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June ist am Ende und verzweifelt. Ihr einstiges Zuhause ist nur noch ein Häufchen Asche, und sie ist weiterhin das Opfer anonymer Drohungen. Und als ob das nicht Probleme genug wären, wartet Arden darauf, dass sie sich endlich zu ihm bekennt. Doch Arden ist nicht der strahlende Held mit blütenreiner Weste, nein, er hat auch eine dunkle und gefährliche Seite. Und June weiß nicht, ob sie dem gewachsen ist. Aber Arden kämpft um sie und will sie von seinen guten Absichten überzeugen, indem er auch den Kampf aufnimmt gegen diejenigen, die June bedrohen. Was er nicht weiß: Dieser Kampf kann auch ihn selbst zerstören. Sind beide bereit, sich aufeinander einzulassen und sich den Bedrohungen zu stellen? Dieser Band ist der Abschluss der Please-Reihe.
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Seitenzahl: 216
(PLEASE-REIHE 2)
Jasmin Schürmann
c/o Autorenbetreuung/Caroline Minn
(Impressumservice)
Kapellenstraße 3
54451 Irsch
Lektorat: Katrin Schäfer
Korrektorat: Klaudia Szabo
Cover/Umschlaggestaltung: Sabrina Dahlenburg
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
20. Epilog
Nachwort
Über den Autor
Susanna
Er gab mir Essen und Kleidung. Sogar etwas Geld, damit ich mich selbst versorgen konnte.
Das Hotelzimmer war zwar schäbig und das Bett hatte bereits bessere Tage gesehen, aber es würde reichen.
Es würde reichen, bis es zu Ende ging.
Er hatte mir Bilder von Arden und dieser Frau im Internet gezeigt.
Sie und Arden waren zusammen auf einer Premiere gewesen.
Eine nichtssagende Frau war sie.
Und er bestätigte meine Meinung, dass sie nichts wert war, indem er mir erklärte, dass Arden seine Arbeit wegen ihr vernachlässigte, und das für eine einfache Fitnesstrainerin.
Die Leute redeten bereits, sagte er.
Die Leute bedauerten ihn, weil Ardens Verstand ihm nicht mehr gehörte.
»Sie ist wie Gift, Susanna. Wenn du nicht das Gegengift für ihn hast, wird er auch untergehen. Aber willst du das? Willst du, dass Arden untergeht?«
Er hatte mich das mehrmals gefragt, und ich hatte ihm immer die gleiche Lüge aufgetischt.
Ja, ich würde sie beseitigen. Aber nur, um ihm zu beweisen, dass ich seine Schwäche gefunden hatte.
Ich war nie die Schwachstelle gewesen, weil sie es gewesen war.
Und der Tag würde schneller als gedacht kommen. Der Tag, an dem June für ihn bluten musste.
Arden
Bill saß mir gegenüber. Ich las mir gerade die neuesten Promi-News über Core durch und wartete währenddessen, dass mein Manager mit seinem Tobsuchtsanfall aufhörte.
»Ich kann es wirklich nicht fassen, Arden. Du kannst doch nicht einfach ...«
Die Presse vermutete, dass Core über Nacht ein Facelifting irgendwo in South L.A. verpasst bekommen hatte, weil man ihn heute Morgen mit blauen Flecken und geschwollenem Gesicht gesehen hatte. Ein Magazin nannte ihn sogar »Hollywoods neuer Frankenstein.« Bill und David hatten allerdings vertuscht, dass ich es gewesen war, der ihm die Visage »verschönert« hatte.
Ich grinste.
»Jetzt lachst du auch noch? Findest du es witzig, wenn ich dir gerade deinen reichen Arsch retten will, oder was?«
Erst jetzt schaute ich auf und sah Bills vor Wut gerötetes Gesicht.
»Gut, dass keine Paps vor Ort waren, als dieses merkwürdige Feuer ausgebrochen ist. Sie ist nicht gut für dich, Junge.«
Wie schnell er das Thema wieder in Junes Richtung bringen kann.
»Bill«, seufzte ich.
