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Mike hat eine Leidenschaft. Role-Play-Games, kurz RPGs. Und am liebsten spielt er zusammen mit Chain. Er kennt ihn schon seit eineinhalb Jahren, aber eigentlich weiß er überhaupt nichts von ihm. Das könnte sich jetzt aber ganz schnell ändern, denn nun hat er nicht nur seine Nummer, nein, Chain hat – zugegeben durch einen etwas unfairen Trick, allerdings im Spiel und in der Liebe ist bekanntlich alles erlaubt - endlich einem Treffen zugestimmt! Mike könnte glücklicher nicht sein. Einziger Wermutstropfen: Zwischen Hannah und Leon kriselt es heftig und das gerade jetzt, da Leon endlich ein bisschen offener geworden ist. Scheiß Timing … In der zweimonatlich erscheinenden Serie von Julia Will sind bislang erschienen: Band 1: Der Prinz auf der Erbse Band 2: Feuer frei Band 3: Streng geheim Band 4: Ungeküsst Band 5: Dance with me Band 6: Verbotene Früchte Band 7: Déjà-vu Band 8: Happy birthday Band 9: Ich bin hier!
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Seitenzahl: 145
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Play with me
Band 3:
Streng geheim
Julia Will
© 2019 Amrûn Verlag Jürgen Eglseer, Traunstein
Lektorat: Susanne Pavlovic, TextehexeUmschlaggestaltung: cover & books Buchcoverdesign
Alle Rechte vorbehalten
ISBN TB – 978-3-95869-395-1Printed in the EU
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar
v1 19
Für Rei
Meine Liebe
Mein Leben
Meinen Leon
Leon
Ich hätte das nicht tun sollen. Ich hätte schlicht und ergreifend einfach nicht kommen sollen.
Um mich herum bewegen sich Massen an Menschen, mit Kostümen oder ohne, sie unterhalten sich, lachen, haben den Spaß ihres Lebens und ich ... ich fühle mich einfach nur fehl am Platz. Mein Handy musste ich inzwischen lautlos stellen, weil jedes Piepsen dafür sorgt, dass der Knoten in meinem Magen sich nur noch mehr zusammenzieht. Ich hätte mich gar nicht auf dieses Treffen einlassen sollen.
Und gleichzeitig fühle ich, wie meine Nerven flattern vor angespannter Aufregung, immer, wenn ich eine Person mit kurzen blonden Haaren sehe, während ich mich langsam durch die große Halle bewege. Gleich bin ich am Treffpunkt.
Ich bin seit einer Stunde hier und frage mich ständig, ob einer dieser Cosplayer Flynn ist. Ob wir bereits unerkannt aneinander vorbeigegangen sind. Aber selbst wenn ...
In ein paar Minuten ist es soweit. Dann sehe ich ihn. Dann erfahre ich, was das für ein Mensch ist, der seit über einem Jahr in meinem Leben ist und es die letzten Monate so rücksichtlos auf den Kopf gestellt hat. Manchmal weiß ich ehrlich nicht mehr, was ich tun oder denken soll ...
Hannah ... Mein schlechtes Gewissen bringt mich noch ins Grab.
Die letzten Wochen haben wir uns fast täglich gestritten. Ich will das nicht. Ich will sie nicht ständig zum Weinen bringen, ich will ... ich ... ich habe keine Ahnung mehr, was ich will.
Alles was ich weiß, ist, dass ich nicht von ihm loskomme. Von diesem aufdringlichen, anzüglichen Idioten, der jedes Mal dafür sorgt, dass mein Herz ein bisschen schneller schlägt, wenn ich eine Nachricht von ihm auf dem Handy habe. Ich weiß, dass es besser gewesen wäre, den Kontakt abzubrechen, als Vater mich erwischt hat. Ich hätte es einfach dabei belassen sollen. Es hätte so vieles einfacher gemacht.
Aber dann wäre ich jetzt nicht hier. Und egal, wie sehr ich mir wünsche, dass mein Leben wieder normal wird, dass ich endlich wieder andere Dinge im Kopf habe, als immer wieder nur diesen dummen Kerl, will ich doch gerade nirgendwo anders sein.
»Hey! Bist du Noctis?« Verwirrt drehe ich mich zu einem Mädchen um, das eben an meinem Shirt gezogen hat und mich neugierig mustert. Was soll das? Was will sie von mir?
»Nein.«
»Echt nicht?«
»Nein.« Sie soll mich in Ruhe lassen. Am liebsten würde ich mich einfach wegdrehen und gehen, aber allein dieser Name fesselt mich an Ort und Stelle. Noctis ...
