Pipina der Naivling - Helen Haaf - E-Book

Pipina der Naivling E-Book

Helen Haaf

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2012
Beschreibung

<< Im Bahnhof herrschte emsiges Treiben,‭ ‬Züge kamen und fuhren wieder ab,‭ ‬Leute redeten durcheinander,‭ ‬Züge pfiffen in grellen Tönen und als Krönung in diesem Chaos,‭ ‬kamen schrille Informationen durch die Lautsprecher,‭ ‬von denen wir natürlich nichts verstanden.‭ ‬Es amüsierte uns trotzdem.‭ ‬Mich erinnerte es an einen schwarz-weißen Film mit Ingrid Bergmann und Humphrey Bogart,‭ ‬irgendwo im Orient gedreht.‭ ‬Ich kam mir selbst vor wie eine Komparse:‭ "‬Kamera fertig‭! ‬Zug aussteigen,‭ ‬Zug einsteigen‭"‬,‭ ‬knips,‭ ‬knips,‭ ‬fertig war der Film. Leider muss ich gestehen,‭ ‬dass ich so etwas wie hier noch nicht in Natura gesehen hatte.‭ ‬Trotz der vielen Menschen um mich herum,‭ ‬fühlte ich mich allein in der großen Halle des Stuttgarter Bahnhofs und wartete darauf,‭ ‬dass was Großes auf mich zukommen wird.‭ ‬Aber es war doch richtig,‭ ‬mich von Zuhause abzunabeln und endlich etwas von der großen weiten Welt zu sehen.‭ ‬Wenn meine Freundinnen in Griechenland wüssten,‭ ‬wie schön es hier ist,‭ ‬sie würden vor Neid platzen.‭ ‬Mein Blick wanderte noch einmal über die vielen fahrenden Züge,‭ "‬wau,‭ ‬alles elektrisch,‭ ‬wirklich keine Kohle oder Dampf‭"‬,‭ ‬ich träumte in wachem Zustand.‭ ‬Eine Frauenstimme in meiner Landessprache holte mich in die Wirklichkeit zurück "Hallo sie da,‭ ‬gehören Sie mit zu der Gruppe‭?"‬>> Pipinas Geschichte ist köstlich-frech geschrieben,‭ ‬mit sprühendem Witz und Naivität. Erlebnisse einer Gastarbeiterin von‭ ‬1960‭ ‬in Deutschland,‭ ‬die weder mit der Sprache vertraut war,‭ ‬noch mit den Bräuchen und Sitten des Landes. Im wachen Zustand träumte sie bei der Arbeit wie sie mit ihrem Esel in die Weinberge ihres Großvaters ritt.‭ ‬Das war ihre heile Welt. Bereits bei ihrer Ankunft im Stuttgarter Bahnhof, erlebt Pipina lustige Abenteuer, die sich bei der Arbeit, bei ihren neuen Freundinnen und bei ihrer neuen Liebe fortsetzen. Pipina tritt dabei ständig in neue Fettnäpfchen.

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Helen Haaf

PIPINA DER NAIVLING

Pipinas Geschichte ist köstlich-frech geschrieben, mit sprühendem Witz und Naivität.

Erlebnisse einer Gastarbeiterin von 1960 in Deutschland, die weder mit der Sprache vertraut war, noch mit den Bräuchen und Sitten des Landes.

Imprint

PIPINA DER NAIVLING

Helen Haaf

published by: epubli GmbH, Berlin,

www.epubli.de

Copyright: © 2012 Helen Haaf

ISBN 978-3-8442-2306-4

Inhalt

Umschlag

Titel

Imprint

Prolog

Pipinas Geburt

Pipinas Auswanderung

Vom Heimweh geplagt

Pipina die Friseuse

Die Bekanntschaft mit Fritz

Mein erster Ausflug mit Fritz

Der Teppichklopfer

Heureka im Klo

Ein Herz und eine Seele

Fritz und die Mähdrescher

Ende

Prolog

Jeder Mensch weiß, dass Griechenland geografisch gesehen ein Teil Europas ist, aber nicht alle wissen, dass dort noch immer orientalische Sitten und Gebräuche herrschen.