»Nichts da! Ich bin lang genug in der Branche, um das sehen zu können. Meinst du, du wärst der einzige Kerl, der sich auf die Falsche einlässt? Nein. Das passiert andauernd. Der Vorteil ist, dass du mich hast. Ich sorge dafür, dass deine Ausrutscher nicht an dir kleben bleiben werden.«
»Bill ...«
»Du weißt, dass ich nur dein Bestes will, oder? Es wird Zeit, dass du wieder arbeitest. Dir hat Arbeiten immer geholfen, die Dinge etwas entspannter zu sehen.«
Er meinte damit, dass ich ihn die Dinge habe regeln lassen, während ich die Kohle verdiente. Aber ich erwähnte es nicht, da er mir auch öfter den Arsch gerettet hatte.
Dennoch musste ich etwas klarstellen.
»Ich weiß, dass du verdammt viel Arbeit hast. Vor allem in letzter Zeit.«
Ich stand vom Sessel auf. »Aber June hatte damit nichts zu tun.«
Bill öffnete den Mund, um darauf etwas zu erwidern, aber ich schnitt ihm das Wort ab. »Du wirst June akzeptieren.«
»Aber ...«
»Du arbeitest für mich. Nicht andersherum. Du wirst tun, was ich sage. Und da du mein Manager bist, wirst du June anlächeln, ihr einen schönen Tag wünschen, wenn du sie siehst, und dich ansonsten raushalten. Bei allem, was sie betrifft. Verstanden?«
Er wirkte nicht glücklich darüber, sagte aber nichts, sondern nickte widerwillig.
Plötzlich klopfte es an der Tür. David kam herein.
»Sie sind hier.«
»Na, wundervoll. Bill, June wird ab sofort hier wohnen.«
Die Überraschung über diese neue Information war ihm ins Gesicht geschrieben.
June war Gast auf meiner Party gewesen, als ich den Golden Globe gewonnen hatte. Dass sie nicht ganz freiwillig dort gewesen war, musste ich mir schon mehrmals anhören.
Erst hielt ich sie für nicht wichtig genug, um mich mit ihr zu beschäftigen, aber dann schaute ich sie mir genauer an und konnte nicht nur sehen, wie schön sie war, sondern auch, dass sie keinerlei Interesse hatte, sich mit einem Mann wie mir einzulassen.
Nicht nur, dass sie mir Pfefferspray verpasst hatte, nachdem ich ihr hinterhergelaufen war. Nein, sie fand es überhaupt nicht berauschend, dass ich ihr tagelang gefolgt war.
Okay, okay, das klang jetzt wirklich unheimlich. Vielleicht waren meine anfänglichen Versuche, mich mit ihr zu verabreden, auch äußerst schwierig nachzuvollziehen, wenn man es von außen betrachtete ... Aber ich dachte, wenn ich bei ihr im Studio trainieren könnte, würde ich sie überreden können, mit mir auszugehen.
Es passierte danach allerhand, das uns bis hierhergebracht hatte.
Vorgestern Nacht geschah dann etwas, dass uns jetzt irgendwie in mein Haus geführt hatte.
Wir hatten Sex.
Sex, vor dem ich sie gewarnt hatte.
Sex, den ich nie wieder vergessen würde.
Und das alles, nachdem sie mir gebeichtet hatte, dass sie von meinem verhassten Schauspielerkollegen Sebastian Core vergewaltigt worden war.
Nachdem ich Core halbtot geprügelt hatte, wollte ich zwar in ihrer Nähe sein, sie aber auch vor mir schützen. Denn ich stand in meinem Schub. Einem Schub, der mich rasend und unkontrolliert machte. Aber June war die Starke von uns an diesem Abend und hatte mir gezeigt, dass sie nicht nur das Opfer in dieser Geschichte war, sondern auch der fehlende Part in meinem Leben.
Warum sonst war sie die einzige Person, die sich nicht dafür interessierte, dass ich krank war?
Warum konnte ich für sie alles stehen und liegen lassen, wenn ich es für sonst niemanden machen würde?
Das alles wollte ich mit ihr besprechen, aber sie war gestern Morgen direkt verschwunden.