Als Flynn mir gezeigt hat, was er tragen will, habe ich ein bisschen gegoogelt und bin dann aus allen Wolken gefallen. Das Gesicht des Hauptcharakters aus diesem Spiel - es war quasi mein Gesicht, das mir vom Bildschirm aus entgegengesehen hat.
Was für eine Ironie. Flynn wird das sicher lustig finden. Glaube ich. Ich frage mich zum hundertsten Mal, wie er aussieht. Tatsächlich hoffe ich ein wenig, dass er aussieht wie ein typischer Perversling. Nichts, was ich optisch auf irgendeine Art anziehend finden könnte. Aber wirklich glauben kann ich es nicht. Ich weiß nicht warum, aber mein Gefühl sagt mir, dass er ... dass ...
»Hast du schon den übergeilen Prompto gesehen, der hier rumläuft? Ihr würdet scheiße heiß aussehen nebeneinander! Er hat zwar schon ´nen Noctis, aber du siehst leider noch geiler aus!« Ich blinzle, sehe wieder das aufdringliche Mädchen an und schüttle den Kopf. Ich verstehe überhaupt nicht, was das hier soll. Warum bin ich überhaupt stehen geblieben?
»Nein. Ich gehe jetzt.« Dann drehe ich mich um und entferne mich von ihr. Sie lacht und ruft mir noch irgendetwas hinterher, aber ich beachte sie nicht mehr. Ich habe andere Sorgen. Und es ist jetzt kurz vor zwei. Ich überlege, ob ich Alexander anrufen soll. Tatsächlich bereue ich es jetzt, ihn nicht doch mitgenommen zu haben, aber er musste arbeiten und ich wollte nicht, dass er sich extra frei nehmen muss. Aber immerhin konnten wir reden.
Das hat gutgetan. Es tut immer gut, wenn ich mit meinem Bruder sprechen kann, selbst wenn es nur zehn Minuten am Telefon sind. Meine Finger beben, als ich mein Handy zurück in meine Tasche packe. Es wird ernst. Ich muss mich jetzt wirklich beeilen, sonst komme ich zu spät.
Wir werden einfach reden. Wir werden uns unterhalten, vielleicht mögen wir uns, vielleicht auch nicht, und hinterher rufe ich Hannah an und entschuldige mich bei ihr, dass ich so ein Arschloch war, und dann renkt sich alles wieder ein. Wenn ich gesehen habe, dass dieses Phantom, das ständig in meinem Kopf herumspukt und mich langsam aber sicher in den Wahnsinn treibt, auch nur ein Mensch mit Fehlern ist. Nichts, was mir nicht schon 100 Mal begegnet ist. Nichts, was ich nicht hinter mir lassen kann. Nichts ... was in mir Bedürfnisse weckt, die einfach nicht da sein sollten.
Ich sehe den Treffpunkt. Ich erkenne den Stand und die Nummer, die Flynn mir weitergegeben hat.
Es sind immer noch viele Menschen um mich herum, aber auch nicht so viele, dass- oh Gott.
Stocksteif bleibe ich stehen. Auch mein Herz kommt gefühlt einfach vollkommen zum Stillstand.
Das ist nicht wahr. Das kann schlicht und ergreifend nicht - nein! Nein, nein, nein, das ist ein Irrtum!
Das kann nicht -
»Geht´s dir gut? Du bist voll blass«, spricht mich jemand von der Seite an, aber ich kann nichts tun, kann nicht reagieren oder mich bewegen, weil mein Blick wie gebannt auf eine Person gerichtet ist, die etwa fünfzehn Meter von mit entfernt gegen die geschlossene Seite des Standes lehnt und sich immer wieder nervös umsieht. Noch hat er mich nicht entdeckt, aber das kann sich jede Sekunde ändern und in dem Moment, als Mike seinen Kopf in meine Richtung dreht, kriege ich endlich meinen Körper wieder unter Kontrolle, mache einen Schritt nach rechts und verschwinde hinter einem großen, hässlichen Ungetüm, das mich an irgendwelche Monster aus einem Videospiel erinnert. Oh Gott!
Mein Herz hämmert jetzt mit rasender Geschwindigkeit gegen meinen Brustkorb, als würde es versuchen, die verlorenen Schläge wieder aufzuholen. Meine Finger zittern, mein Mund ist trocken und ich fühle mich, als würden mir gleich die Knie nachgeben.
