Pfote aufs Herz - Marianne Finze - E-Book

Pfote aufs Herz E-Book

Marianne Finze

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Beschreibung

Der süße Kater Pooky stellt das Leben seiner Familie auf den Kopf. Es ist Herbst, jener Herbst 1989, der das Leben aller Deutschen so sehr verändert hat. Was das mysteriöse Verschwinden einer Katze mit diesem Herbst zu tun hat? Das erfahren wir in diesem Buch. Wir erfahren auch, welchen ungeahnten Wirbel die kleine Überraschung in der Familie auslöst, mit der die Tochter der Autorin eines Tages vor der Tür steht. Von da an erlebt die Familie ein Abenteuer nach dem anderen. Und wer sorgt für all die aufregenden Erlebnisse? Ein frecher kleiner Kater namens Pooky! Ohne den pelzigen Wirbelwind wäre das Leben seiner Zweibeiner sicher anders verlaufen. Aber ob es auch schöner gewesen wäre? Fest steht jedenfalls: Ohne ihn geht in dieser Familie gar nichts. Er hat ihrem Dasein erst die richtige Würze gegeben. Und mal ehrlich: Wer kann unser Leben charmanter auf den Kopf stellen als eine Katze?

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Marianne Finze ist in Mecklenburg geboren und aufgewachsen. Nach dem Abitur studierte sie Bibliothekswesen und machte so ihre Liebe zu Büchern zum Beruf. Nach dem Studium arbeitete sie in verschiedenen wissenschaftlichen bzw. Fachbibliotheken als Bibliothekarin.

Neben Büchern gehörten auch Tiere schon früh zu ihrem Leben. Zunächst waren es die zahlreichen Tiere auf dem Bauernhof ihrer Großeltern. Doch auch im elterlichen Zuhause gab es bald tierische Mitbewohner. Unter ihnen waren Kanarienvögel, Wellensittiche und ein schwarzweißer Kater.

Dann gab es eine Zeit ohne diese liebenswerten Lebensbegleiter.

Mit einer eigenen Familie brachten nicht nur drei Kinder Leben ins Haus, sondern nach und nach auch wieder Tiere.

Vögel, Meerschweinchen und letztendlich immer wieder Katzen wurden im Laufe der Jahre liebe Mitbewohner.

Speziell zwei der samtpfotigen Herzensbrecher gaben Marianne Finze schließlich die Inspiration zu dem vorliegenden Buch. Mit diesen beiden Plüschlöwen verbindet sie aufregende, lustige, ja sogar abenteuerliche, aber auch traurige Erinnerungen.

Heute lebt die Autorin mit ihrem Mann und ihren drei Katzen nahe der Ostsee. Wenn sie nicht gerade an einer neuen Geschichte schreibt, in ein Buch vertieft oder ihren Katzen zu Diensten ist, findet man sie möglicherweise in ihrem kleinen Garten, in dem sie nicht nur mit Gartenschere und Grabegabel unterwegs ist. Gern geht sie dort oder anderswo in der Natur noch einer anderen Leidenschaft nach – der Fotografie. Mit ihrer Kamera ist sie stets auf der Suche nach den kleinen und großen Wundern des Lebens.

Gewidmet meinem Mann, meinen drei Kindern und all den Tieren, mit denen ich mein Leben bisher teilen durfte.

Inhaltsverzeichnis

Welt- und Herzbewegendes

Ein neuer Katz – ein neues Glück?

Urlaub ade?

Wieder daheim

Wie aus einem Kätzchen ein Bär wurde

Hoch hinaus

Ungewollt auf Abwegen

Wenn ein Türschlitz einläuft

Wenn es weihnachtet

Die neue Höhle

Der Garten der Erinnerungen

Das Blaue Wunder

Gefahr von oben

Der getaufte Sessel

Die verschwundenen Schweinemedaillons

Unser Kater geht nicht auf den Tisch

Der Wischmopp

Der weiße Hase

The same procedure as last week

Wenn man aus Schaden nicht klug wird

Die Killeramsel

Rosinen im Kater

Wenn die Katze einem Seltenes bringt

Die Katze am Fenster

Abschied vom Paradies

Neuland

Der Nachtschwärmer

Ein neuer Nachbar

Schreck am Morgen

Wenn ein Kater in die Jahre kommt

Abschied

Einmal Katze, immer Katze?

