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In diesem Band erzählt Sacher-Masoch Geschichten aus seiner galizischen Heimat. Inhalt: Ezech Elchanan Sapiehas Busse Jakob wo bist du? Die gewaltsame Hochzeit Pan Kaniowski Der Krieg der zwei Marien Die wilden Frauen Drei Hochzeiten Lidwina Im Schlitten Auf der Heimfahrt
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Seitenzahl: 278
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Polnische Geschichten
Leopold von Sacher-Masoch
Inhalt:
Leopold von Sacher-Masoch – Biografie und Bibliografie
Ezech Elchanan
Sapiehas Busse
Jakob wo bist du?
Die gewaltsame Hochzeit
Pan Kaniowski
Der Krieg der zwei Marien
Die wilden Frauen
Drei Hochzeiten
Lidwina
Im Schlitten
Auf der Heimfahrt
Polnische Geschichten, Leopold von Sacher-Masoch
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849634476
www.jazzybee-verlag.de
Schriftsteller, geb. 27. Jan. 1835 in Lemberg, gest. 9. März 1895 in Lindheim in Hessen, studierte die Rechte, habilitierte sich bereits 1855 in Graz als Dozent für Geschichte und veröffentlichte mehrere historische Werke, widmete sich aber bald ganz der Literatur. Er lebte seitdem als Schriftsteller in verschiedenen Städten Österreichs und siedelte 1882 nach Leipzig über, wo er bis 1885 die internationale Revue »Auf der Höhe« herausgab, dann nach Paris, wo er auch für französische Zeitschriften schrieb, schließlich nach Lindheim in Hessen. Seine äußerst zahlreichen Romane und Novellen verraten Talent der Darstellung, bekunden aber dabei einen höchst bedenklichen Realismus. S. war der Vertreter des nach ihm benannten Masochismus. Am meisten Aufsehen und Anstoß erregten: »Das Vermächtnis Kains« (1. Teil: »Die Liebe«, Stuttg. 1870, 2 Bde., 3. Aufl. 1878; 2. Teil: »Das Eigentum«, Bern 1877, 2 Bde.); »Falscher Hermelin«, Geschichten aus der Bühnenwelt (Leipz. 1873, 6. Aufl. 1897); »Liebesgeschichten aus verschiedenen Jahrhunderten« (das. 1874); »Polnische Geschichten« (Bresl. 1887, 2. Aufl. 1906). Vgl. Schlichtegroll, S. und der Masochismus (Dresd. 1901). – Verheiratet war S. seit 1873 mit Aurora v. Rümelin (geb. 14. März 1847 in Graz), die unter dem Namen Wanda von Dunajew unter anderem den »Roman einer tugendhaften Frau« (Prag 1873), »Echter Hermelin« (Bern 1879), »Die Damen in Pelz«, Roman (Leipz. 1881), zuletzt »Meine Lebensbeichte, Memoiren« (Berl. 1906) veröffentlicht hat.
