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Die Sterne stehen auf Mord: Der humorvolle Kriminalroman »Planetenpolka« von Lotte Minck jetzt als eBook bei dotbooks. Ein total verrückter Todesfall – und eine Ermittlerin, die vieles ist, nur nicht alltäglich! »Ausgerechnet das auch noch«, denkt der Bochumer Polizeikommissar Arno Tillikowski, als die Astrologin Stella Albrecht in sein Büro hereinschneit und ihm eine reichlich hanebüchene Geschichte auftischt: Das plötzliche Ableben der schwerreichen Cäcilie von Breidenbach soll mit den Sternen in Zusammenhang stehen! Auch wenn die hübsche Sterndeuterin handfeste Indizien für ihre Theorie hat, kann sich Tillikowski nur schwer durchringen, ihr zu glauben. Doch Stellas Ermittlungsmethoden sind so unorthodox wie effektiv, und als sie eine wichtige Spur nach der anderen findet, wird sein Ehrgeiz geweckt … Nach der Erfolgsserie um Loretta Luchs trumpft Lotte Minck in ihrer Reihe um Vollzeit-Astrologin und Hobby-Detektivin Stella Albrecht abermals auf – mit schrägen Szenarien, einer liebenswürdigen Ermittlerin und ihrem unverwechselbaren Humor! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der schwungvolle Ruhrpott-Krimi »Planetenpolka« von Lotte Minck – der Auftakt ihrer Reihe um Hobbyermittlerin Stella Albrecht und Polizeikommissar Arno Tillikowski, bei der alle Bände unabhängig voneinander gelesen werden können. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 347
Über dieses Buch:
Ein total verrückter Todesfall – und eine Ermittlerin, die vieles ist, nur nicht alltäglich! »Ausgerechnet das auch noch«, denkt der Bochumer Polizeikommissar Arno Tillikowski, als die Astrologin Stella Albrecht in sein Büro hereinschneit und ihm eine reichlich hanebüchene Geschichte auftischt: Das plötzliche Ableben der schwerreichen Cäcilie von Breidenbach soll mit den Sternen in Zusammenhang stehen! Auch wenn die hübsche Sterndeuterin handfeste Indizien für ihre Theorie hat, kann sich Tillikowski nur schwer durchringen, ihr zu glauben. Doch Stellas Ermittlungsmethoden sind so unorthodox wie effektiv, und als sie eine wichtige Spur nach der anderen findet, wird sein Ehrgeiz geweckt …
Nach der Erfolgsserie um Loretta Luchs trumpft Lotte Minck in ihrer Reihe um Vollzeit-Astrologin und Hobby-Detektivin Stella Albrecht abermals auf – mit schrägen Szenarien, einer liebenswürdigen Ermittlerin und ihrem unverwechselbaren Humor!
Über die Autorin:
Lotte Minck, auch bekannt als Stella Conrad oder Frau Keller vom Duo Auerbach und Keller, ist das Pseudonym der Autorin Brenda Stumpf. Sie hat viele Jahre im Ruhrgebiet gelebt, wo sie Popstars bekocht, Events organisiert und in einer Schauspielagentur Termine jongliert hat. Ihre humorvollen Krimis um Stella Albrecht sind eine Liebeserklärung an das Ruhrgebiet, seine Menschen und ihre liebenswerten Eigenheiten.
Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre Reihe um Hobbyermittlerin Stella Albrecht und Polizeikommissar Arno Tillikowski: »Planetenpolka«, »Venuswalzer« und »Sonne, Mord und Sterne«.
Unter dem Pseudonym Stella Conrad veröffentlichte die Autorin bei dotbooks bereits ihre Romane »Die Küchenfee«, »Das Glück der Küchenfee«, »Die Tortenkönigin«, »Die Glücksträumerin«, »Der Feind an meinem Tisch« und »Die Glücksköchin« als eBooks.
Als Print-Ausgabe ist von Stella Conrad bei dotbooks »Die Tortenkönigin« erschienen.
Die Website der Autorin: www.roman-manufaktur.de/
Die Autorin auf Instagram: www.instagram.com/romanmanufaktur/
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Aktualisierte eBook-Neuausgabe August 2022
Copyright © der Originalausgabe 2018 bei Droste Verlag GmbH, Düsseldorf
Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: © HildenDesign unter Verwendung einer Illustration von Ommo Wille, Berlin
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)
ISBN 978-3-98690-249-0
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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags
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Lotte Minck
Planetenpolka
Ein Ruhrpott-Krimi mit Stella Albrecht
dotbooks.
Für Monika
Ohne Deine Fantasie, Deine wunderbaren Ideen
und Dein großes Fachwissen würde es
Stella und ihr Universum (!) nicht geben.
Vielen Dank.
Arno Tillikowski langweilte sich.
Es war sein erster Arbeitstag nach längerer Auszeit. Bei seinem letzten Einsatz hatte er sich einen komplizierten Beinbruch zugezogen. Krankenhaus, endlos lange Reha – jetzt war er voller Tatendrang. Aber alles, was er heute zu tun hatte, war, sich in die Akten laufender Ermittlungen einzulesen. Seine Kollegen waren anderweitig beschäftigt.
»Nimm dir erst einmal ein paar Tage, um wieder richtig anzukommen, Arno«, hatte es geheißen, und jetzt blätterte er schon seit einer gefühlten Ewigkeit durch dieses stinklangweilige Zeug.
Als das Telefon klingelte, fiel er vor Schreck fast vom Stuhl, aber es weckte seine Lebensgeister. Noch fünf Minuten und er hätte tief geschlafen, garantiert. Bestimmt wäre sein Kopf ungebremst auf die Schreibtischplatte geknallt.
»Tillikowski.«
Es war die Pforte. »Arno, haste gerade Zeit? Hier ist jemand, der dich sprechen möchte.«
»Mich?«
»Na ja, nicht dich persönlich, aber wen vom Morddezernat, hat sie gesacht.«
»Sie? Wer ist es denn?«
Er hörte Gemurmel, dann: »Eine Stella Albrecht.«
»Aha. Worum geht es?«
Der Mann am Telefon seufzte, und garantiert rollte er mit den Augen. Dessen war Arno sich sicher.
»Warum fraachse sie dat nicht selbst, Arno? Du fraachs mich, dann fraach ich sie, dann sach ich dir, wat sie gesacht hat, dann stellste die nächste Frage … Dat ist doch dämlich. Worum soll et schon gehen, wenn sie wen vom Morddezernat sprechen will? Also, wat ist jetz: Haste Zeit für Frau Albrecht?«
Alles war besser als noch mehr Langeweile, entschied Arno. Außerdem schneite ihm ja vielleicht ein spektakulärer Fall ins Büro, man konnte nie wissen. Dann würde er endlich wieder auf die Jagd gehen, und nichts wünschte er sich mehr.
