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Sie schlagen seinen Geist in Fesseln - und geben ihm den Tod auf den Weg Das Solare Imperium der Menschheit hat Mitte des 24. Jahrhunderts die Folgen des interstellaren Krieges gegen das Zweite Imperium der Blues überstanden. Die Milchstraße ist vergleichsweise ruhig. Und doch gärt es an manchen Stellen ... Verschwörer gegen das Imperium haben Dunn Beynon, einen terranischen Auswanderer, in die Falle gelockt. Er ist zum willenlosen Träger einer Bombe geworden, die eine ganze terranische Kolonialwelt vernichten soll - und sie soll Perry Rhodan selbst töten, der das eigentliche Ziel des Anschlages ist. Der Plan der Verschwörer ist ebenso teuflisch wie perfekt. Nichts und niemand scheint sie aufhalten zu können. Nur eines haben sie in ihre Kalkulation nicht mit einbezogen: die Existenz der "Statistiker des Universums" ...
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Planetenroman
Band 24
Ich, Rhodans Mörder
Sie schlagen seinen Geist in Fesseln – und geben ihm den Tod auf den Weg
William Voltz
Das Solare Imperium der Menschheit hat Mitte des 24. Jahrhunderts die Folgen des interstellaren Krieges gegen das Zweite Imperium der Blues überstanden. Die Milchstraße ist vergleichsweise ruhig. Und doch gärt es an manchen Stellen ...
Verschwörer gegen das Imperium haben Dunn Beynon, einen terranischen Auswanderer, in die Falle gelockt. Er ist zum willenlosen Träger einer Bombe geworden, die eine ganze terranische Kolonialwelt vernichten soll – und sie soll Perry Rhodan selbst töten, der das eigentliche Ziel des Anschlages ist.
Ein Heim fernab der Heimat:
Die Geschichte der terranischen Kolonien
Nach erfolgreichen Siedlungsprojekten innerhalb des Solsystems begann das 1990 n. Chr. ausgerufene Solare Imperium mit der Errichtung erster interstellarer Kolonien. Verantwortlich dafür zeichneten gemeinschaftlich die Administration, das Finanzministerium unter Homer G. Adams und die Solare Abwehr unter Allan D. Mercant. Die ersten neuen Kolonien – errichtet in der Zeit, da die Erde als vernichtet galt und die Gefahr durch den Robotregenten von Arkon immer präsent war – hatten mehrere Vorgaben zu erfüllen:
Die Kolonie musste in einer gewissen Sicherheitsentfernung von der Erde liegen (5000 bis 25.000 Lichtjahre), denn eine zu große Nähe war nicht gewünscht.
Sollten Schiffe des Robotregenten eine menschliche Kolonie entdecken, wurde durch die Distanz weiterer Schaden vermieden. Der Planet musste zudem so erdähnlich sein, dass die Kolonisten sich schnell eingewöhnen und Fuß fassen konnten. Eine lebensfeindliche Umgebung bedeutete zudem Energieaufwand zum Erhalt der gewohnten Umstände – und Energie war anmessbar. Letztlich sollte die neue Welt keine verändernden Einflüsse auf die Siedler ausüben, die über das Maß hinausgingen, das man von den Lebensräumen auf Terra kannte.
Nachdem sich das Solare Imperium einen Platz im Konzert der galaktischen Mächte gesichert hatte und seine Position nicht mehr länger geheim halten musste, wurde das Siedlungsprojekt ausgeweitet, sodass auch Welten deutlich näher an Terra besiedelt wurden; zudem waren nun genügend Ressourcen vorhanden, um aufwendigere Kolonisierungsvorhaben umzusetzen: Terraforming gehörte ebenso dazu wie genetische Anpassung an extreme Lebensräume.
In einem nächsten Schritt wurden auch weit entfernt von Sol liegende Welten erschlossen. Dies fiel umso leichter, je friedlicher die Völker der Milchstraße zusammenwuchsen. Vor allem in der Zeit des Vereinten Imperiums erfolgten Neubesiedlungen im Bereich des ehemaligen Großen Imperiums der Arkoniden; manchmal kam es auch zu »Mischbesiedlungen«, da sich Menschen mitunter auf bereits erschlossenen Welten ansiedelten und häufig mit der kolonialarkonidischen Bevölkerung vermischten.
