Pflegias - Kontrovers - Christine Vogler - E-Book

Pflegias - Kontrovers E-Book

Christine Vogler

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Beschreibung

Ein Buch. Zwei Perspektiven. Zehn Empfehlungen. Alle wissen es: Das Gesundheitssystem krankt. Der demografische Wandel ist da. Die Pflege ist fundamental in Deutschland. Christine Vogler, die Präsidentin des Deutschen Pflegerats e. V., steht wie keine Zweite für die Professionalisierung des Pflegeberufes in Deutschland. Prof. Dr. Thomas Druyen, renommierter Soziologe und Zukunftsforscher, kann wie kein Zweiter einen Blick in die Zukunft werfen. Aus der Begegnung dieser beiden Fachleute ist ein spannendes und kluges Buch entstanden, in dem beide erstmals nachhaltige Empfehlungen für ein zukünftiges, modernes und gesellschaftsrelevantes Bild der Pflegeberufe formulieren. Gemeinsam werfen sie einen hoffnungsvollen Blick auf die Pflege von Menschen und beleuchten die Wertschätzung der Profession Pflege in der Gesellschaft kritisch. Die zentrale Frage ist: Wie kann es zukünftig gelingen, all diejenigen zu unterstützen, die Hilfe benötigen? Welches Mindset wird dafür gebraucht? Autorin und Autor blicken gemeinsam in diese Zukunft und zeigen konkrete Veränderungen für Mensch und Gesellschaft auf.

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» Das Unmögliche möglich machen. Was denn sonst. Das war unsere Inspiration. Und wir laden Sie dazu ein, uns zu folgen.

Christine Vogler

Christine VoglerThomas Druyen

Pflege. Zukunft. Menschenrecht.

Zehn Empfehlungenfür die Pflege von morgen

Inhalt

Mein persönliches Vorwort

Christine Vogler

Mein persönliches Vorwort

Prof. Dr. Thomas Druyen

1.Pflege – Beruf und Berufung

Thomas Druyen

Mindset – Pflege denken

Mindset – über Pflege denken

Konkrethik – ein Kompass für das Mindset

Konkrethik in der Anwendung

2.Profession Pflege

Christine Vogler

Ethisches Pflegehandeln

Werte und Pflichten

Achtung der Menschenrechte

Verpflichtung zur Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens

Gleichheit und Mitwirkung

Partizipation

Gleichheit

Handlungsteilung und Public Health

3.„WeCare4Us“ – Zukunftspsychologische Studien zur Pflege

Thomas Druyen

„WeCare4Us“ – Herausforderungen in der Pflege

Digitalisierung

Herausforderungen für die Zukunft

Die Babyboomer als Problem und Lösung

Demografischer Wandel und die Herausforderungen für die Pflege

4.Profession und Professionalität

Christine Vogler

Pflegebildung, Gesellschaft und Gesetzgebung

Bildung und Berufsautonomie

Zum Föderalismus

Handlungskompetenzen

5.Würde

Thomas Druyen

Herausforderungen im Pflegeberuf

6.Gerechtigkeit und Gesellschaft

Christine Vogler

7.Pflege und KI

Thomas Druyen

Die Überwindung der Angst und „Optimismut“

Das richtige Mindset für künstliche Intelligenz

8.Gesetz und Verfassung

Christine Vogler

Gesetzgebung heißt Zukunft sichern

Politischer Wille und Mut

9.Generationenpakt

Thomas Druyen

10.Pflege. Zukunft. Menschenrecht. Zehn nachhaltige Aussichten.

Christine Vogler, Thomas Druyen

11.Ausblick

Pflegerische Vorausschau

Christine Vogler

Die Pflege der Zukunft – Die Zukunft der Pflege

Thomas Druyen

12.Anhang

Quellen und Hinweise

Dank

Über Autorin und Autor

Impressum

Hinweis:

Wir adressieren immer alle Lesenden und verwenden in diesem Buch meist eine gender- und diversitätssensible Sprache. In einigen Fällen haben wir zugunsten der inhaltlichen Verständlichkeit und der besseren Lesbarkeit darauf verzichtet.

