Pia & Poppy und der verschwundene Professor - Katharina Reschke - E-Book

Pia & Poppy und der verschwundene Professor E-Book

Katharina Reschke

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Abenteuerliche Ferien mit Poppy Williams!

Als Pia Blau erfährt, dass es diesen Sommer statt an ihre geliebte Ostsee nach San Francisco geht, fällt sie aus allen Wolken. Pia ist entschlossen, die fremde Stadt doof zu finden, doch die bunte Metropole am Meer gefällt ihr viel besser als erwartet. Das liegt sowohl an Oma Maples tollem Keksladen als auch an der verrückten Villa Futura, in der sie mit ihren Eltern wohnt. Die größte Überraschung aber ist Poppy Williams – dieses außergewöhnliche Mädchen, das plötzlich barfuß in ihrem Zimmer auftaucht und Pia in null Komma nichts in das Abenteuer ihres Lebens zieht.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 142

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



KATHARINA RESCHKE

Mit Bildern von

Anne-Kathrin Behl

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Für Marielisa

© 2020 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Kathrin Schüler

Umschlagillustration: Anne-Kathrin Behl

Innenillustrationen: Anne-Kathrin Behl

TP • Herstellung: MJ

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-24561-0V001

www.cbj-verlag.de

1

Hey Leute, noch sechs Mal schlafen. Juhu!, schrieb eine der Sandmöven in die Gruppe, und Pia schickte Smileys und eine Funken sprühende Wundertüte zurück.

Ihre Vorfreude war kaum noch auszuhalten.

In sechs Tagen stiegen die Blaus in ihr klappriges Auto und düsten los. Von Leipzig bis ans Meer dauerte es ohne Stau viereinhalb Stunden. Da Pias Vater Karsten stets um kurz vor vier Uhr morgens losfuhr, gab es das erste Ferienfrühstück bereits am Meer.

Pias Koffer lag seit gestern gepackt unter ihrem Bett und enthielt alles, was auch in den letzten Jahren gebraucht wurde – nur eine Nummer größer. Badeanzug, Taucherbrille, Flossen und Luftmatratze lagen zuunterst. Darauf fünf Sommerkleider, jede Menge T-Shirts, Unterhosen und drei Shorts. Ein Paar Leggings und Pullover rollten sich am Rand, falls es mal kühler wurde. Zuoberst thronten ihre Lieblingssandalen neben dem Kulturbeutel. Die Sneakers trug sie auf der Fahrt.

Aus Pias Sicht wäre das Gepäck damit komplett gewesen. Aber ihre Eltern bestanden jedes Jahr auf einem Paar Wanderschuhe. Karsten und Allison Blau liebten Ausflüge ins Grüne – am besten zu Fuß mit Picknickkorb und allem Pipapo. Pia nervte das. Nicht nur, weil Wanderungen total langweilig waren. Es stahl ihr einen kompletten Tag mit ihren Freundinnen und Freunden, den Sandmöven. Kostbare Zeit, in der sie Sandburgen bauen, Schlammschlachten veranstalten, durch die Wellen springen, Wolkentiere am Himmel zählen und gemeinsam auf der Mauer unterhalb vom Strandkiosk sitzen konnten, um Pommes oder Eis zu futtern. Aber Pia blieb nichts anderes übrig. Zumindest ein Ausflug gehörte jeden Sommer dazu. Und zwar ohne Murren – ansonsten wurden es mehr.

Wie immer um 12 vorm Supermarkt?, schrieb Anna aus Klein Röbitz.

Klaro. Und dann zum Strand!, kam es aus allen Richtungen zurück. Gefolgt von mehreren Daumen-hoch-Zeichen

Pia lehnte sich mit einem Grinsen auf ihrem Schreibtischstuhl zurück und schloss die Augen. Es gab nichts Schöneres als Wiederholungen, fand sie. Denn, wenn sich etwas wiederholte, konnte sie es erst so richtig genießen. Da gab es nichts Ungewisses, das ihr einen Schreck einjagte oder plötzlich aus dem Nichts überrumpelte. Im Gegenteil. Wenn man im Vorhinein wusste, was kam, gelang es umso besser, sich über das Lustige, Schöne und Spannende zu freuen. Urlaub an einem bekannten Ort war wie einen Lieblingsfilm noch einmal anschauen. Pia brauchte sich nur einen Moment zu konzentrieren und sie sah den strahlend blauen Himmel über sich, hörte die Wellen rauschen, spürte die Sonne auf ihrer Haut und den Geruch von Meer und Algen, Fisch und Salz in ihrer Nase …