Von den früheren terranischen Kolonien wissen wir heute nur noch wenig. Im Jahr 2388 gilt der Planet Filchner, 12.000 Lichtjahre von Terra weg gelegen, als die am weitesten entfernte Kolonie des Solaren Imperiums. Namen wie Ariovist, Gelton, Homy, Karson oder Uvbe sagen heutzutage nur noch auf die frühe Epoche des Solaren Imperiums spezialisierten Historikern etwas. Und doch wissen wir, dass es diese frühen Kolonien gegeben hat. Hin und wieder finden sie Erwähnung in alten Datenfragmenten ...
Ich hätte mir denken können, dass ein Schiff mit dem seltsamen Namen TEEKANNE nur Unglück bringen konnte, aber ich war so in den Anblick der langbeinigen Frau versunken, die vor mir den Landesteg hinaufschritt, dass ich selbst einen Namen wie HÖLLENDAMPFER mit romantischer Verklärtheit gelesen hätte.
»Halt!«, rief mir der Zahlmeister am unteren Ende des Landestegs zu.
Er hatte einen kleinen Tisch aufgestellt und alle darauf liegenden Papiere mit Erzbrocken beschwert, damit sie nicht vom Wind davongeweht wurden.
Ich blickte ihn an. Er war ein rothaariger Mann mit faltigem Gesicht und so dünnen Ohren, dass sie durchsichtig erschienen.
Ich deutete auf die junge Frau.»Wer ist das?«, erkundigte ich mich, während sie durch die Schleuse verschwand.
Wenn er überhaupt jemals Gefühle entwickelt hatte, waren sie in der Kälte dieses Tages eingefroren.
»Ich bin nicht befugt, Auskünfte über andere Passagiere zu erteilen«, erklärte er frostig.
»Geben Sie mir die Passagierliste!«, forderte ich.
Er wühlte in den Papieren, die vor ihm lagen, und fischte schließlich mit einem befriedigten Knurren eine gelbe Folie heraus. Ich nahm sie entgegen und überflog die aufgeführten Namen.
»Clarriss De Farton«, murmelte ich. »Das muss sie sein. Sie hatte einen Koffer mit aufgedrucktem Wappen, nicht wahr?«
Der Zahlmeister nahm mir die Liste aus den Händen. »Ich betrachte mir die Koffer der Passagiere nicht«, behauptete er. »Sagen Sie mir jetzt, wer Sie sind.«
»Dunn Beynon. Kolonist für Gelton im Santey-System.«
Er suchte nach meiner Akte und fand sie in überraschend kurzer Zeit. »Aha!«, stieß er hervor. »Der Versicherungsschwindler!«
Er las mit offensichtlichem Vergnügen weiter. »Zweieinhalb Jahre Strafarbeit in den Dolp-Werken«, zitierte er. »Ruscon wird sich über einen solchen Passagier freuen.«
»Wer ist Ruscon?«, erkundigte ich mich.
»Der Kapitän.«
»Kann ich an Bord?«, fragte ich.
Zum ersten Mal blickte er mich voll an. »Ich habe etwas gegen Banditen wie Sie, Beynon«, sagte er. »Ich bin dagegen, dass man Männer wie Sie auf jungfräuliche Planeten loslässt.«
»Ich schreibe mir das in mein Poesiealbum«, versprach ich.
Er schob meine Akte unter die anderen. »Lassen Sie die anderen Passagiere in Ruhe«, warnte er. »Wenn Sie Ärger machen, erreichen Sie Gelton nie.«
Wir starrten uns einen Augenblick lang an, dann ging ich langsam den Landesteg hinauf. Es war mir klar, dass der Zahlmeister der TEEKANNE nicht zu meinen Freunden gehörte. In diesem Augenblick war mir das gleichgültig.
Als ich die Schleuse betrat, hörte ich jemanden brüllen. Gleich darauf stürmte ein verwildert aussehender Mann in Begleitung eines Uniformierten auf mich zu. Das verwahrloste Individuum war mindestens 1,90 Meter groß und unglaublich dick. Aus seinem Mund ergoss sich ein Schwall wütender Flüche, wie ich sie selbst in den Dolp-Werken nie zu Gehör bekommen hatte.
»Von Stümpern bin ich umgeben!«, schrie der Riese. »Von Nichtskönnern und armseligen Tröpfen!«
Ich wunderte mich, dass der Uniformierte die Beschimpfung mit stoischem Gleichmut über sich ergehen ließ. Ich musste stehen bleiben, denn die beiden Männer versperrten mit ihrer Körperfülle den Ausgang.
»Sie haben eine Stunde Zeit, den richtigen Blumensamen an Bord zu schaffen, Dellman«, dröhnte der Mann, der wie ein Landstreicher aussah. »Wenn es Ihnen nicht gelingt, sind Sie entlassen.«
Der Riese warf sich herum und verschwand in dem langen Gang, der hinter der Schleuse ins Innere des Schiffes führte.
