerksamkeit steigerten und sich ihre Leistung verbesserte. Bei der Striegelgruppe gab es deutlich mehr unaufmerksame visuelle Reaktionen, und das „aufgeregte“ und ungeduldige Verhalten dieser Pferde nahm über die Zeit nicht ab. Bei der Beziehung zwischen Aufmerksamkeit und Lernen zeigte sich, dass sich die schnell Lernenden in einem optimalen Aufmerksamkeit-Zustand befanden, was durch das Futter gefördert wurde. Das Lernen wurde somit von der Aufmerksamkeit beeinflusst, was am Ende des Trainings ganz deutlich wurde: Die aufmerksameren Pferde waren auch besser. Die Studie zeigt außerdem, dass das Striegeln eines Pferdes eher nicht als Verstärker dienen kann. Sie liefert somit neue Hinweise darauf, dass Pferde durch eine angemessene Belohnung besser lernen können und man beim Lernen der Pferde auch immer Aufmerksamkeitsprozesse mit berücksichtigen sollte.

Im Training von Pferden (auch bei Interventionen) kann – wie in den Experimenten – die operante Konditionierung im Sinne der positiven Verstärkung eingesetzt werden. Für ein (zufällig) gezeigtes Verhalten erhält das Pferd eine Belohnung. Sieht das Pferd beispielsweise einen Futterwagen und fängt dann an zu wiehern und zu scharren, spricht man von der klassischen Konditionierung. Der zunächst neutrale Reiz (z. B. ein Futterwagen) würde bei einem jungen Pferd, das noch nie einen Futterwagen gesehen hat, lediglich eine sog. Orientierungsreaktion auslösen, d. h. es würde in die Richtung des Wagens schauen. Das Futter wäre ein unkonditionierter Reiz, auf den eine unkonditionierte, automatische Reaktion (z. B. Speichelfluss) folgt. Kombiniert man nun den Futterwagen mit dem Futter häufiger, lernt das Pferd, dass der Wagen positiv ist und verbindet ihn mit Futter. So wird der Wagen als ursprünglich neutraler Stimulus zu einem konditionierten Reiz – auf den eine konditionierte Reaktion (z. B. Speichelfluss) folgt.

2.2 Erinnerungsleistung von Pferden

Betrachtet man die Erinnerungs- bzw. Gedächtnisleistung von Individuen, muss immer berücksichtigt werden, dass hiermit auch Lernerfahrungen einhergehen. Lernen und Erinnern hängen somit stark miteinander zusammen, was bei den nachfolgenden Studien ebenfalls relevant ist, insbesondere beim Übertrag auf die Praxis. Auch Emotionen oder die Wahrnehmung fließen mit hinein. Die Studien zur Erinnerungsleistung bei Pferden können daher nicht losgelöst von anderen Bereichen betrachtet werden.

Bei der Überprüfung der Gedächtnisleistungen konnte gezeigt werden, dass Pferde über eine sehr gute Erinnerungsleistung verfügen, was sowohl bei erwachsenen Pferden (Marinier & Alexander, 1994) als auch bei Fohlen (Mal, McCall, Newland & Cummins, 1993) gezeigt wurde. Dies geht dementsprechend mit Vorteilen beim Training von Pferden einher, denen bestimmte Verhaltensweisen – beispielsweise beim Reiten oder in der Bodenarbeit – beigebracht werden. In einer anderen Studie wurde gezeigt, dass vor allem das Kurzzeitgedächtnis bei Pferden eingeschränkte Fähigkeiten aufweist (McLean, 2004).