Danksagung

Welt- und Herzbewegendes

Es war Herbst. Es war nicht irgendein Herbst, es war dieser Herbst ’89, der Herbst, der nicht nur mein und das Leben meiner Familie, sondern das Leben aller Deutschen so sehr veränderte. Die Unzufriedenheit der Menschen mit der sozialistischen Staatsmacht im Osten Deutschlands hatte in diesem so geschichtsträchtigen Jahr dramatische Formen angenommen. Überall im Land fanden Protestbewegungen statt, machte sich der Zorn des Volkes Luft.

Und auf einmal geschah etwas, was wohl niemand für möglich gehalten hatte, das Volk der DDR erzwang im November 1989 in einer friedlichen Revolution die Öffnung der Grenzen zwischen den beiden deutschen Staaten. Immer noch sehe ich mich fassungslos vor dem Fernseher sitzen, als Günther Schabowski den magischen Satz von der Öffnung der Grenze zur Bundesrepublik sprach, und mich ungläubig fragen: „Was hat er eben gesagt? Die Grenzübergangsstellen zur Bundesrepublik sind offen? Wie jetzt? Für jeden? Meint er das im Ernst?“

Die Tage nach diesem Ereignis erschienen mir und meiner Familie so unwirklich wie nie zuvor etwas in unserem Leben. Es waren Tage, an denen wir glaubten, zu träumen, aber auch Tage, an denen wir Angst davor hatten, gleich aus diesem schönen Traum zu erwachen und alles wäre wieder wie zuvor. Nur langsam realisierten wir, dass diese Ereignisse kein Traum, sondern Wirklichkeit waren und wir einer neuen, sehr ungewissen Zeit entgegen gingen.

Unglaublich, was plötzlich geschehen war. Noch wenige Tage zuvor war mir ein Besuch in der Bundesrepublik verwehrt worden. Mein Mann hatte für uns beide eine Einladung zum Geburtstag einer Tante, die mit ihrer Familie in Bayern lebte, erhalten. An der Feier teilnehmen durfte am Ende nur mein Mann. Das war damals die übliche Verfahrensweise der DDR-Behörden. Man glaubte, dass ein Alleinreisender wieder zu seiner Familie in die DDR zurückkehren würde. Bei einem gemeinsam reisenden Ehepaar war man sich wohl nicht so sicher. Eben gab es noch diese extremen Einschränkungen von Reisefreiheit und nun sollte auf einmal alles möglich sein? In was für ein Märchen waren wir da hineingeraten? Doch dieses Märchen schien, wie die folgenden Tage zeigten, tatsächlich wahr geworden zu sein.

Der 12. November 1989 wurde dann für meinen Mann, unsere drei Kinder und mich ein unvergesslicher Tag. Wir waren zusammen das erste Mal mit unserem Trabi Richtung Westen unterwegs, um mit ihm die innerdeutsche Grenze zu überqueren. Dieser Tag war ein Abenteuer pur für uns. Er war eines der aufregendsten Kapitel in unserem Leben überhaupt. Bis dahin war es jenseits unserer Vorstellungskraft gewesen, dass die Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten jemals würde fallen können. Daran, dass aus DDR und Bundesrepublik wieder ein einheitliches Deutschland werden könnte, wagten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal zu denken. Diese Tage wird wohl keiner von denen, die damals dabei waren, jemals vergessen können. Dazu waren sie viel zu einschneidend für den weiteren Lebensweg jedes einzelnen von uns.

Doch die Grenzöffnung war das eine. Noch ein anderes Ereignis aus diesen Tagen hat sich für immer in mein Gedächtnis eingegraben. Zu unserer Familie gehörte damals schon seit einigen Jahren ein graugetigerter Kater. Er hatte sich still und heimlich als kleines Kätzchen in mein Herz geschlichen und danach Schritt für Schritt in unsere Wohnung. Im Laufe von fast fünfeinhalb Jahren war daraus eine liebevolle, wenn auch eher lockere, Bindung geworden.