Dieses wunderschöne Land der Philosophen wie Aristoteles und Sokrates oder Alexander des Großen, der einst mit seiner makedonischen Phalanx von Griechenland “ratzi putzi” bis nach Persien alles in Schutt und Asche legte, waren Griechenlands Idole und wurden von allen Griechen geehrt und geliebt. Jeder Grieche hätte damals den letzten Blutstropfen für sein Land gegeben und die Mutter Erde mit seinem Leib beschützt.

Alle diese großen ehrenwerte Leute, die ich erwähnt und namentlich aufgeführt habe, waren die Pioniere jener Kultur, die vor über 3.000 Jahren dieser Welt reichlich Weisheiten bescherten und auch das Fürchten lehrten.

Jeder weiß, dass die Griechen äußerst geistreich und äußerst gastfreundlich sind.

Jeder weiß, dass die Griechen das herzlichste Volk der Welt sind.

Jeder weiß, dass die Griechen Besserwisser sind, und deswegen brauchen sie ihre Gehirnzellen nicht mehr erweitern und mit unnötigen Studien plagen.

Ihnen wird nämlich alles Wissen gleich mit in die Wiege gelegt.

Weisheit, Mut, Herzlichkeit, Raffinesse, Intelligenz, Schlauheit und vieles mehr. Kurz um, den ganzen Kram der Wissenschaft beherrschen alle noch, bevor sie auf diese Welt kommen.

Denken Sie an Herkules, der als Baby in der Wiege die Schlangen erwürgte.

Die wunderbaren Griechen sind aber auch die größten Chaoten dieser Welt. Diese wunderbare Gabe hat der liebe Gott ihnen auch reichlich in die Wiege gelegt.

Um dieses Chaos in diesem paradiesischen Land verstehen zu können, müssten Sie, lieber Leser, eigentlich einige Zeit in Griechenland verbringen. Sie brauchen gar nicht lange dort zu bleiben. In nur kurzer Zeit werden sie diese Chaoten kennen lernen, sie lieb gewinnen und voll akzeptieren. Ohne es zu merken, haben sie sich dann so akklimatisiert und im Nu sind sie entweder auch ein Chaot oder sie landen in der Klapsmühle. Dieses wunderbare Land gebar nicht nur in alten Zeiten Gelehrte und Weise, sondern auch in jüngster Zeit hoch mächtige Männer. Na, strengen Sie mal ihr Köpfchen an und machen Sie mal eine geistige Reise von Griechenland bis nach Amerika, entweder mit der Yacht von Onassis oder mit der Niarchos-Flotte.

Wenn sie in Amerika, dem Land der Träume, landen, was glauben sie wohl von wem Sie mit großen Hallo empfangen werden? Na, wissen Sie nicht? Dann werde ich Ihnen etwas nachhelfen.

Von Herrn Dukakis nämlich, dem großen Mann, der einst in Amerika herrschen wollte. Wohlgemerkt, er ist auch ein Grieche, sage ich doch die ganze Zeit.

Wenn ich zurück blicke und mir den Wahlkampf des Herrn Dukakis, den ich täglich in der Glotze verfolgte, vor meinem geistigen Auge zurückhole, war ich jedes mal mega traurig, dass er diese Wahl nicht gewonnen hatte und damit alle meine Träume zerbrochen waren. Das waren harte Zeiten für mich. Stundenlang glotzte ich in den Fernseher und drückte meinem ehrenwerten Landsmann beide Daumen und schrie vor der Mattscheibe lauthals mit geballten Fäusten, um seinem Gegner Angst einzujagen.