Es war zur Zeit des Carnevals, wo Spässe auch derberer Art erlaubt waren, als ein betrunkener königlicher Offizier, bei hellem Tage, im Kasimierz, dem Ghetto der alten Jagellonenstadt Krakau, erschien und, obwohl er sich nur mit Mühe auf den Füssen halten konnte, die ganze Bevölkerung in Aufruhr brachte. Laut fluchend und singend bearbeitete er die ihm in den Weg kommenden Hebräer mit der flachen Klinge, und zog jene, die sich ängstlich in ihren kleinen dunklen Gewölben verbargen, bei den langen Bärten hervor, um sie dann durch den Strassenkoth zu schleifen. Wie sein Hass gegen die Juden, die vor Kurzem erst von dem Kosakenhetman Bogdan Chmelnizki zu Tausenden in der Ukraine und Galizien geschlachtet worden waren, so äusserte sich aber auch sein Wohlgefallen an den schönen dunkeläugigen Frauen des Ghetto in brutaler empörender Weise. Im Bemühen, ihnen seine Galanterie zu beweisen, zog er ihnen die Stirnbinden herab und zerriss die seidenen Kaftane, in welche die üppigen Gestalten gehüllt waren, und wenn sich die feuchten Rosenlippen gegen seine branntweinduftenden Küsse wehrten, ergriff er die armen Schönen bei dem der Schere Hymens zum Opfer gefallenen kurzen Haar und traktierte sie mit Ohrfeigen, indem er laut brüllte: »Du bist bleich, Rebekka, ich will Dich schminken, warte nur!«
Hin und her schwankend gelangte der tapfere Schlachzitz (kleiner Edelmann) endlich zu dem Hause des reichen Kaufmanns Jonas. Hier hatte man schnell die Thüre des Ladens geschlossen, aber die schöne Lea, des Kaufmanns älteste Tochter, schon zum herrlichsten Weibe erblüht, obwohl sie erst zwölf Jahre zählte, war so unvorsichtig, durch die Glasscheibe zu blicken, und ihre Neugierde sollte jetzt furchtbar bestraft werden. Kaum hatte der Trunkenbold sie entdeckt, verlangte er stürmisch Einlass.
»Ich will sie taufen,« schrie er, »sie muss meine Frau werden, bei den Pfeilen des heiligen Sebastians.«
Lea verbarg sich zitternd hinter den Waarenballen ihres Vaters, aber schon hatte der Offizier die Scheiben eingeschlagen und begann jetzt wüthend die Thüre einzutreten, welche endlich mit einem lauten Krach nachgab. Er stürzte in den Laden, trat den Kaufmann mit Füssen und schleppte Lea bei ihren langen Zöpfen zu den nahen Brunnen.
»Weh! Weh! Gewalt!« schrien die Juden in der Strasse, aus den Fenstern und den Gewölben, da – im Augenblick der höchsten Gefahr – theilte ein junger Mann, kaum zwanzig Jahre alt, die Menge, und entriss das weinende Mädchen den Wütherich. Es war Ezech Elchanan, der Verlobte Leas, ein Bachor, wie man damals die jungen Gelehrten nannte, die ihr ganzes Leben, all’ ihren Geist und Fleiss dem Studium der Thora, des Talmud und der Kabbalah weihten.
»Was untersteht Du Dich?« schrie der Betrunkene, »Du Zwiebelfresser, Wucherseele, Christusmörder! das Mädchen her!«
»Rühr mich nicht an,« erwiderte Ezech Elchanan, »und komme dieser Jungfrau nicht zu nahe.«
»Du drohst noch, Kinderschlächter?« brüllte der Pole und fasste den Jüngling beim Barte. Die Antwort war ein kräftiger Faustschlag. Der Offizier taumelte, stürzte lautlos zu Boden und blieb vor dem Brunnen liegen, ohne sich zu regen.
»Weh! ist er todt?« rief es hier und dort. Ezech wendete den Polen um, blickte ihm in das bleiche Antlitz mit den gebrochenen Augen und liess ihn dann liegen. »Er ist todt,« murmelte er, »in der That.«
Lautes Wehgeschrei erfüllte die Luft, Alles flüchtete in die Häuser. Während alle Fensterläden, alle Thüren geschlossen wurden und der Kasimierz plötzlich einer durch die Pest verödeten ausgestorbenen Stadt glich, zog die todesbleiche Lea ihren Verlobten in das Haus ihres Vaters und dann die dunkle Treppe empor in ihr Gemach.
»Was hast Du gethan?« flüsterte sie, indem sie auf den Polsterdivan in dem kleinen Erker hinsank.
»Ich habe Deine Ehre beschützt,« gab Elchanan ruhig und stolz zur Antwort.
»Du hast recht gethan,« rief Lea, »Du mein Held, mein Einziger, aber was soll aus uns Allen werden? Finden sie Dich hier, werden sie uns das Dach über dem Kopf anzünden und Dir die schönen Glieder auf das Rad flechten.«
»Ich werde fliehen,« sagte der Jüngling.