Mike. Da drüben steht Mike. In genau dem Kostüm, das Flynn mir geschickt hat. Kein Zweifel möglich. Ich kann es einfach nicht glauben, aber ...
Nein. Er ist es. Mike ist Flynn.
»Verdammt ...«, japse ich, zerre hektisch an dem dünnen Hemd über meinem T-Shirt, weil ich das Gefühl habe, jeden Moment einfach zu verglühen. Mike ist Flynn!
Ich kann nicht ... Das ist ... Meine Hand ist feucht, als ich mir über die Stirn wische.
Das kann doch alles nicht sein! Mike kann nicht derjenige sein, der mich- »Oh mein Gott ...«
Erinnerungen stürmen auf mich ein, Parallelen ziehen sich. Ich erkenne Zusammenhänge, Dinge erklären sich innerhalb von Sekunden von selbst, die vorher keinen Sinn ergeben haben, und dann wird mir einfach nur schlecht, wenn ich daran denke, was wir getan haben. Wozu er mich gebracht hat. Mike.
Dieser vorlaute Idiot, dieser dämliche Einfaltspinsel, dieser ... Der beste Freund meiner Freundin ... Alles was er weiß, weiß sie automatisch auch! Er wird ihr doch sofort erzählen, dass ich hier -
Ich muss hier weg. Ich muss hier auf der Stelle weg! Er darf mich nicht sehen! Auf gar keinen Fall!
Fast schon panisch blicke ich mich um, kontrolliere, in welche Richtung Mike gerade schaut, dann sehe ich zu, dass ich wegkomme. Mein Herz rast immer noch. Es tut richtig weh und jeder Schritt in die andere Richtung macht es nur schlimmer.
Mike ... Verdammt! Warum!? Warum musste es -
»Wow, mit dir hätte ich hier zuallerletzt gerechnet!«
Es kostet mich all meine Selbstbeherrschung, nicht geschockt zusammenzuzucken, als ich Nicklas‹ Stimme erkenne. Für einen Augenblick bin ich irritiert, weil er mit den kurzen schwarzen Haaren und dem ganzen Make-up im Gesicht so anders aussieht, aber natürlich macht das Sinn, er ist schließlich mit Mike zusammen hier.
»Hallo«, schaffe ich es, zu erwidern, verfluche meine Stimme, die viel zu heiser klingt.
»Ich hätte nicht gedacht, dass dich sowas hier interessiert! Ist das ein Geheimnis? Ich meine nämlich, dass Mike gesagt hat, du wärst bei deinem Bruder.«
Die Gedanken in meinem Kopf überschlagen sich. Ich weiß überhaupt nicht was ich denken oder sagen soll, und dass Nicklas aussieht wie eine schlechte Kopie von mir selbst, macht es kein Stück besser!
»Ja, ich ... Niemand weiß davon. Ist ... Ist Mike auch hier?« Er sieht bestimmt, was los ist. Ich traue ihm sogar zu, dass er die Verbindung zwischen mir und Chain zieht! Es mag paranoid sein, aber Nicklas … er ist nicht dämlich.
»Ja, der hat gleich ein Date. Wusstest du nicht, dass wir herkommen?«, fragt er verwirrt, lächelt aber freundlich, als wäre es für ihn total toll, sich hier mit mir zu unterhalten, obwohl wir uns kaum kennen.
»Nein.« Das wusste ich wirklich nicht. Hannah wusste es bestimmt, aber warum sollte sie mir davon erzählen?
»Ah, okay? Überraschung!« Er lacht und wirft die Hände in die Luft. Er findet das offensichtlich verdammt witzig, im Gegensatz zu mir. Ich versuche verzweifelt, mich irgendwie normal zu verhalten, aber ich schaffe es nicht wirklich. Ich bin immer noch schockiert. Mike ist Flynn! Ich kriege das nicht in meinen Kopf!
»Ja ... ahm ... ich gehe dann mal«, murmle ich, schon halb weggedreht, weil ich einfach nur hier raus will und nachdenken.
»Wohin? Mit wem bist du denn hier?«
Ich stocke. Was interessiert ihn das?
»Alleine, und ... Ich weiß nicht.« An seiner Mimik erkenne ich direkt, dass das genau die falsche Antwort war.
»Ach Gott, alleine? Wer geht denn alleine auf ne Convention? Das ist ja richtig traurig! Bleib einfach bei uns, okay? Uns stört das nicht, und ich denke, Mike hat auch nichts dagegen, wenn er nachher wiederkommt.« Sein Lächeln ist für meinen Geschmack viel zu nett. Ich traue ihm nicht ganz.