Weil David ihr von meiner Erkrankung und den Schüben erzählt hatte, bevor ich es tun konnte.
June hatte daraufhin angenommen, dass sie auch nur ein Schub war. Eine Halluzination. Ein Realitätsverlust, weil die schizoaffektive Störung mich dazu brachte, oftmals unüberlegt Dinge anzustellen, die nicht zu mir passten.
Aber June passte. Sie passte zu mir!
Und das hatte ich ihr gestern klarmachen wollen. Bis jemand versucht hatte, ihr wehzutun.
Als ich ihr gestern Abend meine Hilfe angeboten hatte, nachdem ihr Haus abgebrannt war, verneinte sie sofort. Sie wurde von einem Molotowcocktail an der Stirn getroffen und verletzt, aber die Wunde würde heilen. Matt und ich fuhren sie zu Lola und verstanden recht schnell, dass Junes Haus bereits klein gewesen war, aber Lolas Bude einem Schuhkarton ähnelte. Hier konnten unmöglich zwei Personen leben.
Deswegen bot ich ihr ohne Zögern erneut an, bei mir zu wohnen. June lehnte ab, aber Lola hatte sie schon innerhalb weniger Minuten überredet, als sie begann, sich vor uns ihre Fußnägel zu schneiden.
Wäre die Kleine nicht lesbisch, wäre sie für David die Eine. Da war ich mir absolut sicher!
Bill folgte mir, als wir das Büro verließen und zur Tür liefen.
June und Lola standen immer noch mitten im Foyer und Lola war gerade dabei, die Decke anzustarren. June wirkte eher teilnahmslos, als wäre sie ganz und gar nicht zufrieden mit der Situation.
Automatisch musste ich darüber lächeln.
Nachdem sie aus dem Hotel abgehauen war, wusste ich nicht, wie es mit ihr und mir weitergehen könnte.
Normalerweise öffneten mir entweder mein Geld oder mein Promistatus Tür und Tor, um zu erreichen, was immer ich auch wollte. Aber so funktionierte das bei June nicht.
Und das machte mich – ehrlich gesagt – scheiße nervös.
»Arden!«
Lola bemerkte mich zuerst und grinste übertrieben.
»Lola. June.«
Ich sah June lang an, bis sie mich endlich anschaute.
»Hi.«
Sie trug Klamotten von Lola. Unverkennbar. Ihre Bluse bestand aus einem ziemlich grellen Gelbton und der Rock dazu war giftgrün. Auch wenn es ziemlich intensive Farben waren, standen sie ihr. Das Pflaster auf ihrer Stirn würde mich noch eine Weile daran erinnern, was sie erst vor Kurzem durchgestanden hatte.
»Ich hab ihr ein paar Klamotten gepackt. Es sind nicht viele, also muss sie demnächst shoppen gehen«, erklärte Lola.
»Kein Problem«, antwortete ich.
June wich meinem Blick aus, während ich sie am liebsten den ganzen Tag angesehen hätte.
Es entstand eine Stille zwischen uns, die mir nichts ausmachte, aber den anderen anscheinend umso mehr.
Denn David beendete sie.
»Ich kann die Sachen ja schon mal auf dein Zimmer bringen.«
Er griff sich die Sporttasche, die sie mitgebracht hatten.
»Oh ja, ich komm und helfe dir.« Lola folgte ihm.
Selbst ich hatte den Wink verstanden. Sie wollte sehen, wie es bei mir zu Hause aussah. Ganz die neugierige Reporterin.
»Ich geh mal mit«, hörte ich Bill nervös sagen und er folgte beiden schnell. David musste erwähnt haben, dass Lola Reporterin war.
Meine Güte, was dachte der Mann denn, dass sie finden könnte?
Kopfschüttelnd beäugte ich June weiter. Sie stand jetzt mit verschränkten Armen vor der Brust direkt neben mir. Wir waren allein.
»Wie geht es dir?«, fragte ich sie und steckte meine Hände in die Hosentaschen meiner Jeans. Bloß so lässig wie möglich wirken.
