Plötzlich Versicherungsvertreterin - Beatrice Kobras - E-Book

Plötzlich Versicherungsvertreterin E-Book

Beatrice Kobras

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Beschreibung

Jasmin Heidenreich findet sich plötzlich an einem Punkt ihres Lebens wieder, an dem sie vieles hat, was sie eigentlich nicht will. Einen Job, den sie nie wollte, einen Mann, wie sie ihn nicht will, selbst ein Auto, das sie niemals wollte. Eisern kämpft Jasmin an allen Fronten. Doch da ist auch ein Coach, der sie nicht coacht, sondern Hundekacketüten sammeln lässt und plötzlich findet sie sich mitten in einem Drogenring wieder. Ihr Liebesleben gerät dann auch noch vollkommen durcheinander und Jasmins Mutter muss die Ehefrau ablenken, als diese sich plötzlich dem wohlverdienten und lang ersehnten Wellnesswochenende anschließt. Ein größeres Durcheinander kann es nicht mehr geben.

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Beatrice Kobras

Plötzlich Versicherungsvertreterin

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Titel

 

 

 

 

 

 

Beatrice Kobras

 

 

Plötzlich Versicherungsvertreterin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

 

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Die Handlung und ihre Personen sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen oder tatsächlichen Ereignissen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

3. Auflage 2023

 

Impressum

Text: © 2023 Copyright by Beatrice Kobras

Umschlag: © 2023 Copyright by Beatrice Kobras

Verantwortlich für den Inhalt:

Beatrice Kobras, Dobrovského 146/17, 35301 Mariánské Lázné, Tschechische Republik, www.k-obras.de

Vertrieb: BookRix GmbH & Co. KG, München

 

 

 

 

1.

Heute ist mein erster Arbeitstag im Außendienst der Pantherversicherung. Ich sitze in meinem Auto, fahre die Autobahn entlang ohne Termin und ohne festes Ziel. Irgendwohin, wo Firmen sind. Aus den Lautsprechern dröhnt „Der Millionär“. Das Hörbuch von Tommy Jaud.

Ich bin im Außendienst und habe keine Ahnung vom Versicherungsgeschäft. Zwar weiß ich, was eine Versicherung ist und wofür man sie braucht. Sehr viel mehr weiß ich jedoch nicht.

Einen Tag Einarbeitung hatte ich bereits. Man gab mir einen Coach. An diesem Tag gab mir dieser Coach zwei Zettel, die ich auswendig lernen sollte, dann ging sie mit mir Kaffee trinken und ein wenig shoppen. Es handelt sich bei meinem Coach nämlich um einen weiblichen Coach, wie sich wohl bereits vermuten lässt. Für diesen wichtigen Termin jagte man mich von München aus nach Lindau. Eine Fahrt, die absolut sinnvoll war zum Kaffee trinken und Shopping meines Coaches.

Nach dieser erfolgreichen ersten Einarbeitung schickte man mich zusammen mit einem Kollegen im Außendienst zur Kaltakquise durch halb München. Nachdem wir gemeinsam ungefähr fünf Firmen aufsuchten, hatte er wohl keine Lust mehr und wir gingen - na was wohl – Kaffee trinken.

Die Arbeit dieser Firma scheint im Schwerpunkt beim Trinken von Kaffee zu liegen. Das kann ich auf alle Fälle, denn an Kaffee habe ich ziemlich großen Bedarf.

Nach diesen beiden erfolgreichen Terminen teilte man mir mit, ich hätte ja nun einen Eindruck gewonnen. Außerdem wüsste ich jetzt, was man von mir erwartet. An meinem ersten Arbeitstag, der dieser Tag heute ist, soll ich sofort allein auf Kundenfang.

Mein Chef meinte, dass das überhaupt nicht infrage käme. Ich hätte mit ihm gemeinsam loszugehen. Vielleicht auch mit seinem neuen Assistenten, für dessen Job ich mich ursprünglich beworben habe. Oder mit anderen Kollegen, aber keinesfalls allein.

Ich fragte mich insgeheim, ob er Angst hat, ich könnte mich verschlucken, wenn ich so viel Kaffee trinken muss. Sagte dies jedoch sicherheitshalber nicht, denn ich war nicht sicher, ob man in dieser Firma zum Lachen in den Keller ging, oder gar dafür bestraft werden konnte.

Trotz der Einwände meines Chefs bestand mein Coach darauf, dass ich allein losmarschierte.

Ich muss gestehen, ich vermisse die Einarbeitung, die man mir versprochen hat. Genauso wie die Schulung, auf der ich etwas über das Versicherungsgeschäft erfahren würde. Eine dreimonatige Fortbildung, in der man Paragrafen einstudiert. In der man Produkte kennenlernt. Einen Vergleich der Produkte zu denen des Wettbewerbs bekommt. Eben alles, was man in drei Monaten über Dinge lernen kann, von denen man noch nicht den kleinsten Schimmer hat.

Zum Glück befinde ich mich in der glücklichen Lage zu wissen, was eine Versicherung ist. Aber das sagte ich bereits. Ich liebe Herausforderungen. Manchmal glaube ich, ich brauche sie sogar.

2.

Mein Auto ist ein neues altes Auto. Da ich es für diesen Job brauche und ich aus diversen Gründen im Moment ohne war, finanzierte ich es bei Mercedes Schmid in Holzkirchen. In dessen Nähe habe ich vor langer Zeit einmal gewohnt und es ist definitiv die einzig brauchbare Mercedeswerkstatt, die ich bis heute auf dieser Erde fand. Bei Mercedes Schmid weiß man genau, was Kundenservice ist und zwischenzeitlich wissen sie dort auch ganz genau, was ich will und was ich brauche.