Ursprünglich hatte ich dem kleinen Tiger den Namen Hannibal gegeben. Doch bald nannten wir ihn nur noch liebevoll Schnups. Wie es überhaupt zu diesem Spitznamen gekommen war, konnte hinterher keiner mehr von uns sagen. Irgendwie war er plötzlich einfach da gewesen. Natürlich hieß der Kater nach wie vor offiziell Hannibal, doch gerufen haben wir ihn bald nur noch mit Schnups. Eine Freundin unserer Töchter haben wir damit sogar einmal völlig verwirrt.

Ich hatte Schnups gerade bei seinem Spitznamen gerufen, die Freundin aber hatte den Namen nicht recht verstanden und fragte: „Wie heißt der Kater?“

Die Antwort lautete natürlich: „Hannibal.“

Erst als wir den irritierten Gesichtsausdruck der Freundin sahen, wurde uns klar, wie verwirrend diese Antwort gewesen sein musste. Die Länge des Namens, den das Mädchen gerade nicht verstanden hatte, passte lautmalerisch so gar nicht mit Hannibal zusammen. Wie auf Kommando lachten wir los und verwirrten das arme Mädchen damit noch ein bisschen mehr. Natürlich haben wir hinterher erzählt, dass wir unseren Kater Schnups nennen, er aber eigentlich Hannibal heißen würde.

Unser Schnups war eines von drei Katzenkindern, die in unserem Fahrradschuppen geboren wurden. Eine Katzenmutti, die alle Hausbewohner mehr oder weniger als Hofkatze betrachteten, hatte sich zu ihrer Niederkunft ungefragt in unserem Schuppen einquartiert. Durch eine Öffnung oberhalb der Schuppentür, die irgendwann wohl mal als Einflugfenster für Tauben vorgesehen war, hatte sich Hofkatze Minka Zugang zu unserem Schuppen verschafft und auf einer alten Kinderbettmatratze eine Wochenstube für ihren Nachwuchs eingerichtet. Als wir merkten, was sich in unserem Schuppen ereignet hatte, brachten wir es nicht übers Herz, die kleine Familie einfach vor die Tür zu setzen. Wir fühlten uns sogar verpflichtet, uns um ein richtiges Zuhause für den plüschigen Nachwuchs zu kümmern. Eine Kollegin von mir suchte sich, als es an der Zeit war, die Kätzchen problemlos von der Katzenmutti trennen zu können, zwei von den süßen Plüschwesen aus. Sie sollten in Zukunft auf dem Bauernhof ihres Bruders die Mäusepopulation kurz halten. Wahrscheinlich gibt es für Katzen kein schöneres Zuhause als einen Bauernhof. Ich war richtig glücklich über diese Lösung für zumindest zwei der Kätzchen. Noch oft hat meine Kollegin von den Katzengeschwistern erzählt. Sie hatten ein schönes und langes Leben als Bauernhofkatzen. Für die passionierten Mäusefänger hatten wir also ein nahezu perfektes Zuhause gefunden.

Nachdem die zwei Geschwister fort waren, blieb bei uns auf dem Hof ein grau getigertes Katerchen zurück, das nach dem Verschwinden seiner Spielgefährten verzweifelt nach ihnen suchte. Immer wieder rannte der kleine Kerl maunzend um unser Haus. Wo waren nur plötzlich seine Geschwister abgeblieben? Die Katzenmutti ging derweil schon wieder ihre eigenen Wege und hatte nur noch wenig Interesse an dem Katerchen. Sie muss der Meinung gewesen sein, dass ihr Nachwuchs inzwischen alt genug war. Sollte er sich doch selbst um seinen Lebensunterhalt kümmern.

Mir tat es richtig weh, wie der kleine Tiger so verzweifelt suchend um unser Haus lief. Ich konnte gar nicht anders, ich musste mich einfach ein wenig um ihn kümmern. Neben etwas Futter, das ich ihm nun regelmäßig in unseren Garten stellte, nahm ich mir nach der Arbeit immer ein bisschen Zeit für eine kleine Spielrunde mit ihm.