Dellman lächelte mich an.
»Wer um Himmels willen ist das?«, stöhnte ich.
Der Uniformierte musterte mich mitleidig. »Sind Sie einer der Passagiere?«
Ich nickte erwartungsvoll.
»Dieser Mann«, eröffnete mir Dellman, »war Kapitän Ruscon.«
»Droht er immer gleich mit Kündigung?«
Dellman grinste. »Ich war bereits sechsundzwanzigmal entlassen«, berichtete er. »Einmal ist Ruscon ohne mich zum Wega-Sektor geflogen. Nach seiner Rückkehr hat er mich wieder eingestellt.«
»Kann ich Ihnen bei der Beschaffung des Blumensamens helfen?«, erkundigte ich mich. Es konnte nichts schaden, wenn Dellman auf meiner Seite war, nachdem der Zahlmeister mir offen seine Feindschaft gezeigt hatte.
»Ruscon besitzt zwei Kabinen«, erklärte Dellman. »In einer lebt er, in der anderen züchtet er seltene Blumen. Ich werde den falschen Samen einfach in andere Packungen umschütten. Ruscon versteht nämlich nicht das Geringste von Blumen, wenn er sich auch einbildet, ein Experte zu sein.«
»Sie gefallen mir, Mister Dellman«, sagte ich.
»Leutnant Dellman, wenn Sie wollen«, antwortete er. »An Bord der TEEKANNE Mädchen für alles.«
Ich beschloss, die Gelegenheit beim Schopf zu packen.
»Ich bin Dunn Beynon«, stellte ich mich vor. »Ich möchte Sie bitten, mir im Aufenthaltsraum einen Platz an der Seite von Clarriss De Farton zu verschaffen.«
»Clarriss De Farton?«, wiederholte er ungläubig. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Mister Beynon?«
»Wollen Sie mir jetzt vorhalten, dass ein entlassener Krimineller kein Recht auf ein Essen mit anderen Passagieren hat?«, fragte ich bitter.
Dellman errötete. Ich war nun sicher, dass alle Offiziere an Bord von meiner Vergangenheit wussten. Wahrscheinlich war meine Akte die umfangreichste von allen.
»Es ist nicht wegen Ihrer Person, Mister Beynon«, sagte Dellman unsicher. »Es scheint mir nur seltsam, dass Sie ausgerechnet Clarriss De ...«
»Es war nur eine Bitte«, entgegnete ich unfreundlich.
Leutnant Dellman gab sich einen Ruck. »Gut«, sagte er. »Ich werde Ihnen helfen. Sie müssen mir versprechen, keine Dummheiten zu machen.«
»Versprochen, Leutnant.«
Dellman schüttelte den Kopf und ging davon.
Ich betrat das Innere des Schiffs. Die TEEKANNE war ein ehemaliges Springerschiff, das sein neuer Besitzer in ein kombiniertes Fracht-Passagierschiff umgebaut hatte. Als ein aus den Dolp-Werken entlassener Strafarbeiter besaß ich nicht genügend Geld, um auf ein besseres Schiff zu gehen. Es war mir nur darum gegangen, die Erde möglichst schnell zu verlassen. Bis nach Gelton, dem zweiten Planeten des Santey-Systems, würde mir meine Akte nicht folgen.
Am Ende des Ganges, auf gleicher Höhe mit dem Eingang zum Antigravschacht, wartete ein etwa sechzehnjähriger Junge. Er war dünn und scheu, aber aus seinen Augen strahlte Wissbegierde.
»Mister Beynon?«, erkundigte er sich höflich.
»Ja«, sagte ich. »Der bin ich.«
»Ich werde Ihnen Ihre Kabine zeigen«, verkündete er.
Ich gab ihm meinen Koffer. Nebeneinander gingen wir auf den Antigravschacht zu.
Er deutete auf den Eingang. »Haben Sie schon einmal einen solchen Lift benutzt?«
»Nein«, sagte ich sarkastisch. »Ich komme aus den letzten Urwäldern des Mato Grosso und habe mich bisher von Würmern ernährt.«
Er stolperte mit meinem Koffer vor mir in den Schacht und schwebte nach oben.
»Entschuldigen Sie!«, rief er. »Aber ich habe die Anweisung, jedem Passagier diese Frage zu stellen.«
Ich folgte ihm, und wir gelangten fast gleichzeitig in der nächsthöheren Etage an. Der Junge trat vor mir aus dem Schacht.