Bisher kaufte ich jeden Mercedes dort, seit ich diese Automarke fahre. Außer meinen Ersten. Das war das Auto mit kürzester Verweildauer bei mir. Stolze vier Tage habe ich ihn gehabt.

Dieses Auto fand ich bei den Unmengen an Gebrauchtwagenhändlern, die es damals noch auf der dafür bekannten Wasserburgerlandstraße in München gab. Er war lediglich mit einem Schlüssel ringsherum zerkratzt und nur fünfhundert Euro teurer als ein Golf. Bekannterweise hält ein Mercedes sehr viel länger als ein Golf. Da ich mich in dem Mercedes um vieles wohler fühlte, entschied ich mich spontan für ihn. In dem Golf, den ich zur Probe fuhr, habe ich mich gar nicht wohlgefühlt. Man musste förmlich in die Kupplung springen, um den Gang zu wechseln.

Ein Fiat stand noch zur Wahl, doch da bekam ich beim Autofahren beinahe Angst. Vor allem, wenn ein leichter Windstoß von der Seite kam. Es schien fast so, als hätte das Auto vor Gewitter Angst und es wolle sich vor drohendem Unwetter verstecken.

So blieb ich also an diesem schwarzen zerkratzten Mercedes kleben. Obwohl ich ursprünglich keinesfalls ein schwarzes Auto wollte. Die beste Freundin meiner Mutter verunglückte in einem schwarzen Auto. Alle sagten, es sei ihr Grab, dieses Auto würde aussehen, wie ihr eigener Sarg, als sie in dem schwarzen Auto angefahren kam.

Es wurde auch bald zu ihrem Sarg. Jedoch handelte es sich in ihrem Falle um einen schwarzen Golf. Nicht um einen schwarzen Mercedes.

Mein schwarzes Auto hatte ich volle vier Tage. Normalerweise fahre ich ein Auto schon ein wenig länger. In der Regel habe ich meine Autos vier Jahre in Gebrauch. Also so grob gerechnet habe ich meine Autos im Normalfall etwa eintausendvierhundertzweiundfünfzig Tage länger, als ich dieses Auto hatte.

Damals war ich in München unterwegs, da ich mit meinem zukünftigen Chef verabredet war, um meinen Arbeitsvertrag zu unterschreiben.

An einer roten Ampel wurde vom Schicksal kurzfristig für mich entschieden, dass ich mit zwei Stunden Verspätung zur Vertragsunterzeichnung kommen würde. Ein Golffahrer hinter mir vergaß zu bremsen.

Zum Glück war damals das Zeitalter der Handys bereits angebrochen. Glücklicherweise hatte ich bereits meinen Mercedes, denn der Golf war einen halben Meter kürzer. Mein nagelneuer gebrauchter Mercedes hatte rein äußerlich betrachtet, nur einen kleinen Glasschaden. Trotzdem Totalschaden, denn der Rahmen war komplett verzogen.

Auf diese Weise wurde mein schwarzer Mercedes gegen einen silbernen eingetauscht. Also ein neuer Gebrauchtwagen von Mercedes Schmid, bei dem ich auch heute noch jedes Auto kaufe, wie auch mein aktuelles.

„Ich brauche dringend ein Auto!“, sagte ich ihm am Telefon.

Und auf die Frage, was ich wolle und auch bräuchte, teilte ich ihm meine Wünsche mit. Mein Auto müsse auf alle Fälle vier Räder haben, ein Lenkrad und einen Motor. Da er mich und meine Wünsche kennt, vereinbarten wir einen Termin und er zeigte mir drei Modelle der A-Klasse, welche ich ursprünglich niemals haben wollte. Doch ich musste zugeben, alle drei dieser Modelle haben die von mir gewünschten vier Räder, das Lenkrad und den Motor. Zudem war es sparsam im Verbrauch, günstig im Unterhalt, der Versicherung und Steuer. So kommt es, dass ich jetzt, hier und heute in diesem Auto sitze, aus dessen Lautsprechern „Der Millionär“ von Tommy Jaud dröhnt.

Man achte also genau auf diese Worte: Ich sitze in einem Auto, das ich niemals wollte auf dem Weg zu einem Job, den ich nie wollte, denn wer will Versicherungsvertreter sein?

3.

Draußen ist es ziemlich heiß. Der Fußraum der Beifahrerseite meiner kleinen schwarzen Knutschkugel, wie ich mein neues Auto zärtlich nenne, ist geziert von einer Kühltruhe. So habe ich an meinem ersten Tag im Außendienst als Versicherungsvertreterin auch kalte Getränke zur Verfügung. Ich glaube nicht, dass man von mir erwartet, dass ich von einem Café ins nächste ziehe. Auch, wenn ich bis jetzt noch nichts anderes erlebt habe.

Rechts von mir in der Mittelkonsole ruht in dem dafür vorgesehenen Schacht meine Autotasse, die ich meine Fernfahrertasse nenne. Das hat den Hintergrund, dass ich schon immer recht viel unterwegs war und manchmal auch recht müde werde. Aus diesem Grund habe ich mir eines Tages an einem Rastplatz eine dort groß angepriesene Warmhaltetasse gekauft. Eine, die einem den Kaffee, der einen wach machen soll, auch lange warmhalten soll.