Mein persönliches Vorwort

Christine Vogler

Eine, die aus der Pflege kommt, und ein Zukunftsforscher. Und dann ein Buch über Pflege, das sich auch noch vornimmt, den Bezug zu Menschenrechten herzustellen. Was für ein Unterfangen.

» Das Unmögliche möglich machen. Was denn sonst. Das war unsere Inspiration. Und wir laden Sie dazu ein, uns zu folgen.

Vielleicht haben Sie dieses Buch geschenkt bekommen, haben es ganz bewusst ausgewählt oder sind an der Kasse im Buchladen aufmerksam geworden? Worauf können Sie sich freuen?

Wir werden einen hoffnungsvollen Blick auf die Pflege von Menschen werfen. Natürlich wird es dabei auch um Mangel gehen. Wie wir heute überall lesen können, gibt es weder ausreichend Pflegefachpersonen noch ausreichend Geld im System, pflegerische Versorgungsangebote sind unzureichend, einige Kliniken sterben … Worum es uns in diesem Buch aber geht, ist, wie jeder einzelne Mensch und wir als Gesellschaft damit umgehen können. Wie können wir in Zukunft diejenigen unterstützen, die Hilfe benötigen: Pflegebedürftige und Kranke?

Und wie können wir in Zukunft diejenigen unterstützen, die Sorge tragen: professionell Pflegende und pflegende Angehörige?

Wir schreiben über Demokratie und Würde sowie über die Freiheit der Entscheidung, wie, wo und durch wen wir gepflegt werden möchten. Es geht um ein Gesundheitssystem, das in sich so krank und marode ist, dass es selbst dringend kompetenter Pflege bedarf.

Das alles wollen wir auf wenigen Seiten durchdenken, am Ende zusammengefasst in zehn nachhaltigen Empfehlungen. Die könnten Sie gerne auch zuerst lesen – aber dann verpassen Sie das Beste: den gesamten Mittelteil.

Was ich damit zu tun habe? Ich lebe und arbeite seit 1989 im Gesundheitssystem. Ich habe Krankenschwester gelernt und sehr schnell verstanden, dass das System meine Kompetenzen und meine Verantwortungsbereitschaft nur zu einem geringen Maß einsetzen wollte.1 Studieren konnte man damals das Fach Pflege leider nicht, also bin ich nach meiner Ausbildung in die Pflegepädagogik gegangen. Heute bin ich als Lehrerin und Managerin im Gesundheitssystem tätig und engagiere mich berufspolitisch. Meine Leidenschaft gehört dem Pflegeberuf. Seit 2021 darf ich als Präsidentin des Deutschen Pflegerates eine große Anzahl Pflegefachpersonen gemeinsam mit vielen (meist ehrenamtlich) engagierten Kolleginnen und Kollegen vertreten. Beruflich bilde ich seit nunmehr fast 30 Jahren Pflegefachpersonen aus – als Lehrerin, Schulleiterin, Geschäftsführerin. Dabei habe ich stets die international orientierte generalistische Grundausbildung verfochten – und tue es bis heute. Mein Jahrzehnte währender Kontakt in alle Versorgungsbereiche – Krankenhaus, Pflegedienst, Pflegeheim – zeigte mir schon früh, wie kompetent, wirksam und wertvoll alle Pflegefachpersonen sind, ebenso die Kraft und Wichtigkeit der pflegenden Angehörigen und das Zusammenspiel der verschiedenen Berufsgruppen in der Gesundheitsversorgung.

Eine Gesellschaft, in der die pflegerische Versorgung einen hohen Stellenwert hat, das ist eine Gesellschaft, in der ich leben will. In der die sozialen Aspekte etwas gelten und in der alle Menschen gleich viel wert sind. Das ist der Plan! Und wie wunderbar, dass mir Thomas Druyen begegnet ist, mit dem wir nun auf ganz ungewöhnliche Weise auf die Pflege und Gesundheitsversorgung in Deutschland schauen wollen. Hoffnungsvoll. Kompetent. Gestaltend. Begleiten Sie uns bei dieser visionären Reise in die Zukunft, die wir wie einen Dialog gestaltet haben. Möge es den Diskussionen für eine gute künftige Versorgung dienen.

Mein persönliches Vorwort

Prof. Dr. Thomas Druyen

Danke, liebe Christine. Wir sind uns einig, dass die Pflege eine wegweisende Zukunftshoffnung ist und sein muss. Dazu brauchen wir ein vorausschauendes Bewusstsein, was Pflege angeht.