»Schick sie rauf«, sagte er.
Die junge Frau, die einige Minuten später sein Büro betrat, erfüllte genau sein Beuteschema, wie Arno erfreut feststellte. Nicht, dass er diese Formulierung jemals vor Zeugen gebraucht hätte, aber so ganz für sich erlaubte er sich diesen machohaften Gedanken. Sie war klein, schmal, blond und leger gekleidet. Er mochte Frauen in lässigen Jeans und Wildlederjacke. Arno schätzte sie auf Anfang dreißig, damit wäre sie ein paar Jahre jünger als er selbst. Ihr Händedruck war fest. Er stellte sich vor, sie nannte ihren Namen. Sie trug keinen Ehering. Ihr Pferdeschwanz wippte, als sie sich setzte. Sie war auf diese unaufdringliche Art und Weise attraktiv, die ohne Schminke auskam.
»Frau Albrecht«, sagte Arno mit der vertrauenerweckendsten, männlichsten Stimme, zu der er imstande war, »was kann ich für Sie tun?«
»Es geht um einen Todesfall, der mir reichlich dubios erscheint«, erwiderte sie.
Arno Tillikowski jubilierte innerlich. Ein fragwürdiger Todesfall und eine attraktive Frau – besser könnte der Tag kaum werden.
Bereits wenige weitere Minuten später fragte er sich, warum die Bekloppten eigentlich immer bei ihm landeten, aber auch wirklich immer. Warum bloß hatte er das Telefon nicht klingeln lassen? Warum trugen diese Verrückten nicht einfach einen Aluhut und ein Schild um den Hals, auf dem ›Ich bin total gaga‹ stand? Oder, wie in ihrem Fall: ›Ich bin Astrologin‹?
Dann könnte man rechtzeitig in Deckung gehen. Aber nun war es zu spät, er saß in der Falle. Er starrte auf das Blatt Papier, das sie auf seinen Schreibtisch gelegt hatte und das – beziehungsweise die Grafik darauf – ihre Mordtheorie angeblich belegte.
Arno wusste, was das war: ein Horoskop. Er wusste es deshalb, weil seine letzte Freundin ihm zu Beginn ihrer vielversprechenden Beziehung mal so etwas geschenkt hatte, samt seiner Persönlichkeitsanalyse; ein knappes Jahr war das jetzt her. Er hatte schallend gelacht und sie gefragt, ob sie ernsthaft an einen derartigen Mumpitz glaubte, das könne doch wohl nicht ihr Ernst sein. Das hatte gereicht, um das zarte Pflänzchen ihrer jungen Liebe schlagartig verdorren zu lassen. Tatsache war: Arno war auf diesen Astrologie-Quatsch nicht gut zu sprechen.
»Sagen Sie mal – hören Sie mir überhaupt zu?«, fragte die Frau vor seinem Schreibtisch pikiert.
»Ich … äh … selbstverständlich«, stotterte Arno, der natürlich keineswegs aufmerksam zugehört hatte und sich lediglich an Bruchstücke erinnerte.
»Sie wirken aber leicht abwesend.«
Arno fühlte sich ertappt – zu Recht. Er setzte sich sehr aufrecht hin und straffte die Schultern, um Kompetenz und Interesse auszustrahlen. Für irgendwas musste dieses Körpersprache-Seminar ja gut gewesen sein, also konnte er das Gelernte auch gleich mal ausprobieren.
Bei ihrem Monolog war es um den Tod dieser alten, schwerreichen Firmenchefin gegangen, das wusste er noch. Und sie hatte eingangs gesagt, dass es einen dubiosen Todesfall gab. Er zählte eins und eins zusammen.
»Also noch einmal: Sie sind der Meinung, dass Cäcilie von Breidenbach ermordet wurde, habe ich das richtig verstanden?« Als sie nickte, fuhr er fort: »Und der Beweis dafür steht Ihrer Meinung nach in diesem Horoskop?«
»Verstehen Sie denn nicht? Es geht um das Erbe! Und die Erben können sagen: Ist doch klar, dass sie gestorben ist, schließlich gab es an diesem Tag eine Mars-Pluto-Konjunktion.«
Arno Tillikowski wusste nicht, ob er lachen oder wütend werden sollte, aber ganz allmählich verlor er die Geduld. So eine hübsche Frau – und so verdreht. Eine Schande.
»Hören Sie, Frau Albrecht, keine Staatsanwaltschaft der Welt kauft mir diese Argumentation ab, um es vorsichtig zu formulieren. Wenn ich denen damit um die Ecke komme, mache ich demnächst nächtliche Verkehrskontrollen an einsamen Landstraßen.« Das war natürlich vollkommener Blödsinn, aber Arno fand es witzig.
Sein Gegenüber allerdings nicht, das war ihrem Gesicht anzusehen. »Dann nehmen Sie eben Ermittlungen auf und sammeln Argumente«, sagte sie.
Arno seufzte. Die Leute waren heutzutage verdorben durch die zahllosen Krimiserien, die im Fernsehen liefen, und die von hinten bis vorne sachlich falsch waren. »Frau Albrecht, ich kann nicht einfach so Ermittlungen aufnehmen«, sagte er sanft und kam sich dabei sehr diplomatisch vor. »Ich benötige dazu einen sogenannten begründeten Verdacht. Jedenfalls einen stichhaltigeren als eine Mars-Pluto-Koalition, so leid es mir tut.«
»Konjunktion«, fauchte sie.
Oho, jetzt war sie sauer.
»Sind geldgierige, hoch verschuldete Erben in Kombination mit dem plötzlichen Tod der Erbtante etwa nicht verdächtig?«, fragte sie und sah ihn durchdringend an.
Durch ihren Blick fühlte Arno sich unbehaglich, beinahe schon provoziert. Am liebsten hätte er sie rausgeworfen, diese durchgeknallte Astrotante. Aber noch zögerte er. Was, wenn sie doch recht hatte?
»Was wissen Sie über die Erben?«, fragte er. Nicht, dass man ihm irgendwann später einmal vorwerfen konnte, er habe nicht alle Informationen eingeholt …
Was folgte, war die klassische Mischung aus Hörensagen, Gerüchten und vermeintlich hieb- und stichfesten Informationen aus einer angeblich todsicheren Quelle, die sie – und darauf hätte Arno leichten Herzens ein Jahresgehalt gewettet – natürlich nicht preisgeben wollte. Gekrönt wurde das Ganze durch eine hanebüchene Geschichte von einer Frau, die sich bei ihr unter falschem Namen ein Horoskop für die alte Dame hatte anfertigen lassen, um den genauen Zeitpunkt dieses obskuren Planetenzusammentreffens herauszufinden.