Nicklas ist anders als Mike. Nicklas bekommt viel mehr mit, das ist mir schon aufgefallen.
»Alter! Was ein geiles Cos! Nick, von dem kannst du noch was lernen! Schade, dass du AU-Klamotten anhast«, mischt sich jetzt ein muskulöser Typ von der Seite ein. Eine künstliche Narbe zieht sich über ein Auge und seine Perücke ist ein wenig nach hinten gerutscht, so dass man kurze schwarze Haare darunter hervorblitzen sieht.
»Das ist kein Cosplay. Leon sieht wirklich so aus und der Witz ist, dass mir jetzt erst auffällt, dass du wie Noctis aussiehst! Das ist echt ein bisschen geil!«, lacht Nicklas und holt sein Handy raus. »Selfie?«
Sofort hebe ich abwehrend die Hände.
»Nein! Niemand soll wissen, dass ich hier bin! Ich würde jetzt dann auch gerne gehen, bevor Mike kommt.« Es passt mir gar nicht, dass ich mich so von ihm in die Defensive drängen lasse, aber ich ringe immer noch um Fassung. Mike ist Flynn! Flynn ist Mike!
Wir hatten virtuellen Sex! Mike und ich! Ich habe ... Oh Gott, ich habe Mike eine Sprachnachricht von meinem Höhepunkt geschickt! Ich spüre, wie mein Gesicht heiß wird.
»Naaaah, das muss dir nicht peinlich sein, echt nicht! Ich zeig es auch keinem! Und Mike wird es wahrscheinlich scheiße cool finden, dass du hier bist!«
»Ja Mann, bleib hier! Mikes Freunde sind auch unsere Freunde!«, erklärt der riesige Muskelberg und zwinkert mir freundschaftlich zu.
»Ich bin nicht-«
»Entschuldigung? Kann ich ein Foto mit euch machen?«
Verwirrt sehe ich zu einem Mädchen mit einer rosafarbenen Perücke, das schüchtern Nicklas und mich ansieht. »Ihr seht so cool aus!«, fügt sie an und ich fühle mich vollkommen mit der Situation überfordert.
»Nein, ich-«
»Ach komm schon, sei kein Ekel«, brummt Nicklas, legt mir einen Arm um die Schultern und bietet dem Mädchen den anderen an, während ein zweites schon mit einem Handy zum Fotografieren bereitsteht. Wenn das irgendjemand sieht! »Aber hey, bitte nirgends posten, ja? Mein Freund hier möchte das nicht.« Sie lächelt und stimmt zu.
»Darf ich euch noch umarmen?«, haucht sie dann und ich weiß endgültig nicht mehr, was ich tun soll. Wo bin ich hier reingeraten?
»Na klar, komm her!« Nicklas drückt das Mädchen, dann sieht sie mich an. »Ich glaube, bei ihm bist du damit falsch. Er mag sowas generell nicht. Nicht traurig sein«, rettet er mich und auch wenn ich weiß, dass mein Gesicht keinerlei Regung zeigt, würde ich mich am liebsten in Luft auflösen. Zum Glück nimmt das Mädchen die Ablehnung hin und zieht mit seiner Freundin weiter. Ist sowas normal hier?
»Das ist echt krass, wie hart du nach Noctis aussieht. Die Augenfarbe stimmt nicht, aber das ließe sich mit Linsen relativ leicht beheben.« Ich wende mich einem weiteren Unbekannten zu, der offenbar ebenfalls zu Nicklas gehört. Ich meine mich an das Kostüm zu erinnern. War er nicht irgendwie der Butler? Ich bin nicht sicher und eigentlich ist es auch vollkommen irrelevant.
»Danke, ich verzichte«, gebe ich kühl zurück. Ich sollte einfach gehen.
»Ich bin Phillip. Du heißt Leon? Hab ich das grade richtig gehört?« Ich nicke und ergreife widerwillig die Hand, die er mir hinstreckt.
»Ich bin Kai!«, kommt es von dem großen Kerl und ich schüttle auch seine Hand, die sich unangenehm schwitzig anfühlt. Sein Händedruck ist sehr kräftig.