Eine Kundin dieses Rastplatzes hat sie mir empfohlen und sie mit den Worten „Die sind wirklich super! Eine Stunde heißer Kaffee!“, sehr gelobt.

Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen und kaufte diese Wundertasse und füllte sie auch sogleich mit dem wach machenden Getränk.

Glücklich setzte ich zurück hinter das Lenkrad. Meine neue Errungenschaft in der dafür vorgesehenen Halterung hatte ich neben mir. Dann nahm ich auch gleich einen großen Schluck daraus.

Ich war entzückt, denn ich musste meinen Kaffee nun nicht mehr stehenderweise an der Tankstelle zu mir nehmen. Ich konnte ihn nun während meiner Fahrt so lange genießen, wie ich wollte. Oder besser gesagt – ich konnte den Kaffee nun während der Fahrt so lange genießen, wie ich welchen in meiner Fernfahrertasse hatte.

Gut gelaunt parkte ich damals am Ziel angelangt mein Auto. Und da … und da … da erstarrte ich erst einmal. Mein Blick blieb auf meinem Körper unterhalb des Kopfes haften. Und genau dort bemerkte ich, dass ich vollkommen mit Kaffee bekleckert war.

Die ganze schwarze Brühe war aus dem Schraubverschluss direkt über mich gelaufen. Natürlich hatte ich einen wichtigen Termin. Natürlich hatte ich mich am Morgen für einen hellen Pullover entschieden. Natürlich hatte ich keine Möglichkeit, mich umzuziehen.

Ich musste meinen Termin wahrnehmen, wie ich war. Doch zum Glück hatte ich eine Jacke mitgenommen.

Die Jacke habe ich bei dem Termin selbstverständlich angelassen. Und das, obwohl ich begann, ziemlich zu schwitzen. Verschämt erklärte ich die angeschmuddelte Situation. Und ich stellte die Überlegung an, den Kaffee künftig farblich auf meine Kleidung abzustimmen.

„Typisch du!“, sagte mein damaliger Freund, als ich ihm von dem Malheur berichtete.

Doch was ein netter Zug von ihm war, er hat mir sofort eine neue Tasse besorgt. Eine mit integriertem Strohhalm, damit ich mich nicht mehr bekleckern konnte. Zumindest hat er das gedacht.

Ich fand es klasse, an diesem Strohhalm herumzunuckeln. Mein Ex vertrat die Theorie, die Tasse müsse man ein wenig anheben, das begehrte Getränk würde automatisch durch den Halm einfach in den Schlund hineinlaufen. Das erschien mir unlogisch.

Freudig trat ich meine nächste längere Fahrt an. Mit neuer Fernfahrertasse und mit Kaffee darin. Auf der Autobahn setzte ich den Strohhalm an und zog. Ich zog und zog und zog und zog, doch es kam kein Kaffee heraus. Hatte er doch recht gehabt und die neue Tasse war leicht angeschrägt zu halten, um das heiße Nass langsam in den Schlund fließen zu lassen? So unlogisch, wie das auch schien? Doch es heißt, Männer seien technischer begabter als wir Frauen. Einen Versuch war es wohl wert.

Ich versuchte es. Doch dann konnte ich nicht mehr aus dem Fenster sehen. So legte ich den Kopf leicht schräg, verdrehte die Augen, hob die Kaffeetasse mit superdichtem Verschluss an. Das Heißgetränk ergoss sich über meinen rechten Busen mitten über meinen wieder einmal hellen Pullover. Der Kaffee natürlich nicht farblich auf ihn abgestimmt. Natürlich hatte ich auch diesmal nichts zum Umziehen mitgenommen. Wieder einmal war der Versuch des Durstlöschens und wach Werdens gescheitert und ich rief mit den Worten zu Hause an: „Hat nicht geklappt!“

„Was hat nicht geklappt?“, wurde ich zurückgefragt.

„Das kleckerfreie Trinken mit der Fernfahrertasse“, erklärte ich.

Doch mein damaliger Freund, der lachte nur und schlug mir vor, zu Hause in der Badewanne erst einmal zu üben.

So saß ich dann tatsächlich zu Hause in der Badewanne. In einer Badewanne voll mit Kaffee, denn so recht hat keiner der Versuche aus diesem Patent an Tasse zu trinken funktionieren wollen. So war ich umhüllt von Kaffee, doch immer noch nichts in mir.

Wir kauften eine neue Tasse. Noch eine und noch eine. Doch jede Tasse besudelte mich erneut mit dem heißen Kaffee. Keine ließ es zu, ihren Inhalt in mich hinein abzugeben. Immer nur über mich.

Irgendwann mochte ich keinen Kaffee mehr. Auch nichts Heißes mehr. Nichts, was man in eine Fernfahrertasse hätte, hineinfüllen könnte, was eine Temperatur zu halten gehabt hätte. Dafür hatte ich aber eine ansehnliche Sammlung dieser Tassen. Ich könnte eine Ausstellung eröffnen und Eintritt verlangen. Vielleicht bekäme ich die Ausgaben für all die Tassen wieder herein, um keinen Verlust verbuchen zu müssen. Vielleicht finde ich eines Tages doch noch eine Gebrauchsanweisung für die richtige Benutzung solcher Tassen.

Heute versuche ich es erneut, zum Trinkerfolg zu kommen mit dieser Tasse, meiner eigenen persönlichen Fernfahrertasse. Ich bin sogar sehr optimistisch.