»Pia!«, riss es sie aus ihren Träumen. »Komm doch mal runter. Ich muss was mit dir besprechen!«

Wie immer rief ihre Ma auf Englisch, denn das war Allison Blaus Muttersprache. Obwohl sie seit zwölf Jahren in Deutschland lebte, redete sie mit ihrer Familie ausschließlich englisch. Pia war das oft unangenehm. Denn es zog die Aufmerksamkeit von anderen auf sie. Besonders schlimm war es, wenn Allison glaubte, dass niemand sie verstand: »Hast du dir heute auch eine frische Unterhose angezogen, Sweetie?« Oder: »Schau mal, die feine Dame da drüben hat einen Schnauzbart!« In solchen Situationen wollte Pia jedes Mal kilometerweit im Boden versinken. Ihre Mutter hingegen kicherte nur umso vergnügter, weil sie es mal wieder geschafft hatte, dass ihre Tochter so niedlich rot wurde.

»Halloooo!«, rief es erneut von unten. »Bitte komm doch mal. Es ist wirklich wichtig!«

»Jaaa«, jaulte Pia und begab sich widerwillig auf den Weg. Sie befürchtete, dass es wieder irgendeine Aufgabe war, die sie von ihrem Chat mit den Sandmöven abhielt.

Die Blaus bewohnten seit einem halben Jahr ein kleines Reihenhaus im Süden Leipzigs. Ihre Schlafzimmer befanden sich mit einem Bad im ersten Stock, und eine Etage darüber lag Karsten Blaus Arbeitszimmer. Für Pia war der Zugang strengstens verboten, denn ihr Vater hatte den Raum mit unzähligen Computern und Geräten verkabelt, an denen er als Programmierer und Computerfachmann arbeitete.

Unten im Erdgeschoss befanden sich Küche und Wohnzimmer, die ineinander übergingen, sowie eine Gästetoilette. Es war kein großes Haus, aber für Pias Eltern absoluter Luxus, da beide mit ihren Berufen nicht viel und nur unregelmäßig verdienten.

Dass es den Blaus Anfang des Jahres möglich war, von der kleinen Altbauwohnung im Stadtzentrum in ihr eigenes Heim zu ziehen, verdankten sie Pias Großmutter Maple. Die lebte in Amerika und hatte ihrer Tochter im letzten Jahr etwas Geld geschenkt.

»Hör mal, Pia …«, empfing ihre Mutter sie in der Küche und schob sich dabei eine ihrer dunklen Korkenzieherlocken hinters Ohr.

Anstatt Allisons dichter Mähne hatte Pia das glatte, blonde Haar ihres Vaters geerbt. Es war ihr gar nicht unlieb, denn so fiel sie deutlich weniger auf.

»Du, Sweetie, es hat sich kurzfristig etwas ergeben.« Allison wies ihr einen der Barhocker an der Küchentheke zu, was Pia in sofortige Alarmbereitschaft versetzte. Sonst zeigte ihre Mutter eher in Richtung Spülmaschine oder Wohnzimmertisch, wo seit Stunden Pias Aufgaben warteten. Zudem deuteten das Wort kurzfristig und Allisons gerunzelte Stirn auf unerwünschte Überraschungen hin.

»Granny hat heute Nacht angerufen.«

Granny bedeutete auf Englisch Großmutter und bezeichnete damit Allisons Mutter, die 9168 Kilometer weit weg im Westen von Amerika wohnte. Die Stadt hieß San Francisco und es führte eine gigantische, rote Brücke zu ihr. Pia besaß mehrere Postkarten davon.

Oma Maple betrieb in San Francisco einen Keksladen, der Tasty Cookies hieß. Köstliche Kekse also. Jedes Jahr zu Weihnachten brachte sie kiloweise davon nach Leipzig mit, und Pia schlug sich den Bauch so voll, dass sie am Ende nur noch in der Gegend herumkugelte. Überhaupt liebte Pia ihre amerikanische Oma. Denn es gab nichts, über das man mit ihr nicht sprechen konnte. Einzige Bedingung war, dass stets ein leckerer Keks und eine Tasse heiße Schokolade dazu gereicht werden mussten. Und natürlich unterhielten sie sich nur auf Englisch, da es die einzige Sprache war, die ihre Großmutter verstand.