»Wie geht es dir?«
Ihre Gegenfrage überraschte mich.
»Besser als erwartet«, antwortete ich ihr ehrlich.
Es stimmte. Ich war weniger müde als sonst bei einem Schub. Ich fühlte mich besser als sonst bei einem Schub. Der Bulldozer - diese gefühlte Bremse – war kaum zu spüren. Denn jedes verdammte Mal, wenn die Depressionen kamen, war da dieser imaginäre Bulldozer gewesen.
»Das ist gut, oder?«
June sah mich aus diesen unglaublichen Augen an, die mich jedes Mal an eine Katze erinnerten. Heute glich sie aber eher der ängstlichen Sorte. Ich lächelte.
»Ja, ist es.«
Das war sogar sehr gut.
Nachdem ich seit zehn Jahren immer mal wieder Schübe aufgrund meiner psychischen Erkrankung durchmachen musste, war es das erste Mal, dass die Symptome nicht mich kontrollierten. Ich kontrollierte sie.
Und obwohl ich mich gut fühlen sollte, machte ich mir Sorgen.
Sorgen, weil Junes Haus abgefackelt worden war, und es jemanden gab, der sie loswerden wollte. Kurz bevor das Feuer ausbrach, fand ich einen Zettel, den man ihr durchs Fenster geworfen hatte.
Die Worte, die darauf standen, würde ich wohl so schnell nicht vergessen können.
Stirb. Nichts anderes hast du verdient!
June hatte ich noch nichts von dieser Botschaft erzählt. Den Cops hatte ich den Zettel gegeben, aber darum gebeten, June außen vor zu lassen.
Sie war zu instabil.
So verängstigt wie sie gerade vor mir stand, bestätigte das meinen Verdacht nur.
June wusste nicht, wie sie nach all dem mit mir umgehen sollte.
Ich verstand sie ja auch.
Sie kannte mich nicht mal einen ganzen Monat und schon sollte sie hier wohnen. Natürlich hatte ich ihr einreden wollen, dass es ein reiner Freundschaftsdienst von mir war. Aber sie war nicht dumm. Und ich war nicht gefasst genug, mich herauszureden.
Wir beide wussten, warum sie hier war.
Ich wollte es so, und June akzeptierte es.
»Ich werde dann mal nach oben gehen und mein Zimmer suchen«, schlug sie vor und beendete das Gespräch.
Ich nickte, ohne sie aus den Augen zu lassen.
»Mach das.«
Neues Heim, Glück allein
June
»Du kannst nicht gehen!«, rief ich panisch.
Lola grinste, als sie meine Zimmertür öffnete.
»Ich muss sogar, June.«
»Aber ...«
»Du bist hier sicher.«
War ich das? Wir befanden uns bei Arden Hill. Als wüsste Lola ganz genau, was in mir vorging, zog sie eine Augenbraue in die Höhe.
»Aber ...«, wiederholte ich und schlang die Arme um meinen Oberkörper, als bräuchte ich das gerade.
Seufzend schloss Lola die Tür hinter sich und kam auf mich zu.
»Es sind viele Dinge passiert. Und dass du durcheinander bist, ist auch völlig normal.«
Sie hatte doch keine Ahnung, wie viel Schwachsinn in letzter Zeit passiert war.
Mach Lola bitte keine Vorwürfe, du hast ihr selbst nur die Hälfte gesagt.
»Aber in meiner Ein-Zimmer-Bude zu wohnen, während du hier ...« Sie sah sich noch einmal um. In ihrem Blick lagen Staunen und Ehrfurcht. Das konnte ich ihr nicht mal krumm nehmen, denn dieses Haus und dieses Zimmer waren einfach wunderschön.
»Du kennst meine Nummer. Wenn irgendetwas ist, rufst du mich an. Aber ansonsten versuchst du mal runterzukommen. Miguel hat dich beurlaubt, damit du deinen Scheiß regeln kannst. Und das wirst du auch tun!«
Mein Haus war komplett verbrannt. Alles, was ich besaß, trug ich bei mir. Wobei es nicht mehr als meine Unterwäsche war. Die Klamotten waren von Lola geliehen.