In einer Mulde meiner Seitentür steht zusätzlich eine Thermoskanne aus Edelstahl, die Nachschub liefern soll. Jedenfalls, wenn es mit dem Trinken an diesem Tag gelingen würde.

Da ich aus meinen Erfahrungen gelernt habe, kleidete ich mich nun auch passend zu dem Getränk. In Schwarz. Da ich meinen Kaffee am liebsten ohne jeden Zusatz trinke.

4.

In diesem neuen Job als Versicherungsvertreterin soll ich speziell für Firmen und Unternehmer da sein. Die betreue ich, wenn ich jemanden gefunden habe, der auch betreut werden will und Kunde ist. Damit ich auch ordentlich betreuen kann, habe ich zur Sicherheit auch ein Buch über industrielles Rechnungswesen auf der Rückbank liegen. Denn Fragen im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge, die ich den Firmen, bzw. den Mitarbeitern verkaufen sollte, konnten durchaus fachliche Fragen zu Gehaltsabrechnungen aufwerfen. Darauf wollte ich auf alle Fälle vorbereitet sein und nichts dem Zufall überlassen.

Natürlich habe ich auch eine Mappe mit Adressmaterial, das ich mir am Tag zuvor zusammensuchte. Auch den Harvard-Businessmanager, den ich mittags lesen will. Im Kofferraum befindet sich außerdem ein Picknickkorb. Der ist befüllt mit Tischdecke und Porzellantellern. Ich kann Plastikgeschirr absolut nicht leiden. Besteck, zwei Rotweingläsern aus Glas und natürlich eine Rotweinflasche, sind auch darin. Rotwein ist das perfekte Picknickgetränk, denn Rotwein kühlt man nicht im Gegensatz zu Weißwein oder Bier. Und nicht bei jedem spontanen oder auch geplanten Picknick hat man einen kalten Fluss dabei, in dem man Getränke kühlen kann.

Warum ich das mit mir herumfahre, hat eigentlich nur einen Grund: Ich habe nämlich nicht nur einen Job, den ich nie wollte und ein Auto, das ich nicht wollte. Ich habe auch einen Freund, den ich nie wollte.

Nun, ganz richtig ist nicht. Natürlich wollte ich ihn sofort. Genauso, wie er mich. Doch ich wollte niemals einen verheirateten Mann zum Freund. Das ist er leider.

Lange habe ich mich gegen ihn gesträubt. Schließlich habe ich Ideale. Schließlich habe ich sehr hohe Werte. Niemals würde ich einer andren Frau den Mann wegnehmen. Niemals würde ich jemandem so etwas antun.

Ich habe es doch getan. Das Herz war stärker. Doch ich bin sehr froh darum, denn wir haben eine wunderbare Zeit.

Er beruhigte mich auch immer wieder, ich hätte keiner Frau den Mann genommen, sie hätte ihn vor Jahren schon verloren. Eigentlich ziemlich feig, wenn er trotzdem bei ihr bleibt.

Ich glaube, ich brauche nicht zu fürchten, dass er sich trennt und ganz bei mir ist. So ist es mit uns etwas vollkommen anderes. Aber das denkt man wohl bei jedem neuen Freund und es stimmt auch jedes Mal. Zumindest für eine gewisse Zeit. Schließlich sucht man sich ja immer genau das, was man gerade braucht zum glücklich sein. Sein ideales Gegenstück für den Moment. Doch so genau sage ich es ihm natürlich nicht.

Er sagt auch das, was alle verheirateten Männer sagen. Er könne sich gerade nicht trennen, er müsse noch aushalten in dieser Ehe-Hölle, es sei wegen der Kinder.

In seinem Fall sind diese bereits vierzehn und sechzehn Jahre alt. Natürlich viel zu klein, um sie zu verlassen oder der Mutter zu entreißen. In diesem Alter hängen sie natürlich noch an der Nabelschnur.

Ob diese vielleicht froh wären, wenn Papa ginge und endlich wieder Frieden herrsche, das fragt er sicherheitshalber nicht.

Natürlich bringt er auch all die anderen Argumente, die alle verheirateten Männer bringen, die ein Verhältnis mit einer anderen beginnen.

So oft, wie ich von ihm höre und er ein Treffen möglich macht, könnte man fast befürchten, dass er zu Hause eine Trennung anvisiert. Morgens nach dem Aufwachen, spätestens auf dem Weg zur Arbeit, da bekomme ich schon die erste SMS. Keinesfalls geht er ins Bett, ohne mir per E-Mail oder SMS eine gute Nacht zu wünschen. Bei jeder Gelegenheit ruft er mich an, wenn es irgendwie nur möglich ist. Sei es auf dem Weg zur Arbeit, auf dem Weg von der Arbeit oder, nach seinem Fußballtraining. Natürlich auch mal ganz schnell auf fünf Minuten Heimweg oder zwischendurch vom Gassi gehen mit seinem Hund.

Kein Gespräch, keine SMS, keine E-Mail ohne die wichtige Information, dass er mich liebt. Die drei berühmten Worte, die Männer üblicherweise niemals in irgendwelche Tasten legen, geschweige denn auf ihre Lippen lassen oder in den Mund nehmen.

