Lemontree - Julia Will - E-Book

Lemontree E-Book

Julia Will

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Beschreibung

Vier Junge Männer, vier sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Stille, Abstand, ein Dach über dem Kopf … und endlich zum ersten Mal miteinander schlafen! Den Sex haben sie immerhin alle bekommen.  Zufall? Nicht in diesem Buch. Heiße Gayromance-Story von Julia Will, der Schöpferin der "Play with me"-Reihe. 

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Lemontree

Julia Will

© 2022 Amrûn Verlag Jürgen Eglseer, Traunstein

Lektorat: Susanne Pavlovic - TextehexeUmschlaggestaltung: Ulrike Kleinert - dreamaddiction

Alle Rechte vorbehalten

ISBN TB – 978-3-95869-338-8Print in the EU

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar

v1/22

glück im unglück

»Es tut mir aufrichtig leid, ich weiß selbst nicht, wie das passieren konnte.«

»Ja, aber … was mache ich denn jetzt?«

Das Gesicht der Rezeptionistin verzieht sich in ehrlichem Bedauern.

»Da kann ich Ihnen leider auch nicht weiterhelfen, tut mir leid. Aber wir freuen uns, Sie morgen als Gast bei uns begrüßen zu dürfen.«

Mehr hat sie mir offensichtlich nicht zu sagen, denn nach einem letzten mitleidigen Blick wendet sie sich einem Herren zu, der bereits hinter mir wartet. Super. Ganz toll. Und jetzt?

Dabei lief bisher doch alles so gut.

Mit hängenden Schultern verlasse ich das billige Hotel und dann stehe ich da. Mitten in einer Stadt, in der ich niemanden kenne, mit knapp vierzig Euro in der Tasche und … obdachlos. Zumindest für heute Nacht. Und Hunger habe ich auch.

Etwas weiter die Straße runter ist ein Subway, aber ich habe keine Ahnung, ob ich meine letzten Kröten nicht für einen Schlafplatz brauchen werde. Was sagt denn Airbnb?

Zu teuer, zu teuer, zu teuer, zu weit weg …

Zehn Minuten später habe ich immer noch keine Lösung gefunden. Frustriert zerre ich den Rucksack von meiner Schulter, werfe ihn gegen die Hauswand des blöden Hotels und hocke mich daneben auf den schmutzigen Boden. Dreck passt doch zu Obdachlosen.

»Oh, hey! Alles okay?«

Blaue, abgetragene Sneaker treten in mein Sichtfeld. Langsam hebe ich den Kopf und es folgen eine enge graue Jeans und ein grünes Shirt mit Subway Logo, darüber eine offene Lederjacke. Und dann ein schmales, recht attraktives männliches Gesicht mit hellblauen Augen, die mich fragend unter hellblonden Haaren heraus mustern. Jetzt lächelt der Typ. Ich würde ihn auf Anfang bis Mitte zwanzig schätzen. Also in meinem Alter.

Mein erster Impuls ist ein abwehrendes ›Alles gut, danke‹, aber als ich den Mund öffne, kommt nur ein verzweifeltes Stöhnen heraus.

»Oje, so schlimm?«

Er fummelt eine Packung Kaugummi aus seiner Jackentasche, steckt sich einen roten Würfel in den Mund und bietet mir das kleine schwarze Schächtelchen an. Wassermelone. Lecker.

Einen Moment genieße ich den frischen Geschmack in meinem Mund, der den bohrenden Hunger zumindest für die nächsten Minuten unterdrücken wird.