»Sie haben Kabine siebzehn«, sagte er.
»Und Clarriss De Farton? Welche Nummer hat sie?«
Er stellte meinen Koffer ab und stemmte beide Arme in die Hüften.
»Vorurteile?«, erkundigte er sich ärgerlich.
Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass er und ich von zwei völlig verschiedenen Dingen sprachen.
»Keineswegs«, versicherte ich. »Im Gegenteil.«
»Dreiundzwanzig«, sagte er. »Sie brauchen also nicht zu befürchten, dass Sie Kontakt mit ihr haben werden. Sie bekommt das Essen in ihre Kabine gebracht.«
»Aber Mister Dellman sagte doch ...« Ich unterbrach mich. Leutnant Dellman musste wissen, wie er dieses Problem meisterte. Er sah nicht so aus, als würde er ein Versprechen nicht halten.
»Ich fürchte keinen Kontakt zu Clarriss De Farton«, versicherte ich dem Jungen. »Ich möchte sie näher kennenlernen.«
Er nahm meinen Koffer wieder auf und ging schweigend weiter. Wir kamen an den einzelnen Kabinen vorüber. Kleine Nummern waren auf die Türen gemalt. Schließlich erreichten wir Nummer siebzehn.
Der Junge stieß die Tür auf und trug den Koffer ins Innere. An die Türfüllung gelehnt, wartete ich, bis er wieder herauskam.
»Sie sind ein seltsamer Mann, Mister Beynon«, sagte er.
»Wie heißt du?«, fragte ich.
»Ruscon.«
»Sein Sohn?«
»Ein Neffe.«
Er ging davon, ein dünner Junge in einem alten Schiff, das von seinem cholerischen Onkel kommandiert wurde. Ich schloss die Tür hinter mir und packte die wenigen Sachen aus, die mir gehörten. Ich erinnerte mich an die Zeit, da ich ein Junge wie Ruscons Neffe gewesen war.
Vor unserem Haus im Westen Kanadas hatte eine Baufirma ein gewaltiges Gebäude errichtet. Ich wusste noch genau, wie ich als Junge durch den Rohbau gewandert war, bis hinauf, von wo man einen herrlichen Ausblick auf die Berge hatte und der Wind durch die unverglasten Fenster strich.
Irgendwie war ich immer dieser Dunn Beynon geblieben, der überall hinaufsteigen wollte, aber nie sein Ziel erreichte.
Ich verstaute meine Habseligkeiten im Wandschrank und betrachtete mich im Spiegel neben dem Bett. Ich sah einen großen, schlanken Mann mit ernstem Gesicht und hervorstehenden Wangenknochen. Die Haare waren inzwischen wieder gewachsen, nachdem ich bei einem Laborunfall in den Dolp-Werken fast alle verloren hatte.
Jemand klopfte gegen die Kabinentür. Ich schrak zusammen.
Ein kleiner Mann schlüpfte herein. Er war in einen roten Umhang mit blauen Litzen gekleidet.
»Nummer achtzehn«, sagte er kichernd. »Halley Governor.« Mit unverhohlener Neugier blickte er sich um. »Waren Sie schon im Maschinenraum oder in der Zentrale?«, fragte er, während seine Blicke auf dem offenen Wandschrank haften blieben.
»Ich bin gerade angekommen und noch ziemlich müde«, eröffnete ich ihm.
Halley Governor gehörte nicht zu den empfindsamen Gemütern, die einen kleinen Wink verstanden. Er war aufdringlich, geschwätzig und ungebildet. Ich schätzte ihn auf über fünfzig Jahre. Es erschien mir unglaubhaft, dass man ihn für eine Kolonie freigegeben hatte.
»Ich bin Vertreter«, sagte Governor. Er zog eine auffällige Visitenkarte unter seinem Umhang hervor und übergab sie mir. Über seinem Namen war ein farbiges Wappen abgebildet. Es glich jenem, das ich auf Clarriss De Fartons Koffer gesehen hatte.
»Kennen Sie eine junge Frau mit Namen Clarriss De Farton?«, fragte ich Governor.
Ich hatte das Gefühl, dass er einen Augenblick verwirrt war. Er riss mir die Karte förmlich aus der Hand und steckte sie ein.
»Nein, nein«, antwortete er hastig. »Wie kommen Sie darauf?«
»Nichts«, sagte ich. »Es handelt sich um eine Verwechslung.«
Er schien es plötzlich sehr eilig zu haben, die Kabine zu verlassen. »Wir sehen uns noch im Aufenthaltsraum«, sagte er und ging hinaus.