Langer Rede kurzer Sinn: Sie hatte nichts vorzuweisen, mit dem er etwas hätte anfangen können. Sie sah ihn erwartungsvoll an. Arno wusste, dass es am klügsten war, sie kurz und schmerzlos mit der Realität zu konfrontieren.
»Gut, Frau Albrecht«, sagte er, »dann danke ich Ihnen für Ihren Besuch, aber ich kann leider nichts für Sie tun.«
Er erhob sich, und sie starrte zu ihm hoch. Sie hatte wirklich schöne grüne Augen. Es war ein Jammer, dass sie sich unter diesen unglücklichen Umständen begegnet waren. Wäre es anderswo gewesen … vielleicht in einer Kneipe im Bermudadreieck … wer weiß. Aber auch dann wäre sie immer noch Astrologin gewesen, und das war und blieb für ihn ein absolutes Ausschluss-Kriterium. Das konnte einfach nicht klappen.
»Wie – das war es jetzt?«, fragte sie. Sie klang ungläubig. »Im Übrigen sollen Sie nichts für mich tun. Sie sollen den Tod der armen Frau aufklären.«
Arno schüttelte den Kopf und gab sich alle Mühe, sein Gesicht in bedauernde Falten zu ziehen. »Mir sind die Hände gebunden, so leid es mir tut. Kommen Sie wieder, wenn Sie mit Ihrer Quelle gesprochen haben. Ich muss wissen, woher die Informationen stammen, und ob sie verifizierbar sind. Bringen Sie die Quelle am besten zu mir. Dann reden wir weiter.«
Leider werde ich dann zufällig nicht in meinem Büro sein, dachte er. Soll sich doch ein anderer mit diesem Blödsinn herumärgern.
Sie stand auf, legte ihm eine Visitenkarte auf den Schreibtisch, murmelte einen Abschiedsgruß und ging.
Lange starrte Arno auf die Tür, die sie hinter sich zugezogen hatte. Er war hin- und hergerissen. Mal abgesehen von diesem Planetenquatsch war ihre Geschichte durchaus … na ja, vielleicht nicht gerade plausibel, aber sie bewegte sich im Bereich des Möglichen.
Warum sie ihm wohl ihre Visitenkarte dagelassen hatte? Ob sie wirklich allen Ernstes glaubte, er würde es sich überlegen und doch noch Ermittlungen einleiten? Eher fror die Hölle ein.
Er nahm das Kärtchen und las: Stella Albrecht – Astrologische Beratung. Außerdem eine Telefonnummer mit dem Hinweis, dass man eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen könne. Keine Adresse, interessant. Die feine Dame gab sich geheimnisvoll. Wahrscheinlich wollte sie so verhindern, dass ihr irgendwelche Leute auf die Bude rückten, ohne einen Termin mit ihr zu haben.
Weg mit dem Ding.
Arno Tillikowskis Hand schwebte schon über dem Papierkorb, als er es sich doch wieder anders überlegte und die Visitenkarten in eine Schreibtischschublade warf. Zu all den anderen, die er auch nie wieder hervorgeholt hatte. Einmal im Jahr leerte er die Lade über dem Papierkorb aus, dann hatte er wieder Platz für neue.
Er wandte sich seinem Computer zu. Es konnte ja nicht schaden, mal ein paar Recherchen vorzunehmen.
Immer noch besser, als sich wieder diese langweiligen Akten zur Brust zu nehmen.
Er tippte den Namen ›von Breidenbach‹ in die Suchmaschine ein, klickte auf den ersten Link und begann zu lesen.
Einige Wochen zuvor.
Ein einzelner Spot war auf die schmale Gestalt am Rednerpult gerichtet; der Rest des Raumes lag in Finsternis. Das überwiegend weibliche Publikum hing fasziniert an den Lippen des Redners; nur in der letzten Reihe saß eine zierliche, weißhaarige Dame, die sich immer wieder das Programmheft vors Gesicht hielt. Mehrmals wurde sie von ihren Sitznachbarinnen zischend zur Ruhe gemahnt, denn es gelang ihr nicht, ihre Heiterkeit zu unterdrücken. Wann immer ihr ein leises Kichern entfuhr, verwandelte sie es hastig in unterdrücktes Husten, was um sie herum allerdings auch nicht viel besser ankam.
Der Mann auf der Bühne trug einen asiatisch anmutenden Anzug aus dunkelgrauer Rohseide. Die Kristallknöpfe des bis zum Stehkragen geschlossenen Gehrocks funkelten bei jeder der sparsamen und sorgsam eingesetzten Gesten des Redners. Er sprach mit dunkler Stimme von der unheilverkündenden Planetenkonstellation, um die es an diesem Abend ging.
Immer wieder machte er kleine Pausen, in denen er seinen Blick eindringlich ins Publikum richtete, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen.
Der Astrologe Holger van Aalen wusste sich zu inszenieren, das musste der Neid ihm lassen.
Er hatte gerufen, und seine Gefolgschaft war zahlreich herbeigeströmt. Das war bei jedem seiner monatlichen Vorträge so. Die zweihundert Plätze des Saals in seiner Villa am Stadtpark waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft gewesen, also hatte man wegen der großen Nachfrage noch etliche Reihen Klappstühle dazugestellt. Das große Interesse verwunderte nicht, schließlich lautete das Thema: ›Mord und Totschlag – Hätte die Astrologie die Opfer retten können?‹.
»Bei sämtlichen Opfern, deren Horoskope ich für den Zeitpunkt ihres gewaltsamen Todes erstellt habe, findet sich eine Gemeinsamkeit, verehrte Damen und Herren«, verkündete van Aalen nun, wobei er seine Stimme dramatisch hob.
Hinter ihm erschien auf einer Leinwand eine Horoskopgrafik. Der Astrologe wirbelte herum und stieß mit einem dünnen Zeigestock aus Metall, den er wie ein Florett führte, auf einen Punkt im Kreis, an dem sich zwei Planetensymbole überlappten. Im Publikum herrschte atemlose Stille; nur ganz hinten im Saal war leises Husten zu hören.
Sehr langsam wandte van Aalen sich seinen Zuhörern wieder zu und rief mit donnernder Stimme: »Bei sämtlichen Opfern fand ich zum Zeitpunkt ihres Todes die Konjunktion von Mars und Pluto an markanter Stelle in ihrem Radix! Mars, der Zerstörer, und Pluto, der Herrscher der Unterwelt, begegnen sich alle zwei Jahre und bilden diese verhängnisvolle Konstellation – sie tanzen einen tödlichen Pas de deux!« Er machte eine Kunstpause und blickte ernst in sein Publikum. »Diese Kräftekombination ist immer gefährlich. Wer sie im Geburtshoroskop hat und die eigene Wut verdrängt, strahlt dennoch Aggression aus, die von anderen unterbewusst wahrgenommen wird. So kann man zum Opfer derer werden, die diese Aggressionen spiegeln. Sie leben sie stellvertretend aus, und zwar in Form von tödlicher, physischer Gewalt!«
Holger van Aalen grinste innerlich, als er das eine oder andere entsetzte Keuchen vernahm. Bewusst hatte er diesmal auf eine besonders theatralische Performance gesetzt.