»Danke«, murmle ich etwas verspätet, muss nochmal tief seufzen, bevor ich beschließe, dass ich auch einfach sagen kann, was los ist. »Ich wollte gerade in mein Hotel einchecken und da ist irgendwas bei der Buchung schiefgelaufen. Ich hab erst ab morgen ein Zimmer und für heute Nacht ist sonst auch alles ausgebucht. Tja, und jetzt bin ich so richtig gefickt, weil ich keine Kohle hab, um mir was Neues zu suchen. So kurzfristig ist alles massiv zu teuer und … Scheiße Mann, was mach ich denn jetzt?«

Ich komme mir so dumm vor. Im Nachhinein bin ich nämlich nicht mal mehr sicher, ob nicht sogar ich einen Fehler bei der Buchung gemacht habe, aber ich traue mich nicht, in der Reservierungsbestätigung nachzusehen, ob ich recht habe.

»Was für ein Dreck.« Dazu kann ich nur nicken. »Okay, warte, lass mich kurz mal telefonieren, okay?« Er zieht sein Handy raus, tippt darauf herum und geht ein paar Schritte auf Abstand. Nicht weit genug, dass ich ihn nicht mehr hören könnte.

»Hey Süßer, wie war dein Tag? Hm … sehr cool. Du, sag mal, wäre es für dich okay, wenn ich heute noch jemanden mitbringe? Über Nacht?« Unglauben und Hoffnung lassen mein Herz fast explodieren. Ist das sein Ernst? Aber … wir kennen uns doch gar nicht? »Nein, noch nicht. Sekunde.« Er drückt sich das Handy an die Brust und kommt zu mir zurück. »Wie heißt du?«

»Fabio.«

»Cool. Kolja. Freut mich.« Er grinst so breit und entwaffnend, dass mein Gesicht einfach mitmacht, obwohl ich immer noch nicht sicher bin, was genau ich gerade fühlen soll. »Er heißt Fabio und kann nirgendwo hin. Ja genau.« Jetzt zwinkert er mir auch noch zu und ich beschließe, dass es okay ist. Meine Güte, bei den Leuten auf Airbnb kann ja auch sonst was in den Bewertungen stehen, die können alle gefakt sein. Zögerlich stehe ich auf, während Kolja weiter telefoniert. »Oh, ich denke, du wirst ihn mögen. Richtig. Also gut, dann sehen wir uns gleich. Lieb dich.«

Grinsend steckt er sein Handy weg und deutet auf den Rucksack, der immer noch neben mir auf dem Boden liegt, und den ich vor lauter Aufregung und Überforderung wahrscheinlich einfach liegenlassen hätte.

»Ist das wirklich in Ordnung?«, frage ich, schultere meinen Kram und dann folge ich Kolja energisch Kaugummi kauend die Straße hinunter.

»Ach klar! Ich hab schon öfter auf fremden Sofas geschlafen, als ich zählen kann. Da kann ich auch mal was zurückgeben. Vor allem in so einer Notsituation. Und Miguel sieht das auch locker.«

»Danke. Echt. Ihr rettet mir sowas von den Arsch.«

»Kein Ding.«

***

Eine knappe halbe Stunde später betrete ich hinter Kolja dessen Wohnung und kann mein Glück kaum fassen. Der unfassbar köstliche Geruch nach Chili con Carne, der uns bereits unten im Treppenhaus empfangen hat, kommt tatsächlich von hier. Ich könnte heulen vor Freude.

»Schatz? Wir sind da!«

»Willkommen zu Hause«, antwortet eine verdammt angenehme tiefe Stimme, wahrscheinlich aus der Küche. »Das Essen ist gleich fertig.«

»Perfekt!«

Ich mache es Kolja nach und hänge meine Jacke neben seiner an die kleine Garderobe. Der Flur ist schmal. Ein hoffnungslos vollgestelltes Schuhregal mit bunten Sneakern und Sportschuhen nimmt fast den ganzen Platz ein und auf der anderen Seite stehen etliche Kisten ohne Beschriftung.

»Seid ihr … erst eingezogen?«, frage ich neugierig und Kolja schüttelt den Kopf.

»Ne, das Zeug soll in den Keller, aber ich bin ein fauler Sack und Miguel weigert sich, meinen Kram wegzuräumen. Aber hey, vielleicht hast ja du Lust mir damit zu helfen? Quasi als Bezahlung?«

Wieder zwinkert er mir zu und ich nicke sofort.