Eine Stunde vor dem Abflug rief der Kapitän alle Passagiere im Aufenthaltsraum zusammen. Wir waren längst vollzählig versammelt, als Ruscon durch eine kleine Tür eintrat. Er war ungekämmt und trug einen Anzug, der ihm mindestens zwei Nummern zu klein war.
»Stellen Sie die Musik leiser!«, brüllte er Leutnant Dellman an, der auf dem kleinen Podium neben dem Haupteingang stand. Dellman schaltete die Wiedergabe ab.
Kapitän Ruscon musterte uns mit zornigen Blicken.
Ich bedauerte, dass Clarriss De Farton auf der anderen Seite des Raumes stand. Da jeder Passagier einen bestimmten Platz erhalten hatte, konnte ich nicht näher an sie herankommen.
»Bis auf wenige Ausnahmen sind Sie alle Kolonisten«, sagte Ruscon unfreundlich. »Alle Formalitäten sind erledigt. Ich habe den Auftrag, Sie zu Ihren Bestimmungsplaneten zu bringen. Verschiedene Passagiere scheinen zu glauben, dass sie nach Belieben überall herumschnüffeln können. Leutnant Dellman, sagen Sie den Leuten, was sie zu tun haben.«
Ruscon trat zwei Schritte zurück und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Wand.
»Bleiben Sie nach Möglichkeit in diesem Teil des Schiffes«, sagte Dellman lächelnd. »Beschwerden sind an mich zu richten. Unser erstes Ziel ist der Planet Uvbe im Re-Re-System. Wir haben dort einen Aufenthalt von sieben Stunden. Sie alle haben Gelegenheit, die Hauptstadt zu besichtigen, in deren unmittelbarer Nähe der Raumhafen liegt. Ich muss Sie allerdings vor dem Klima warnen.«
»Hat jemand Fragen?«, erkundigte sich Ruscon und schob Dellman zur Seite.
Drei Plätze neben mir hob ein junger Mann den Arm. Ruscon runzelte erstaunt die Stirn.
»Ja, bitte, Mister Ansom!«, rief Dellman.
Ansom erhob sich. Er vermied es, Ruscon anzublicken. »Verschiedene unter uns sind technisch interessiert«, sagte er. Ruscon musterte ihn finster, aber Ansom fuhr mutig fort: »Ist es nicht möglich, eine Führung zu veranstalten, an der alle ...«
Ruscon winkte ungeduldig ab. »Was glauben Sie, ist das hier? Ein Raumzirkus? Wir haben wichtige Fracht an Bord. Unser Zeitplan muss auf die Sekunde genau eingehalten werden. Wer Einzelheiten über die TEEKANNE erfahren will, muss sich an Delgaard Ruscon wenden, der die Passagiere betreut. Leutnant Dellman wird nach dem Start kaum noch Zeit für Sie haben.«
Ansoms Gesicht rötete sich. »Wir haben für diese Reise bezahlt, Kapitän Ruscon«, sagte er. »Sie können uns nicht behandeln, als seien wir Ungeziefer.«
»Junger Mann!«, schrie Ruscon. »Sie können Ihr Geld bei Zahlmeister Gurielford abholen und zurückbleiben.«
Ansom sagte: »Nein.«
»Noch jemand?«, erkundigte sich Ruscon angriffslustig.
Ich glaube, es war mein Ärger darüber, dass Clarriss De Farton noch nicht in meine Richtung geblickt hatte, der mich den Arm heben ließ. Ich wollte ihre Aufmerksamkeit erregen.
»Beynon!«, stieß Ruscon hervor.
»Mister Beynon«, verbesserte ich ihn. Ich starrte zu der Frau hinüber. Sie hob den Kopf und sah mich an.
»Was wollen Sie?«, fragte Ruscon.
Ich hörte ihn kaum.
In den Augen der jungen Frau lag ein seltsamer Ausdruck, vielleicht eine stumme Herausforderung. Im Schein der Deckenbeleuchtung schimmerte ihr Haar rötlich.
Ich sagte: »Nehmen Sie doch bitte Rücksicht auf die Damen an Bord. Mit uns Männern können Sie hart verfahren.«
Von den anderen Plätzen kam gedämpftes Beifallsgemurmel.
»War das alles?«, erkundigte sich Ruscon mit bebender Stimme.
Clarriss lächelte, und in jenem Augenblick wäre ich bereit gewesen, Ruscon eigenhändig aus der Schleuse zu werfen, wenn sie es von mir verlangt hätte. Doch sie senkte nur den Kopf.