Im Publikum wurde aufgeregt getuschelt. Er wartete, bis Ruhe eingekehrt war, und sagte leise, beinahe flüsternd: »Ich will Ihnen keine Angst machen. Natürlich wird nicht jeder unter dieser Konstellation eines gewaltsamen Todes sterben. Aber ich rate Ihnen zu erhöhter Vorsicht, wenn Sie von dieser Konstellation direkt betroffen sind. Man kann mit jeder Gefahr umgehen, wenn man von ihr weiß.«
Seine Klienten würden ihm die Bude einrennen, um zu erfahren, wann diese Konstellation in ihrem Horoskop auftauchte, und dann würde er sie mit Freuden – und gegen viel Geld – durch diese stürmischen Zeiten begleiten.
Natürlich würde es dann mit einer Sitzung zu diesem Thema bei Weitem nicht getan sein. Auch dachte er darüber nach, seine Preise zu erhöhen. Zwar war er bereits der teuerste Astrologe im Ruhrgebiet. Aber er hatte schließlich auch einiges zu bieten. Während sich etliche seiner Kollegen als schlichte Lebensberater präsentierten – was sowohl für ihr Äußeres als auch für ihre Räumlichkeiten galt –, bot er stilvolles, teures Ambiente und persönliche Betreuung. Er war nicht irgendein Astrologe – er war Holger van Aalen. Ein echter Guru der Szene.
Wie gesagt: Holger van Aalen wusste sich zu inszenieren. Was er nicht wusste: Er hatte jemanden im Publikum gerade auf eine Idee gebracht.
»Ehrlich – mich hat gewundert, dass er nach seiner affigen Show nicht wie der Heiland persönlich zum Himmel aufgefahren ist«, sagte Maria Schmidt und schüttelte kichernd den Kopf. Die lange Pfauenfeder, die ihren Turban zierte, wippte fröhlich. »Aber dann hätte er ja hinterher nicht so überaus leutselig durch die Schar seiner Jüngerinnen wandeln können, die am liebsten den Saum seines Gewandes geküsst hätten. Und zwar jede einzelne von ihnen. Bis auf mich natürlich.«
Sie saß zusammen mit ihrer Enkelin Stella im Wintergarten der Villa, die sie gemeinsam bewohnten.
»Interessant. Vor allem, dass gerade du als Hohepriesterin der dramatischen Inszenierung dieses Urteil über ihn fällst«, erwiderte Stella amüsiert.
Das entlockte ihrer Großmutter nur ein Achselzucken. »Das Mädchen mag zwar vom Jahrmarkt verschwinden, aber der Jahrmarkt nie gänzlich aus dem Mädchen. Einmal Gaukler, immer Gaukler. So ist es nun mal, und ich schäme mich dessen nicht. Aber ich inszeniere mich nicht als allwissender, göttlicher Guru; das ist der kleine, aber feine Unterschied. Im Gegensatz zu ihm sind mir die Menschen, die zu mir kommen, wirklich wichtig. Für ihn sind sie nur Goldesel auf zwei Beinen.«
»Ich verstehe sowieso nicht, dass du zu seinem Vortrag gegangen bist«, sagte Stella, »wenn du van Aalen doch so blöd findest.«
Maria hob das Messer, mit dem sie gerade eine großzügige Schicht Butter auf ein Croissant gestrichen hatte. »Allein das Thema hat mich gelockt. Mord und Totschlag – ich bitte dich. Hätten die Opfer gerettet werden können?« Sie hob die Brauen. »Das war dermaßen lächerlich. Aber es ist nie verkehrt, den Markt aufmerksam zu beobachten, Stella. Die Konkurrenz schläft nicht. Außerdem war es höchst amüsant.«
»Ich betrachte ihn nicht als Konkurrenten, wie oft soll ich das noch sagen? Nicht nur Bochum – das gesamte Ruhrgebiet ist groß genug für mehr als einen Astrologen, zumal er eine ganz andere Zielgruppe hat als ich. Oder als du. Apropos Zielgruppe: Darf ich erfahren, warum du dich so spektakulär aufgebrezelt hast? Für mich doch wohl nicht.«
Tatsächlich war Stellas Großmutter Maria in ihre Rolle der Wahrsagerin Madame Pythia geschlüpft: wallender Kaftan, jede Menge Klimperschmuck und ebendieser Turban mit Pfauenfeder. Das war ungewöhnlich, denn privat kleidete sie sich ganz normal.
Maria grinste spitzbübisch. »Deine Mutter wird uns gleich Gesellschaft leisten. Sie möchte mit uns reden.«
Aha, daher wehte also der Wind: Sie wollte Felicitas provozieren.
»Tatsächlich? Hast du eine Ahnung, worum es geht?«, fragte Stella.
Maria zuckte mit den Achseln. »Ich habe sie nicht gefragt. Aber rein turnusmäßig steht die Toilettendiskussion mal wieder an, meinst du nicht?«
Ehe Stella antworten konnte, betrat Felicitas Albrecht die Bildfläche, wie immer tadellos frisiert und mit Twinset und schmalem Rock so angezogen, als würde sie gleich zur Arbeit aufbrechen. Als Konrektorin einer Gesamtschule legte sie größten Wert auf ein stilvolles Äußeres und besaß nach Stellas Schätzung einige Dutzend Twinset-Varianten.
»Ihr seid noch beim Frühstück?«, fragte Felicitas nach dem Offensichtlichen und rümpfte dezent, aber unübersehbar die Nase.
»Setz dich, greif zu«, erwiderte Maria, »ein paar Pfund mehr auf den Rippen würden dir gut stehen. Du bist viel zu mager, Kind.«
Stella kicherte innerlich. Einmal Kind, immer Kind, auch wenn Maria Dank ihrer Lebhaftigkeit um so viel jünger erschien als die eigene Tochter.
Felicitas setzte sich, musterte das Gedeck auf ihrem Platz und stellte den Teller beiseite. »Ich habe mein Frühstück bereits vor Stunden zu mir genommen, wie ihr euch denken könnt. Aber ich hätte gern eine Tasse Kaffee.«
Sofort sprang Stella auf und holte die Kanne von der Anrichte, um ihrer Mutter einzuschenken.
Eigentlich schön, dass wir mal zusammensitzen, dachte sie, als sie wieder Platz nahm. Das kommt viel zu selten vor.