»Abgemacht.«

An den grau tapezierten Wänden hängen Schwarzweißaufnahmen verschiedener männlicher Ober­körperteile. Eine nackte Brust, ein angespannter Bizeps und … ein echt netter Hintern. Koljas, oder Miguels?

Auf Socken betreten wir den Wohnbereich. Hier ist gerade genug Platz für eine mittelgroße Couch in L-Form, die übersät ist mit Motivkissen. Batman! Oh, und Deadpool! Ich fühle mich sofort heimisch! Ein Flachbildfernseher hängt an der Wand, und links und rechts stehen zwei Vitrinen mit Büchern und Comicfiguren. Noch mehr Batman. Dafür, dass die beiden keinen Besuch erwartet haben, ist es erstaunlich ordentlich. Könnte mir nicht passieren. Ich brauche bei Besuch immer mindestens zwei Stunden Vorlaufzeit, bevor ich auch nur daran denken kann, die Tür zu öffnen.

»Fabio? Kommst du?«

Oh, da hab ich mich wohl abhängen lassen. Die Küche zu finden ist nicht sonderlich schwer. Immer der Nase nach. Gott, riecht das gut!

Und dann sehe ich ihn. Miguel. Lässig lehnt er an der Küchenzeile und ich bin mir ziemlicher, dass ich gerade rausgefunden habe, wie es sich anfühlt, wenn man vom Blitz getroffen wird. Nur mit weniger sterben.

Lange Beine stecken in einer locker sitzenden schwarzen Sporthose, darüber trägt er ein weit ausgeschnittenes Tank Top, und irgendein dunkelrotes Oberteil hat er sich um die schmale Hüfte gebunden. Er sieht aus wie ein Tänzer. Lang und drahtig mit echt schönen, echt muskulösen Armen und kräftigen Händen.

»Hallo«, schaffe ich immerhin ein einzelnes Wort, bevor ich meinen blitzverbrutzelten Körper kraftlos auf einen der beiden Küchenstühle fallen lasse, die direkt neben der Tür um einen Miniaturklapptisch stehen. »Ich bin …« Meine Güte, wie kann man bitte so ausdrucksstarke Augen haben? »Fabio.«

»Miguel. Angenehm. Ich hoffe, du magst Chili?«

Ein dunkles Schmunzeln legt sich über seine schön geschwungenen Lippen, die so laut küss mich rufen, dass ich mir am liebsten die Ohren zuhalten möchte.

Kolja hat es offenbar auch gehört, denn der geht in diesem Moment zu seinem Freund – SEINEM FREUND – und haucht ihm einen sanften Kuss auf den Mund.

»Riecht echt gut. Aber diesmal bitte ein bisschen weniger Zimt, wenn´s geht.«

Er kneift Miguel in die Nase, der ihn von sich schiebt. Mit einem leisen Lachen, das direkt in meinen Schritt wandert und dort Unruhe stiftet. Ich kann hier unmöglich übernachten. Oder essen. Oder atmen. Nicht mit dieser wandelnden Versuchung direkt vor meiner Nase! Kolja sieht auch gut aus, keine Frage, aber Miguel … wie er sich ein paar schwarze Strähnen hinters Ohr streicht, dann einen kleinen Löffel nimmt, ihn ins Chili taucht, draufpustet und Kolja an die Lippen hält …

»Mmmh, okay, es ist perfekt«, befindet Kolja zufrieden, holt Geschirr aus dem Schrank und kurz darauf dann sitzen wir im Wohnzimmer auf dem Boden um den kleinen Wohnzimmertisch.

»Ich hoffe, das ist okay für dich? Wir haben nur zwei Stühle und in der Küche ist es zu dritt echt eng«, sagt Kolja und beginnt sein Chili mit dem Reis auf seinem Teller zu vermischen.