“Auf Kerle, zeig ihm wer du bist und vor allem vergiss nicht, dass du ein echter Grieche bist! Auf, weiter so und mach deinen Gegner mit deiner Rhetorik k.o.”, rief ich lauthals, als ich wieder einmal seinen endlosen, geistreichen Reden atemlos lauschte. Ich schrie so laut, dass mein seelenruhig auf dem Sofa schlafender Mann erschrocken aufwachte. Sein glasiger Blick streifte durch den Raum. Er sah aber keinen Schurken, der mir Gewalt antun wollte. Alles, außer mir, war still im Raum samt Möbeln. Sein Blick erfasste mich dicht vor der Mattscheibe. Mit meinem entzückenden Rücken versperrte ich ihm die Sicht auf den Bildschirm und wie ein Geißbock rauf und runter hüpfend, schrie ich noch immer lauthals. “Gibst ihm, auf weiter so.” Mein lieber Gatte zweifelte an meinem Verstand und überlegte, ob er gleich den Sanka samt Zwangsjacke bestellen sollte. Unterließ es dann aber, als er mich ansprach und merkte, dass es doch nicht so schlimm war und ich noch alle Tassen im Schrank hatte. Ich war noch nicht reif genug für die Klapsmühle. Er schaute mich unverständlich an und bemerkte:

“Sag mal, seit wann interessierst du dich für Boxkampf? Soviel ich weiß hattest du in all den Jahren keinen Bock auf diesen Sport?”

Wohlgemerkt mit mir spricht mein Mann immer in der deutschen Amtssprache, korrekt und hochdeutsch. Er ist nämlich aus dem Schwabenländle. „Du sollst ja nur Hochdeutsch lernen, damit mich auch die Leute gut verstehen“, belehrte er mich dauernd, wenn er an manchen Tagen so gut wie gar nichts verstand, was aus meinen hellenischen Lippen heraussprudelte.

Ich drehte mich um und sah ihn ebenfalls unverständlich an, da er mich grundlos störte und gab ihm korrekt in die deutsche Amtssprache zurück:

“Hörmal, du störender Parasit, das ist kein Boxkampf sondern eine Kampfwahl.”

“Wahlkampf”, korrigierte er mich und nahm wieder seinen gewohnten Platz auf dem Sofa ein und fiel gleich in schnarchendes Dösen.

Als ich mich dem Fernsehen wieder zuwendete, war der große Mann aus Amerika weg. Auf und davon.

Ich schaltete den Apparat aus und legte mich auf das zweite Sofa.

Im Geiste sah ich Herrn Dukakis als jubelnden Sieger und begab mich gleich im wachen Zustand in glückselige Träume.

Wir Griechen werden diese Welt doch noch einmal beherrschen, stellte ich fest.

Nein, ich bin nicht Nostradamus, auch nicht das Orakel von Delphi, aber ich weiß das gewiss. Die mageren Zeiten der Griechen sind nämlich vorbei, jetzt sind wir an der Reihe und mit erhobenem Finger zeigen wir, was für Pfundskerle wir Griechen sind.

Nehmen wir an, Sie wollen nicht mit der Niarchos Flotte von Griechenland nach Amerika fahren, sondern mit der Olympic Airways fliegen. Dann machen Sie bitteschön über den Alpen eine Zwischenlandung in das gelobte Schwabenländle und kommen mal bei mir vorbei. Nur so, auf einen Kaffee, um dann wieder das Weite zu suchen. Ich wohne nämlich im Schwarzwald, umgeben von noch gesunden hohen Tannen. Laufen sie immer den geraden Weg entlang, bis zu dem großen See. Hinter den zwei großen weißen Birken liegt ein putziges, weiß gestrichenes Hexenhäuschen. Aber bitte keine Umwege gehen, es besteht nämlich die Gefahr, dass ein wutentbrannter Grieche, im Lendenschurz, aus dem Schwarzwald zwischen den hohen Tannen herausspringt und ihnen mit seinem Holzspeer, von bester Qualität, den Garaus macht, falls er vorher Pipinas Geschichte gelesen hat.

Jeder kennt mich hier im Schwabenländle, klein und groß. Jedes mal, wenn ich in Stimmung bin und mein “heiß geliebtes” Schwabenlied singe, meint jeder, der an meiner Haustür vorbei geht den Sirenengesang der Odyssee herauszuhören. Und wenn ich auch noch zur zweiten Strophe gelange, die wunderbar aus meinem Halse sprudelt, höre ich den tosenden Beifall der Zaungäste, der mich sehr glücklich macht.