Obwohl sie alle drei in der Villa wohnten – jede hatte ein Geschoss für sich – verbrachten sie wenig Zeit zu dritt miteinander. Stella und Maria hatten ein enges Verhältnis, aber Felicitas blieb immer ein wenig außen vor – zu suspekt war ihr, womit die beiden ihr Geld verdienten.
»Was verschafft uns denn überhaupt die Freude deiner Anwesenheit?«, fragte Maria.
»Wie – hat deine Glaskugel dir etwa nichts dazu gesagt?«, gab Felicitas spitz zurück. »Du bist doch in Arbeitskleidung, da dachte ich ...« Geziert nippte sie an ihrer Tasse und stellte sie dann mit einem etwas zu lauten Klirren zurück auf den Unterteller. »Ich würde gern die Toilettensituation mit euch besprechen.«
Maria hatte also recht gehabt mit ihrer Prognose. Die Toilettensituation war folgende: Sowohl Maria als auch Stella hatten ihre Räumlichkeiten, in denen sie ihre jeweiligen Klienten empfingen, in einem großen Gewächshaus im Garten der Villa. Beim Umbau der Orangerie hatte man zwar die bestehende Wasserzuleitung für zwei kleine Küchen nutzen können, aber es gab dort keine sanitären Anlagen. Bei entsprechendem Bedarf benutzten die Kunden das Gäste-WC im Foyer der Villa – und in sehr seltenen Fällen kam es vor, dass sie Felicitas begegneten.
»Mir ist neulich mal wieder eine eurer Patientinnen über den Weg gelaufen«, verkündete Felicitas so vorwurfsvoll, als hätte man in ihrer Küche Kakerlaken ausgesetzt.
»Das sind keine Patienten, Mutti«, sagte Stella sanft, »sie sind unsere Klienten. Oder Klientinnen, je nachdem.«
So, wie sie guckte, war Felicitas entschieden anderer Meinung, ahnte Stella. Irgendwann einmal, als es in einem Streit um Astrologie gegangen war, hatte Felicitas gesagt, ihrer Meinung nach müsse man geistig schwer krank – oder wenigstens hochgradig instabil – sein, wenn man ernsthaft Rat bei Astrologen suche.
»Patienten, Klienten ... für mich macht das keinen Unterschied«, fauchte Felicitas. »Jedenfalls stand ich in meinem Haus plötzlich vor dieser fremden Frau. Das ist vollkommen inakzeptabel.«
»Und was weiter? War sie dir gegenüber unhöflich?«, fragte Maria.
»Nein, das nicht. Sie grüßte mich, aber das ist ja wohl das Mindeste unter einigermaßen zivilisierten Menschen. Aber wie sie mich anstarrte! Bestimmt hat sie gedacht, ich bin auch eine von euch.«
Stella lächelte. »Eine von uns, so, so. Wäre das wirklich so schlimm?«
»Wie bitte?« Felicitas schnappte hörbar nach Luft. »Immerhin habe ich einen Ruf zu verlieren. In meinem Beruf bin ich Respektsperson, da kann ich mir nicht den kleinsten Makel erlauben.«
Maria prustete los. »Welcher Makel denn? Niemand unserer Klienten kennt dich oder weiß, welchen Beruf du hast! Und selbst wenn: Denkst du etwa, sie könnten glauben, du liest deine beruflichen Entscheidungen aus meiner Glaskugel? Ich bitte dich.« Ihr Gesicht wurde ernst, und sie fuhr fort: »Außerdem ist dies unser Haus. Wenn ich meine Gäste das WC im Foyer benutzen lasse, ist das mein gutes Recht. Und dafür möchte ich mich vor dir nicht rechtfertigen müssen. Ich verlange etwas mehr Respekt, junge Dame. Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, für dich einen eigenen Eingang zu bauen, damit du unseren verrückten Patienten nicht mehr begegnen musst. Dann musst du auch mir oder deiner Tochter nicht mehr begegnen! Na, wie klingt das?«
»Respekt?«, fauchte Felicitas und sprang auf. »Sieh dich doch bitte mal an! Du läufst herum wie eine vom billigsten Tingeltangel!«
Sie stolzierte hinaus, und wenige Sekunden später knallte Marias Wohnungstür ins Schloss.
Stella seufzte. So oder ähnlich endeten beinahe alle Diskussionen zu diesem Thema. Es war Felicitas’ größter Kummer, welcher Profession sie nachgingen – und das galt ganz besonders für Stella.
Fröhlich summend zog Maria den Turban vom Kopf und stellte ihn auf den freigewordenen Korbsessel, dann fuhr sie sich mit den Fingern durch die schneeweißen Locken. »Deine verklemmte Mutter ist mal wieder auf Hundertachtzig«, stellte sie sichtlich zufrieden fest.
»Womit du dein Ziel ja erreicht hättest«, sagte Stella. »Du hast dich doch nicht ohne Grund in vollem Ornat präsentiert. Du weißt genau, wie sie darauf reagiert.«
»Das nennt man Konfrontationstherapie. Je öfter sie mich so sieht, desto eher härtet sie ab. Klassische Psychologie.«
»Das denkst auch nur du. Eigentlich solltest du deine Tochter besser kennen. Sie wird niemals aufhören, sich für uns zu schämen.«
Maria kicherte. »Und sie wird sich ewig darüber ärgern, dir den Namen Stella gegeben zu haben; das ist der beste Witz für mich. Wer, der deinen Beruf kennt, käme auf die Idee, dass deine intellektuelle Mutter dich nach einem Theaterstück von Goethe genannt hat? Beinahe jeder weiß, dass dein Name ›Stern‹ bedeutet – kann es für eine Astrologin einen passenderen Namen geben?«
Auf dem Weg zu ihrem gemütlichen Domizil im Dachgeschoss klopfte Stella spontan an der Wohnungstür ihrer Mutter, die den ersten Stock der Villa bewohnte.
Felicitas Albrecht, eine Stoffserviette in der Hand, öffnete. »Du musst nicht klopfen, wenn du zu mir willst. Komm herein.«
»Nur, wenn ich dich nicht störe. Du bist beim Mittagessen, nehme ich an.«
Felicitas drehte sich um und ging voraus. »Wenn es mich störte, würde ich es sagen. Außerdem: Natürlich bin ich beim Mittagsessen. Jeder normale Mensch sitzt um diese Zeit am Mittagstisch. Aber ich bin beinahe fertig.«
Schweigend wartete Stella ab, bis ihre Mutter den Teller geleert und sich die Mundwinkel mit der Serviette abgetupft hatte, dann sagte sie: »Ich mag es nicht, wenn wir streiten, Mutti. Können wir nicht friedlich miteinander leben?«
»Glaubst du etwa, mir macht das Spaß? Aber ...« Felicitas brach ab, atmete tief durch und fügte hinzu: »Deine Großmutter hat ihr Tingeltangel-Kostüm heute nur aus einem einzigen Grund angezogen: um mich auf die Palme zu bringen.«
Natürlich bemerkte Stella, dass sie ›deine Großmutter‹ sagte und nicht etwa ›meine Mutter‹. Klar, so schuf Felicitas die für sie notwendige Distanz.