»Äh ja, klar. Ich hatte nicht mal damit gerechnet, dass ich heute überhaupt noch etwas zu Essen bekomme. Und dann auch noch sowas Geiles. Danke euch.«

Todesmutig sehe ich rüber zu Miguel und spüre wieder das Kribbeln des Einschlags. Angefangen in meinem Nacken, breitet es sich in meinem ganzen Körper aus.

»Sehr gerne.« Bilde ich mir das nur ein, oder klang das gerade mehr nach einem Schnurren? Noch einen Moment lang schaffe ich es, den Blickkontakt zu Miguel zu halten, dann unterbricht er ihn und greift zu der kleinen Gewürzmühle mit dem Chili. »Willst du auch? Ich mag es gerne scharf.«

Ein Hauch eines Eckzahns blitzt in seinem Mundwinkel auf. Shit …

»Äh … nein, danke. Aber es schmeckt echt gut.«

Selbst ohne ausgehungert zu sein, wie ein Wolf nach drei Wochen auf Beutesuche hätte mir das Essen geschmeckt.

»Ja, du hast echt Schwein, dass Miguel heute dran ist mit kochen. Mit mir hättest du nicht so viel Glück gehabt«, erklärt Kolja kauend, angelt nach einer offenen Wasserflasche und schlägt sich dann mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Oh, Gläser brauchen wir noch.«

Schon springt er auf und hüpft in die Küche. Und ich sitze mit Miguel alleine hier und fühle mich …

»Freut mich, dass du mein Essen magst.«

Irgendetwas in Miguels Stimme tut etwas mit mir und ich bin noch nicht sicher, ob ich mich deswegen schlecht fühlen, oder es einfach genießen soll. Na ja, im Idealfall fällt niemandem auf, dass ich ständig Gänsehaut davon bekomme.

»Hm«, brumme ich, weil ich nicht weiß, was ich dazu sagen soll. Er sitzt direkt neben mir und immer, wenn er sich bewegt, streift sein Knie meines und schickt weitere kleine Stromschläge durch meinen Körper. Es sollte verboten sein so verdammt heiß zu sein wie dieser Kerl.

»Warum bist du eigentlich in der Stadt?«

»Wegen seiner Arbeit«, antwortet Kolja für mich aus der Küche, dem ich die ganze Geschichte bereits auf der Herfahrt erzählt habe. Miguel nickt verstehend.

»Und da musst du alles selbst buchen und bezahlen? Warum kümmert sich dein Arbeitgeber nicht darum?«

»Weil ich eigentlich zwei Tage zu früh hier bin. Ich wollte mir ein bisschen was ansehen, bevor ich die restliche Zeit nur arbeiten muss. Ich dachte, wenn ich schon mal hier bin … und dafür musste ich zwei Buchungen machen und in Vorkasse gehen und ja. Lange Geschichte, kurzer Sinn: Ich bin ein Depp, der keine Onlinebuchungen machen sollte.«

»Ärgerlich«, ist Miguels abschließender Kommentar, zusammen mit einem überraschend mitfühlenden Blick. Kolja schenkt mir inzwischen ein Glas Wasser ein und ich trinke es in gierigen Schlucken leer. Er lacht und schenkt nochmal nach.

»Du hattest Rettung echt nötig, oder?«

»Aber sowas von!«

Mein Handy vibriert in meiner Hosentasche. Bestimmt Flo, der wissen will, wie es bei mir läuft. Wenn der wüsste …

»Was macht ihr beiden so?«, frage ich neugierig. Ich habe schon so viel von mir erzählt, jetzt sind die beiden auch mal dran, obwohl ich bei Kolja im Prinzip schon weiß, wo er arbeitet. Inzwischen hat er sich umgezogen und trägt nun ein schwarzes T-Shirt mit irgendeinem Bandaufdruck, der mir nichts sagt.

Ist aber nur sein Nebenjob, sagt er.