Im Falle, dass Sie dieses berühmte Lied noch nicht gehört haben, werde ich Ihnen die zweite Strophe vorsingen:

“Wo jeder zweite Fritzle heißt

Und über hohen Balken scheißt,

Wo taube Sau, leck mich am Ar…

In keinem Wort darf fehlen,

O! Schwabenland, gelobtes Land

Wie wunderbar bist du,

und wenn ich endlich fertig bin.

Dann schnappt mein A.....loch zu.”

Wie ich schon sagte, jeder kennt mich hier im Schwabenland, denn der liebe Herrgott hat mir reichlich Intelligenz und gleichzeitig reichlich Naivität beschenkt, so dass ich die Leute wie ein Magnet anziehe und oft ungewollt mitten ins Fettnäpfchen tappe und die Scheiße auch noch schön umrühre.

Sicher glaubte Gott nicht, dass ich in meiner Naivität im Stande wäre, solche tollen Sachen fertig zu bringen. Selbst mein lieber Ehegemahl hat es aufgegeben, mich dauernd zu ermahnen, denn er ist der Meinung, dass ich ein hoffnungsloser Fall bin. Über soviel Naivität kann man nicht diskutieren.

“Bleib wie du bist Pipina, es hat keinen Zweck dich weiter zu belehren”, muntert er mich auf.

In meinem Innersten spüre ich deshalb große Erleichterung und danke Gott von ganzem Herzen, dass er mich mit allem so reich beschenkt hat.

Abends bin ich aber doch manchmal im Zweifel ob ich mich darüber freuen oder doch schämen muss. Dann schließe ich meine Äuglein und falle in glückselige Träume.

Nacht für Nacht erscheinen mir im Traum die alten Philosophen meines Landes, wenn ich ratlos bin. Am schlimmsten plagt mich Platons Erscheinung, im weißen Gewand und breiter blauer Schärpe verfolgt er mich durch die Straßen von Athen. Ich lasse mich müde, vor der Säule der Stoa, wo er seinerzeit lehrte und Vorträge hielt, auf einem Marmorstein nieder, um auszuruhen. Dann setzt sich der Philosoph direkt mir gegenüber hin und durchdringt mich mit seinem stechenden Blick. Eine Gänsehaut überzieht meinen ganzen Körper, während ich von ihm über dieses und jenes belehrt werde.

Nach meinem Aufwachen, schwirren seine hochgelehrten Worte durch meinen kleinen Kopf mit seinen großen Hirnzellen. Vor allem hat sich die Mahnung dort festgesetzt:

“Pipina, vergiss niemals, dass du eine Griechin bist. Du bist ein Sprössling der großen Philosophen, es ist Zeit aus deiner Langschläferei aufzuwachen. Du bist das Genie des Jahrhunderts. Aufwachen, aufstehen und schreib. Schreib, bist du umfällst, es wird sich lohnen. Schreib was dir einfällt. Es ist egal, was du schreibst, Hauptsache du schreibst. Du kannst es. Oh, sogar sehr gut. Die Leute wollen dich endlich kennen lernen, deine Geschichte lesen, die Geschichte machen wird. Du, nur du, wirst einen Bestseller herausbringen, der weltweit bekannt wird, von Japan bis nach Alaska, von Australien bis nach Amerika, also rund herum in der ganzen Welt.”

So lieber Leser, Sie wissen nun um was es geht. Vielen Dank für ihr Verständnis, das Sie für mich und meinen Bestseller aufbringen, den ich Tag und Nacht in der Woche schreibe. Aber nur unter der Woche. “Sonntags nie”.

Was? Sie beschweren sich über meinen lang gezogenen Prolog, ich soll endlich mit meinen Geschichten anfangen? Jawohl, Sie haben Recht. Aber wie wäre das, wenn sie in Pipinas Geschichten hineinstürzen, ohne etwas über ihre Vorfahren zu erfahren?