Ich schloss die Lider, um nicht sofort wieder in Tränen auszubrechen.
Nein, du fängst nicht schon wieder an zu heulen. Du schaffst das, June. Du hast schon Schlimmeres geschafft.
»Das hier ist doch völlig verrückt«, erklärte ich leise, um auf ein Thema zu kommen, das vielleicht nicht weniger aufwühlend war, aber dringender besprochen werden musste.
Gut, vielleicht brauchte ich auch gerade eine Ablenkung.
»So verrückt nun auch wieder nicht«, behauptete meine beste Freundin und klang dabei belustigt.
Natürlich fand sie es auch befremdlich, dass ich bei einem Kerl wohnte, den ich erst knapp vier Wochen kannte. Zusätzlich war er ein Superstar in Hollywood.
Aber was für Optionen besaß ich denn? Entweder lebte ich bei Lola in ihren gefühlt zehn Quadratmetern oder aber ich ging zu meiner Mom. Und da unser Verhältnis mit den Temperaturen am Nordpol vergleichbar war, wäre das keine Option für mich.
»Ich muss jetzt los. Wenn was ist, ruf mich an, ja?«
Lola entwischte mir schneller, als mir lieb war, weil sie wusste, dass ich wieder anfangen würde, panisch zu werden. Als die Tür zufiel, murmelte ich nur: »Ich hab gar kein Handy.«
Weil das auch abgefackelt ist.
Seufzend setzte ich mich auf das große Kingsize-Bett, das in der Mitte des Raumes stand. Der Teppich fühlte sich unter meinen nackten Füßen mega kuschelig an. Wie teuer der wohl war?
Mir fiel auf der Kommode direkt gegenüber eine Fernbedienung auf. Aber wo war der Fernseher?
Ich griff mir das Teil und drückte willkürlich mehrere Knöpfe, als auf einmal ein riesiger Bildschirm aus der Decke fuhr und sich über dem Bett ausbreitete.
»Was zur ...«, flüsterte ich geschockt.
Ich legte die Fernbedienung weg und ging ins Bad.
Hier hätte mein gesamtes Haus reingepasst. Da brauchte ich nicht mal nachzumessen.
Mein Blick fiel auf die drei mal drei Meter breite Dusche. Selbst die Hotelsuite, in der Arden und ich übernachtet hatten, sah schäbig dagegen aus.
Und dann dachte ich daran zurück, was wir beide in eben genannter Hoteldusche getan hatten.
Mein Weg führte mich durchs Bad direkt zur Dusche. Ein riesiges Bedienfeld zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Wieder einmal war ich neugierig und drückte einen Knopf. Das Wasser begann aus dem riesigen Duschkopf zu spritzen. Dann drückte ich noch einen und plötzlich begann das Wasser bunt zu leuchten.
Ich schnaubte und betätigte einen weiteren Schalter.
Musik spielte aus irgendeinem Lautsprecher.
»Eine Dusche mit bunter Beleuchtung und Radio. Natürlich«, sprach ich leise mit mir selbst und fragte mich nicht das erste Mal, was ich hier zum Teufel trieb.
Arden Hill befand sich so außerhalb meiner Liga, dass es schon an Wahnsinn grenzte, hier in seinem Haus zu sein.
Und trotzdem zog ich mich aus und stieg unter diese schöne große Dusche.
Das warme Wasser floss an meinen Körper herunter, und obwohl ich bereits bei Lola den Ruß und den Geruch nach Rauch verloren hatte, genoss ich die Dusche.
Ich fuhr mir durch mein nasses Haar und starrte an die Decke.
Innerhalb eines Monats war meine übliche Routine völlig über den Haufen geworfen worden.
Nachdem ich Arden begegnet war, war nichts mehr normal gewesen. Alles fühlte sich anders an, als hätte er mir irgendetwas genommen, das ich bis heute nicht vermisst hatte.
Gut, wir hatten Sex. Tollen Sex. Das erste Mal, nachdem Sebastian ...