»Eigentlich studiere ich Psychologie, aber da ich Miguel nicht allein für unseren Lebensunterhalt schuften lassen will, belege ich nebenher noch Sandwiches. Nicht mein Traumjob, aber na ja.«

Er zwinkert mir grinsend zu und ich lächle automatisch zurück. Schon wieder.

»Also ich finde das fair. Und was machst du, Miguel?«

Diesmal fällt es mir schon leichter, mich ihm zuzuwenden. Offenbar gewöhne ich mich langsam an den Dauerstrom. Okay, dass er sich jetzt die Lippen leckt, mir so einen kurzen Blick auf seine flinke Zunge gestattet, erwischt mich kalt. Aber hey, ich sitze so nah am Tisch, dass garantiert keiner sieht, was mein Penis in meiner Hose tut. Wenn er könnte, würde er winken.

»Ich arbeite selbstständig als Personal Trainer.«

»Oh, klingt cool.«

»Ist es!«, erklärt Kolja, dann zieht er den Kopf zwischen die Schultern. »Außer wenn ich mit Kochen dran bin und er mosert, weil ich zu viel Ketchup und zu wenig Gemüse verwende, aber was soll ich machen? Ich hab halt andere Talente.«

Er greift über den Tisch und streicht kurz über Miguels Unterarm, bekommt dafür ein sanftes Lächeln zurück.

»Zu meinem grenzenlosen Glück.«

»Wow, danke. Du mich auch«, mault Kolja gespielt beleidigt und streckt seinem Freund die Zunge raus, der nur gelassen die Schultern zuckt und sich wieder mir zuwendet.

»Er kocht wirklich grauenhaft. Du hast Glück, dass du nur eine Nacht hierbleibst.«

»Hey!« Schnaubend schüttelt Kolja den Kopf, rappelt sich dann stöhnend auf die Füße. »Sorry, ich muss kurz pinkeln.«

Und schon ist er weg und ich wieder mit Miguel allein.

Schweigend starre ich auf den letzten Rest Chili.

Miguel ist schon fertig und wischt sich gerade den Mund an einem Stück Küchentuch ab.

»Ist es wirklich in Ordnung für dich, dass ich hier bin?«, frage ich, einfach, weil ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll, aber das Gefühl habe, dass ich irgendetwas sagen sollte. Wieder wandert Miguels Blick zu mir. Er hat unglaublich schöne Augen. So groß und dunkel, mit schön geschwungenen Brauen darüber. Die sind so ordentlich, dass ich mich frage, ob er sie sich in Form zupft.

»Natürlich, sonst hätte ich das schon gesagt, als Kolja mich angerufen hat. Und er hatte ganz recht, als er sagte, dass ich dich mögen würde.«

Er mag mich. Das haut er einfach so raus.

»Ahm … danke? Ich mag dich auch?«

»Ist das eine Frage?«

Wieder schenkt er mir ein Lächeln, dunkler diesmal und irgendwie … ein bisschen zu sexy, dafür, dass sein Freund gerade einen Raum weiter auf der Toilette ist.

»Nein, sorry. Ich … find euch beide echt sympathisch. Ich bin froh, dass ich hier sein darf.«

Gut gerettet. Ich meine, ich finde Miguel ohne Frage irrsinnig anziehend und allein der Gedanke dran, wie es wäre ihn zu küssen, diese abartig ebenmäßige Haut zu berühren, lässt mich schwindeln, aber das Letzte, was ich will, ist die Gastfreundschaft der beiden auszunutzen und ihnen Ärger zu machen.

»Keine Ursache. Du, sag mal, darf ich dich was fragen?« Und dann bleibt mein Herz einen Moment stehen. Ich weiß es. Kann gar nicht anders sein. Denn alles in meinem Körper kommt zum Stillstand, als Miguel sich zu mir lehnt, so nah, dass ich seinen warmen Atem an meinem Hals spüren kann. Irgendetwas streift mich dort. Seine Nase? Die Lippen? Fuck!