»Granny hat für Papa einen unglaublichen Job an Land gezogen. Er soll ein supermodernes Haus mit seiner elektronischen Einrichtung fertigstellen. Sie brauchen dringend einen Fachmann und bezahlen richtig gut.«

»Was? Wann denn? Wo?«, fragte Pia.

»In San Francisco. Granny kennt den Inhaber des Hauses. Er hat Karsten gerade einen Vertrag geschickt.«

»Und?« Pia verstand nicht, was ihre Mutter damit sagen wollte. Das waren doch lauter gute Nachrichten und kein Grund, die Stirn in ein Wellenmeer zu verwandeln.

»Na ja, also …«, stammelte Allison und lehnte sich zu Pia vor, um ihre Hände zu streicheln. »Das heißt, dass wir dieses Jahr nicht an die Ostsee können, Sweetie, sondern nach San Francisco zu Granny fliegen.«

»Waaaas???« Pia sprang von ihrem Hocker. »Das ist jetzt nicht euer Ernst, oder?«

Aber das war es. Ihre Eltern hatten – wie sich herausstellte –, ohne lange nachzudenken, sofort zugesagt.

»Es ist eine unglaubliche Chance für Papa. Und auch für uns. Du weißt doch, dass wir mit dem Geld immer superknapp sind. Außerdem würden wir damit endlich alle zusammen zu Granny kommen. Du warst doch noch nie da!«

Was ihre Mutter darüber hinaus sagte, hörte Pia nicht mehr, denn sie rannte, so schnell sie konnte, die Treppe hoch und schlug aufgebracht ihre Zimmertür zu. So laut, dass es garantiert die Nachbarn drei Häuser weiter hörten. Verzweifelt warf sie sich aufs Bett und schrie ihre ganze Empörung hinein, gefolgt von Verwünschungen gegen ihre Eltern.

»Ich hasse euch! Ihr kriegt mich nicht da hin! Ich fahre an die Ostsee! Das sind meine Ferien!«

Das Abendessen fiel an diesem Abend aus. Dafür verbrachten Karsten und Allison die Zeit vor Pias Zimmer und redeten durch die verschlossene Tür auf sie ein: »Jede Wette, es wird dir dort gefallen?«

»In einer Stadt kann man keinen Urlaub machen!«, widersprach Pia.

»Du lernst da bestimmt schnell jemand Nettes kennen. Außerdem hast du doch noch uns und Granny.«

»Das reicht nicht.«

»Wir bleiben doch nur vier Wochen. Danach können wir immer noch vierzehn Tage an die Ostsee«, gab ihr Vater zu bedenken. »Du musst dann auch keine Wanderung mitmachen. Versprochen!«

»Ja, du kriegst die ganze Zeit rund um die Uhr nur für dich und deine Sandmöven«, bestätigte ihre Mutter.

Dieses Versprechen ließ Pia sich schriftlich geben. Unter der Zimmertür hindurch kam es mit den Unterschriften ihrer Eltern zurück und Pia sandte auf der Stelle ein Foto davon an ihre Freunde.

Kein Wunder, dass die Reaktionen der Sandmöven ebenso fassungslos ausfielen wie ihre eigene.

Was? Das können die doch nicht machen!

Oh nein, ohne dich geht nicht!

Versuch früher zu kommen. Bitte, ja?!

Pia versprach es, wenngleich sie keine wirkliche Chance für eine vorgezogene Rückkehr sah. Stattdessen erwartete sie das Ungewisse. Eine fremde Stadt auf der anderen Seite der Weltkugel, in der sie niemanden kannte.

Es machte ihr Angst.

2

Der Flug um den halben Globus fühlte sich ewig an. Es gab drei Mal zu Essen. Und wenn Pia nicht schlief, schaute sie im Bordcomputer Filme. Darunter auch einige Folgen ihrer Lieblingsdetektivserie. So ausgiebig hatte Pia noch nie an einem Stück geschaut – vor allem nicht mit ihren Eltern neben sich. Aber die drückten im wahrsten Sinne des Wortes alle Augen zu, weil sie wussten, wie langweilig es hoch oben über den Wolken war.

Als die Blaus schließlich an ihrem Ankunftsort aus dem Flughafengebäude traten, wehte ihnen ein kühler Wind entgegen.

»Ich dachte, hier ist Sommer?! Das ist ja total kalt!« Pia zog sich bibbernd die Kapuze über.