Schnell schien ich für den Vierbeiner eine Art Ersatzmutti geworden zu sein, die nicht nur für regelmäßige Futtergaben sorgte, sondern ebenso die fehlenden Spielkameraden ersetzte. Bald wanderte dann auch sein Futterplatz vom Garten hinein in unsere Küche. Frisches Futter und ein sauberer Teller waren dort schneller zur Hand.

Die Tage und Nächte verbrachte der kleine Kater aber wie gewohnt draußen. Bei schlechtem Wetter fand er nach wie vor in unserem Schuppen ein trockenes Plätzchen. Damit schien der kleine Bursche gut leben zu können, liebte er doch durchaus seine Freiheit, auch wenn er den immer gut gefüllten Futternapf bei uns sehr zu schätzen wusste. Wir Menschen fühlten uns andererseits nicht bedingungslos an ein Haustier gebunden. Wir hatten eher eine lose Freundschaft mit einem kleinen Streuner geschlossen, der kam und ging, wie es ihm passte.

Später, als aus dem Katzenkind ein ausgewachsener Kater geworden war, verschwand er schon mal zeitweise von der Bildfläche, besonders dann, wenn im Frühjahr und Herbst die Katzendamen lockten. Immer aber fand er nach solchen Ausflügen wieder zu uns zurück, nicht selten mit einem Schlitz mehr im Ohr oder einem weiteren Schmiss im Pelz. Mitunter machte manche Wunde schon mal einen Tierarztbesuch notwendig. Diese Tierarztbesuche wurden jedes Mal zu einem aufregenden Abenteuer für unseren Streuner. Für uns waren sie allerdings nicht weniger abenteuerlich, oft sogar nahezu stressig. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Doch zurück zum besagten Herbst ’89. Wir schrieben den 12. November. Unser Kater Schnups hatte wie jeden Morgen sein Frühstück bei uns abgeholt. Mein Mann brachte ihm oft einen dicken Hering mit. Unser Fischhändler hatte eines Tages mitbekommen, dass wir nicht nur für uns, sondern auch für unseren Kater Fisch bei ihm kauften. Von da an hob er uns oft Fischbruch auf, der eher weniger gut zu verkaufen war. Für unseren pelzigen Mitesser war dieser Fisch aber immer noch wie ein kleines Festtagsmahl.

Nach seinem Fischfrühstück machte Schnups sich gewöhnlich wieder auf in den Park hinter unserem Haus zu einem erneuten Reviergang. Auch an diesem Morgen gab er mir nach einer ausgiebigen Fellputzorgie zu verstehen, dass ich die Tür zum Garten öffnen sollte, er hätte dort draußen nun noch wichtige Termine abzuarbeiten. Ich erfüllte ihm seinen Wunsch, öffnete die Tür und verabschiedete mich von ihm mit den Worten, es würde heute bei uns wohl etwas später werden, vielleicht sogar Abend. Wir hätten nämlich noch einen längeren Ausflug vor.

Schnups, satt und zufrieden von seinem geliebten Fischfrühstück, hörte mich wohl schon gar nicht mehr. Geschwind trippelte er die Stufen zum Garten hinunter, überquerte eilig die kleine Rasenfläche und verschwand, sich geschickt durch eine Lücke im Gartenzaun zwängend, im Park hinter unserem Haus. Ich machte mir keine Sorgen um ihn. Unser späteres Heimkommen würde er verkraften, auch wenn er sicher sehnsüchtig auf uns und seinen Nachmittagsimbiss warten würde. Er hatte gut gefrühstückt, und vielleicht würde ihm noch die eine oder andere fette Maus über den Weg laufen.

Wir Menschen hatten für diesen Tag eine kleine Reise geplant. Wir wollten Richtung Lübeck fahren und uns ein Stückchen vom berühmten Westen anschauen.

So saßen wir zwei Erwachsenen und unsere drei halbwüchsigen Kinder bald, nachdem ich Kater Schnups im Park hinter unserem Haus hatte verschwinden sehen, in unserem Trabi, und es ging los auf eine aufregende und abenteuerliche Fahrt. Und tatsächlich wurde dieser Tag einer von den Tagen in unserem Leben, die weder unsere Kinder, noch wir Erwachsenen jemals vergessen werden. Wer diesen Jubel und Trubel damals miterlebt hat, der wird wissen, wovon ich spreche. Was war das doch für eine wundervolle, tolle Aufbruchsstimmung, ein Erlebnis, das sich für immer in unser Gedächtnis eingeprägt hat.

Erst spät am Abend waren wir glücklich und zufrieden, aber auch erschöpft und furchtbar überdreht von all den aufregenden Erlebnissen, von unserer Reise in den Westen, der uns bis dahin so nah und doch so fremd gewesen war, zurück.

Unser Kater hatte sicher schon sehnsüchtig auf uns gewartet, waren wir doch viel später wieder daheim, als wir selbst gedacht hatten. Aber vielleicht würde er uns verzeihen, wenn wir ihm erzählen würden, welche einschneidenden Erlebnisse dieser Tag in unser Leben gebracht hatte.

Gewöhnlich saß Schnups, wenn er auf uns wartete, auf dem Fensterbrett vor einem unserer Schlafzimmerfenster, die zur Gartenseite zeigten. Natürlich hatte ich ein schlechtes Gewissen, ihn so arg versetzt zu haben. Wenn ihm nicht doch eine Maus zum Opfer gefallen war, würde sicher schon sein Magen knurren. Aber ein voller Futterteller würde ihn bestimmt besänftigen können.

Kaum in der Wohnung, eilte ich in unser Schlafzimmer und schaute dort aus dem Fenster. Nur, dort saß kein ungeduldig auf sein Abendessen wartender Kater. Ob er sich vor lauter Enttäuschung bereits selbst um seine Verpflegung gekümmert hatte und nun schon wieder auf dem üblichen Reviergang war? Als ich die Tür öffnete, ein ganz sicher für ihn unverkennbares Geräusch, war ich überzeugt davon, gleich von ihm über den Haufen gerannt zu werden. Aber nichts geschah, kein Schnups war zu sehen. Vor mir gab es nur Dunkelheit, die nur wenig vom Lichtschein, der durch die offene Tür fiel, erhellt wurde. Auch, als ich nach unserem pelzigen Freund rief, regte sich nichts im Garten, nichts im nahen Park. Nur ein Käuzchen fühlte sich scheinbar von mir gestört und ließ seinen schaurigen Ruf ertönen. Enttäuscht und auch ein wenig verwundert schloss ich die Tür und ging wieder hinein. Noch mehrmals an diesem Abend schaute ich in die finstere Nacht hinein in der Hoffnung, den Vermissten endlich herbeispringen zu sehen. Aber meine Hoffnung erfüllte sich an diesem Abend nicht mehr.

Ob sich Schnups aus lauter Enttäuschung über unser Nichterscheinen einfach eine Auszeit von uns genommen hatte? Ob er uns auf seine Art für unsere Unzuverlässigkeit bestrafen wollte?

Nachdem unser Kater auch am Morgen nach unserem Ausflug Richtung Lübeck nicht erschienen war, begann ich, mir ernsthaft Sorgen um ihn zu machen. Sicher, er ging im Herbst immer wie jeder Kater, der etwas auf sich hielt, auf Brautschau. Aber war dafür der 12. November nicht schon etwas spät im Jahr? Soweit ich mich zurückerinnern konnte, ließ er Ende August bis in den September hinein mitunter schon mal eine Mahlzeit bei uns aus. Wenn die Katzendamen riefen, vergaß er gern einmal die Zeit. Aber früher oder später war er mehr oder weniger zerrupft und heißhungrig wieder zu seinem Futternapf in unserer Küche zurückgekehrt. Was oder wer mochte ihn dieses Mal davon abgehalten haben?

Am anderen Morgen machte ich mich wegen eines irgendwie mulmigen Gefühls im Magen auf die Suche nach unserem Schnups. Ich fand es seltsam, dass er auch in der Nacht nicht mehr aufgetaucht war. Ich suchte sämtliche Straßen und Parkwege in der näheren und weiteren Umgebung nach ihm ab, kroch in jedes Gebüsch, fragte Bekannte und Passanten, ob sie nicht irgendwo in der Umgebung einen graugetigerten Kater gesehen hätten. Von den Passanten wurde ich meistens völlig verständnislos angeschaut. Wer konnte schon eine getigerte Katze von der anderen getigerten unterscheiden?

Mir liefen bei meiner Suche sogar selbst etliche getigerte Katzen über den Weg, aber sie alle hatten nichts mit unserem vierbeinigen Freund zu tun. Leider konnten auch sie mir keine Auskunft darüber geben, ob sie unseren Schnups gesehen oder etwas von ihm oder über ihn gehört hatten. Ob es geholfen hätte, wenn ich damals der Katzensprache richtig mächtig gewesen wäre? Ob mir der dicke Fischkater, der öfter durch unseren Garten stromerte, hätte sagen können, was unserem Schnups zugestoßen war?

Noch Wochen und Monate suchte ich nach ihm. Wie oft wachte ich nachts auf, schreckte hoch, weil ich glaubte, sein Klopfen an unserem Schlafzimmerfenster gehört zu haben. Doch jedes Mal schaute ich enttäuscht ins Leere. Schnups war und blieb verschwunden.

Was nur mag ihm passiert sein? Auch wenn es vielleicht schmerzen würde, würde ich immer noch gern wissen, was unserem lieben Freund damals, am 12. November 1989, geschehen ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er einfach nur nicht wiedergekommen ist. Dafür hing er trotz seiner Freiheitsliebe viel zu sehr an uns.

Später, als wir das Verschwinden von Schnups bereits wieder mit etwas Abstand betrachten konnten, trösteten wir uns ein wenig halbherzig damit, dass wir unseren Kater vielleicht mit all unserer Euphorie über die Grenzöffnung angesteckt hatten, und er sich ebenso wie wir auf in Richtung Westen gemacht hatte. Ob er endlich einmal probieren wollte, wie das Katzenfutter, das er aus der abendlichen Fernsehwerbung kannte, schmeckt? Vielleicht hat er auf seiner langen Wanderschaft sogar ein neues Zuhause gefunden – ein Zuhause mit Futter aus Dosen. Schließlich hat uns die leckere Schokolade von dort drüben doch auch gelockt. Gut, wir sind mit Schokolade im Gepäck wieder heimgekehrt. Aber wir hatten ein Auto dabei, das uns auch über eine lange Strecke und viele Umwege wieder nach Hause gebracht hatte. Vielleicht konnten aber die vom endlosen Weg schmerzenden Füße unseren armen Kater nicht mehr bis zu unserem Zuhause zurücktragen, und so blieb er dort, wo das Futter so gut und so anders schmeckte.

Doch andererseits war unser Schnups ein großer Fischliebhaber. Würde ihm der leckere frische Hering nicht irgendwann doch ein bisschen fehlen, wenn ihm all das Dosenfutter zu den Ohren raushing? Und würden nicht auch wir ihm fehlen? Oder ob er am Ende gar der Liebe seines Lebens über den Weg gelaufen war, einer hübschen Katzendame, die er nie wieder würde verlassen wollen?

Das sind Fragen, die leider bis heute alle unbeantwortet blieben. Unser Kater Schnups blieb seit diesem 12. November 1989 für immer verschwunden, so, als hätte ihn der Erdboden verschluckt.

Ein neuer Katz – ein neues Glück?

In den folgenden Monaten nach der Grenzöffnung waren wir neben der Begeisterung für all das Neue, das auf uns einstürmte, ständig hin-und hergerissen zwischen Bangen und Hoffen. Inzwischen war ein neues Jahr angebrochen, ein Jahr, von dem wir noch nicht wussten, was es uns bringen würde. Was würde aus unseren Arbeitsplätzen werden? Wie würde es für die Kinder in der Schule weitergehen? Würde es tatsächlich ein einheitliches Deutschland geben? Alles Fragen, die uns ständig im Kopf herumschwirrten.

Natürlich tauchte in dieser ganzen Ungewissheit auch immer wieder die Frage danach auf, wo Schnups wohl abgeblieben sein mochte. Ich hatte irrwitziger Weise immer noch die Hoffnung, er könnte eines Tages einfach so, als wäre zwischenzeitlich nichts geschehen, wieder auf dem Fensterbrett sitzen und fragen, warum sein Hering noch nicht serviert sei.

Unsere Kinder blickten wohl wesentlich eher den unumstößlichen Tatsachen ins Auge als ich. Für sie war Schnups aus zwar unerfindlichen Gründen verschwunden, aber er würde nach so langer Zeit auch für immer verschwunden bleiben. Sie machten sich im Gegensatz zu mir keinerlei Illusionen.

Während ich immer noch hoffte, bahnte sich im Spätwinter dieses neuen Jahres ein Ereignis an, das, ebenso wie der Mauerfall im Vorjahr, unser Leben auf lange Zeit beeinflussen sollte, wenn auch auf andere Art als die Grenzöffnung zwischen den beiden deutschen Staaten es getan hatte.

In jenem Winter nämlich müssen sich ein graugetigerter Kater und eine schwarzweiße Katzendame in einer liebesheißen Februarnacht gepaart haben und damit die Grundlage für kleine flauschige Katzenwesen gelegt haben. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nichts davon und auch nicht, dass dieser Liebesakt etwas mit mir und meiner Familie zu tun haben könnte.

Während im Bauch jener Katzendame fünf kleine Kätzchen heranwuchsen, genossen meine Familie und ich das grenzenlose Reisen. Nicht nur einmal waren wir inzwischen in Lübeck und Umgebung gewesen. Wir waren derweil auch weiter gereist, hatten Hamburg, auch die Nordsee kennengelernt und sogar Verwandtschaft besucht, die wir bis auf wenige Ausnahmen bis dahin nur aus brieflichen Kontakten kannten.

So waren der Februar und März mit ebenso vielen neuen und aufregenden Erlebnissen vergangen wie die Monate zuvor. Auch der April neigte sich schon fast seinem Ende entgegen, als unsere jüngste Tochter eines Tages aufgeregt berichtete, dass die Katze einer Freundin Junge bekommen hätte. Interessiert hörte ich mir an, wie niedlich die kleinen Kätzchen wären. Ich konnte durchaus die Begeisterung unserer Tochter verstehen, hatte ich doch selbst als Kind die Erfahrung gemacht, wie geradezu magisch anziehend solch ein Katzennachwuchs sein kann. Auf dem Bauernhof meiner Großeltern gab es alljährlich immer wieder neue Katzenkinder zu bewundern. Sie waren es unter anderem, die mich jedes Jahr in den Sommerferien auf magische Weise erneut zu meinen Großeltern zogen.

In den folgenden Tagen und Wochen schwärmte unsere Tochter immer wieder einmal begeistert von den kleinen Katzen. Wie niedlich sie doch wären. Eines von ihnen sei ein ganz besonders hübsches Katzenkind - ein bisschen langhaariger als die anderen Katzenbabys, ansonsten grau mit weißen Pfötchen, weißem Latz und weißem Bauch. Unsere Tochter malte sogar eine kleine Skizze aufs Papier, damit ich eine bessere Vorstellung von dem Katzenkind hätte. Ich schaute mir die Zeichnung an, bewunderte die Malkünste meiner Tochter, dachte mir aber nichts weiter dabei, bemerkte nicht einmal, dass mich die Malerin die ganze Zeit über voller Spannung angeschaut hatte.

Einige Tage später berichteten sogar beide Töchter erneut von den Katzenkindern. Inzwischen war es Mai geworden. Die Kätzchen wären wunderbar gewachsen und würden bereits ganz brav das Katzenklo benutzen und auch sonst würden sie sich gut entwickeln und allerliebst herumtoben. Nicht mehr lange und sie würden von der Katzenmutti und der Milch entwöhnt werden. Sie müssten nun bald ein neues Zuhause finden. Als ich „neues Zuhause“ hörte, klingelten bei mir das erste Mal im Zusammenhang mit den kleinen Katzen, über die ich so gut auf dem Laufenden gehalten wurde, die Alarmglocken. Wollten mir die beiden jungen Damen gerade ganz geschickt eines der Kätzchen untermogeln? Ich stellte mich sicherheitshalber erst einmal ganz dumm. Vielleicht würde dadurch der Kelch einfach an mir vorübergehen. Mit dem Gedanken an eine neue Katze hatte ich mich noch so gar nicht beschäftigt, hoffte ich in meinem Innern doch immer noch auf Schnupsens Rückkehr. Sicher, der Gedanke war ziemlich abwegig, aber wie heißt es so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Schließlich hat man doch mitunter schon die seltsamsten Katzengeschichten gehört.

Andererseits hatte ich während der letzten Monate ohne unseren Kater auch gemerkt, dass es durchaus nicht unangenehm war, so ungebunden zu sein. Ein Tier bringt letztendlich immer Verpflichtungen mit sich, ganz besonders in Urlaubszeiten. Man muss sich um einen Ersatzpfleger kümmern und der ist nicht immer leicht zu finden. Unser Schnups war in der Beziehung noch relativ pflegeleicht. Er hatte seine Freiheit geliebt und er war alles andere als eine Haus-und Schmusekatze. Sein Leben hatte sich mehr in Freiheit als bei uns in der Wohnung abgespielt. Zwar hatte er an Regentagen gern einen gemütlichen Platz in unserem Wohnzimmer aufgesucht, im Winter gern auch an der warmen Heizung, aber wenn es draußen warm und trocken war, war er lieber in unserem Garten oder in dem großen Park hinter unserem Haus unterwegs.

Schnups war mir in den gut fünf Jahren, die wir mehr oder weniger gemeinsam verbracht hatten, sehr ans Herz gewachsen und er fehlte mir immer noch. Vielleicht konnte und wollte ich ihn gerade deshalb nicht so einfach durch eine andere Katze ersetzen, auch nicht, wenn sie noch so niedlich war. Kam die Sprache auf eines der kleinen Katzenkinder, stellte ich mich einfach ganz dumm und tat so, als würde ich nicht merken, dass speziell eines unserer beiden Mädchen intensiv daran arbeitete, mich weichzuklopfen und mein Interesse an einem neuen vierbeinigen Hausgenossen zu wecken.

Aber all mein zur Schau getragenes Desinteresse nützte nichts. Eines Tages musste ich hören, dass die Kätzchen nun verschenkt werden würden, und ob wir nicht eins nehmen wollten. Dieses langhaarige graue mit dem weißen Lätzchen und den weißen Pfoten wäre sooo niedlich. Als ich erklärte, dass ich eigentlich nicht geplant hatte, mich wieder um eine Katze kümmern zu müssen, schauten mich tieftraurige Augen an, und ganz weit in meinem Innern meldete sich in diesem Moment ein zartes Stimmchen aus meiner Kindheit zurück. Wie sehr hatte ich mir doch als Kind selbst ein Kätzchen gewünscht und wie enttäuscht war ich jedes Mal, wenn mein Vater dafür so gar kein Ohr hatte. Dass ich ihn später überlistete und so doch noch zu meinem Kätzchen kam, das ist auch wieder eine andere Geschichte.

Aber zurück zu diesem kleinen grauen Fellbündel mit dem weißen Latz und den weißen Stiefelchen, das gerade symbolisch vor unserer Haustür stand und Einlass begehrte. Wollte diese Rückerinnerung in meine Kindertage mir heimlich, still und leise Verständnis für den Wunsch meiner Tochter nach einem Kätzchen suggerieren?

Andererseits hatte ich mich vor fast sechs Jahren selbst von so einem kleinen grauen Tigerchen um die Pfote wickeln lassen. Sollte ich mich nun über die Hintertür erneut von einer Katze betören lassen, von einer Katze, die ich noch nicht einmal gesehen hatte?