»Was benutzt du für ein Parfum? Es steigt mir schon die ganze Zeit in die Nase … kommt mir irgendwie bekannt vor ...« Ich höre ihn tief einatmen, dann summt er genießerisch und da ist sie schon wieder. Gänsehaut. Bis zu den Zehen. Und eventuell springt mir gleich mein Herz aus dem Mund, wenn ich etwas sage, so weit oben hämmert es in meiner Kehle. »Hm, nein, so aus der Nähe … doch nicht.«

Eine flüchtige Berührung an meinem Oberschenkel lässt mich zusammenzucken und ich drehe automatisch den Kopf. Meine Nase stößt gegen Miguels und eigentlich hatte ich erwartet, dass er sich spätestens jetzt wieder zurückzieht. Tut er aber nicht. Er mustert mein Gesicht, als wollte er sich alles genau einprägen, dann stupst er seine Nasenspitze nochmal ganz sanft gegen meine, lässt mich für eine Sekunde glauben, dass er mich jetzt wirklich küssen will, dann lehnt er sich wieder zurück. Nebenan rauscht die Klospülung und mein Herz hat es nun bis hoch in meine Ohren geschafft, wo es überlaut vor sich hinwummert.

Was zur Hölle war das? Warum hat er das getan? Ich kapiere es nicht.

Und vor allem: Will ich ein Teil von dem sein, was sich hier gerade abspielt? Mein Penis ist definitiv der Überzeugung, dass wir unbedingt herausfinden sollten, was Miguel da für ein Spiel mit uns spielt, aber zum Glück ist die Stimme der Vernunft lauter. Oh, und mein Gewissen. Kolja ist echt nett. Ich kann doch nicht … auf der anderen Seite ist es nicht mein Problem, was zwischen den beiden ist. Und ich bin morgen wieder weg. Ach fuck, ich will kein Arschloch sein, aber Miguel ist echt –

»So, und jetzt? Wir haben´s gerade mal …«, sagt Kolja, als er zurück ins Zimmer kommt und schaut auf die Uhr. »Halb neun. Was haltet ihr von einem Film?« Mit Schwung wirft er sich auf die Couch.

»Und welchen?«

Miguel steht auf und sammelt das Geschirr zusammen, verschafft mir so ein bisschen Abstand. Und mehr Luft zum Durchatmen. Bis mir einfällt, dass ich ihm besser helfen sollte, wenn ich hier schon bekocht werde. Kolja bleibt sitzen und sieht uns zu.

»Keine Ahnung … Irgendwas von Marvel? Die gehen immer. Oder Batman!«

Fragend sehen beide mich an und ich zucke die Schultern.

»Mir egal.«

»Okay, dann suche ich irgendwas raus.«

Mit Koljas und meinem Teller bewaffnet folge ich Miguel in die Küche. Er öffnet die Spülmaschine und wir räumen sie gemeinsam ein.

»Willst du Popcorn?«, fragt er, öffnet bereits einen Schrank und holt zwei Päckchen Mikrowellenpopcorn heraus. »Süß oder salzig.«

Die Küche ist nicht wirklich groß, aber so eng, wie wir es gerade tun, müssten wir nicht beieinanderstehen. Und es gibt auch keinen Grund für ihn zu flüstern. Trotzdem senke ich genau wie er die Stimme, als ich antworte.

»Süß.«

Er macht noch einen Schritt auf mich zu und ich weiche nach hinten aus, komme aber nicht weit, weil ich mich selbst in die Ecke mit der Mikrowelle manövriert habe.

»Dachte ich mir schon«, antwortet Miguel, greift um mich herum und öffnet das Gerät. »Darf ich kurz?«

Gemächlich faltet er die Packung auseinander, legt sie in die Mikrowelle und stellt die Zeit ein. Hinter mir beginnt es zu summen und ich warte, dass Miguel auf Abstand geht.

»Kommt ihr klar da drin?«, ruft Kolja aus dem Wohnzimmer.