In einer weiteren Studie von Hanggi und Ingersoll (2009) wurde überprüft, ob sich Pferde auch über Jahre hinweg an Dinge erinnern können. Hier war der erste Test mit zwei von drei Pferden sechs Jahre zuvor durchgeführt worden. Zwei 13-jährige Pferde hatten gelernt, zwischen dreidimensionalen Objekten und zweidimensionalen Fotos zu unterscheiden. Den Pferden wurden fünf Sets von Stimuli dargeboten, von denen sie immer die zwei zusammengehörigen herausfinden mussten. Es handelte sich dabei um dreidimensionale Reize wie Kinderspielzeug (z. B. Plüschtiere) und Haushaltsgegenstände (z. B. Plastikteller) in unterschiedlichen Farben und zweidimensionale Reize, laminierte Fotos genau dieser Objekte. Die 2D-und 3D-Stimuli wurden den Pferden mit Hilfe eines speziellen Apparats zusammen präsentiert. Wenn die Pferde die Gegenstände richtig zuordneten, bekamen sie Futter. Reagierten sie falsch, wurde ihnen „nein“ zugerufen. Nach zirka 20 bis 80 Versuchen lernten die Pferde zwischen den verschiedenen Reizen zu unterscheiden. Die gleiche Prozedur wurde mit den anderen Stimuli-Sets durchgeführt, teilweise zuerst mit den 3D- und dann mit den 2D-Reizen. Nachdem die Pferde trainiert worden waren, Dinge auf einem Bildschirm zu erkennen, wurde das Experiment (ohne ein erneutes Training) nach sechs Jahren wiederholt. In der Zwischenzeit kamen die Pferde mit den Reizen nicht in Kontakt. Bei dem ursprünglichen Experiment hatten die getesteten Pferde noch viele Zufallstreffer und lernten nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip2. Bei dem zweiten Experiment wählten beide Pferde direkt beim ersten Versuch die richtigen Reize aus. Die Leistung der Tiere war bei vier der Sets nahezu perfekt. Acht von zehn Gegenständen konnten von denselben Pferden unterschieden und richtig zugeordnet werden. Die Ergebnisse dieser Experimente gehören zu den ersten Erkenntnissen über das Langzeitgedächtnis von Pferden in Bezug auf Kategorien und Konzepte. Die Ergebnisse zeigen, dass Pferde dazu fähig sind, Kategorien und Konzepte für sehr lange Zeit zu behalten und auch nach Jahren abrufen und anwenden können.

In einer Folge-Untersuchung der Forscher wurde das Langzeitgedächtnis für Kategorien getestet. Auch hier war der erste Test Jahre zuvor durchgeführt worden. Es wurden zwei verschiedene Apparate verwendet – einer stand in einem runden, eingezäunten Platz, der andere befand sich in einem Stall. Die Stimuli waren computergenerierte, schwarze Bilder, die auf weiße Kunststoffplatten geklebt wurden. Die korrekte Kategorie bestand aus verschiedenen Formen mit einer offenen Mitte, die fehlerhafte Kategorie umfasste alle farblich komplett ausgefüllten Formen. Die Ergebnisse dieser Studie lassen die Erkenntnis zu, dass Pferde zum Sortieren von Reizkategorien fähig sind. Das heißt, sie sollten unterscheiden können, bei welchen Reizen nur Außenlinien mit einer offenen Mitte zu sehen waren und welche komplett ausgefüllt waren (hier war das die „falsche“ Kategorie). Nach anfänglichem Versuch-und-Irrtum-Lernen, das ungefähr 80 bis 90 Versuche umfasste, lernten die Pferde sehr schnell die neuen Diskriminationen und sortierten die Stimuli je nach Kategorie bei 16 Stimulussets. Zehn Jahre später konnten sich die Pferde auch an diese Reize korrekt erinnern.

Im dritten Experiment ging es um relative Größenkonzepte. Dabei handelte es sich um schwarze Reize auf einem weißen Hintergrund, wobei es sich um 2D-computergenerierte Bilder verschiedener Formen (Kreise, Quadrate, Dreiecke, Kleeblätter, Bäume etc.) sowie um farbige 3D-Objekte, wie z. B. Kugeln und Kunststoffplatten handelte. Jedes Set bestand aus vier verschiedenen Größen (groß, mittel, klein und sehr klein). Ein Pferd musste immer den größeren von zwei präsentierten Reizen herausfinden. Ein anderes Pferd wurde nach dem gleichen Prinzip trainiert und ein drittes wurde entgegengesetzt getestet, also dass der kleinere Stimulus korrekt war. Auf die Trainingsphase, die aus verschiedenen Stimulussets bestand, folgten die Konzepttestung und die Umsetzungsphase. Diese Phase umfasste kompliziertere und neue 2D-Formen sowie neue 3D-Objekte. Nach anfänglichem Lernen mit der Versuch-und-Irrtum-Methode verstanden die Pferde die neue Diskrimination schneller und wählten dann konsistent (auch bei neuen Reizen) die korrekten Reize aus. Die Ergebnisse zeigten zum ersten Mal, dass Pferde Diskriminationen und Umsetzungen, basierend auf relativen Größenkonzepten, lösen können. Die Pferde konnten die Konzepte leicht auf Dimensionen außerhalb des Trainings und des Tests übertragen.

Das zugehörige Experiment für das Langzeitgedächtnis in Bezug auf Größenkonzepte wurde dann nach mehr als sieben Jahren erneut mit einem der Pferde durchgeführt. Es wurden erst vertraute Stimulisets und dann neue Stimulisets präsentiert. Zu den vier bekannten Reizsets, die getestet wurden, gehörten beispielsweise Kreise, Klee und Baum