Ich stellte die Dusche ab, weil das warme Wasser mir ausreichend geholfen hatte, um mich etwas wohler zu fühlen.
Ein großes flauschiges Handtuch befand sich direkt neben der Dusche und ich wickelte es um meinen Körper und lief zum Waschbecken, das viel zu groß für einen einzigen Menschen war.
Der Spiegel war leicht beschlagen, sodass ich mit der Hand darüberwischte und mich betrachtete.
Das Pflaster, das mir der Sanitäter gestern verpasst hatte, hing nur noch lose an meiner Stirn. Ich riss es ab und warf es in den kleinen Mülleimer. Die Wunde musste nicht genäht werden, aber sie wäre noch länger sichtbar. Ob ich eine Narbe behalten würde?
Wen interessiert das schon? Makel besitzen wir doch alle.
Wenn man die Verletzung auf der Stirn außer Acht ließ.
Hatte ich mich dann verändert? Sah ich anders aus?
Ich runzelte über meine Gedanken die Stirn.
Warum sollte ich anders aussehen?
Ich war immer noch ich.
Auch wenn ich vor einem Jahr noch anders dachte. Selbst vor vier Wochen dachte ich noch anders über mich.
Die Wahrheit darüber tat mehr weh, als ich mir eingestehen wollte.
Vor Arden gab es eine Routine, die mir dennoch nicht gutgetan hatte, wenn ich ehrlich zu mir selbst war.
Ich arbeitete, verbrachte die Abende mit Lola, weil sie insgeheim Schiss hatte, ich könnte mir etwas antun, und wachte morgens in meinem Bett auf, um wieder zur Arbeit zu gehen.
Während meine Therapeutin Dr. Swanton zumindest versuchte, mit mir über die Vergewaltigung zu sprechen, tat ich so, als würde alles normal weitergehen.
Aber das war gelogen.
Ich war nicht mehr ich.
Zumindest bis jetzt.
Arden hatte etwas verändert.
Ich hatte angefangen, wieder einem Mann zu vertrauen. Ihm zu vertrauen.
Und wurde enttäuscht, weil er nicht ehrlich war.
Denn als es so weit war und ich erfuhr, was er für mich getan hatte, da ... wusste ich, dass Arden mich nur beschützt hatte. Er hatte Sebastian verletzt, weil dieser mich verletzt hatte. Daraufhin schliefen wir miteinander, obwohl er mich zuvor gewarnt hatte. In dem Moment wusste ich noch nicht, was er damit meinte. Bis ich morgens aufwachte und David mir erklärte, wie es wirklich um Arden stand.
Er war psychisch krank und David hielt mich für ein Symptom dieser Erkrankung.
Am selben Tag wollte Arden mich davon überzeugen, dass dem nicht so war, und bevor ich wirklich darauf reagieren konnte, brannte schon mein Haus.
Seufzend schloss ich die Augen, weil sich immer mehr Gedanken und Fragen in meinem Kopf häuften und laut nach Antworten riefen.
Meine Haare tropften, ich war nicht mal ansatzweise trocken und dennoch verließ ich das Bad und fragte mich, was ich jetzt Frisches anziehen könnte. Lola hatte mir zwar Klamotten eingepackt, aber die passten einfach nicht zu meinem Stil.
Da fiel mir die weitere Tür auf, die sich in meinem Zimmer befand. Ich öffnete sie mit vielen Fragezeichen in meinem Kopf und erstarrte regelrecht. Es war ein begehbarer Kleiderschrank. Nein, ein verdammtes Kleiderzimmer!
Auf den unzähligen Kleiderstangen befanden sich Kleider, Hosen und Blusen. Ich wettete auf alles, was ich besaß – und das war nun mal nicht mehr viel –, dass die vielen Schubladen auch rundum gefüllt waren mit irgendwelchen Dingen. Ein Schrank enthielt tatsächlich nur Schuhe. Turnschuhe, Ballerinas und High Heels. Ein ganzer Schrank voll davon!
Mir blieb die Spucke weg.
Arden
Wir befanden uns wieder in meinem Büro, während ich das neue Drehbuch durchlas. Ich versuchte es zumindest.