»Du brauchst sie nicht zu verteidigen, ich bin nicht blöd«, fuhr Felicitas fort, ehe Stella etwas sagen konnte. »Es macht ihr Spaß, mich zu provozieren. Weißt du, ich danke Gott jeden Tag auf Knien, dass deine Großmutter mich auf ein Internat geschickt hat, wo ich eine ausgezeichnete Ausbildung erhalten habe. Nicht auszudenken, wenn ich als Kind auf dem Rummel unter diesen Vagabunden aufgewachsen wäre! Ein Leben unter kriminellen Kirmesboxern, Messerwerfern und Feuerschluckern.« Sie schauderte. »Gottseidank ist mir dieser unheilvolle Einfluss erspart geblieben.«
In Stella regte sich Widerstand. »Rede nicht so gemein über ihre Freunde. Wenn sie von dieser Zeit erzählt, höre ich nur Geschichten über ihren Zusammenhalt und den liebevollen Umgang miteinander.«
»Zusammenhalt, tss. Vielleicht auf der gemeinsamen Flucht vor der Polizei. Leuten das Geld aus der Tasche ziehen – das ist alles, was sie können.«
»Unsinn! Sie bereiten den Menschen Freude und Vergnügen, ein paar fröhliche und sorglose Stunden auf dem Rummel. Daran ist nichts Anrüchiges, hörst du? Die einen gehen ins Theater, die anderen sehen sich Clowns oder einen Magier an, um sich zu unterhalten. Wo ist der Unterschied?«
Felicitas starrte Stella sprachlos an. »Das meinst du jetzt nicht ernst, oder? Ich könnte dir einige Unterschiede zwischen Hamlet und zwei Clowns, die sich gegenseitig Sahnetorte ins Gesicht werfen, aufzählen.«
Ja, das konnte Stella sich lebhaft vorstellen, aber nach einem Vortrag über Hochkultur stand ihr nicht der Sinn. Sie erhob sich und sagte: »Ich gehe besser, ehe wir uns auch noch in die Haare kriegen. Aber eines solltest du nicht vergessen, Mutti: Mit dem Geld, das Oma auf dem Jahrmarkt verdient hat, wurde dir das tolle Internat ermöglicht, hast du darüber schon mal nachgedacht? Dass deine hervorragende Ausbildung damit finanziert wurde, dass sie jeden Tag Dutzenden von Leuten die Tarotkarten gelegt und selbst auf alles verzichtet hat? Sie hat in einem kleinen Wohnwagen gelebt, während du studieren durftest. Du solltest stolz auf sie sein.«
Damit drehte sie sich um und ging. Felicitas unternahm keinen Versuch, sie aufzuhalten.
Wieso muss es mit meiner Familie nur so kompliziert sein, dachte Stella.
Es ärgerte sie, dass es immer wieder zu Streit kam. Wie viel harmonischer wäre das Leben im Haus, wenn ihre Mutter sich endlich mit ihrem und Marias Beruf versöhnen würde. Sie musste es ja nicht gleich toll finden. Aber eine gewisse Akzeptanz wäre für den Anfang nicht schlecht. Leider weigerte sie sich strikt, sich mit der Astrologie zu beschäftigen oder auch nur zuzuhören, wenn Stella ihr etwas darüber erzählen wollte.
Das Klingeln an der Wohnungstür riss sie aus ihren Gedanken. Das musste Ben sein – niemand sonst würde sie spontan besuchen. Sie drückte auf den Türöffner und lächelte unwillkürlich, als sie seine polternden Schritte auf den Treppenstufen hörte.
Sie waren zusammen zur Schule gegangen, und ihre Freundschaft hielt bis heute. Um die Wahrheit zu sagen: Ben Glaeser war ihre Nabelschnur zur Außenwelt. Nach dem Abitur hatte er Journalismus studiert und arbeitete nun als Reporter für den Ruhrgebiets-Anzeiger. Ben kannte jeden und wusste alles, und er war stets ein Garant für Anekdoten. Er war jetzt genau die richtige Medizin gegen ihre trübe Stimmung.
Als sie ihm die Tür öffnete, riss er sie ohne Vorwarnung in eine Umarmung, schwenkte sie einmal im Kreis und rief: »Stella, ich bin verliebt!«
Ben war immer in irgendeine Traumfrau verliebt. Als er sie absetzte, strubbelte sie ihm grinsend durch die ohnehin stets zerzausten Haare. »Die Neuigkeit wäre, wenn du es nicht wärst, mein Lieber.«
»Diesmal ist es anders. Ganz anders. Diesmal ist es die Richtige!« Er warf sich der Länge nach rücklings aufs Sofa und strahlte über das ganze Gesicht.
»Lass mich raten: Du bist gestern Abend um die Häuser gezogen und dann, um Mitternacht, saß sie dort einsam an der Bar, schön und rein wie eine Rosenblüte, und wartete auf dich.«
Ben packte Stellas Hand und zog sie herunter zu sich. »Genau so war es. Das haben die Sterne dir verraten, richtig? Und du weißt, was ich von dir möchte. Ich brauche deine Planetenpolka, unbedingt.«
Planetenpolka – so nannte er das Erstellen eines Horoskops, und das durfte nur Ben. Immer, wenn er eine Frau kennenlernte, luchste er ihr die Daten ab und ging damit zu Stella. Was danach geschah, variierte jeweils nur in kleinen Details: Er benutzte das von Stella erstellte charakterliche Profil der Angebeteten, um dieser zu imponieren, was aber meist in einer Katastrophe und mit Liebeskummer für Ben endete. Die regelmäßigen Warnungen Stellas, die Sache vielleicht mal langsamer anzugehen und sich nicht von seiner überschäumenden Euphorie mitreißen zu lassen, schlug er in seiner Verliebtheit lachend in den Wind.
Nach einigen Tagen, Wochen oder in selten Fällen auch mal Monaten saß er dann wie ein Häufchen Elend auf ihrem Sofa und ließ sich trösten – bis zum nächsten Mal, wenn alles wieder von vorne losging.
»Na, gib schon her«, sagte Stella und stand auf. Ben nestelte einen Bierdeckel aus der Jackentasche, auf den einige Daten gekritzelt waren. Während sie sich an den Schreibtisch setzte und ihren Laptop aufklappte, summte er fröhlich vor sich hin.
Der nächste Tag begann für Stella mit einer Kundin, die per Mail ein schriftliches Jahreshoroskop für ihre greise Tante bestellt hatte, also die persönlichen Planetenkonstellationen der nächsten zwölf Monate.