»Das war alles«, sagte ich.
»Noch jemand?«, fragte Dellman, bevor Ruscon explodieren konnte.
Es erfolgten keine weiteren Wortmeldungen. Dellman löste die Zusammenkunft auf. Ich versuchte, an die Seite der Frau zu gelangen, doch sie erreichte den Ausgang vor mir, und ich vermochte nicht, sie einzuholen.
Auf dem Weg zu den Kabinen sprach ich mit Ansom.
»Es ist eine Schande«, sagte er bitter. »Dieser Tyrann glaubt, uns wie den letzten Dreck behandeln zu können.«
Ansom sprach wie ein Revolutionär, aber er sah nicht wie einer aus. Sein rundes Gesicht war von Sommersprossen übersät. Er hatte weiche Lippen und große blaue Augen.
Ich antwortete ihm nicht.
Er blickte mich neugierig an. »Ich will nicht aufdringlich sein«, sagte er, wurde es aber im gleichen Augenblick. »Wovon haben Sie eine so grüne Haut, Mister Beynon?«
»Ich arbeitete zwei Jahre als Gefangener in den Dolp-Werken«, eröffnete ich ihm schonungslos. »Genügt Ihnen das?«
»Entschuldigen Sie, entschuldigen Sie!«, stieß er verlegen hervor. Er wäre wahrscheinlich fortgefahren, sich zu entschuldigen, wenn ich ihm nicht zugenickt hätte.
»Sind Sie ... waren Sie ein Dieb?«, wollte er wissen.
Er war einer dieser ehrlichen, zum Mitgefühl fähigen Menschen, die nicht die Grenze erkennen konnten, die sie ihrer Anteilnahme setzen sollten.
»Ich wurde wegen zweifachen Mordes verurteilt«, belog ich ihn.
Er zeigte sich nicht schockiert, wie ich erwartet hatte, und so sagte ich ihm die Wahrheit.
»Jedes Mal brachte ich mich selbst um, Mister Ansom. Danach kassierte ich die Versicherungssumme. Zuerst starb ich in Detroit unter dem Namen Sessinger in einem Lufttaxi. Man zog meine völlig verbrannte Leiche aus dem Flugzeug. Nur die Papiere wurden im Handschuhfach gefunden. Meinen zweiten Tod erlitt ich in Terrania in einem Säurebad. Das Skelett, das man aus der Chrom-Vanadium-Wanne zog, hieß Beynon. Mister Beynon hatte daran gedacht, seine Papiere vor dem Sturz in die Wanne aus der Jackentasche fallen zu lassen.« Ich zuckte die Achseln. »Das war mein letzter Tod, Mister Ansom. Die Versicherungsgesellschaft kam mir auf die Spur, und dann ging ich für zweieinhalb Jahre in die Dolp-Werke.«
Wir blieben vor Ansoms Kabine stehen.
»Warum haben Sie das getan?«, fragte er ernst.
»Ich wurde in Westkanada geboren. Wir besaßen ein kleines Haus mit Ausblick auf die Berge. Dann kam eine Versicherungsgesellschaft und baute ein Hochhaus, das die Sonne verfinsterte, so breit und so hoch war es. Unser Haus stand im Schatten des gewaltigen Gebäudes. Wenn ich aus dem Fenster blickte, sah ich tagsüber die graue Riesenfläche, und in den Nächten fiel der Lichtschein der Reklamesäulen auf mein Gesicht. Im Dschungel hat jede Pflanze die Möglichkeit, dem Licht zuzustreben, aber unser winziges Haus besaß keine Chance. Ein Jahr später kamen die Verantwortlichen von der Versicherung und ließen unser Haus abreißen. Sie wollten einen Seitenbau anlegen, und wir mussten weichen.«
»Es war die gleiche Versicherungsgesellschaft, die Sie später betrogen haben?« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
»Ja«, bestätigte ich. »Es gibt immer wieder Männer, die als Narren geboren werden. Die meisten werden während ihrer Jugend vernünftig. Sie passen sich unserer sogenannten Gesellschaftsform an.«
»Auch auf Gelton wird es eine Ordnung geben, der Sie sich fügen müssen«, sagte Ansom.
»Mir ist jede Ordnung recht, die nicht von Trusts und Kapitalgesellschaften bestimmt wird.«
Ansom lächelte schwach. »Als ich noch unverheiratet war, dachte ich fast wie Sie«, gestand er. »Dann kam die Verantwortung gegenüber meiner Familie, und alles wurde anders.«
»Gehen Sie jetzt zu Ihrer Familie, Mister Ansom«, empfahl ich ihm und ließ ihn stehen.