Es scheint, dass nicht nur ich, sondern auch er sehr glücklich ist. Es ist mehr als deutlich zu bemerken. Trotzdem ist er das, was ich nie wollte. Ein Mann, der mit mir ein Doppelleben führt. Es heißt, irgendwann machen sie es dann mit der, mit der sie fremd gehen, ganz genauso. Doch ich habe aufgehört, in der Zukunft zu leben und sie zu planen. Ich lebe immer mehr im Jetzt, denn es kommt sowieso immer alles anders. Vor allem, als man denkt. So habe ich für mich beschlossen, ich werde diese Liebe auf alle Fälle leben, solange wie sie mir guttut. Natürlich wünsche ich mir, dass sie ein Leben halten wird, doch wer kennt nicht die Männer? Sie haben ihre eigene Einstellung zu Beziehungen. Ich darf die Realität keinesfalls vergessen! Zurück zum Picknickkorb. Warum ich den in meinem Auto mit mir fahre, hat natürlich einen Grund. Wir stellen es uns beide sehr romantisch vor, uns nach Feierabend spontan an einem Ort zu treffen, der zwischen unseren beiden Aufenthaltsorten liegt. Schließlich bin ich im Außendienst täglich an einem anderen Ort.

Auf diese Weise ergibt es sich, öfter einfach mal zu picknicken und dafür die tollsten Schlemmereien einzukaufen. Außerdem bleiben wir dabei unentdeckt.

Das heißt, wir können keine Menschen treffen, die Daniel kennen. Er ist da nämlich ziemlich feig. Doch das erwähnte ich bereits.

Das letzte Mal, dass wir unseren Picknickkorb brauchten, war vor genau zwei Tagen. Da waren wir zusammen in den Bergen. Dort haben wir ein lauschig schönes Plätzchen für uns entdeckt.

Eigentlich ist das Verlassen der Wege dort verboten, vor allem, sich dort mit Decken niederzulassen. Doch wir haben ja jeder einen Hund. Die beiden passen sehr gut auf uns auf. Garantiert würden sie jeden zerfleischen, der uns von diesem Platz vertreiben will. Sie sind inzwischen ein gut eingespieltes Team.

Unser letzter Ausflug – er war unvergesslich. Im Gebirge waren dicke Gewitterwolken, unmöglich zu übersehen.

Daniel ist der Vorsichtige von uns. Jedenfalls, was Unwetter betrifft. Entdeckt er eine kleine Wolke, die sich vor die Sonne schiebt, teilt er mit, Gewitter im Gebirge sind gefährlich. Dann packt er rasch zusammen und ich habe Mühe, mit ihm Schritt zu halten.

Jedoch waren seine Kleider auch ohne Regen bereits ziemlich nass. Der Platz, den ich für uns ausgesucht hatte, der war trocken, doch an dieser Stelle blies ihm zu sehr der Wind. Er fand eine gemütliche kleine Mulde.

Bei einem Schritt, den ich gemacht habe, sammelte sich ein wenig Wasser in meiner Spur. So fragte ich: „Bist du sicher, dass du genau hierbleiben willst?“

„Ja, klar, hier ist es wunderschön!“ stimmte er zu.

Er hat wohl vollkommen vergessen, dass hier auch unsere Hunde spielen, sausen und sich jagen würden und unser Nest ein ganz klein wenig aufwühlten.

„Ich halte den Ort nicht für sehr glücklich gewählt!“, mache ich ihn auf das noch kleine Pfützchen aufmerksam. Doch Daniel ignoriert mich.

„Ich will hierbleiben! Ich finde es hier schön!“

„Wenn Du meinst!“, sage ich nur noch.

Sein männliches Dessous aus Baumwolle schwamm natürlich in einer kleinen Pfütze. Seine Jeans hatte sich vollgesaugt. Meine Klamotten lagen etwas erhöht, denn ich sah das Desaster kommen. Er hat es ja nicht glauben wollen.

Rasch sprang er in seine Hose, Unterhose und Socken. Alles an ihm tropfte.

„Du willst wirklich aufbrechen?“, fragte ich, da ich Regen etwas gelassener nehme als er.

Er bestätigte. Doch nach ein paar Metern ließ ich ihn wissen: „Schnuffel, das Einzige, was hier nass ist, ist deine Unterwäsche.“

Daniel sah nach oben, runzelte die Stirn und wir suchten einen neuen Platz. So legten wir erneut unsere Decken aus, zierten diese abermals mit Weingläsern und Proviant und ließen uns dort nieder.

Daniels Hose für darunter hing an einem Zweig. Ebenso die Socken. Wir nahmen einen kleinen Bissen, öffneten eine Flasche Wein, da hörte Daniel Donner. Eingepackt und weiter. Wie sollte es auch anders sein.

Kurz vor dem Auto wagten wir den dritten Versuch, ein gemütliches Picknick zu beginnen. Doch Daniel kniete auf der Decke. Ich wagte nicht, sich hinzusetzen. Er kniete auf der Decke und maulte: „Alles Nass!“

Irgendwie hat er mich an einen Dreijährigen erinnert. Erst eine halbe Stunde später – ja, er hat es so lange ausgehalten – da wagte er es, sich zu setzen. Allerdings erst, nachdem ich auf in einredete, wie auf ein krankes Pferd.

„Man kann ja wirklich in einer nassen Hose sitzen!“, stellte er überrascht und ebenso erfreut fest.

„Jeder sollte in so einer Situation seine Versicherungsvertreterin bei sich haben! Die versichert nämlich, dass man auch in nasser Hose sitzen kann!“, begann er zu philosophieren.

Jedoch kam der Regen wirklich. Nur viel später, als von ihm vermutet und Daniel wurde dann noch schneller.