»Wir machen noch Popcorn.«

»Uh, mega! Passt euch Black Panther?«

Dunkle Augen mustern mich fragend und ich nicke.

»Ja, klingt super.«

»Okay.«

Und dann höre ich nur noch die Mikrowelle und meinen Herzschlag. Oh, und Miguels ruhigen Atem.

»Ahm … sag mal, was ist das hier«, wage ich leise zu fragen, deute zwischen uns hin und her und versuche die Bilder auszublenden, die sich schon die ganze Zeit in meinen Kopf drängen wollen. Von Miguel, nackt, wie er sich stöhnend an die Arbeitsplatte klammert, während ich ihn von hinten ficke, meine Finger fest in der weichen Haut an seiner Hüfte gekrallt.

Gott, verdammt, raus aus meinem Kopf!

»Was meinst du genau?«

Miguels Brauen zucken und es blitzt amüsiert in seinen dunklen Augen. Er weiß ganz genau, was ich meine. Er spielt mit mir. Die Frage ist, will ich das? Oder viel eher, kann ich das?

»Ich will nicht, dass du Stress mit deinem Freund bekommst«, erwidere ich. Hinter mir beginnt das Popcorn zu knallen und ein angenehmer Duft breitet sich aus.

»Warum sollte ich? Ich kann doch nichts dafür, dass ich unseren Hausgast attraktiv finde.«

Ich schlucke mühsam.

»Das mag sein, aber … ich kann mir kaum vorstellen, dass er das hier gut finden würde. Also …«

»Du meinst, wenn ich dir so nahekomme?«

»Genau.«

»Hm … findest du es denn gut?«

Meine Güte, mir schwirrt langsam echt der Kopf. Der Kerl macht mich irre und sein Stöhnen in meinen Ohren wird immer lauter.

»Was genau?«

»Wenn ich dir nahekomme. Wenn ich … darf ich dich anfassen?« Eigentlich wollte ich den Kopf schütteln, aber mein Körper ist wohl der Meinung, dass ein Nicken gerade angebrachter wäre.

Keine Ahnung, was ich erwartet habe, aber definitiv nicht, dass Miguels Finger durch meine Haare fahren. Und mir dann das schönste Lächeln des Abends bescheren. »Genau so weich, wie ich es erwartet hatte«, brummt er zufrieden und ich schlucke mühsam mein pochendes Herz aus meiner Kehle, damit ich ihm antworten und ihm sagen kann, dass wir das besser lassen sollten.

»Danke.«

Oder auch nicht. Langsam wandern seine Finger tiefer, legen sich um meinen Nacken, beginnen, mich dort zu massieren und ich schließe genießerisch die Augen. Im Hintergrund poppen die Maiskörner wie hundert kleine Explosionen.

»Fabio …«

»Hm?«

»Ich würde dich jetzt echt gerne küssen.«

Eine flüchtige Berührung an meiner Schulter, warmer Atem auf meinem Gesicht, unglaublich sanfte Lippen auf meinem Mund. Alles kribbelt. So schnell, wie es begonnen hat, ist es auch schon wieder zu Ende. Auch in der Mikrowelle hinter mir kehrt langsam Ruhe ein. Dann plingt es laut. Das Popcorn ist fertig. Und ich auch. Fix und fertig.

»Wärst du so nett und gibst mir das Popcorn?«

Nichts in Miguels Stimme lässt darauf schließen, was gerade zwischen uns passiert ist, und das bringt mich fast noch mehr aus dem Konzept als der Kuss selbst.

Er hat mich geküsst. Einfach so. Und das Schlimme ist, ich weiß, ich hätte nein sagen können. Hab ich aber nicht. Weil … ich das wollte. Ich wollte ihn küssen. Und wenn ich ehrlich bin … will ich noch mehr.

Ich brauche drei Versuche, bis ich rausfinde, wie man die Mikrowelle öffnet, und schaffe es schließlich, dem sanft vor sich hin schmunzelnden Miguel die heiße, prall gefüllte Packung zu reichen, der sie in eine bereitstehende Glasschüssel leert.