Nur ein völlig unkomplizierter Mann wie Leutnant Dellman konnte die Schikanen des Kapitäns mit Gelassenheit ertragen. Wann immer Dellman in der Nähe der Passagierabteilung auftauchte, dauerte es nur wenige Minuten, und Ruscons dröhnende Stimme wurde hörbar.
Sieben Stunden nach dem Start kam Ruscons Neffe in meine Kabine.
»Leutnant Dellman lässt Ihnen ausrichten, dass alles in Ordnung ist«, sagte er.
Ich bedankte mich, und der Junge ließ mich allein.
Ich blickte auf die Uhr. Das gemeinsame Essen begann in zwanzig Minuten. Im Augenblick empfand ich keine Dankbarkeit gegenüber Dellman, so sehr war ich in Gedanken mit der Begegnung beschäftigt. Ich bereitete mich auf eine Unterhaltung mit Clarriss vor. Vielleicht war sie sogar eine Kolonistin für Gelton im Santey-System.
Außer Ruscon, Gurielford, Dellman und Ruscons Neffen hatte ich von der Besatzung nur Ingenieur Buggsy kennengelernt. Zwei Stunden nach dem Start war Buggsy durch den Haupteingang zwischen den Passagierkabinen gestampft, eine kleine, ölverschmierte Gestalt mit einem gewaltigen Schnurrbart.
Ich war gerade vom Waschraum gekommen.
Buggsy hatte mich durchdringend gemustert, den Kopf geschüttelt und war dann, heftige Verwünschungen gegen den Kapitän und das Schiff ausstoßend, weitergegangen.
Die Zeit zum Essen war gekommen. Ich warf einen letzten Blick auf mein Spiegelbild und ging zum Aufenthaltsraum. Als ich eintrat, fiel mein erster Blick auf einen langen Tisch, der mit sorgfältig ausgewähltem Porzellan und wertvollen Kristallgläsern nahezu überladen war. Am oberen Ende dieser Tafel hockte Kapitän Ruscon, in eine zerknitterte Uniform gekleidet und die Haare mit viel Frisiercreme gebändigt. Sein Neffe saß rechts neben ihm und machte den Eindruck, als würde er beim ersten lauten Geräusch unter den Tisch sinken. Die meisten Passagiere waren bereits anwesend, aber die junge Frau konnte ich nicht entdecken.
Dellman schoss auf mich zu, als er mich sah, und führte mich in die Mitte des Tischs. Ein kleiner Faltzettel neben den Tellern trug meinen Namen. Sofort blickte ich nach rechts. Auch dort lag ein Zettel: Clarriss De Farton, las ich befriedigt.
»Danke!«, sagte ich zu Dellman.
»Gehen Sie zur Hölle«, flüsterte er und drückte mich auf den Stuhl nieder.
Ruscon starrte feindselig von einem zum anderen. Ein mir unbekanntes Mitglied der Besatzung kam mit mehreren Flaschen Wein. Der Mann entkorkte eine Flasche und goss Ruscon einen Schluck zur Probe ein.
Ruscon blickte von seinem Glas auf den Mann. »Was soll das?«, schrie er. Seine Faust sank auf den Tisch. Ein Klirren pflanzte sich bis zum anderen Ende der Tafel fort.
»Die Weinprobe, Kapitän«, erklärte der Mann ruhig.
»Schenken Sie voll«, verlangte Ruscon. »Halten Sie mich für ein Kind?«
Der Mann goss Ruscons Glas randvoll. Ruscon leerte es in einem Zug, schmatzte genießerisch und sagte, während Leutnant Dellman verstohlen lächelte: »In Ordnung, Deschon.«
Ruscons Glas wurde abermals gefüllt. Dann erst ging Deschon zu den Passagieren. Ich beobachtete ihn nicht länger, denn Clarriss De Farton war eingetreten. Sie trug ein einfaches, aber ihre Figur betonendes Kleid. Etwas hilflos stand sie im Eingang und wartete darauf, dass sich jemand um sie kümmerte. Ich rückte meinen Stuhl zurecht und machte mich zum Aufstehen bereit. Dellman ging zur Tür und deutete eine Verbeugung an. Dann führte er sie auf die andere Seite des Tisches, und sie ließ sich zehn Plätze von mir entfernt nieder.