»Das liegt am Kalifornienstrom. In San Francisco ist es im Sommer immer etwas kühler als drum herum«, erklärte Allison. »Deshalb gibt’s ab nachmittags oft Nebel.«

»Nebel???«

»Ja, wirst sehen, das sieht echt beeindruckend aus.«

Pia konnte die Begeisterung ihrer Mutter nicht nachvollziehen. Was war an Nebel im Sommer bitte schön beeindruckend? Für sie klang das einfach nur gruselig und nach Herbst. Auf jeden Fall nicht nach Juni.

Ein Auto hielt vor ihnen an. Pias Vater hatte es über eine App in seinem Smartphone bestellt. Auch das war anders als in Leipzig. In San Francisco gab es kaum noch richtige Taxis. Stattdessen ließen sich die Menschen von anderen Stadtbewohnern mitnehmen.

»So kann sich jeder, der ein Auto hat, Geld dazuverdienen«, erzählte ihnen der Fahrer auf dem Weg in die Innenstadt. »Und ich kann arbeiten, wann ich Lust habe.«

Pia hörte dem Gespräch zwischen ihren Eltern und dem Fremden kaum zu, da ihre Aufmerksamkeit ganz auf die Welt dort draußen vor ihrem Fenster gerichtet war.

»Da ist die Brücke von Grannys Postkarten!« Sie wies zu dem roten Stahlgerüst, das hinter den Häuserhügeln auftauchte. Seine Spitzen waren von Nebelwolken eingehüllt. Es sah aus wie Zuckerwatte.

Allison, die auf der Rückbank neben ihr saß, nahm ihre Hand und lächelte. »Wirst sehen, Sweetie«, sagte sie feierlich, »es gibt hier unglaublich viel zu entdecken. Tausend Mal mehr, als du es dir ausdenken kannst.«

Pia wusste, wie glücklich es ihre Mutter machte, dass sie ihrer Familie endlich ihre Heimat zeigen konnte. Trotzdem nahm sie es ihren Eltern noch übel, dass sie ihre Sommerpläne zerstört hatten.

»Siehst du da hinten die kleinen Häuser am Wasser? Das ist der berühmte Pier 39. Da aalen sich ganz viele Seelöwen auf den Holzstegen und lassen sich von den Touristen bestaunen. Wenn du magst, gehen wir da mal hin.«

Pia nickte abwesend. Soeben fuhren sie eine Straße hinauf, die so steil war, dass man Sorge haben musste, dass der Wagen es nicht schaffte. Der Motor jaulte laut auf und ihr Fahrer drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Als sie auf der Bergspitze ankamen, ging es genauso steil wieder hinunter.

»Willkommen in San Francisco«, bemerkte Pias Vater, der vorne neben dem Fahrer saß. Er grinste. »Das sind mit Abstand die coolsten Hügel der Welt!«

Pia musste ihm recht geben. Solche steilen Straßen mitten in einer Stadt hatte sie noch nie gesehen. Von den Hügelspitzen bekam man einen Blick über die ganze Stadt. Es war absolut atemberaubend. Aber das behielt Pia für sich. Auf keinen Fall sollten die Eltern denken, dass es ihr hier gefiel.

Das Auto stoppte nur wenige Minuten später vor Oma Maples Keksladen in der Chestnut Street. Kastanienstraße.

Kaum dass sie ausstiegen, flog die Tür von Tasty Cookies auf und Oma Maple kam nach draußen gestürmt.

»Meine Familie! Da seid ihr ja. Ich glaub es nicht!« Freudig drückte sie Pia an ihren warmen weichen Körper und küsste sie inniglich. »Honey, dass ich das noch erleben darf, ist einfach fantastisch! Seit zehn Jahren habe ich auf diesen Moment gewartet. Jetzt ist er endlich gekommen.« Sie schob Pia eine Armlänge von sich weg und betrachtete sie feierlich. »Wie schön, dich hierzuhaben!«

Pia wurde von ihrer Oma immer Honey genannt. Es hieß Honig und war gleichbedeutend mit Schatz.

»Hi, Granny!« Pia musste grinsen. An der Schürze ihrer Großmutter klebten lauter Teigreste, die nun auch an ihrer Wange hafteten. Von der Farbe her tippte sie auf Schokolade, Karamell und Erdnussbutter. Aber bestimmt fanden sich noch tausend weitere Zutaten darin.