Allerdings wollte sie es sich – wie normalerweise üblich – nicht zuschicken lassen, sondern persönlich abholen. So habe sie die Möglichkeit, die eine oder andere Frage zu stellen, falls es Unklarheiten gebe. Stella hatte mit sich gerungen, ob sie dieses Gespräch als Beratung berechnen sollte, sich schließlich aber dagegen entschieden. Immerhin bestand ja auch die Möglichkeit, eine neue Kundin zu gewinnen, falls Frau Behrens mit ihrem Service zufrieden war.
Stella blickte auf die Uhr. Frau Behrens war bereits um zwanzig Minuten zu spät.
Sie nutzte die Wartezeit, um einen Tee aufzubrühen. Gerade hatte sie den niedrigen Tisch in der gemütlichen Sitzecke eingedeckt, als es endlich klingelte.
Daniela Behrens war eine hochelegante Erscheinung im Chanelkostüm, die Stella hoheitsvoll die Hand reichte und sich ausgiebig umsah, nachdem sie Platz genommen hatte. Sie erwähnte ihre Verspätung mit keiner Silbe, geschweige denn, dass sie sich dafür entschuldigte. Sie zögerte kurz, als Stella ihr eine Tasse Tee anbot, nickte dann aber. Ohne dazu aufgefordert zu werden, griff sie nach der Mappe mit dem Horoskop, die auf dem Tisch bereitlag, und schlug sie auf.
Stella trank ihren Tee und wartete ab. Die Frau, die ihr gegenübersaß, strahlte Autorität aus. Davon ließ Stella sich nicht einschüchtern, aber sie sah auch keinen Grund, ihr Territorium zu verteidigen. Wenn Daniela Behrens die Chefrolle wollte, sollte sie sie haben, damit hatte Stella kein Problem.
Nachdem sie die Mappe durchgeblättert hatte, sah Daniela Behrens hoch. »Vielen Dank für Ihre Arbeit, Frau Albrecht. Ich bin zufrieden. Allerdings habe ich einige Fragen, wenn Sie erlauben.«
Sie macht nicht den Eindruck, als brauchte sie für irgendetwas eine Erlaubnis, dachte Stella amüsiert und nickte. »Sehr gern, so war es ja besprochen. Was möchten Sie wissen?«
»Mir geht es um den Punkt, den Sie ›Kritische Tage‹ nennen. Was habe ich darunter zu verstehen?«
»Das sind Tage, an denen durch die jeweiligen Konstellationen der Planeten gewisse Spannungen entstehen können. Das kann zum Beispiel dazu führen, dass man sich unruhig fühlt, ohne erklären zu können, woher die Unruhe kommt.«
»Aha. Und dieser eine Tag, der mit der Mars-Pluto-Konjunktion ... der steht ja kurz bevor.« Daniela Behrens lächelte. »An diesem Tag sollte ich besonders auf Tantchen aufpassen, richtig? Man sagt doch, diese Konstellation steht für Mord und Totschlag.«
Das musste Stella erst einmal verdauen. ›Man sagt doch‹? Ihres Wissens behauptete das nur einer, und zwar Holger van Aalen.
Um Zeit zu gewinnen, nahm sie einen Schluck Tee, dann sagte sie: »So würde ich es nicht ausdrücken. Wir dürfen eines nicht vergessen: Jeder kritische Moment enthält die Chance, ihn in etwas Positives zu verwandeln. Es gibt immer viele Möglichkeiten, wie sich eine Konstellation im Horoskop konkret auswirkt und wie der Mensch mit kritischen Situationen umgeht. Ich persönlich neige nicht dazu, Dinge unnötig zu dramatisieren. Tatsache ist allerdings, dass dieser Konstellation ein großes Energiepotenzial innewohnt. Unsere Aufgabe ist, diese Energie richtig zu kanalisieren. Um ein ganz einfaches Beispiel zu nennen: Wenn ich unter starken Aggressionen leide und viel Wut verspüre, bin ich nicht dazu gezwungen, eine Schlägerei anzuzetteln. Ich habe auch die Option, zum Boxtraining zu gehen oder mich mit einer anderen Sportart auszupowern. Und ich kann zusätzlich Entspannungsübungen machen, verstehen Sie? Aber ich würde wirklich gern wissen, wieso Sie bei dieser Konstellation an Mord und Totschlag denken.«
»Das habe ich mir keineswegs ausgedacht«, erwiderte Daniela Behrens. »Ich war unlängst bei einem Vortrag zu diesem Thema, den ein Kollege von Ihnen gehalten hat. Holger van Aalen. Er ließ keinen Zweifel daran, dass diese unselige Mars-Pluto-Geschichte eine Gefahr für Leib und Leben darstellt. Und jetzt mache ich mir natürlich große Sorgen um meine Tante.«
Aha, deshalb also.
Frau Behrens war eine derjenigen, die dieser verantwortungslose van Aalen kirre gemacht hatte. Am liebsten hätte Stella ihr gesagt, dass sie seine Ausführungen höchst unseriös fand und für Geschwätz hielt, mit dem man die Ängste der Klienten schürt, um anschließend abzukassieren, aber sie riss sich zusammen. Hier war Diplomatie angesagt; sie hielt nichts davon, Kollegen vor Klienten zu diskreditieren.
»Ich kann Herrn van Aalen in dieser Frage nicht zustimmen«, erwiderte Stella also. »Wir haben völlig unterschiedliche Herangehensweisen an die Astrologie, die ohnehin einen großen Spielraum an Interpretationsmöglichkeiten bietet. Ich bin sicher, dass Ihre Tante an diesem Tag nicht ermordet werden wird.«
Die Frau im Chanelkostüm presste die Lippen zusammen; offenbar war sie unzufrieden mit dem, was Stella ihr dazu sagte.
»Es tut mir leid, wenn ich Ihre Erwartungen nicht erfülle«, fügte Stella hinzu. »Vielleicht hätten Sie sich lieber an Herrn van Aalen gewandt und das Horoskop bei ihm bestellt? Wenn Sie von ihm eine zweite Meinung einholen wollen, verstehe ich das.« Sie überlegte kurz. Diese Frau würde niemals eine regelmäßige Klientin werden, also fügte sie spontan hinzu: »Sie sind nicht verpflichtet, mir das erstellte Jahreshoroskop für Ihre Tante abzunehmen, Frau Behrens. Falls Sie sich dagegen entscheiden, werde ich es Ihnen nicht berechnen.«
Daniela Behrens griff zu ihrer Handtasche und holte ihre großformatige Börse heraus. Sie entnahm ihr einige Scheine und legte sie auf den Tisch. »Eine bestellte Dienstleistung nicht zu bezahlen, gehört nicht zu meinen Gepflogenheiten. Leider hatte Herr van Aalen keine Zeit, den Auftrag kurzfristig zu erledigen. Vielen Dank für Ihre Mühe, Frau Albrecht. Ich finde selbst hinaus.«
Ehe Stella reagieren konnte, hatte Frau Behrens sich die Mappe mit dem Horoskop geschnappt und stolzierte aus dem Raum. Sekunden später sah Stella sie schnellen Schrittes an der verglasten Fensterfront der Orangerie entlanggehen und schließlich verschwinden.