Seine Wäsche trug ich ihm hinterher und Daniel bewies, dass er der perfekte Hausmann war. Im Auto angelangt drehte er Heizung und Lüftung auf die stärkste Stufe, legte seine Socken auf das Gebläse, die Unterhose baumelte am Rückspiegel. So fuhren wir ein Weilchen spazieren, bis seine Wäsche trocken war.

Ich konnte nicht anders, als mir vorzustellen, wie es sein musste, wenn man mit ihm zusammenlebte, wenn der Wäschetrockner kaputt ging.

Der Satz: „Schnäuzelchen lass uns spazieren fahren!“, bekäme eine vollkommen neue Bedeutung. Natürlich stellte ich mir das Szenario bildlich vor. Vielleicht trocknen sie bei ihm zu Hause die Wäsche immer so? Zuzutrauen wäre es ihm. Jedenfalls zeigte er darin Übung.

Nachdem die Wäsche überraschend schnell getrocknet war, zog er sich an einem Parkplatz schnell wieder in richtiger Reihenfolge an.

Natürlich zog Beethoven, sein Hund, dessen Leine er mir nicht geben wollte, genau in dem Moment ziemlich heftig an der Leine, als er auf einem Bein stand. Er zog Daniel hinter dem Auto vor. Natürlich kamen genau in dem Augenblick Spaziergänger des Weges. Wohl die einzigen Spaziergänger zu diesem Ort in dieser Stunde.

Mir wollte er seinen Hund ja nicht zum Halten geben, geschweige denn, ihn die paar Minuten noch im Auto warten lassen. Also, selbst schuld! Manchmal ist er im Bezug auf seinen Hund schon etwas eigenartig.

Jedes Mal, wenn wir uns sehen, stelle ich recht beruhigt fest, Daniel ist genauso ein Chaot, wie ich. Nur ich sage es ihm noch nicht.

5.

Mein Kaffee ist inzwischen leer. Zwischenzeitlich schaffe ich es, auch außerhalb der Badewanne meinen Kaffee aus meiner Fernfahrertasse zu trinken. Ich bin auf dem Weg von München nach Landsberg, wo das mir zugeteilte Gebiet liegt. Das, in dem ich auch meinen ersten Arbeitstag verbringen soll.

Natürlich gibt es auf dieser Autobahn nirgendwo ein Klo. Ich befürchte, das wird die schwierigste Herausforderung bei diesem Job. Es wird nie eines da sein, wenn man eines braucht. Es wird eine ewige Suche nach einer gewissen Örtlichkeit. Vor allem, wenn man auf dieser Fahrt bereits einen Liter Kaffee leert.

Zum Glück war ich endlich angelangt in meinem Verkaufsgebiet. Ich hatte Glück, denn das erste Unternehmen, das ich per Internet schon am Vortag anvisierte, lag mitten in einem großen Gewerbegebiet. Einem Gewerbegebiet mit Tankstelle und Klo. So blieben die Reisekosten noch im Rahmen. Allein schon wegen all der Gänge, bei welchen ich den Kaffee, den ich auf der Fahrt getrunken habe, wieder los werden musste. Außerdem konnte ich in einem Gewerbegebiet mehrere Firmen am Stück anfahren. Reinspringen in das Unternehmen, Sprüchlein aufsagen, herauskomplimentiert werden, weiter.

Das wurde mir so aufgetragen. Ins Auto steigen und um die Ecke fahren. So soll die Firma den Eindruck haben, ich wäre extra wegen ihr gekommen. Ich selbst wäre zwar lieber gelaufen, doch das war mir untersagt. Vorstellen kann ich mir nicht, dass irgendjemand glauben würde, dass ich nur wegen ihm alleine von so weit hergekommen bin. Doch ich gehorche und fahre jeden Meter mit dem Auto. So unsinnig, wie es mir auch scheint und so sehr, wie es mir gegen den sogenannten Strich geht.

Das mache ich nun bereits zwei Stunden lang. Doch es ist mir ein Rätsel, wie ich am Empfangsbereich der Firmen vorbeikommen soll.

„Rufen sie mich an und vereinbaren sie einen Termin!“, teilt man mir laufend mit.

Das täte ich ja liebend gerne. Diese Art der Terminvereinbarung käme sehr viel billiger. Jedenfalls dank der modernen Flatrate. In meinen Augen sehr viel sinnvoller, als den ganzen Tag im Auto sitzen und Abgase in die Luft jagen. Außerdem ist Sprit recht teuer. Vor allem, wenn man ihn sinnlos in die Luft schleudert. Und mit dem Sprit auch einen ganzen Haufen Geld.

Doch der Staat hat ein Gesetz erlassen, indem man eine schriftliche Erlaubnis braucht, wenn man jemanden anrufen will. Jedenfalls, wenn man im Außendienst tätig ist und etwas verkaufen möchte.

Mein Coach hat mir dann auch noch schriftlich untersagt mit meinem Telefon zu arbeiten, selbst wenn man mich um den Anruf bittet. Telefonate sind mir streng verboten.

Nun, ich persönlich finde es etwas blamabel, die Information zu kriegen, man solle sich telefonisch melden und ein paar Tage später wieder persönlich da zu stehen. Doch schriftlich untersagt ist schriftlich untersagt und ich halte mich daran. Schließlich bin ich froh, dass ich einen Job bekommen habe. Auch, wenn ich vollkommen unplanmäßig und ungewollt jetzt Versicherungsvertreterin bin.