Noch ein klein wenig Geduld, gleich bin ich soweit. Ich erzähle Ihnen nur noch kurz etwas von meinem weisen Ahnen und dann ist Schluss. Sie wissen, welche ich meine, alle diese Leute, die vor Christus Geburt lebten.

Es war nämlich so. Die alten Hellenen brachten das Licht auf die Welt. Das große Licht, das über die Hellenen (so heißen die Griechen in ihrer eigenen Sprache) immer in großer Helle strahlt. So entschlossen sich die weisen Hellenen die wunderbare Philosophie nicht nur für sich zu behalten, sondern auf dem ganzen Planeten zu verbreiten. Man lehrt doch heute noch in den höheren Schulen die Kreise des Pythagoras, die Weisheit von Aristoteles, das spartanische Leben der Griechen, die Rhetorik von Sokrates und noch viel mehr anderen Gelehrten.

Von diesen großartigen Hellenen, die wirklich das Licht auf die Welt brachten und leider vergaßen etwas für sich und für die heutige Zeit zu behalten. Von diesen großartigen Leuten stamme ich ab. Ich die Pipina, ein einmaliges Exemplar mit einem wunderschönen Namen, und ich bin stolz darauf. Ich sagte ja bereits, ich spross aus dem philosophischen Samen, voll entwickelt in Kleinformat mit großen Hirnzellen. Ich bin stolz darauf, eine Griechin zu sein, eine stolze Hellenin mit Leib und Seele. Ein echter Nachkomme der Philosophen. Meine Vorfahren bescherten mir in der Wiege noch reichlich Weisheit, als ich mit kniffligen Augen auf dieser wunderbaren friedlichen, heilen Welt das erste Lichtlein erblickte. So entschloss ich mich, dieser Weisheit, die seit über fünf Jahrzehnten in meinem Kopf schwirrt und mich sehr quält, freien Lauf zu geben, um zu beweisen, dass wir Griechen immer noch das intellektuellste Volk der Welt sind.

Pipinas Geburt

Es war einmal ein hübsches Bergdorf im mazedonischen Ländchen in Griechenland. Das Land des meist gefürchteten Kämpfers aller Zeiten, das Land Alexander des Großen. In diesem friedlichen und reizvollen Dorf, wo die Bäche bei Tag und Nacht wild rauschen und nachts über das ganze Dorf die Dunkelheit ihren Mantel ausbreitet. In dieser stillen Nacht, wo außer dem Rauschen der Bäche, dem Knurren der Hunde, dem Geschnatter der Enten und Gänsen und den Geschossen der Partisanen, die eifrig dabei waren, das Land von den meist gehassten Besatzern, den Deutschen, zu befreien. Den gehassten, weil sie dauernd Schokolade aßen, ohne uns etwas abzugeben.

Wir beobachteten sie gierig und bei jedem Biss, den sie machten, bissen wir unsere Zähne so fest zusammen, bis unsere Kiefer krumm wurden. Aber diese wunderbaren Söhne aus deutscher Erde beachteten uns nicht und hatten kein Erbarmen, wie einst unsere Freunde, die Engländer oder die Italiener, die uns wenigstens die übrig gebliebenen Krümelchen abgaben und die mit unseren strammen Weibern sogar Leib und Seele teilten.

In so einer friedlichen Nacht, liebe Leute, bevor der Kirchturm 12 mal geschlagen hatte, erblickte ich Pipina, als zweite Tochter eines Gastwirt-Paares, nach Erzählungen meiner Eltern und Großeltern irgendwann im Frühjahr 1940 oder 1941, zwischen der letzten Stufe der Treppe und der Schlafzimmertür eines einstöckigen Einfamilienhauses, das Licht dieser friedvollen Welt.

Als ich, das Genie des Jahrhunderts, herausschlüpfte, übertönte mein freudiges Geschrei sogar das Gegackere der Hühner, die unruhig in ihren geräumigen Hühnerstall liefen, um Schutz vor den streunenden Füchsen zu suchen, die Abend für Abend im tief schlafenden Dorf ihre Mahlzeiten suchten und manches vor Angst zitternde Huhn erbarmungslos mit sich schleppten, als Vorratsmahlzeit für den nächsten Tag.