Sie hat gelogen, dachte Stella, alles an ihr war irgendwie ... falsch. Ihr Lächeln, ihr Auftreten, alles. Dieser Auftrag wäre in van Aalens Horoskop-Fabrik mühelos zu erledigen gewesen. Es muss einen Grund geben, weshalb sie ausgerechnet zu mir gekommen ist. Oder besser: warum sie nicht zu ihm gegangen ist. Mich hat sie vermutlich nach dem Zufallsprinzip ausgewählt.
Stella wusste: Ein Mensch, der log, zeigte dies auch unbewusst, denn niemand vermochte sich derart zu kontrollieren, dass er die winzigen, aber verräterischen Anzeichen unterdrücken konnte. Daniela Behrens’ Lächeln, das weder Augen noch Stirn erreicht hatte, war noch kein Beweis – wenn man aus reiner Höflichkeit lächelte, war es genauso. Aber ihr Blick hatte sie verraten. Menschen dachten, sie wirkten besonders ehrlich, wenn sie dem Blick ihres Gegenübers standhielten, ohne wegzuschauen – das Gegenteil war der Fall. Dass die Augen sich bewegten, bedeutete, dass man in Erinnerungen kramte – und sich nicht gerade eine Geschichte ausdachte.
Spontan setzte Stella sich an ihren Computer, um ein Stundenhoroskop von der gerade erlebten Begegnung zu erstellen – und fand sich bestätigt: Neptun stand im ersten Haus, und das bedeutete üblicherweise, dass ein Besucher – egal, ob bewusst oder unbewusst – nicht mit der ganzen Wahrheit rausrückte.
»Oh, du liebe Güte!«
Der entsetzte Ausruf ihrer Großmutter ließ Stella von ihrer Zeitungslektüre hochblicken. Maria wirkte zutiefst erschüttert. Sie war kreideweiß geworden und starrte auf etwas in der Tageszeitung.
»Was ist los?«, fragte Stella.
»Cäcilie ist tot ... aber das kann doch nicht sein.« Maria drehte die Seite zu Stella um. Mehrere großformatige Todesanzeigen beklagten – und bestätigten gleichzeitig – das überraschende, tragische Ableben Cäcilie von Breidenbachs.
»War sie nicht schon sehr alt?« Stella berührte die Hand ihrer Großmutter, die schlaff auf dem Tisch lag.
Brüsk zog Maria die Hand weg. »Na und? Was heißt das schon? Cäcilie war kerngesund.«
»Trotzdem ... wenn ein Mensch über achtzig ist ... das geht manchmal sehr schnell.«
»Mumpitz. Ich traf sie erst vor Kurzem, und sie war in blendender Verfassung. Sie wusste, dass ihre Erben langsam ungeduldig werden, aber das amüsierte sie. Nicht nur das: Sie plante eine Weltreise auf einem Kreuzfahrtschiff. Gerade erst hatte ihr Arzt ihr attestiert, dass sie die Reise unbesorgt antreten kann.«
Stella studierte die Anzeigen. »Hier steht nichts von einem Unfall oder dergleichen. Nach kurzer, schwerer Krankheit ... was immer das heißen soll. Kanntest du sie gut?«
»Ja, und das schon seit vielen Jahren. Meine Mutter arbeitete im Hause Breidenbach als Näherin. Sie hat diese wunderbaren Ballkleider angefertigt, aber auch die Kleidung für Cäcilie und ihren Bruder. Ich begleitete sie oft dorthin und freundete mich mit Cäcilie an, obwohl sie zehn Jahre älter war als ich. Die Ärmste lebte dort ja wie in einem goldenen Käfig und hatte kaum Kontakt zu anderen Kindern. Sie wurde von Hauslehrern unterrichtet und langweilte sich fürchterlich. Allerdings habe ich noch niemals so viel Spielzeug gesehen. Sie bekam absolut alles, was sie sich wünschte. Stell dir vor – sie hatte sogar ein eigenes Kinderkarussell mit echten Ponys!« Maria lächelte bei der Erinnerung, dann wurde sie wieder ernst. »Aber all das kann menschliche Wärme nicht ersetzen. Wenn die Eltern nie da sind, hilft auch keine noch so nette Kinderfrau. Meine Eltern besaßen nicht viel, aber Cäcilie tat mir damals immer schrecklich leid.«
»Möchtest du, dass ich dich zur Beerdigung begleite? Das mache ich gern.«
Maria schnaubte. »In diesen Kreisen gibt es keine öffentlichen Beerdigungen. Man veranstaltet eine Trauerfeier, zu der ich natürlich nicht eingeladen bin.«
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher. Erstens ist die Feier bereits heute, und es war keine Einladung in meinem Briefkasten. Zweitens wird das Publikum sorgfältig selektiert.«
»Geh doch trotzdem hin; immerhin war sie deine Freundin.«
»Um mir den Zutritt zur Feier verweigern zu lassen? Das tue ich mir nicht an. Denn man stelle sich vor: eine Frau vom Jahrmarkt unter lauter steifen Schlipsträgern und Society-Damen, die allesamt vor Hochnäsigkeit kaum geradeaus laufen können.« Sie wirkte bekümmert, aber nach einer kleinen Pause grinste sie plötzlich und fügte hinzu: »Cäcilie würde es ganz sicher gefallen, wenn ich dort als Madame Pythia aufkreuzen würde, mitsamt wippender Pfauenfeder. Ein schriller, bunter Vogel unter all den rabenschwarzen Trauergästen, das wäre genau ihr Humor.«
Die Familie hatte sich im Wohnzimmer versammelt, auch Otmar Hansen war anwesend. Man hatte entschieden, gemeinsam zur Trauerfeier zu fahren. Genauer gesagt: Serena von Breidenbach hatte es entschieden.
Sie war der Meinung, ein geschlossenes Auftreten machte einen besseren Eindruck, als wenn die Mitglieder des Clans einzeln eintrafen. Das warf nur unnötige Fragen auf. War man wohlmöglich zerstritten? Gab es ein Zerwürfnis wegen des nun zu erwartenden gewaltigen Erbes? Und wenn man nicht mit der Presse sprach – was sich von selbst verstand –, führte das nur dazu, dass diese Aasgeier sich irgendetwas aus den Fingern sogen, was wiederum eilige Dementi notwendig machte.