Ich verstehe nicht, dass uns unsere Gesetzgeber verboten haben, diese Arbeit mit dem Telefon zu tun. Da wundern sich Politiker über Wirtschaftskrisen.

Die deutschen Bundesbürger bleiben nun verschont von einem Akquise-Anruf einmal im Monat. Auch von den Menschen, die nur versuchen ihren Job zu machen, um damit ihre Familien zu ernähren. Jetzt schließen Callcenter oder gehen ins Ausland, von wo aus sie noch telefonieren dürfen. So gehen die Steuergelder für Gehälter, Mehrwertsteuer, alles, was man sonst auch noch an Steuern zahlt in andre Länder. Die Deutschen pusten nun noch mehr Abgase in die Luft und verursachen damit auch noch sehr viel mehr Probleme in der Umwelt. Dann muss der Staat die Gemäuer von weißen Kirchen noch öfter für sehr viel Geld säubern lassen. Und warum das alles? Weil irgend so ein wichtiger Sesselpupser sich gestört fühlte von einem Akquise-Anruf von einem Menschen, der versucht, seine Familie zu ernähren. Verstehe die Welt, wer will. Verstehe auch die Politiker, wer will. Ich gebe es langsam auf.

Das Rauchverbot haben sie auch eingeführt, um es letztendlich wieder aufzuheben, da es der Wirtschaft schadete und viele Kleinbetriebe damit in die Pleite gingen. Jetzt wird wieder großzügig überall geraucht, obwohl Umfragen ergeben haben, dass zwischenzeitlich die meisten Raucher die nikotinfreie Luft genießen und gerne am Rauchverbot weiter festhalten würden. Doch dadurch ist es einigen Bürgern geglückt, mit dem Rauchen aufzuhören. So fehlen unserem Staat wieder Steuergelder durch Raucher und pleitegegangene Eckkneipen.

Was sich unser Staat dabei gedacht hat, als er das neue Gesetz mit Telefonverbot für Vertreter wie mich erließ, das ist mir ein wahres Rätsel. Hier gehen Firmen in Konkurs. Solche, die ich als Kunden akquirieren soll, denn auch sie dürfen ihre Arbeit wie bisher nicht mehr tun. Uns Vertretern jeder Branche wirft man Brocken, groß wie die gesamte Alpenkette vor die Füße, die wir höchstpersönlich und vollkommen alleine überqueren müssen. Callcenter dürfen ihre Arbeit nicht mehr im Inland tun. Sie müssen schließen oder schnell ins Ausland gehen. Von dort aus darf man noch mit deutschen Kunden telefonieren. Eine wesentliche und unscheinbare Lücke. So gelangen diese Steuergelder auch noch in andere Länder. Und unsere Regierung wundert sich, dass sich die Einnahmen verringern und die Arbeitslosigkeit vergrößert. Dass sich Harz IV Empfänger überraschend schnell vermehren. Sich dadurch die Ausgaben des deutschen Staates zusätzlich extrem erhöhen.

Dazu kommt, dass wir dank dieses Gesetztes jetzt auch noch eine erhöhte Umweltbelastung haben. Da jeder Außendienstmitarbeiter nun persönlich zu jeder Firma in sein Gebiet fährt, anstatt dort einfach erst mal anzurufen. Die zuständigen Personen, die dieses Gesetz erließen, fühlen sich zwar jetzt nicht mehr von Anrufern belästigt, dafür aber von Vertretern, die den Fuß in ihre Türen stellen. Ein Telefonhörer, der war früher wenigstens schnell aufgelegt. Und all dies nur, weil sich eine wichtige in der Öffentlichkeit stehende Person von einem Anruf belästigt fühlte. Von einem Anruf, mit dem nur eine einzelne Person ihrem Job nachkam, um nicht bei Harz IV zu enden, um ihre Brötchen zu verdienen. Um unsere Arbeitslosenquote zu senken, kann doch ohne Weiteres in Kauf genommen werden, dass jeder Bundesbürger durchschnittlich einen Anruf pro Monat erhält?

Diesem Entscheider an unserer Spitze wünsche ich jetzt jedoch, dass er an den Abgasen vor seiner Haustüre ersticken wird. Dass sein Haus von Vertretern bevölkert wird. Er sein Zuhause oder sein Büro nicht mehr verlassen kann, weil alle Vertreter dieser Welt vor dieser einen, seiner Türe stehen. Ein persönliches Besuchsverbot kann er nämlich so schnell nicht auch noch aussprechen.

Andrerseits können sich natürlich auch Vertreter unterschiedlicher Branchen jetzt zusammentun und Fahrgemeinschaften bilden. So ist man auf allen seinen Wegen durch sein Verkaufsgebiet wenigstens nicht mehr alleine und auch nicht mehr beim Mittagessen. Wenigstens könnte man sich auf diese Weise gegenseitig ausweinen und trösten. Andererseits sollte man etwas Wesentliches bedenken. In ein durchschnittliches Auto passen vier Personen. Jeder Außendienstler könnte sich mit dem Produkt des anderen vertraut machen. So könnte jeder Außendienstler drei Wochen Zusatzurlaub in nur einem Monat machen. Das wären dann zwölf Wochen zusätzlich pro Jahr. Mit dem regulär vertraglich zugesicherten Urlaub wäre ein Außendienstmitarbeiter dann bei achtzehn Wochen Urlaub. Ein interessanter Gedanke.