Also, wie ich bereits erwähnte, schliefen fast alle Bewohner in dieser stillen Nacht in seliger Ruhe, bis auf einige Saufbrüder, die sich schon seit frühmorgens immer noch im Wirtshaus meines ehrenwerten Vaters aufhielten, das Wirtshaus nicht verlassen wollten und ihm nicht erlaubten nach Hause zu gehen, um seinen wohlverdienten Feierabend zu genießen. Als mein Vater sie nachhaltig darum bat, sich auf den Weg zu machen und zu ihren vertrauten Familien heimzukehren, und sie sich immer noch sträubten, verlor er die Geduld und entschloss sich diese friedenstörenden Gestalten alle mit sanfter Gewalt, also mit einem Kehrbesen, auf die Straße zu fegen, um dann hocherfreut zu seinem vor Gott angetrautem Weib nach Hause zu gehen und sich auszuruhen.

Ich sagte schon bereits, es war sehr still als mein Vater das Haus betrat und seine von ihm geschwängerte Frau auf der Treppe liegen sah, mit weit aufgerissenen, an die Decke starrenden Augen. Großmutter war unterwegs die Hebamme zu holen für die wunderbare Schwiegertochter, die sie X-mal am Tage verfluchte und die ebenfalls zurück fluchte. Dieses nette junge Wesen. Die Schwiegertochter stand nämlich ihrem lieben Gatten bei Tag und Nacht zur Seite und schuftete mit ihm im bitteren Kampf des Lebens. So lernte sie auch von ihm das Handwerk des Rausschmeißers, ohne eine Prüfung abzulegen und wenn es zu Notsituationen kam, half sie ihm bei der Säuberung des Wirtshauses.

Kurz und bündig, um diese wunderbare Frau bangte Großmutter und so entfernte sie sich mit eiligen Schritten, ohne sich weiter um die Schwangere zu kümmern, um von draußen Hilfe zu holen.

Sie hüllte sich in das Hirtencape meines Großvaters, band sich ihr rotkariertes mit langen Fransen versehenes Kopftuch fest um den Kopf, schlang die Enden des Tuches um den Hals und band sie im Nacken fest. So hoffte sie mit dem festgebundenen Kopftuch nicht die Geschosse der Partisanen zu höheren.

Die gute Samariterin lief eifrig zu der Hebamme, um sie zu ihrer heiß geliebten Schwiegertochter zu bringen und sie von dem kleinen Bengel zu befreien, der seit über neun Monaten im Leibe seiner Mutter Fußball spielte.

Die Hochschwangere bemerkte ihre ersten Wehen in der Wirtschaft ihres Mannes, als sie am Herd stand um die Gulaschsuppe für die Ehrensäufer zu kochen. Erst als die Wehen zu stark kamen, vertraute sie es ihrem Mann an, dass der liebe Gott ihr befohlen hatte, noch heute ihr Osterkindlein auf die Welt zu bringen. So hievte der liebe Mann seine Frau auf den Rücken des Esels, gab dem erstaunten Esel einen Tritt ins Hinterteil und das Grautier jagte mit der Frau bis zum Eingang ihres Hauses.

Die Großmutter, die schnarchend in ihrem Bett lag, erwachte durch das IA IA des Esels, eilte an die Tür und erfasste sofort die Situation. Riss, wie schon gesagt, Großvaters Hirtencape von dem krummgebogenen Nagel der als Garderobe in der Diele diente, warf es sich um die Schultern und verschwand in der Stille der Nacht. Das struppige Cape aus Ziegenwolle mit Schweineborsten als Beimischung gewebt, reichte bis an Großmutters Knöchel und verdeckte den knielangen Liebestöter, der sie vor den gierigen Blicken der Fledermäuse schützen sollte, die überall während der Nacht umher schwirrten. So verkleidet, machte sie sich auf den Weg zur Hebamme.