»Also, wir würden jetzt im Prinzip- oh, Moment!« Nicklas‹ Handy unterbricht ihn. »Ja? ... Nein, echt? So ein Spacko ... hast ihm schon geschrieben? Okay ... Ne, was willst du noch warten, er wird sich schon melden, wenn er noch hinkommt, ist ja Quatsch, da noch rumzustehen ... Jo, geh von dem Stand aus nach links Richtung Halle drei, wir sind nicht sehr weit gekommen. Ach ja, und ich hab hier ne Überraschung für dich.«
Ich will Mike nicht begegnen! Am Ende zählt er eins und eins zusammen und kommt mir wirklich noch auf die Schliche! Das wäre eine Katastrophe!
»Ich gehe dann jetzt«, sage ich, will die Gunst der Sekunde nutzen, um abzuhauen, so lange Nicklas noch am Telefon hängt, aber der reagiert unerwartet schnell, packt mein Handgelenk und hält mich fest. Ich kann mich jetzt losreißen oder es hinnehmen ... Szene wollte ich eigentlich keine machen, also sehe ich nur unbegeistert auf seine Hand und zeige recht deutlich, was ich davon halte.
»Kay, bis gleich, wir warten!« Er legt auf und lächelt mich auf eine Art an, die mir unangenehme Gänsehaut beschert. Fast als ... Nein, er weiß nichts! Und selbst wenn er etwas ahnt, kann er nichts beweisen!
»Du kannst echt gerne bei uns bleiben, uns macht das nichts aus. Außerdem wäre es gut, wenn Mike gleich ein bisschen Aufheiterung bekommt, dem geht´s nämlich gerade ziemlich scheiße. Aber das ist wahrscheinlich normal, wenn man versetzt wird.« Sein Blick ist viel zu eindringlich und viel zu forschend. Verdammter Mist, ich muss weg, bevor-
»Ihr seid ja echt noch nicht weit gekommen!« Mikes Stimme lässt mich, genau wie seine bloße Erscheinung vorhin, buchstäblich zu Eis erstarren. »Ich könnte so kotzen, ey! Ich hatte mich echt so gefreut! Warum hat er nicht einfach abgesagt, der blöde Bastard? Und warum geht er nicht an sein scheiß Handy!« Ich habe schon gemerkt, dass Mike versucht hat mich zu erreichen. Mein Handy hat in den letzten zehn Minuten dauerhaft in meiner Hosentasche vibriert, aber ich kann doch da nicht rangehen! Schreiben kann ich erst recht nicht! Nicht, solange Nicklas oder noch schlimmer, er selbst, neben mir steht! Ich weiß gerade nicht mal, ob ich ihm jemals wieder schreiben soll. Es ist Mike!
Er hasst mich! Okay, das nicht, aber ich weiß, dass er mich nicht sonderlich gut leiden kann und ich ... Ich habe mich nie für ihn interessiert. Er ist so laut und überdreht, außerdem hängt er ständig an Hannah und zu allem Überfluss ist er doch an Nicklas vergeben?
»Ich habe keine Ahnung, aber schau mal, was wir gefunden haben!«
Ich werde am Arm gepackt, herumgedreht und dann steht Mike direkt vor mir und starrt mich aus riesigen Augen an. Er wird doch nicht …
»Was machst du denn hier?!«, fragt er ungläubig, während es an seinen Mundwinkeln zupft, als würde er jede Sekunde loslachen. Ich atme innerlich auf. Er hat keine Ahnung.
»Wahrscheinlich dasselbe wie du, nur ohne diesen lächerlichen Aufzug«, antworte ich so gelassen wie möglich und weiche aus, bevor Nicklas mir seinen Ellenbogen in die Rippen donnern kann.
»Vorsicht, mein Freund, Cosplay ist erstens nicht lächerlich und zweitens sieht Mike fantastisch aus!«
»Ja Mann, ich seh voll geil aus!«, stimmt Mike lachend zu. Meine Erleichterung kennt keine Grenzen. Niemand ahnt etwas. »Aber mal im Ernst, ich dachte, du bist bei deinem Bruder?«
Ich nicke, gebe mich ungerührt wie immer, zumindest versuche ich es. Ich fühle mich nach wie vor etwas zittrig und kann es auch absolut nicht verhindern, dass ich Mike anstarre. Er ist Flynn ...
Egal wie oft ich den Gedanken denke, er wird einfach nicht realer.
»Bin ich. Seit vorgestern. Gerade ist er arbeiten.«
»Ah, okay? Und dann dachtest du, du gehst mal eben auf ne Convention ... Also sorry, aber du wärst so ungefähr der Letzte, dem ich das zugetraut hätte!«, sagt er und kratzt sich grinsend am Kinn.