Ich sollte mich damit befassen, ein Unternehmen zu gründen, das Vertreter in einem großen Van oder einem Bus in verschiedene Orte bringt. Die Bevölkerung hätte wohl kurzfristig ein größeres Belästigungspensum durch unangemeldete Vertreterbesuche. Doch für den Rest des Jahres hätten sie dann ihre Ruhe. Ein Gedanke, der es beinah wert wäre, etwas weiter gesponnen zu werden.

Man stelle sich vor, ein Vertreter läutet an einer Tür: „Grüß Gott! Darf ich sie bezüglich Ihrer Versicherungen beraten? Nein? Dann sehen sich diesen fantastischen Staubsauger einmal an. Nein? Sie sind noch zufrieden mit dem Alten? Hier hätte ich eine Auswahl an Zeitschriften-Abos. Sie lesen keine Zeitschriften? Hier habe ich ein fantastisches neues Reinigungsmittel auf biologischer Basis. Ein Poliertuch für das Auto von Ihrem Mann? Hausmeisterservice? Reinigungsservice? Ein neues Dach? Eine Haustüre? Einen neuen Telefonanbieter? Sie zahlen bestimmt viel zu hohe Gebühren. Sehen Sie, ich wusste, dass ich das Richtige für Sie habe.“

6.

Was mir diesen Job auch nicht gerade erleichtert ist die Tatsache, dass ich weder eine Mailadresse noch Visitenkarten oder sonstiges Material habe. Und das, obwohl bereits zwei Monate vor meinem Arbeitsbeginn feststand, dass ich diesen Job ab diesem Tage machen werde.

Ich habe nichts, was ich den Firmen hinterlassen könnte, sei es mit oder ohne Termin. Es fällt einem ja auch grundsätzlich dann ein, dass man etwas braucht oder etwas wissen will, wenn ein Vertreter weg ist. Zumindest geht es mir so und auch den Menschen, die ich kenne.

In meiner großen Verzweiflung nach nun schon zwei Stunden andauernden Erfolglosigkeit wähle ich die Nummer von Frau Hannelore Klump, meinem Coach, von der ich mir den einen oder anderen Tipp erhoffe. Schließlich will ich erfolgreich sein und diesen Job behalten. Auch, wenn es nicht unbedingt mein Traum ist, Versicherungsvertreterin zu sein.

Doch meine Frage wie auch meine Hoffnung auf Hilfestellung bleibt unbeantwortet und sie gibt mir nur die Order: „Fahren sie zu kleineren Unternehmen. Die Firmen, bei denen sie sind, sind wohl eine Nummer zu groß für sie. Fahren sie raus aus dem Gewerbegebiet, hinaus aufs Land und gehen sie kleine Firmen wie Handwerksbetriebe an.“

Das ist nicht die Antwort, die ich mir erhoffte. Nicht die Hilfe, die ich mir erwartet habe. Schließlich will ich keine Spazierfahrt machen, sondern meine Arbeit tun und das so effektiv wie irgendwie nur möglich. Das ist in meinen Augen dort, wo viele Firmen sind. Nicht dort, wo ich viele Kilometer von einer Firma zu der Nächsten fahre.

„Rufen sie mich an, wenn sie einen Termin bekommen haben!“, hat Frau Klump zu mir gesagt.

Entgegen ihrer Anweisung suche ich doch noch ein größeres Unternehmen auf. Eines, das inmitten dieses Gewerbegebietes liegt. Ich kann kaum glauben, dass ich tatsächlich einen Termin bekomme. Mein erster Termin nach zweieinhalb Stunden Arbeit.

Stolz und erfreut rufe ich sie sofort an und mache die Erfolgsmitteilung. Nur über die Tatsache des erhaltenen Termins. Nicht über die Art des Unternehmens und dessen Größe.

„Das haben sie gut gemacht!“, sagte sie zu mir wie zu einem dreijährigen Kind. Jedoch sehr viel trockener, als dass man es bei einem Dreijährigen täte. Sie zeigt keine bisschen Freude über meinen Erfolg. Wirkt lediglich gelangweilt, vollkommen ohne jede Emotion und genervt von meinem Anruf.

„Rufen sie mich bei jedem Termin an, den sie bekommen haben!“, fordert sie mich auf.

Ich freue mich wie ein Schnitzel, als ich bereits nach einer halben Stunde die nächste Erfolgsmeldung bringen kann. Auch wieder aus dem Gewerbegebiet, doch das sage ich ihr wieder nicht.

Wieder keine Freude ihrerseits über meinen Erfolg. Sie sagt nur deutlich unfreundlich: „Jetzt rufen sie mich doch nicht wegen jeden Termins an, den sie bekommen!“

Die Dame scheint nicht zu wissen, was sie will. Außer, dass sie laufend Kaffee trinken will. Vermutlich störte ich sie bei jeder meiner Meldungen dabei.

Mein erster Tag bei der Versicherung bringt mir insgesamt vier ganze Termine. Der arroganten Zicke, meinem Coach, war mein Erfolg ziemlich egal. Doch mein Chef, der Regionaldirektor, der hat sich bei dieser Mitteilung sichtlich darüber gefreut. Wenigstens einer außer mir.

Draußen hat es auch am späten Nachmittag immer noch beinahe dreißig Grad. Die Mitarbeiter der Unternehmen wollten alle an den See zum Baden oder in den Biergarten. Das ist zu dieser Zeit auch deutlich an ihren Reaktionen zu bemerken.