»Sollen wir?«, fragt er, zwinkert mir zu und ich frage mich, wie ich es geschafft habe, in dieser grotesken Situation zu landen.

Mein Gott, ich wünschte so sehr, wir wären einfach allein in dieser Wohnung! Dass Kolja nicht hier wäre. Dann würde ich Miguel das Popcorn abnehmen, ihm dieses schrecklich verführerische Oberteil, an dessen Seiten immer wieder mal ein kleiner, verlockender Nippel herausblitzt, über den Kopf ziehen und ihn küssen. Ich würde ihn anfassen, überall, würde meine Hände auf seinen garantiert herrlich festen Po pressen, würde ihn an mich ziehen, ihn meine eisenharte Erektion spüren lassen und – »Fabio?«

»Ja, sorry!«

Mein Gesicht brennt. Ich werde hart. Und das Schlimmste von allem: Miguel merkt es.

Sein Blick liegt auf meinem Schritt und … er lächelt. Viel zu wissend, viel zu zufrieden. Aber er sagt nichts. Er geht nur vor mir aus der Küche, weiter ins Wohnzimmer und macht das große Deckenlicht aus. Pure Erleichterung. Wenn ich ganz viel Glück habe, schaffe ich es im schwachen Licht des Fernsehers zur Couch und unter eine Decke, bevor Kolja merkt, was los ist.

Der hat es sich inzwischen auf der Längsseite der Couch bequem gemacht und unter einer der beiden Wohnzimmerdecken eingemummelt. Auf dem Fernsehbildschirm prangt das Logo von Marvel.

»Also ich weiß ja, eigentlich überlässt man dem Gast den besten Platz, aber das ist meine Seite der Couch und ich fühl mich nicht wohl, wenn ich wo anders sitzen muss. Ist das okay für dich, wenn du dir mit Miguel die andere Seite teilst?«

Das Glühen breitet sich aus. Mir ist scheiße heiß.

»Äh, ja klar.«

Langsam folge ich Miguel zur Couch. Er macht es sich direkt in der Mitte bequem und lässt mir so nur das andere Ende übrig, das am weitesten von Kolja entfernt ist. Wenn ich ein Knie anwinkle, kann mein Schwanz tun und lassen, was er will, niemand wird es mitbekommen. Perfekt.

Halbwegs entspannt ziehe ich mir mein Longsleeve über den Kopf. Darunter habe ich noch ein T-Shirt. Viel besser.

»Oh, das Wasser ist leer.« Bedauernd schwenkt Kolja die leere Plastikflasche, schält sich aus der Decke und steht auf. »Ich hole fix noch was zu Trinken. Wasser, oder lieber was anderes? Wir haben auch noch Säfte. Kirsch und Maracuja, wenn ich mich nicht irre. Ach, ich hol einfach alles.«

Und weg ist er.

»Geht es dir gut?« Ich spüre Miguels Blick von der Seite, dann legt er eine Hand auf meinen Oberschenkel, ganz vorsichtig, und dann habe ich wieder seinen angenehmen Geruch in der Nase und seinen Atem an meinem Hals. »Wenn dir irgendetwas hier unangenehm ist, dann sag es bitte. Ich möchte dir nichts aufdrängen, was du nicht willst, okay?«

Ich schlucke trocken, sehe runter auf seine Hand, dann in sein gefährlich nahes Gesicht. Gott, diese Lippen …

»Gut.«

Mehr kriege ich beim besten Willen nicht raus.

»Soll ich dich in Ruhe lassen?«

»Nein.«

»Das hatte ich gehofft.«

Er schenkt mir ein weiteres träges, höchst selbstzufriedenes Lächeln und mir fallen die Augen zu, als seine Lippen meinen Hals berühren, ganz kurz nur, ganz sanft, aber ausreichend, um meinen Penis in meinen Boxershorts endgültig rebellieren zu lassen.