»Komm, ich hab zur Feier des Tages eine neue Kekssorte erfunden«, verkündete die Großmutter und zog Pia mit sich. Die Eltern holten derweil die Koffer aus dem Wagen. »Ich nenne sie Pias Ankunftsplätzchen. Aber erst musst du sagen, wie sie dir schmecken.«

Das Besondere an ihren Tasty Cookies war, dass sie nicht mit Zucker, sondern mit Ahornsirup gebacken wurden. Das machte die Kekse gesünder und gab ihnen einen herrlichen Nussgeschmack.

Als sie den Laden betraten, duftete es nach Schokolade, in Butter gerösteten Nüssen, frisch gebackenem Teig und Zimt. Genau der gleiche Geruch, der Pia aus Oma Maples Koffer immer entgegenströmte, wenn sie an Weihnachten zu ihnen nach Leipzig kam.

Die Großmutter hatte einen Teller mit noch warmem Gebäck auf einen kleinen Tisch am Fenster gestellt. Von hier aus hatte man einen Blick auf die Straße ebenso wie auf die alte Holztheke, hinter deren Scheiben die verführerische Knusperware ausgelegt war.

»Der Laden bleibt heute für den Rest des Tages geschlossen. Damit wir ganz für uns sind«, erklärte Oma Maple und drehte das Schild an der golden gestrichenen Holztür auf closed.

Pia blickte sich um. Sie kannte den Keksladen bereits von Fotos. Ihre Eltern hatten erst kürzlich für die Großmutter eine Website eingerichtet. Vor Ort sah es allerdings noch viel schöner aus. Das Rot der Wände zusammen mit dem dunklen Braun der alten Theke und den goldenen Verzierungen machte den Raum wohlig und warm.

Ihre Großmutter stellte ihnen vier Tassen mit heißer Schokolade hin und setzte sich zwischen Pias Eltern. »So, Honey, jetzt möchte ich bitte deine Einschätzung«, sagte sie und schob Pia den Teller mit Pias Ankunftsplätzchen zu.

Unter den Augen der Erwachsenen nahm Pia einen Keks und biss hinein. Sie wusste, dass die Preisrichter bei Wettbewerben es auch so machten. Oma Maple hatte es ihr erzählt. Seit vier Jahren belegte die Großmutter den ersten Platz für die besten Plätzchen in ganz Kalifornien.

»Angenehm knusprig mit einer zurückhaltenden Schokoladennote und einem erstaunlichen Popcorngeschmack, der im Abgang von einer dezenten Marshmallowsüße abgelöst wird«, machte Pia die Richter nach. Oma Maple und ihre Eltern prusteten los.

Die folgende Stunde verging wie im Flug. Gemeinsam genossen sie die Krümelköstlichkeiten und berichteten Oma Maple von ihrer Reise. Dann stand Harry Booker vor der Tür, jener Hausbesitzer, der sie nach San Francisco gerufen hatte.

»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, dass Sie gekommen sind!«, bekundete er förmlich und reichte jedem die Hand. Zum Schluss hielt er die von Oma Maple fest und zwinkerte ihr zu: »Das habe ich alles Ihnen zu verdanken, verehrte Maple!«

Pia musterte den rundlichen Mann. Er hatte etwas Altmodisches an sich, was lustig wirkte. Um seinen Bauch spannte sich eine karierte Weste und seine Hose war mit kantigen Bügelfalten versehen. Seine Wangen erinnerten an rote Äpfel, der Schnauzer über seiner Lippe an ein Walross. Weiter kam Pia in ihren Betrachtungen nicht, denn ihre Mutter stieß sie unter dem Tisch an und grinste. »Ich glaub, da ist jemand verknallt – aber richtig!«

Pia zuckte zusammen. Erst im nächsten Moment wurde ihr klar, dass ihre Mutter ausnahmsweise mal deutsch mit ihr gesprochen hatte.

»Oh, Mann, Ma!«, zischte sie. »Hör auf!«

»Na …« Harry Booker rieb sich die Hände. »Ich denke mal, Sie sind rechtschaffen müde und wollen jetzt gerne Ihre Unterkunft beziehen.«

»Ja, das wäre tatsächlich prima«, bestätigte Allison. »Bei uns in Deutschland ist es ja schon nach Mitternacht.«

Tatsächlich spürte auch Pia die Müdigkeit in ihren Knochen. Sie verbreitete eine angenehme Schwere.

»Kommt mich morgen besuchen, ja?!«, rief Oma Maple ihnen nach.