»Zufrieden mit den Änderungen?«, fragte David mich.
»Bin noch nicht fertig«, antwortete ich und las weiter.
»Es geht doch nur um zwei Szenen, wie lange ...«
Ich sah auf und begegnete Davids Blick. Sofort hob er beschwichtigend die Hände.
»Okay, okay. Ich lass dich in Ruhe lesen.«
»Äußerst nett von dir.«
Im Grunde hatte ich die zwei Szenen bereits durch und versuchte derweil, die Begegnung mit June Revue passieren zu lassen.
Statt mich wütend anzufunkeln, hatte sie einfach unsicher gewirkt. Und obwohl sie allen Grund dazu hätte, den Verstand zu verlieren, hatte sie mich gefragt, wie es mir ging.
Hätte sie nicht eher darauf antworten sollen, wie es ihr ging?
Scheiße. Warum gibt es kein Handbuch à la »Wie man mit Frauen umgeht, die ihr Zuhause verloren haben, weil ein Psycho-Wichser sie leiden sehen will.«
Das Leben wäre einfacher mit so einem Buch.
Nach einer Weile räusperte sich David, weil er bemerkt hatte, dass ich nur noch vor mich hin starrte.
»Okay, kannst du so weitergeben.«
Ich reichte ihm das Drehbuch und David nickte.
»Super, dann kann der Dreh wohl nur mit zwei Wochen Verspätung beginnen.«
Ich reagierte nicht.
»Du weißt schon ... wir starten am übernächsten Montag.«
»Mmh?«
»Arden ...«, sagte David seufzend, als würde er mit einem kleinen Kind reden, »… du wolltest diese Rolle unbedingt haben.«
»Und? Was ist jetzt dein Problem?«
Collateral Panic war ein Thriller, dessen Story mich sofort fasziniert hatte, als man mir die Rolle vor Monaten angeboten hatte. Als mein Job noch vor allem anderen stand. Bevor ich June getroffen hatte.
»Du bist nicht bei der Sache und das macht mir Sorgen.«
»Quatsch! Ich bin dabei. Allerdings ist dir vielleicht aufgefallen, dass June mich braucht«, fuhr ich ihn viel zu laut an und stand auf, um zum Fenster zu gehen. Von hier aus hatte man eine beschissene Aussicht, aber besser, als David dabei zuzusehen, wie er mich wieder musterte, als hätte ich den Verstand verloren.
»Gut, ich will dich verstehen. Ehrlich.«
Ich runzelte die Stirn und sah ihn an.
David saß immer noch in seinem Stuhl.
»Habt ihr, nachdem ihr Haus abgebrannt ist, noch mal geredet?«
»Es ist viel passiert.«
»Ja, aber jetzt wohnt sie hier, Arden. Was erwartest du von ihr? Was erwartest du jetzt von uns?«
»Wovon sprichst du?«
David verdrehte die Augen.
»Du hast sie hier ins Haus geholt, obwohl Bill nicht gut auf sie zu sprechen ist.«
»Er wird sie akzeptieren.«
»Schön. Aber wenn du weiterhin so tust, als würdest du nicht hauptberuflich Geld durchs Schauspielern verdienen, dann wird es weiter Ärger geben.«
»Bill wird tun, was ich ihm sage.«
»Dann sag ihm endlich, was er tun soll. Willst du den Film drehen?«
»Ja«, antwortete ich mit unterdrückter Wut im Bauch.
»Und was ist mit June? Ihr Haus wurde abgefackelt. Offensichtlich ist das eine langwierige Sache. Was wirst du in der Zeit für sie tun?«
Er wusste von der Drohung und war genauso geschockt wie ich. Wobei David einfach hoffte, dass die Cops die Sache regelten. Ich war da anderer Meinung.
»Sie kann hier leben. So lange, wie sie will.«
War ihm aufgefallen, dass ich nicht »wohnen« sagte? David reagierte auf meine Äußerung nicht.