Dazu möchte ich zwei Perspektiven beisteuern, die Zukunftspsychologie und die „Konkrethik“.2 Mit beiden im weiteren Verlauf noch zu erläuternden Begriffen meine ich eine weitblickende Haltung mit dem Ziel, das Richtige zu tun. In diesem Sinne stellen sich Fragen:

» Was leistet die Pflege für unsere Zukunft? Welchen Stellenwert hat sie für unser gemeinsames Leben?

Wie wird sich die Pflege durch künstliche Intelligenz (KI) verändern? Ist sie psychologisch nicht auch ein Inbegriff für (Herzens-)Bildung? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, müssen wir uns die Denkweisen der Pflegeberufe anschauen, aber auch die der zu Pflegenden selbst.

Woher kommt diese Perspektive? Als Präsident der opta data Zukunfts-Stiftung kümmere ich mich um die Systemrelevanz der Gesundheitsberufe, in denen die Pflege eine zentrale Rolle spielt. In diesem Zusammenhang führt die Stiftung Studien und Befragungen durch. Für meine Argumentation sind hier zwei Studien wichtig: Die Babyboomerpflegestudie3 beschäftigt sich mit den Einstellungen der Babyboomerinnen und Babyboomer (die zwischen 1955 und 1969 geborenen Jahrgänge) zur Pflege, die zweite Studie mit den Aussagen von Pflegefachpersonen einer Universitätsklinik über sich selbst. Sie trägt den Titel „WeCare4Us“.4 Hier war es bedeutsam, endlich mal die Pflegenden selbst zu Wort kommen zu lassen.

Mein Zugang zu unserem Thema liegt auch in meiner Funktion als Gründer und Direktor des Institutes für Zukunftspsychologie und Zukunftsmanagement an der Sigmund Freud PrivatUniversität in Wien. Dort untersuchen wir seit 2015 die psychologischen Auswirkungen der Digitalisierung, der künstlichen Intelligenz, der allgemeinen mentalen Überforderung und des demografischen Wandels. Es handelt sich um eine Mindsetforschung, also um die Erkundung, was Veränderung mit unserem Geist, unseren Emotionen und unseren Einstellungen macht. Gleichzeitig führen diese Erfahrungen zu Kursen und Workshops, um Interessierte zu trainieren, mit Überraschungen, Unvorhersehbarkeiten, Transformationen und Stress besser umzugehen.

Diese Workshops führen wir auch mit Pflegefachpersonen durch. Die Resultate sind eindeutig: Die Pflegenden selbst wissen ganz genau, wie ihre Zukunft aussehen soll.

Diese zukunftspsychologischen und nach vorne gerichteten Betrachtungen einzubringen ist eine Herzensangelegenheit. Dies gemeinsam mit Christine Vogler tun zu dürfen, ist mir eine Ehre. Sie setzt jeden Tag um, was wir brauchen: das Gesagte auch zu tun.

1.

Pflege – Beruf und Berufung

Thomas Druyen

Mindset – Pflege denken

Als Gesprächsgrundlage möchte ich gerne einen gedanklichen Teppich auslegen, auf dem wir uns dann bewegen können. Die Pflege betrifft alle Menschen und alle Generationen. Sie ist eine Brücke zwischen den Altersgruppen. Sie ist eine Brücke in das Leben hinein und auch wieder aus dem Leben hinaus.

In jeder Sekunde des Lebens spielt die Pflege eine Rolle – bewusst oder unbewusst.

» Es stellt sich die Frage: Durch welche Brille, mit welcher Haltung oder welchen Gefühlen betrachten wir Pflege?

Diese Grundeinstellung nenne ich „Mindset“. Der Begriff stammt aus dem Englischen und lässt sich als „Mentalität“ oder „Einstellung“ übersetzen. Das Mindset bezeichnet die Gesamtheit der mentalen Überzeugungen und Prägungen, die bestimmen, wie eine Person denkt, fühlt und handelt.