Ich war so verblüfft, dass ich Ruscons ersten Trinkspruch überhörte. Ich suchte nach Dellmans Blicken, doch der Leutnant bewegte sich völlig ungezwungen in den Hintergrund des Raumes, um die Musik einzuschalten.
Ich beschloss, auf eigene Faust zu handeln. Nichts konnte mich abhalten, Clarriss De Farton an ihren richtigen Platz zu bringen.
Dann erschien ein weiterer Passagier, der alle Gespräche zum Verstummen brachte. Es war die Frau des Galaktischen Händlers, ein riesiges Weib, das die Tür ausfüllte, als sie darin auftauchte. Ihre wallenden roten Haare hingen wie ein Kleid über ihren Schultern. Sie wog wahrscheinlich über zwei Zentner. In den Augen eines Springers mochte sie eine verführerische Schönheit sein.
Sie betrachtete uns verächtlich und schritt würdevoll neben Dellman einher. An ihren bloßen Oberarmen trug sie goldene Spangen.
Dellman führte sie direkt auf mich zu. Ich fühlte, dass mir das Blut in den Kopf schoss. Unmittelbar hinter mir blieb das ungleiche Paar stehen. Dellman zog den Stuhl neben mir zurück, warf mir einen vernichtenden Blick zu und sagte: »Bitte nehmen Sie Platz, Mistress De Farton.«
Sie warf fast den Tisch um, als sie sich setzte. Ihre Blicke richteten sich auf mich.
Mit einer Stimme, die durch den ganzen Raum hallte, sagte sie: »Danke für die Einladung, junger Mann.«
Es gab Jambonneau jardinière als Hauptgericht, mit wundervollem, zartem Schinken auf frischen Karotten und ausgesuchten, in Butter geschwenkten Champignons.
An die Vorspeise kann ich mich nur dunkel erinnern. Meine Verwirrung war noch zu groß. Ich glaube jedoch, dass es Maquereaux au vin blanc, Makrelen in Weißwein, gab.
Als Nachspeise wurde ein Birnenbiskuit mit Sahne gereicht. Ich beneidete Ruscon um seinen Schiffskoch und wunderte mich, dass er seinen Passagieren ein derartiges Menü zusammengestellt hatte.
»Ich hatte die Absicht, während der Reise in meiner Kabine zu bleiben«, informierte mich Clarriss De Farton nach dem Essen. Sie kümmerte sich nicht darum, dass alle anderen hören konnten, was sie sprach. »Nun haben Sie mich herausgelockt. Warum, Mister Beynon?«
»Ich habe ein halbes Jahr auf einem Springerschiff gelebt«, sagte ich zu ihr. »Deshalb nutze ich jede Gelegenheit, mit Angehörigen Ihres Volkes zusammenzukommen.«
»Wie hieß das Schiff?«, fragte sie interessiert.
Es war Dellman, der mich rettete. Er stellte die Musik lauter und forderte die Passagiere zum Tanzen auf. Sofort stand ich auf.
»Entschuldigen Sie«, sagte ich zu meiner Tischnachbarin.
Hastig verließ ich meinen Platz. Dellman begegnete mir am Ende des Tisches.
»Sind Sie immer so höflich?«, erkundigte er sich gereizt.
»Sie sind ein feiner Arrangeur«, sagte ich spöttisch und beeilte mich, von ihm wegzukommen.
Ich erreichte die junge Frau, die ich für Clarriss De Farton gehalten hatte, vor allen anderen Männern, die sie auffordern wollten.
»Würden Sie mit mir tanzen?«, fragte ich.
»Nun haben Sie mich herausgelockt«, sagte sie mit verstellter Stimme. »Oh, Mister Beynon, Sie sollten etwas vorsichtiger mit Ihren Einladungen sein.«
Sie erhob sich. Die ganze Zeit über hatte sie von meinem Irrtum gewusst und sich wahrscheinlich königlich amüsiert. Wir tanzten in die Mitte des Raumes. Ich unterdrückte meinen Ärger.
»Sie sind also nicht Clarriss De Farton«, stellte ich fest. »Ebenso wenig wie mein richtiger Name Dunn Beynon ist.«
»Ich weiß, Mister Sessinger«, erwiderte sie ernst.
Unwillkürlich zuckte ich zusammen. Hatte Ansom getratscht – oder hatte sie Einblick in meine Akte nehmen können?
»Sie kennen meine Geschichte?«, fragte ich düster.
»Ich weiß, dass Sie versucht haben, viel Geld zu verdienen«, sagte sie ruhig und blickte mich an. Meine Verwirrung stieg. Ich geriet aus dem Takt und musste mich auf die Musik konzentrieren.