»Und dann? Was ist sie für dich? Was bist du für sie? Ehrlich, ich finde es erstaunlich, dass du deine Schübe kontrollieren kannst, wenn sie in der Nähe ist. Zumindest so lang, bis du dich an einem Kollegen rächst, weil June verletzt wurde.«
Ich verdrehte die Augen, weil er wieder von Core sprechen musste.
»Ja, Core ist ein Wichser, aber den hätten die Cops festnehmen sollen. Das wäre eine legale Variante gewesen, ihm eins auszuwischen.«
Aber June war nicht zur Polizei gegangen. Sie hatte das alles nur mit sich selbst ausgemacht.
»Ich wollte ihm nicht nur schaden, David.«
Einen langen Moment sagte er gar nichts. Bis ich ihn seufzen hörte.
»Arden, ich versuche das Beste hier herauszuholen. Die Presse weiß so gut wie nichts über June, aber das ist nur noch eine Frage der Zeit. Das weißt du. Jetzt lebt sie hier und du hast anscheinend keine Ahnung, was du jetzt mit ihr tun sollst.«
Ich hob eine Augenbraue und schaute ihn an.
David verdrehte die Augen. »Gut, ich habe es vielleicht etwas unglücklich formuliert.«
»Ach«, erwiderte ich und schnaubte.
»Arden, du musst klar sagen, was jetzt passiert. Bill hält dir die Presse vom Hals und wartet ungeduldig darauf, dass du für den Oscar nominiert wirst. Er reißt sich wortwörtlich den Arsch auf, damit du fein raus bist. Ja, Bill ist ein mieser Kerl, der vermutlich nicht nur auf legale Weise versucht, dich da rauszuboxen, aber wir brauchen Pläne und nicht weitere spontane Ideen, wie zum Beispiel aus Core Hackfleisch zu machen.«
Ehrliche Worte von David. Und er hatte recht.
Ich stand seit Wochen unter Strom und hatte ungewollt einige Probleme verursacht.
»Ich werde den Film machen, June kann hier so lange bleiben, bis der Rest geklärt ist«, sagte ich, und wusste sofort, dass David das nicht wirklich glücklich machen würde. Dazu klang meine Antwort einfach zu schwammig.
Allerdings hätte ich auch nichts anderes sagen können. Weil ich nicht wirklich wusste, was nun passieren würde.
June hatte mich kaum ansehen können, als sie herkam. Sie besaß praktisch nichts mehr und doch war sie nicht gebrochen.
David akzeptierte meine Antwort fürs Erste und ließ mich allein zurück.
Früher war es gang und gäbe gewesen, dass ich es kurzzeitig genoss, einfach allein zu sein. Das Ticken der Uhr an der Wand oder draußen den Rasenmäher arbeiten zu hören. Dann erledigte ich ein paar Dinge und suchte schnell wieder Kontakt zu Bill und David, die mich auf irgendeine Party schleppten.
Dort vergaß ich für mehrere Stunden, wie krank ich doch eigentlich war.
Und jetzt?
Jetzt stand für mich nicht mal ansatzweise eine Party im Raum.
Ich hatte kein Interesse.
Mit einem Ruck stand ich von meinem Schreibtisch auf und ließ zu, dass ich einfach meinem Instinkt folgte.
Zunächst klopfte ich an ihrer Zimmertür. Aber sie war offensichtlich nicht da.
Ich suchte weiter nach ihr und schloss das Wohnzimmer, die Küche und das gesamte Obergeschoss zügig aus.
Das Untergeschoss blieb übrig und ich wurde schnell fündig, als ich Stimmen hörte.
David und June waren zu hören. Sie befanden sich im Heimkino und hatten die Tür nicht verschlossen.
»Wie kommt es, dass Arden nie fernsieht, obwohl er hier ein eigenes Kino besitzt?«, fragte June David.
Statt das Gespräch zu stören, lehnte ich mich direkt neben der Tür an die Wand.
Ich hörte David leise lachen.
»Ab und an muss er sich seinen Film mit den Produzenten und anderen wichtigen hohen Tieren ansehen. Da ist es oftmals von Vorteil, ein eigenes Kino hier im Keller zu haben.«
Es herrschte kurz Stille.