Der Begriff „Mindset“ wurde maßgeblich durch die Arbeiten der amerikanischen Psychologin Carol Dweck geprägt, die in ihrem Buch Mindset: The New Psychology of Success (2006) zwischen einem festen („fixed“) und einem Wachstums-Mindset („growth“) unterscheidet.5 Diese Unterscheidung hat weitreichende Folgen für die Bildung, das Arbeitsleben und die persönliche Entwicklung eines jeden Menschen. Im psychologischen Kontext bezieht sich „Mindset“ auf die innere Haltung, die tief verwurzelten Glaubenssätze und die kognitiven Rahmen, durch die das Individuum seine Erfahrungen interpretiert und auf Herausforderungen reagiert. Diese mentalen Modelle beeinflussen, wie wir Ziele setzen, Herausforderungen begegnen, mit Rückschlägen umgehen und letztlich unser Leben und Handeln gestalten.

Zu einem am Wachstum orientierten Mindset gehören erstens die Bereitschaft, sich neuen Erfahrungen und Veränderungen gegenüber offen zu zeigen und aus Fehlern zu lernen. Zweitens der Glaube, dass Fähigkeiten und Intelligenz durch Anstrengung, gute Strategien und konstruktives Feedback verbessert werden können. Im Gegensatz dazu nehmen Personen mit einem festen Mindset an, dass diese Eigenschaften statisch und unveränderlich sind und man selbst wenig Einfluss hat. Drittens ist die Art und Weise, wie Personen Herausforderungen begegnen und Rückschläge verarbeiten, ebenfalls ein wichtiges Merkmal.

» Ein konstruktives Growth Mindset glänzt durch Resilienz und die Fähigkeit, aus Misserfolgen zu lernen und diese als Gelegenheit zur Weiterentwicklung zu nutzen.

Viertens beeinflusst das Mindset, ob Individuen eher leistungsorientierte Ziele verfolgen, um Talent oder Intelligenz zu beweisen, oder lernorientierte Ziele, um Kompetenzen zu erweitern und zu wachsen. Diese wegweisenden Grundlagen wenden wir nun auch auf die Pflege an und nutzen dazu neue Erkenntnisse aus der Zukunftspsychologie.6

Der Mensch hat ein spezielles Mindset für Pflege, es entwickelt sich im Laufe des Lebens bewusst und unbewusst. Es ist mit allen Erfahrungen, Verletzungen und Erlebnissen verwoben, die das Leben und die Identität einer Person prägen. Alle Abbildungen des eigenen Lebens sind in dieser seelischen „Bibliothek“ gespeichert, auch wenn der oder die Betroffene nicht immer darauf Zugriff hat. Oft werden ihre Erkenntnisse und Bilder auch verdrängt und vergessen. Diese Gesamtheit aller Wahrnehmungen bildet unseren Charakter und unsere Eigenart. Sie ist die Grundlage eines individuellen Mindsets. Sie macht das persönliche Bewusstsein aus. Bei der Struktur unseres Körpers könnte man vergleichbar auch von „Bodyset“ sprechen.

» Der Blick auf das Leben und die Pflege ist immer subjektiv, er entspringt dem eigenen Mindset, der eigenen Kultur und dem eigenen Wesen.

Man sieht die Pflege nicht, wie sie objektiv ist, sondern nur das eigene Bild auf die Pflege. Wie Säuglinge und Kinder geprägt werden, in armen, wohlhabenden oder sozial prekären Verhältnissen, in friedlichen oder kriegerischen Umgebungen, in menschenfreundlichen oder menschenfeindlichen Nationen, all dies beeinflusst das Mitgefühl und den Selbstwert der späteren Erwachsenen. Ebenso spielen soziale und milieubezogene Faktoren, wie Umgang, Nachbarschaft oder Beschäftigung, eine gravierende Rolle. All diese und viele weitere Bestandteile mischen sich in jenes innere Bild, das wir von Pflege und ihrer Bedeutung für uns haben. Selbstverständlich sind auch das Alter und die Generationenzugehörigkeit von Belang.

Gehören Unfälle, Pflegefälle, Pflegebedürftige oder schwer eingeschränkte Personen überhaupt zum eigenen Erfahrungshorizont, oder blieb die eigene Biografie bislang von direkter Erfahrung, was Pflege bedeutet, unberührt? Das persönliche Bild von Pflege wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Schauen wir zur Verdeutlichung auf ein konkretes Beispiel: