Physiotherapeutische Diagnostik - Thomas Koller - E-Book

Physiotherapeutische Diagnostik E-Book

Thomas Koller

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Beschreibung

<p>Dieses Buch fokussiert die physiotherapeutische Diagnostik von Patienten mit Störungen im muskuloskelettalen Bereich. Kompakt und anschaulich stellt es Ihnen typische kritische Stellen im klinischen Denkprozess vor und zeigt Lösungswege.</p> <ul> <li>Große Übersichtsgrafiken visualisieren den Untersuchungs- und Therapieprozess.</li> <li>Fallbeispiele stellen den Praxisbezug her.</li> <li>Entscheidungsboxen schlagen weitere Schritte im Untersuchungsprozess vor und beleuchten die klinische Relevanz zur Wissensbasis.</li> </ul> <p>Sie werden mit dem komplexen Clinical-Reasoning-Prozess zusehend vertrauter.</p>

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Physiotherapeutische Diagnostik

Hypothesengeleitet und klinisch relevant entscheiden

Thomas Koller

67 Abbildungen

Vorwort

Das Berufsfeld der Physiotherapie steht in ständigem Wandel. Täglich spüren wir den Druck nach professioneller physiotherapeutischer Diagnostik und wirksamer Therapie, bei zunehmend knappen zeitlichen Ressourcen.

Einen besonders hohen Stellenwert hat heute in der Physiotherapie der Bereich des „Clinical Reasonings“. Umso mehr steigt die Erwartungshaltung der Lernenden und Berufsanfänger, eine qualitativ hohe und vor allem umsetzbare Grundlage zur Bildung von Hypothesen an die Hand zu bekommen.

Eine noch kleine Wissensbasis und kaum praktische Erfahrung der Lernenden lassen im klinischen Denkprozess vorerst nur die induktive Vorgehensweise offen. Unter einer induktiven Vorgehensweise schließt man vom „Besonderen auf das Allgemeine“. Die Fehlerquote ist mit einer kleinen Wissensbasis und einer induktiven Vorgehensweise sehr hoch und gleicht bei der Bildung von Hypothesen eher Zufallstreffern. Die Fähigkeit, in der Anamnese die wahrscheinlichste Hypothese zu entwickeln bedarf einer genügend großen Wissensbasis und Erfahrung, noch mehr aber einer entsprechenden Verknüpfung der Wissensbasis und Erfahrung mit den aktuellen Aussagen des Patienten in der Anamnese. Therapeuten stehen immer vor der Frage: „Was sagt mir die Aussage des Patienten in Bezug auf die Schmerzmechanismen, die Wundheilungsphasen, die pathobiologischen Entstehungsmechanismen etc.?“

Genau diese Verbindung zwischen dem klinischen Denkprozess und der kleinen Wissensbasis der Lernenden fehlt meistens noch.

Mit einer deduktiven Vorgehensweise (also vom Allgemeinen ins Besondere) können diese Verbindungen erarbeitet werden. Die individuelle Wissensbasis und Erfahrung jedes einzelnen Physiotherapeuten nehmen zu. Das Ziel dieses Lern- und Entwicklungsprozesses ist die klinische Mustererkennung.

Der erfahrene Physiotherapeut geht bei der klinischen Mustererkennung erneut zunehmend induktiv vor. Die Gefahr einer Fehleinschätzung ist dennoch gering. Gründe dafür sind seine große Wissensbasis und seine langjährige Erfahrung. Um an den Punkt der professionellen klinischen Mustererkennung zu gelangen, muss der Lernende vorerst in deduktiver Weise seine Wissensbasis aufbauen und seine Erfahrungen in geeignet strukturierter Art und Weise kortikal ablegen, also in seinem Gedächtnis speichern.

Dieses Buch beschreibt vornehmlich die deduktive Vorgehensweise und bietet auch Inhalte zu einer mindestens nötigen Wissensbasis, damit adäquate Hypothesenbildungen möglich sind.

Viel Erfolg damit!

Thomas Koller

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung

2 Clinical Reasoning

2.1 Definition

2.1.1 Kognition

2.1.2 Metakognition

2.1.3 Wissensbasis

2.2 Clinical-Reasoning-Prozess

2.2.1 Diagnose

2.2.2 Erstkontakt

2.2.3 Anamnese

2.2.4 Klinisch relevante Fragestellung

2.2.5 Aktuell wahrscheinlichste Hypothese

2.2.6 Verlaufssymptome

2.2.7 Planung der objektiven Untersuchung

2.2.8 Objektive Untersuchung

2.2.9 Verlaufszeichen

2.2.10 Physiotherapeutische Beurteilung

2.2.11 Behandlungsziele

2.2.12 Behandlungskonzeption

2.2.13 Behandlung

2.2.14 Wiederbefund

2.2.15 Abschluss der Therapie

2.2.16 Retrospektive therapeutische Beurteilung

3 Wissensbasis und Erfahrung

3.1 Schmerzmechanismen

3.1.1 Peripher nozizeptiv mechanischer Schmerz

3.1.2 Peripher nozizeptiv entzündlicher Schmerz

3.1.3 Peripher nozizeptiv ischämischer Schmerz

3.1.4 Peripher neurogener Schmerz

3.1.5 Zentral maladaptiver Schmerz

3.1.6 Schmerzmechanismen im Überblick

3.2 Weitere relevante Schmerzarten

3.2.1 Neuropathischer Schmerz

3.3 Dosierung bei Befund und Behandlung

3.3.1 Schmerzphysiologie

3.3.2 Bindegewebsphysiologie

3.4 Bewegungs- und Belastungsgrenzen

3.5 Hypothesenkategorien

3.5.1 ICF-Klassifikation

3.5.2 Mechanismen der Beschwerden

3.5.3 Quellen der Beschwerden

3.5.4 Beteiligte Faktoren

3.5.5 Vorsichtsmaßnahmen und Kontraindikationen

3.5.6 Prognose

3.5.7 Überlegungen zur Behandlung

3.6 Biomechanik

3.6.1 Grundlagen der Biomechanik

3.6.2 Fraktur-Klassifikationen

3.6.3 Osteosynthese-Materialien

3.6.4 Wundheilung nach chirurgischen Eingriffen

3.6.5 Biomechanische Wirkung von Therapiegeräten

3.6.6 Anwendung der Biomechanik in der Praxis

3.6.7 Physiotherapeutische Relevanz der Biomechanik

3.7 Wissensbasis

3.7.1 Screening-Questions

3.7.2 Datenbeschaffung

3.8 Erkennen klinischer Muster

3.9 Wundheilungsphasen

3.9.1 Entzündungsphase

3.9.2 Proliferationsphase

3.9.3 Remodulierungsphase

3.10 Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

3.10.1 „Red Flags“

3.10.2 „Yellow Flags“

3.11 Progression

4 Anhang

4.1 Optionale Behandlungsschemata – Untere Extremität

4.1.1 Verletzungen des Fußes

4.1.2 Verletzungen des Sprunggelenks

4.1.3 Verletzungen des Unterschenkels

4.1.4 Verletzungen des Kniegelenks

4.1.5 Verletzungen des Oberschenkels

4.1.6 Verletzungen des Hüftgelenks

4.2 Optionale Behandlungsschemata – Rumpf

4.2.1 Verletzungen des Beckens

4.2.2 Verletzungen der Wirbelsäule

4.2.3 Verletzungen des Thorax

4.3 Optionale Behandlungsschemata – Obere Extremität

4.3.1 Verletzungen des Schultergelenks

4.3.2 Verletzungen des Oberarms

4.3.3 Verletzungen des Ellenbogengelenks

4.3.4 Verletzungen der Hand

5 Literatur

Anschriften

Impressum

1 Einleitung

Obwohl die Mehrzahl der angehenden Physiotherapeuten über ausreichend Grundwissen für den zukünftigen Praxisalltag verfügt und zumeist bereits ein kleiner Erfahrungsschatz im Handling unterschiedlichster Krankheitsbilder vorhanden ist, fällt es vielen Lernenden schwer, die Inhalte dieses Basiswissens zu vernetzen und im richtigen Moment abzurufen. Zwangsläufig ergeben sich so Unsicherheiten beim Umgang mit den Patienten. Mittels kleiner Hilfestellungen und Denkanstöße können Berufsanfänger und Studierende das bereits im Gedächtnis gespeicherte und für die Situation relevante Wissen dann oftmals abrufen und im Anschluss erfolgreich in die jeweilige klinische Situation mit einfließen lassen.

Die anfängliche Schwierigkeit im vernetzten physiotherapeutischen Denken und in der schnellen Analyse eines klinischen Settings hat vielerlei Gründe. Zum ersten sind Schüler und Studenten mit einer ungeheuren Stofffülle der einzelnen klinischen Fächer konfrontiert. Zum zweiten geht es hierbei um einen ständigen Konnex von Wissensinhalten aus Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie mit den einzelnen Disziplinen der Medizin – in der Physiotherapie vor allem die Richtungen Chirurgie, Orthopädie, Rheumatologie, Neurologie und Innere Medizin. Zum dritten ist physiotherapeutisches Denken keine lineare Gedankenarbeit, sondern erfordert stattdessen ein gewisses Maß an Divergenz, d.h. also Querdenken zur Ideenfindung oder Problemlösung.

Die Motivation des vorliegenden Buches entstand im Rahmen meiner langjährigen Erfahrung in der klinischen Ausbildung angehender Therapeuten. Sie liegt klar in der Hilfestellung, anfängliche Schwierigkeiten von Berufsanfängern und Studierenden bei der Analyse spezifischer Klinik-Settings auszuräumen, damit die richtigen Gedanken generiert und die fachgemäßen therapeutischen Schritte ergriffen werden können. Das Buch richtet sich damit auch an Lehrende und Therapeuten, die Berufsanfänger betreuen und Untersuchungen sowie Behandlungen supervidieren. Während Berufsanfänger dem klinischen Denkprozess eher systematisch folgen, erkennen erfahrene Therapeuten zumeist sehr früh vorliegende klinische Muster bei ihren Patienten und lassen sich durch diese Wahrnehmung leiten. Für Berufsanfänger soll nachvollziehbar werden, aufgrund welcher Beobachtungen oder Befunde der Erfahrene handelt, Fragen stellt und Tests auswählt. Er lernt so, dass der Clinical-Reasoning-Prozess durch Situationen strukturiert ist, in denen erfahrene Therapeuten Entscheidungen treffen, die vom Standard-Prozess abweichen. So messen sie den Aussagen des Patienten aufgrund ihrer Erfahrung, ihres Hintergrundwissens und der Mustererkennung Bedeutungen zu, aus denen der nächste Handlungsschritt folgt.

Die Grundausbildung tut ihr Bestes dazu, damit den Novizen in der Physiotherapie die fundamentalen Werkzeuge für das situationsgerechte Anwenden relevanten Wissens vermittelt werden. Im klinischen Setting der Ausbildung ist die Vernetzung dieser Wissensbasis und später auch der Erfahrung am besten möglich.

Es ist keineswegs die Absicht, ein neues Buch über den Clinical-Reasoning-Prozess zu verfassen – hierzu liegen bereits hervorragende Bücher vor, die jegliche Gedankengänge sehr gut beschreiben und entsprechende Hintergrundinformationen bieten. Vielmehr ist es mein Anliegen, in kompakter Weise an der kritischen Stelle im klinischen Denkprozess die möglichen weiteren Schritte zu beleuchten, damit diffizile Alltagssituationen in Praxis und Klinik schnell und klar bewältigt werden können.

Nachkommend erhebt vorliegendes Buch bewusst nicht den Anspruch, in die Detailtiefe zu gehen. Stattdessen soll Berufsanfängern und Studenten ein kompaktes Manual an die Hand gegeben werden, das in zahlreichen klinischen Situationen eine stimmige Hilfestellung und weiterführende Denkanstöße bietet, um das bereits erlernte Physiotherapie-Wissen im richtigen Moment abrufen und umsetzen zu können.

Dieser Ansatz bringt zwangsläufig mit sich, dass man dieses Buch nicht von vorne nach hinten linear durchliest und erarbeitet. Vielmehr wird an der kritischen Stelle des klinischen Denkprozesses mittels so genannter „Entscheidungsboxen“ auf die denkbar weiteren Schritte verwiesen. Diese Entscheidungsboxen geben Antworten auf die jeweilig aktuelle Fragestellung.

Der Aufbau des Buchs gliedert sich in die beiden übergeordneten Kapitel „Clinical Reasoning“ sowie „Wissensbasis und Erfahrung“. Das Clinical-Reasoning-Kapitel lokalisiert schnell die problematische Stelle im Denkprozess und gibt dem Leser neben diesbezüglichen allgemeinen Informationen auch wichtige Hinweise zum Lösen der aktuellen Problemstellung. Dieses Lösen der vertrackten Problematik ist die Voraussetzung für die weiteren Schritte des Clinical Reasoning. An der jeweiligen Entscheidungsbox der einzelnen Etappen wird deutlich, ob die vorangegangen Schritte im klinischen Denkprozess korrekt und vollständig ausgeführt wurden, oder ob etwas im Vorfeld vergessen wurde bzw. ob noch weitere Informationen im Rahmen von Anamnese oder objektiver Untersuchung samt geeigneter Testverfahren eingeholt werden müssen. An dieser Stelle wird dann auch auf das Wissensbasis-und-Erfahrung-Kapitel als zweites übergeordnetes Kapitel des Buchs verwiesen. Dort werden kompakt die Grundlagen zum entsprechenden klinischen Setting aufgeführt. Zur Veranschaulichung der therapeutischen Denkprozesse, Entscheidungen und Maßnahmen dient ein das Clinical-Reasoning-Kapitel begleitende Fallbeispiel.

2 Clinical Reasoning

2.1 Definition

Das englische „Reasoning“ bedeutet „logisches und vernünftiges Denken und das sich daraus ergebende Urteilen und Ziehen von Schlussfolgern für das Handeln“. „Clinical Reasoning“ steht demgemäß für den klinischen Denkprozess, das entsprechende Urteilungsvermögen samt diesbezüglicher fundierter Argumentation und für die abschließende klinische Konklusion.

Allgemeine Definition Clinical Reasoning

„Clinical Reasoning“ ist das situationsgerechte Anwenden von relevantem Wissen durch kognitive und metakognitive Fähigkeiten eines Physiotherapeuten bei der Untersuchung, Beurteilung und Behandlung eines Patienten (Hagmann 2003).

Der klinische Denkprozess wird damit zur „Software“ im Rahmen des klinischen Vorgehens. Folgende Aspekte kennzeichnen den klinischen Denkprozess:

Kognition

Metakognition

Wissensbasis im Sinne einer Datenbank

Diese drei Begriffe werden im Folgenden kurz erläutert.

2.1.1 Kognition

Kognition ist die von einem verhaltenssteuernden System ausgeführte Umgestaltung von Informationen. Oft ist mit Kognition das Denken im umfassenden Sinne gemeint.

Je nach Erfahrungsgrad des Therapeuten werden im klinischen Denkprozess verschiedenste kognitive Strategien angewandt. Die Reihenfolge der nachstehend angeführten Strategien entspricht dabei deren Schwierigkeitsgrad bzw. dem kognitiven Anspruch an den Therapeuten:

Vorgehen nach Rezept

Vorgehen nach Intuition

Vorgehen nach Versuch und Irrtum

Vorgehen mittels Näherungs-Verfahren

Vorgehen mittels Screening-Verfahren

Vorgehen durch das Testen von Hypothesen

Vorgehen nach Mustererkennung

So stellt das Vorgehen nach Rezept, d.h. die quasi standardisierte Therapie eines Patienten, eine relativ geringe kognitive Herausforderung für den Behandler dar und wird der Individualität des Patienten nicht gerecht. Demgegenüber ist ein Vorgehen durch das Testen von Hypothesen oder die Mustererkennung als kognitive Strategie erstrebenswert. Klinische Muster sind immer wiederkehrende und charakteristische physische Befunde sowie Aussagen von Patienten bzgl. ihrer Beschwerden bei bestimmten Funktionsstörungen (Hagmann 2003). Die Mustererkennung kann nur durch viel Erfahrung des Therapeuten und der Kenntnis unzähliger klinischer Muster realisiert werden. Die Gefahr bei der Methode der Mustererkennung besteht darin, dass negierenden Faktoren eines klinischen Musters zu wenig Beachtung geschenkt wird und somit fehlerhafte oder falsche Schlüsse gezogen werden können.

2.1.2 Metakognition

Frei übersetzt bedeutet Metakognition „Denken über das eigene Denken“. Im Kontext des Clinical-Reasoning-Prozesses steht Metakognition infolgedessen für die Selbstreflexion des therapeutischen Denkens und Tuns.

Die Fähigkeit, über das eigene Denken und Handeln kritisch zu reflektieren, ermöglicht es, die eigenen Fehler, Versäumnisse oder Ungereimtheiten der verschiedenen Denk- und Handlungsebenen zu entdecken und entsprechend zu reagieren. Im Sinne eines verantwortungsbewussten und patientengerechten Tuns versteht es sich von selbst, von Zeit zu Zeit innezuhalten und über die eigenen Gedanken und das sich daraus ergebende therapeutische Vorgehen zu sinnieren. Hierfür geeignet sind permanente Erfolgskontrollen nach den Therapieeinheiten, in denen Ziele, Konzeption sowie Art und Weise der Behandlung hinterfragt und kontrolliert werden. Auch retrospektive Fallbeurteilungen können Anlass zur kritischen Überprüfung des klinischen Vorgehens sein.

2.1.3 Wissensbasis

Von sehr großer Bedeutung für das Clinical Reasoning ist das fundierte und für die jeweilige Problematik des Patienten relevante Fachwissen. Dieses soll dank perfekter Strukturierung und Organisation jederzeit abgerufen werden können.

Die Wissensbasis beinhaltet neben dem erlernten Wissen v.a. aus den Bereichen Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie auch die therapeuten-spezifische Erfahrung sowie die Fähigkeit zur Mustererkennung. Somit ist bereits bei Bekanntwerden der Diagnose des Patienten die Wissensbasis des Therapeuten wichtig für die Hypothesenbildung.

2.2 Clinical-Reasoning-Prozess

Im Prozess des Clinical Reasoning spielt neben der Wissensbasis und der Erfahrung des Therapeuten die Datenbeschaffung eine zentrale Rolle: Als tragende Säule des klinischen Denkprozesses bezeichnet sie die Vorgehensweise bei der Befragung und bei der Untersuchung des Patienten – von der Anamnese über das Formulieren der aktuell wahrscheinlichsten Hypothese sowie der Planung und Durchführung der objektiven Untersuchung bis hin zur Konzeption und Realisierung der patientenspezifischen Therapie.

Abb. 2.1 Stark vereinfachte grafische Darstellung des klinischen Denkprozesses. Der graue Pfeil verdeutlicht, dass Clinical Reasoning ein kontinuierlicher Denk-, Handlungs- und Entscheidungsprozess ist. Bei Ausbleiben des Therapieerfolgs wiederholt sich der Prozess, um so Fehler, Versäumnisse oder Ungereimtheiten bei der Befundung oder Behandlung zu entdecken und entsprechend therapeutisch reagieren zu können.

In der Anamnese antwortet der Patient auf gezielte Fragen des Therapeuten und gibt so relevante Informationen über sein Hauptproblem, seine Schmerzen, evtl. beteiligte Faktoren und seine Krankengeschichte. Aus den Auskünften können sich Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen für die Untersuchung und die Therapie ergeben, oder es werden psychosoziale Faktoren aufgedeckt, die sich negativ auf die Behandlung auswirken können. Bereits nach dem subjektiven Untersuchungsgespräch soll die klinisch relevante Fragestellung offensichtlich sein. Sie sollte einfach formuliert sein und sich stets auf das Wesentliche konzentrieren. Eine Antwort auf die klinisch relevante Fragestellung gibt die aktuell wahrscheinlichste Hypothese.

Zur Planung der objektiven Untersuchung werden geeignete Tests und Untersuchungen erwogen, welche die aktuell wahrscheinlichste Hypothese bestätigen oder verwerfen können. Bei der objektiven Untersuchung demonstriert der Patient dann eine typische Aktivität oder Bewegung, bei der sein Hauptproblem ersichtlich oder spürbar ist. Dieses Procedere wird als „Funktionelle Demonstration“ bezeichnet.

Die anschließende physiotherapeutische Beurteilung beinhaltet das Hauptproblem aus Sicht des Patienten und trifft Aussagen zu jeder der unterschiedlichen Hypothesenkategorien – dies von der ICF-Klassifikation über die Mechanismen und Quellen der Symptome bis hin zur Prognose.

Im Anschluss werden nun Ziele für die Therapie formuliert. Das Fernziel – es sollte wenn möglich auf der Aktivitäts- oder Partizipationsebene definiert sein – wird mittels Erfolgskontrolle überprüft. Nahziele sind kleine Teilziele, um sich auf diesem Weg kontinuierlich dem Fernziel zu nähern. Diese können in unterschiedlichen zeitlichen Rahmen erstrebt werden – zum Ende einer Behandlungseinheit oder etwa im wöchentlichen Rhythmus.

Die Behandlungskonzeption ist die Zusammenstellung aller Ziele samt entsprechender Therapie-Strategien und planmäßiger Behandlungsmaßnahmen. Sie beinhaltet die dazu notwendigen Informationen und Kausalitäten für die Therapie.

Bei der Therapie selbst kann der Behandler induktiv, d.h. allgemeinen Prinzipien folgend, oder deduktiv vorgehen, indem er seine Behandlung den aktuellen Hypothesen folgend ausrichtet. Dabei bedient sich der Therapeut unterschiedlicher Verlaufsparameter. Man unterscheidet hierzu subjektive Verlaufssymptome – bekannt sind v.a. die visuelle Analogskala (VAS) sowie die numerische Rating-Skala (NRS) – und objektive Verlaufszeichen wie die klassische Neutral-Null-Methode.

Bei der Verlaufskontrolle wird der Behandlungsfortschritt in Bezug auf das jeweilige Nahziel kontinuierlich überprüft bzw. die Wirkung der angewandten Behandlungsmaßnahmen im Rahmen einer Behandlungssitzung kontrolliert. Die Erfolgskontrolle ist die periodische Überprüfung des Behandlungsfortschritts in Bezug auf das Fernziel. Sie überprüft somit die Wirkung der angewandten Behandlungsmaßnahmen im Rahmen einer Behandlungsfolge.

2.2.1 Diagnose

Der klinische Denkprozess beginnt bereits bei der Diagnose. Ist dem Therapeuten die Diagnose eines Patienten bekannt, so wird dieser unweigerlich auf seine Wissensbasis und seinen Erfahrungsschatz zurückgreifen, um sich so erste Vorstellungen zu machen, welche Problematik bzw. Symptomatik mit der Diagnose verbunden sein kann. Möglicherweise hat der Therapeut bereits Patienten mit gleicher oder ähnlicher Diagnose behandelt und in einer abschließenden Fall-Retrospektive über sein Denken und Handeln reflektiert, so dass er nun von seiner Wissensbasis und seinen Erfahrungen profitieren kann.

Besitzt der Therapeut neben der Diagnose auch noch weitere relevante Informationen wie z.B. Alter und Vorerkrankungen des Patienten, Hergang des Traumas, Operationsberichte, ärztlich angeordnete Behandlungsschemata samt Belastungs- und Bewegungsgrenzen sowie posttraumatische bzw. postoperative Verlaufsberichte, kann er seine Vorstellungen präzisieren – all dies bevor ein Erstkontakt mit dem Patienten stattgefunden hat.

Wichtig ist, dass das Bild, welches sich der Therapeut vom Patienten im Vorfeld vor dem ersten Treffen macht, anhand der vorhandenen Daten und Informationen möglichst klar wird, um bereits erste Hypothesen für Konzeption und Durchführung der Therapie formulieren zu können. Ist eine konkrete Vorstellung gegeben, so fallen beim Erstkontakt mit dem Patienten die nicht diesem Bild entsprechenden Aktivitäten, Haltungen und Positionen sowie ungewöhnliche Zustände des Gewebes stark ins Auge und geben Anlass zum Nachfragen. D.h. bei Inkongruenz des fiktiven Bildes vom Patienten mit dessen realer Erscheinung beim Erstkontakt werden Nichtübereinstimmungen schneller offenkundig, so dass im folgenden Clinical-Reasoning-Prozess neugierig und zielgerichtet gearbeitet werden kann.

Wie wichtig es ist, bereits vor dem Erstkontakt mit dem Patienten eine oder mehrere Hypothesen zu formulieren, soll das anschließende Beispiel verdeutlichen.

Unterschiedliche Überlegungen bei gleicher Diagnose

Aus der ärztlichen Verordnung entnimmt der Therapeut die Diagnose des Patienten: „Implantation Knie-TEP rechts, 10. Tag postoperativ.“ Gemäß seiner Wissensbasis und seiner Erfahrungen macht sich der Therapeut diverse Gedanken über eine evtl. notwendige Teilbelastung des rechten Beins, vom Operateur angeordnete Bewegungsgrenzen, das Fortschreiten der physiologischen Wundheilung oder auch darüber, dass die Fäden mutmaßlich noch in situ sind. Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist das Alter des Knie-TEP-Patienten: Ob dieser 75- oder 33-jährig ist, entscheidet über das hypothetisch-fiktive Bild vom Patienten.

So ist bei einem Mann mit 75 Jahren davon auszugehen, dass dieser wegen einer fortgeschrittenen Arthrose eine Totalendoprothese implantiert bekam. Ferner ist anzunehmen, dass die Extension des rechten Knies bei Verkürzung der dorsalen Oberschenkelmuskulatur leicht eingeschränkt ist – dies bei einer nur leichten Schwellung und Erwärmung des Knies mit grundsätzlich intaktem Weichteilmantel samt lediglich einer oder zwei Narben. Wahrscheinlich hat der 75-Jährige auch weniger Schmerzen als präoperativ und ist grundsätzlich schwach bzw. dekonditioniert, da er bereits vor Implantation der Endoprothese weniger mobil war. Der Therapeut wird sich vor dem Erstkontakt vielleicht einen rüstigen Rentner, der an Unterarmgehstützen läuft, vorstellen – dies evtl. auch mit Vollbelastung, weil die Totalendoprothese dem Alter des Patienten entsprechend zementiert wurde. Oder der Behandler erwartet einen adipösen Patienten im Rollstuhl, der sein rechtes Bein zur Schonung der Weichteile lediglich mit 30kg teilbelasten darf.

Bei einem Mann mit 33 Jahren kann dagegen ein schweres Trauma ausschlaggebend für die Implantation einer Knie-TEP gewesen sein. Aller Voraussicht nach hat der 33-Jährige eine lange Leidensgeschichte mit mehreren Operationen hinter sich. Angenommen werden kann eine starke Einschränkung der Beweglichkeit bei allgemeiner Verkürzung der Muskulatur sowie darüber hinaus eine Reduktion des Allgemeinzustands auf Grund längerer Immobilität. Ebenfalls denkbar ist, dass sich die Schmerzsituation des Patienten postoperativ verschlimmert hat – dies bei starker Schwellung und Temperaturerhöhung des durch mehrere chirurgische Eingriffe vernarbten Knies. Der Therapeut wird sich vor dem Erstkontakt dementsprechend einen deprimierten und demotivierten jungen, sehr geschwächten Mann im Rollstuhl vorstellen, der wegen seiner Schmerzen auf Analgetika und angesichts seiner Immobilität auf Hilfe angewiesen ist.

Beim Vergleich beider Ausführungen wird deutlich, dass bei identischer Diagnose stets andere Vorstellungen und Überlegungen bzgl. Krankengeschichte, Schmerzmechanismen, Mobilität, Prognose und das Hauptproblem aus Sicht des Patienten angestellt werden müssen.

Fiktive Vorstellungen allein anhand einer Diagnose sind Basis für den Erstkontakt mit dem Patienten. Derartige Gedanken helfen bei der Strukturierung des subjektiven Untersuchungsgesprächs bzw. bei der Priorisierung anamnestischer Fragen. Demgemäß stellt der Therapeut im Vorfeld eine Anfangshypothese auf, die ihn leitet und an der er sich orientieren kann, und sammelt im Folgenden relevante verifizierende oder falsifizierende Informationen. Erhält der Behandler beim Erstkontakt oder in der Anamnese hingegen Auskünfte und Hinweise, die seine Anfangshypothese widerlegen, so muss er eine neue wahrscheinlichere Hypothese formulieren. Der klinische Denkprozess beginnt.

Entscheidungsbox – Diagnose

Falls die Diagnose nicht bekannt ist oder sich daraus keine Hypothesen (Kap. ▶ 2.2.5) formulieren lassen, müssen erforderliche Informationen eingeholt werden und gegebenenfalls eine Rücksprache mit dem Arzt erfolgen.

Vor dem Erstkontakt müssen Angaben zu Operationen samt daraus resultierender Bewegungs- und Belastungsgrenzen in Erfahrung gebracht werden (Kap. ▶ 3.4).

Grafische Darstellung s. ▶ Abb. 2.2

Abb. 2.2 Grafische Darstellung zur Entscheidungsbox „Diagnose“.

Begleitendes Fallbeispiel – Diagnose

Anhand der krankengymnastischen Verordnung entnimmt der Therapeut folgende Diagnosen der 82-jährigen Patientin Emma Kasuppke.

Schenkelhalsfraktur rechts nach Sturz, osteosynthetisch versorgt, 2 Wochen postoperativ, 15kg Teilbelastung, keine Bewegungsgrenzen ( ▶ Tab. 3.5 in Kap. ▶ 3.4)

geschlossene nicht dislozierte distale Radiusfraktur rechts nach Sturz, konservative Therapie mit zirkulärer Gipsschale, 2 Wochen posttraumatisch, ab der 2. bis zur 6. Woche vorsichtige Mobilisation aus dem gespaltenen Gips, bewegungsstabil ( ▶ Tab. 3.4 in Kap. ▶ 3.4)

Anhand beider Diagnosen und angesichts des fortgeschrittenen Alters der Patientin können bereits einige Gedankenspiele angestellt und Hypothesen generiert werden:

Mit welcher osteosynthetischen Verbindungsart wurde die Schenkelhalsfraktur versorgt? ( ▶ Tab. 3.5 in Kap. ▶ 3.4)?

Es ist anzunehmen, dass Frau Kasuppke zu Fuß unterwegs war – dies setzt bei einer Dame dieses Alters eine gewisse allgemeine Fitness voraus.

Für eine gute Reaktionsfähigkeit der Patientin spricht die Tatsache, dass sie sich ipsilateral eine Radiusfraktur zuzog – dies womöglich beim Versuch, den Sturz abzufangen.

Dass ein Sturz aus dem Stand oder beim Gehen in einer Schenkelhalsfraktur und einer Radiusfraktur mündet, spricht dagegen für eine verminderte Knochenqualität und legt den Verdacht einer Osteoporose nahe. Läge eine Osteoporose vor, wäre dies bei der Anamnese oder beim behandelnden Arzt in Erfahrung zu bringen.

Das Alter der Patientin von 82 Jahren gibt Hinweise auf eine verlangsamte Wundheilung. Hieraus resultiert ein vorsichtiges therapeutisches Vorgehen bzgl. der Dosierung bei der Untersuchung und Behandlung.

Aufgrund der Ruhigstellung der distalen Radiusfraktur mittels eines zirkulären Gipses könnte in der Untersuchung und Behandlung zunächst das verletzte Bein priorisiert werden.

Theoretisch kann die betagte Frau in drei verschiedenen Modalitäten zum Erstkontakt erscheinen:

bei kognitiver und körperlicher Fitness: Achselstützen, 3-Punkt-Gang

bei kognitiver Fitness mit körperlicher Einschränkung: elektrischer Rollstuhl mit Steuereinheit links

bei kognitiver und körperlicher Einschränkung: Aktivrollstuhl und Begleitperson

2.2.2 Erstkontakt

Grundsätzlich ist zu beachten, dass Therapeut und Patient einen der Situation angemessenen ruhigen Raum für den Erstkontakt zur Verfügung haben, um eine therapeutische Beziehung und ein Vertrauensverhältnis entstehen zu lassen. Ist der Patient in einer für ihn guten Position schmerzfrei gelagert oder in bequemer Stellung sitzend oder liegend positioniert, ist er bereit für die Anamnese. Bereits hier kann der Therapeut die Aktivitäten, Haltungen und Positionen des Patienten inspizieren und daraus Rückschlüsse auf dessen aktuelle Belastbarkeit ziehen.

Wie angeführt, begegnet der Therapeut seinem Patienten mit Informationen zu dessen Diagnose, einer inneren Vorstellung und der ersten Anfangshypothese. Dabei kann es passieren, dass sich das fiktive Bild vom Patienten unmittelbar als irreal erweist und stante pede verändert werden muss. Falls bspw. der Therapeut eine Patientin im Rollstuhl erwartet und dann auf eine Frau mit Unterarmgehstützen trifft, so muss die ursprüngliche Vorstellung revidiert und entsprechend der Realität aktualisiert werden.

Entscheidungsbox – Erstkontakt

Bei deutlicher Divergenz zwischen der Präsentation des Patienten beim Erstkontakt und den im Vorfeld von therapeutischer Seite anhand der Diagnose gemachten Vorstellungen und Anfangshypothesen muss nach Erklärungsgründen für diese Diskrepanz gesucht werden.

Falls sich die Präsentation des Patienten anhand dessen Diagnose erklären lässt, muss angesichts der neuen Situation eine neue Hypothese formuliert werden (Kap. ▶ 2.2.5).

Falls sich die Präsentation des Patienten anhand dessen Diagnose nicht erklären lässt, muss abgeklärt werden, ob die Diagnose tatsächlich stimmt bzw. aktuell ist. Dies kann zunächst im Gespräch mit dem Patienten geschehen und – sollte es zu keiner Klärung der Widersprüchlichkeit kommen – dann auch mit dem behandelnden Arzt.

Grafische Darstellung s. ▶ Abb. 2.3

Abb. 2.3 Grafische Darstellung zur Entscheidungsbox „Erstkontakt“.

Begleitendes Fallbeispiel – Erstkontakt

Zur ersten Behandlungseinheit erscheint Frau Kasuppke im elektrischen Rollstuhl, mit dem sie sich gekonnt durch die Praxis ins Therapiezimmer manövriert. An der Rückenlehne des Rollstuhls sind zwei Achselstützen montiert. Das rechte Bein ist in angewinkelter Position auf der Fußschiene gelagert; das Knie nach außen verdreht. Der rechte Unterarm ruht auf einem weichen Kissen auf der Armlehne. Der Gips ist bereits gespalten und mit Klettverschlüssen versehen. Emma Kasuppke nimmt Augenkontakt auf, bewegt ihren Kopf adäquat und begrüßt mit der linken Hand. Zum Erstkontakt nimmt die rüstige Dame auch ihren OP Bericht mit. Aus diesem ist zu entnehmen, dass ihre Schenkelhalsfraktur mit einer dynamischen Hüftschraube (DHS) versorgt wurde.

Allein anhand des Auftretens der 82-Jährigen beim Erstkontakt können diverse Gedanken angestellt werden:

Weil die Patientin im elektrischen Rollstuhl samt Achselstützen zum ersten Termin kommt, lässt erahnen, dass sie kognitiv fit ist und bereits erste Gehversuche an Achselstützen im Krankenhaus unternommen hat.

Ferner kann davon ausgegangen werden, dass Schmerzsituation und Beweglichkeit zwei Wochen postoperativ für das Gehen an Achselstützen ausreichend sein müssten.

Für die Außenrotation des operierten Beins können mehrere Ursachen verantwortlich sein. Zum einen kann es sich um eine gewohnte und bevorzugte Haltung der Patientin handeln, zum anderen kann eine schmerzbedingte Ausweichbewegung vorliegen. Desgleichen möglich ist, dass durch Sturz oder operativen Eingriff die Aktivität der Hüftadduktoren reflektorisch gehemmt ist, oder dass schlimmstenfalls eine neurologische Beteiligung vorliegt. Bei einer neurologischen Beteiligung würde die Patientin in der Anamnese über eine veränderte Sensibilität oder eine Muskelschwäche berichten. Werden diese Zeichen erst in der objektiven Untersuchung apparent, ist an eine beginnende Polyneuropathie, welche die Patientin bis dato nicht bemerkte, und zwangsläufig auch an Diabetes mellitus zu denken.

Dass der Unterarmgips gespaltenen wurde zeigt, dass entsprechend der chirurgischen Bewegungsgrenzen die distale Radiusfraktur zwei Wochen posttraumatisch aus dem Gips mobilisiert werden soll ( ▶ Tab. 3.4 in Kap. ▶ 3.4). Eine zweiwöchige Immobilisation im Gips kann mit einer Inaktivitäts-Schwellung einhergehen. Das posttraumatische Ödem sollte innert dieser Frist deutlich abgenommen haben.

Da sich die Wundheilung von Frau Kasuppke in der Proliferationsphase befindet, sollte die Untersuchung nur bis an den zweiten Bindegewebewiderstand ausgeführt werden (Kap. ▶ 3.3.2.1).

Ferner sind auch die biomechanischen Aspekte der Hüfte und des Arms zu berücksichtigen (Kap. ▶ 3.6).

Schließlich muss angesichts des Alters der Patientin und der in der Regel längeren Wundheilungszeiten (Kap. ▶ 3.9) die Dosierung (Kap. ▶ 3.3) zurückhaltend erfolgen.

2.2.3 Anamnese

Die Anamnese ist ein subjektives Untersuchungsgespräch. Ihr Ziel ist die Formulierung der klinisch relevanten Fragestellung und der dazu wahrscheinlichsten Hypothese. Basis hierfür sind relevante Informationen aus der Wissensbasis samt den Grundlagen aus Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie. Zum Zweck der zielgerichteten Datenbeschaffung beachtet der Behandler zudem einige grundsätzliche Kriterien, um eine aussagekräftige Anamnese durchzuführen ( ▶ Tab. 2.1).

Tab. 2.1

 Grundsätzliche Kriterien für eine erfolgreiche Anamnese.

Kriterium

Gefahrenquellen bzw. therapeutische Kommunikationstaktik

Struktur und Stringenz

unstrukturiertes Befragen verhindert:

Überblick über Vollständigkeit der Anamnese

Erkennen möglicher Zusammenhänge der Informationen

zielgerichtete Fragen

Zeit für den Patienten

Therapeut unterbricht den Patienten unangemessen:

Verlust relevanter Informationen

Gefährdung des therapeutischen Klimas

Zurückhaltung und Hemmung des Patienten

Therapeut lässt den Patienten ungehindert erzählen:

Patient schweift vom relevanten Thema ab

Patient liefert irrelevante Informationen

Patient freut sich, dass ihm „endlich jemand zuhört“ und er ernst genommen wird

Therapeut kann zu wenig relevante Informationen bzgl. der klinisch relevanten Fragestellung bzw. der wahrscheinlichsten Hypothesen sammeln

Kommunikations-Strategie

„Führen“ des Patienten:

bei verschlossenen Patienten

bei Patienten, die vom Thema abschweifen

„Begleiten“ des Patienten:

bei kooperativen Patienten

bei ausgeprägter Compliance des Patienten

„Coaching“ des Patienten:

bei Patienten, die das Geben relevanter Informationen gewohnt sind

bei Patienten, die bereits physiotherapeutisch betreut wurden, d.h. es werden lediglich noch Fragen zur Präzisierung der Aussagen gestellt

2.2.3.1 Strukturierter Aufbau der Anamnese

Im Folgenden wird das strukturierte Vorgehen in der Anamnese peu à peu beschrieben. Die hier beschriebene Reihenfolge soll im klinischen Praktikum des Auszubildenden oder des Berufsanfängers eine hilfreiche Stütze sein. Durch die anfänglich unbedingt notwendige Strukturierung soll verhindert werden, dass sich der Therapeut letzten Endes nicht in der Menge der zu sammelnden Informationen verliert. Mit mehr Berufserfahrung und Routine und der damit verbundenen Erweiterung von Wissensbasis und Erfahrungsschatz kann das vorgestellte Procedere geändert und an die jeweilige Patientensituation angepasst werden – dies etwa bei der Erkennung klinischer Muster (Kap. ▶ 3.7.2).

Persönliche Daten

Zu den persönlichen Daten des Patienten zählen:

Name

Geburtsdatum

Diagnose

Beruf

Gestaltung von Freizeit und Hobbys

behandelnder Arzt

Ziele aus ärztlicher Sicht

spezielle ärztliche Anweisungen:

postoperative Behandlungsschemata

Belastungsgrenzen

Bewegungsgrenzen

Die persönlichen Daten beinhalten sehr viele relevante Informationen. Das Alter kann Hinweise auf die Wundheilungstendenz oder die Wahrscheinlichkeit von allgemein vermehrter Abnutzung des muskuloskelettalen Systems liefern. Angaben zur beruflichen Tätigkeit geben Aufschluss über die körperliche Belastungsanforderung und das entsprechende Einnehmen von gehaltenen Positionen oder Zwangspositionen. Freizeitaktivitäten und Hobbys lassen Rückschlüsse zu über den aktuellen und prätraumatischen Trainingszustand.

Anhand dieser Informationen können zur ersten Orientierung der körperliche Allgemeinzustand sowie die allgemeine Gewebequalität eines Patienten eingeschätzt und ferner auch Überlegungen zur Dosierung bei Untersuchung und Behandlung angestellt werden.

Hauptproblem aus Sicht des Patienten

Zentraler Punkt in der Anamnese und in der Befunderhebung ist das Erfragen des Hauptproblems aus Sicht des Patienten. Dieser erwartet, dass der Therapeut „sein Hauptproblem“ untersucht und schließlich erfolgreich behandelt. Im Maitland-Konzept wird hierfür die Abkürzung „C/O“ im Sinne von „Patient complains of“ (dt.: „Der Patient beklagt sich über...“) verwendet.

Grundsätzlich besteht diesbezüglich die Gefahr, dass der Therapeut in der sich an die Anamnese anschließenden objektiven Befunderhebung strukturelle Befunde findet, die ihn vom Hauptproblem des Patienten wegführen. Demzufolge ist es von Bedeutung, sich obgleich dieser Unwägbarkeiten nicht ablenken zu lassen und fortwährend das Hauptproblem aus Sicht des Patienten zu fokussieren.

Behandlungsziel aus Sicht des Patienten

Das Behandlungsziel aus Sicht des Patienten steht für dessen Erwartungen, Wünsche und Vorstellungen in Bezug auf sein von ihm selbst formuliertes Hauptproblem.

Einstellung und Erwartung des Patienten sind bedeutende Faktoren für eine erfolgreiche Behandlung. Ist ein Patient überzeugt, dass seine Schmerzen niemals gelindert werden, so ist dies ein Warnzeichen für ein erhöhtes Chronifizierungs-Risiko. Ebenso negativ auf das Behandlungsresultat wirkt sich aus, wenn Patienten ihre Problematik mystifizieren oder sich in ihre Krankheit regelrecht hineinsteigern. Oftmals sind Menschen in Bezug auf ihr Hauptproblem auch resigniert und verkennen die Wichtigkeit, etwas an ihrem Alltagsverhalten zu ändern, um das Problem quasi selbst zu lösen. In derartigen klinischen Settings ist es vorrangige therapeutische Aufgabe, dem jeweiligen Patienten Zuversicht zu vermitteln und die Wichtigkeit einer Änderung seines Alltagsverhaltens zu verdeutlichen. Diese sogenannte „Patient Education“ ist die beste Basis für darauffolgende therapeutische Maßnahmen. „Patient Education“ steht für „Patienten-Schulung“. Es handelt sich um einen fortlaufenden Informations- und Motivationsprozess in der Physiotherapie, der geplant und parallel zur Behandlung abläuft (Niedermann 1998).

Schließlich können die Zielvorstellungen des Patienten realistisch sein oder fern ab der Realität liegen. Im letzteren Fall bedarf es zwingend eines Zielgesprächs, um einen Konsens zwischen Patient und Therapeut zu erarbeiten. Besteht im Rahmen der Therapie eine fortwährende Diskrepanz zwischen den Wünschen des Patienten und den therapeutisch tatsächlich erreichbaren Zielen, so wird sich dies kontinuierlich negativ auf die Patienten-Therapeuten-Beziehung auswirken.

Der Patient kann seine Ziele auf verschiedenen Ebenen der International Classification of Functioning, Disability and Health (Kap. ▶ 3.5.1) formulieren. Das spezifische Paradigma der ICF-Klassifikation wird in den Teilklassifikationen „Körperfunktionen und Körperstrukturen“, „Aktivitäten und gesellschaftliche Teilhabe“ sowie „Kontextfaktoren“ operationalisiert.

In der Praxis sind als Zielebene die Aktivitäts- oder die Partizipationsebene prinzipiell zu bevorzugen. Wird ein Ziel auf der Aktivitätsebene erreicht, so hat der Patient zukünftig einen größeren Spielraum für seine Tätigkeiten und genießt infolgedessen mehr Selbstständigkeit. Ziele auf Partizipationsebene beleuchten eher die gesellschaftliche Interaktion und die Teilnahme am soziokulturellen Leben. Seitens des Therapeuten können bei Zielen auf Partizipationsebene zwar die Voraussetzungen – gemeint sind die entsprechenden Aktivitäten und Funktionen – mit dem Patienten erarbeitet werden, die Umsetzung in den Alltag bleibt aber immer eine persönliche Leistung des Patienten.

Bodychart

Auf einer Bodychart zeichnet der Therapeut zunächst die Lokalisation der Symptome ein und nummeriert sie anschließend entsprechend ihrer Priorität ( ▶ Abb. 2.4). Zur grafischen Umsetzung der Krankheitszeichen bedarf es einer akkuraten Befragung der Symptome, da nur mit präzisen Angaben die aktuell wahrscheinlichsten Hypothesen verfolgt und bestätigt bzw. verworfen werden können.

Grundsätzlich werden zu jedem Symptom folgende Punkte erfragt:

Lokalisation:

klare vs. diffuse Lokalisation der Symptome

punktuelle, flächige, tiefe oder oberflächliche Symptome

Hinweis auf betroffene Struktur

Qualität:

ziehende, stechende, drückende, pulsierende etc. Symptome

Hinweis auf betroffene Struktur

Intensität:

Verwenden der Numerischen Rating Skala (NRS 0–10):

Patient nennt entsprechend seiner Schmerzintensität einen Wert zwischen 0 und 10

Verwenden der Visuellen Analogskala (VAS 0–10):

Patient trägt auf einer Strecke zwischen lachendem Gesicht (d.h. kein Schmerz) und traurigem Gesicht (d.h. unerträgliche Schmerzen) einen Strich an der Stelle seiner Schmerzen ein

Verwendung v.a. bei zentral maladaptiver Symptomatik: schmerzfixierte Patienten können sich auf der VAS keine Zahlen merken und entsprechend ihrer Leidensgeschichte sodann nicht immer dieselbe oder höhere Zahlen angeben

Verhalten:

konstant, konstant-variabel, intermittierend, belastungs- oder bewegungsabhängige Symptome

Hinweis auf evtl. entzündliche Komponente

Hinweis auf Irritierbarkeit und Dosierung in der objektiven Untersuchung

Abb. 2.4 Auf einer Bodychart werden neben der Lokalisation auch die Qualität, Intensität und das Verhalten der Symptome festgehalten. Dokumentiert wird außerdem, ob die Symptome zueinander in Beziehung stehen oder ob sie unabhängig voneinander auftreten.

(Rechte: )

Hinweise auf Schmerzmechanismen

Nach Erstellen der Bodychart erhält der Behandler wichtige Hinweise auf vorherrschende Schmerzmechanismen. Dies ist besonders wertvoll in der Wertung und Einschätzung der beim Patienten vorherrschenden Symptomatik. Erhält man etwa Informationen über maladaptive und zentrale Schmerzmechanismen, macht es wenig Sinn, eine akribische Schmerzanamnese zu erstellen – dies, weil der Therapie-Ansatz eher in Richtung der „Patient Education“ geht. Werden dagegen mechanische und richtungsbezogene Symptome augenfällig, ist es zweckdienlich, eine genaue Symptom-Anamnese zu erheben. Eine solche ist in diesem Fall notwendig, weil hier erstens von einem peripher nozizeptiven Mechanismus ausgegangen werden muss (Kap. ▶ 3.1.1) und weil zweitens anhand von Schmerzverhalten und Schmerzcharakteristik evtl. auf eine Gewebestruktur oder eine periphere Dysfunktion geschlossen werden kann, was wiederum die Auswahl geeigneter Tests in der objektiven Untersuchung erleichtert.

Symptom-Zusammenhänge

Das Erfragen von Symptom-Zusammenhängen lässt Rückschlüsse auf fortgeleitete Symptome zu. Oder aber der Therapeut erkennt, dass die vom Patienten geschilderten Krankheitszeichen in keiner Art und Weise miteinander zusammenhängen. Die Kenntnis möglicher Symptom-Zusammenhänge ist elementar, da die Befundung und Behandlung bei sich gegenseitig beeinflussender Symptomatik stets das primäre Krankheitszeichen, d.h. den Ursprung der Problematik, fokussieren soll. So wird der Ansatz in der Untersuchung und Therapie bedeutend einfacher und meist auch klarer.

In der Praxis ist bei der Eruierung von Symptom-Zusammenhängen der Patient selbst häufig sehr behilflich. Berichtet ein Patient etwa von initialen punktuellen Schulterschmerzen, die bei Verschlimmerung nach distal in den Oberarm ziehen und bei Linderung zuerst im Oberarm und dann in der Schulter verschwinden und dass der Oberarmschmerz niemals isoliert, sondern immer im Zusammenhang mit den Schulterschmerzen auftritt, so kann der Behandler dementsprechend den Schulterschmerz als primäres „Symptom 1“ deklarieren und den Schmerz im Oberarm als „Symptom 2“, wobei „Symptom 2 direkt abhängig von Symptom 1“ ist ( ▶ Abb. 2.4). Folglich wird sich der Therapeut bzgl. der klinisch relevanten Fragestellung und der Formulierung der wahrscheinlichsten Hypothesen primär auf „Symptom 1“, d.h. den initialen Schulterschmerz, konzentrieren.

Symptom-Verhalten

Zum Verständnis des Symptom-Verhaltens werden verbessernde und verschlechternde Aktivtäten in Bezug auf die Symptomatik ermittelt. Dadurch erhält man weitere Hinweise auf die Schmerzmechanismen und die Irritierbarkeit der Problematik, woraus sich Anhaltspunkte zur angemessenen Dosierung bei der objektiven Untersuchung ergeben.

Einteilung in klinische Gruppen

Eine gängige Einteilung, die eng mit der Reproduzierbarkeit der Symptome und der Intensität der objektiven Untersuchung verknüpft ist, sind die vier klinischen Gruppen aus dem Maitland-Konzept.

SIN

Bei Patienten mit SIN-Symptomatik kann eine auslösende Aktivität die Symptome so massiv beeinflussen, dass die Aktivität letzten Endes abgebrochen werden muss (im Maitland-Konzept: „Severity“). Oder eine minimale, scheinbar nebensächliche Aktivität löst sehr starke und lang anhaltende Symptome aus (Maitland: „Irritability“). Drittens beeinflussen weitere Patholgien oder Nebendiagnosen, nicht physiologische Wundheilungsphasen und Medikamente (Maitland: „Nature“) die Symptomatik unverhältnismäßig.

Patienten, deren Symptomatik in die klinische Gruppe der SIN-Charakteristik fällt, geben Anlass zur Vorsicht. Die Stärke und die Irritierbarkeit ihrer Symptome stehen im Vordergrund. Es sollen nur wenige Tests in der objektiven Untersuchung ausgewählt werden, die allesamt keine Schmerzen auslösen dürfen. Dasselbe gilt auch für die ersten Behandlungsschritte.

EOR

Bei Patienten der EOR-Gruppe treten die Symptome eher am Ende der aktuell möglichen Beweglichkeit auf (Maitland: „End of Range“). Die Beweglichkeit wird primär durch die Steifigkeit der muskuloskelettalen Strukturen limitiert. Die EOR-Symptomatik kann mit Komponenten der SIN-Gruppe verbunden sein.

ROM

Patienten mit ROM-Problematik imponieren mit Symptomen, die vornehmlich während der Bewegung auftreten (Maitland: „Range of Motion“). Eine klassische ROM-Symptomatik stellt der „Painful arc“ dar. Dieser beschreibt eine Einklemm-Symptomatik bzw. ein Impingement-Syndrom der Sehne des M. supraspinatus oder der Bursa subacromialis im subakromialen Gleitraum des Schultergelenks. Typischerweise beginnt der Schmerz bei ca. 60° Abduktion des Arms und verschwindet wieder jenseits von ca. 120° Abduktion. Die ROM-Symptomatik kann zusätzlich auch SIN- und EOR-Komponenten enthalten.

MOM

Bei Patienten der MOM-Kategorie zwingen sehr starke und plötzlich auftretende Symptome zum Abbruch der jeweiligen Aktivität oder zur Veränderung der Position (Maitland: „Momentary Pain“). Die Symptome treten allerdings erst bei sehr belastenden und längeren Aktivitäten oder gehaltenen Positionen auf. Dies hat zur Folge, dass die Symptome im Rahmen einer Therapieeinheit aufgrund der nicht ausreichenden Zeit meistens nicht reproduziert werden können. Der Therapeut hat hier die Möglichkeit, vergleichbare Zeichen oder die bekannten Symptome mittels kombinierten endgradigen Bewegungen mit manuellem Überdruck zu reproduzieren. Gelingt dies nicht, soll der Patient vor der Therapie die jeweilige Aktivität ausüben, bis die Symptome auftreten.

24-Stunden-Verhalten der Symptomatik

Beim Blick auf das 24-Stunden-Verhalten der Symptomatik werden Rückschlüsse gezogen, ob der Problematik eine Entzündung zugrunde liegt, ob die Krankheitszeichen auf eine Über- oder Fehlbelastung zurückzuführen sind, oder ob die Symptome erst nach einer Latenzzeit auftreten.

Das 24-Stunden-Verhalten der Symptomatik gibt folglich entscheidende Anhaltspunkte für die Wahl geeigneter Tests bei der objektiven Untersuchung. So ist etwa der Nachtschmerz charakteristisch für eine entzündliche Komponente. In diesem Fall führen leichte Aktivitäten zur Linderung der Schmerzen, während ein zu hohes Maß an Aktivität zur Schmerzsteigerung führt. Kommt es mit fortschreitender Tageszeit zunehmend zur Verschlechterung der Symptome, liegt wahrscheinlich eine rein belastungsabhängige Problematik des Patienten vor.

Ebenso kann unterschieden werden, ob die Symptome bei Aktivität auftreten oder ob der Patient über Beschwerden klagt, wenn er lange eine bestimmte Position einnimmt. Verschlimmert sich die Symptomatik bei Aktivität, spricht dies für eine mechanische Komponente oder eine Bewegungskontrolldysfunktion durch mangelnde Wahrnehmung oder Fehlrekrutierungsmuster. Verschlimmert sich die Symptomatik in gehaltener Position, deutet dies auf eine Haltungsinsuffizienz hin.

Screening-Questions

Wenn eine Hypothese gebildet wurde und im Rahmen der Anamnese auch signifikante Merkmale für ein klinisches Muster zu erkennen sind, können sogenannte „Screening-Questions“ bei der Bestätigung oder Negierung eines klinischen Musters helfen. Diese Screening-Questions geben Auskunft über weitere Symptome, welche der Patient im Rahmen der Anamnese unwissentlich verschwiegen hat. Hierbei wird differenziert zwischen obligaten Fragen und spezifischen Fragestellungen bzgl. der betroffenen Körperregion (Kap. ▶ 3.7.1).

Krankengeschichte