»Aber wie und wohin?«
»Hilf mir nur, aus Krakau zu entkommen,« entgegnete Elchanan, »das Übrige macht mir keine Sorge.«
Einen Augenblick dachte Lea nach, dann rief die ihren Vater und ihre alte Dienerin. Während Jonas eilig dem Jüngling den Bart abnahm, schor ihm die Geliebte das Haupthaar. Dann gab man ihm ein paar seidene Scheitel und eine alte Stirnbinde, kleidete ihn in ein altes verschossenes Frauengewand und einen langen fadenscheinigen Kaftan, gab ihm einen Korb mit geschlachteten Gänsen unter den Arm und liess ihn durch das Hinterpförtchen hinaus. Es war die höchste Zeit. Kaum hatte er noch einmal Leas rothen Mund geküsst, kaum war das Schloss hinter ihm zugefallen, so pochte schon die Wache vorne an das Hausthor.
Während man sie hereinliess, und die Schergen fluchend das Haus bis unter das Dach hinauf und bis in den Keller hinab durchsuchten, kam Elchanan, indem er gleich einem alten Mütterchen gebückt dahinschlich, glücklich durch eine Reihe düsterer Seitengässchen an die Weichsel, liess sich in einem Kahn an das andere Ufer überfahren, fand einen Bauernwagen, den er mietete und gelangte nach mehrtägiger Fahrt ohne jedes weitere Abenteuer nach der Königsstadt Warschau, wo er bei einem seinem Vater befreundeten jüdischen Getreidehändler männliche Kleider anlegte und noch denselben Tag als gemeiner Soldat in die Reihen des königlichen Heeres eintrat.
Es war im Jahre 1655, wo König Johann Kasimir von Polen in Folge der kleinrussischen Wirren, des Kosakenkrieges und seiner schwankenden Politik auch noch mit Moskau und Schweden in Krieg geraten war. Schon hatten die Russen mit den Kosaken vereint Smolensk und Wilna erobert und waren im Süden bis Lemberg vorgedrungen.
Jetzt erschien auch Karl Gustav von Schweden mit seinem Heere auf dem Kampfplatz und drang über Preussen in Grosspolen ein, von dem unzufriedenen Adel mit offenen Armen empfangen. Als die Schweden sich Warschau näherten, entfloh König Johann Kasimir nach Schlesien. Seine Truppen leisteten in der Hauptstadt noch den letzten schwachen Widerstand. Hier war es, wo Ezech Elchanan sich das erste Mal bemerkbar machte:
Ein schwedischer Anführer forderte die Schaar, der er angehörte, auf, die Waffen zu strecken. Während die polnischen Offiziere, die vollständig entmuthigt waren, sich beriethen, sprang Elchanan auf den Schweden los, riss ihn vom Pferde und brachte ihn als Gefangenen zu den Polen herüber.
Als Warschau genommen war, gingen auch die letzten polnischen Truppen zu dem Schwedenkönige über. Nur wenige Getreue entkamen unter dem Schutz der Nacht nach dem Kloster Czentstochowa, unter ihnen auch der Krakauer Jude Ezech Elchanan.
Während Schweden und Russen das ganze polnische Gebiet überschwemmten und der König in der Ferne weilte, vertheidigte Augustin Kordezki, Prior des Paulinerordens, mit wenigen tapferen Patrioten dieses auf dem Berge Jasnagora gelegene, durch sein wunderthätiges Muttergottesbild berühmte Kloster muthig und erfolgreich gegen die Feinde. Als der letzte blutige Sturm abgeschlagen war und Ezech Elchanan, der wie ein Löwe gefochten, mit Blut übergossen auf einem Steine sass und sich selbst die Wunden, die er davongetragen, verband, trat der edle Mönch zu ihm hin, reichte ihm die Hand und sprach: »Jude! Du bist es werth, ein Pole zu heissen, der Himmel segne Dich!«
Das Beispiel von Czentstochowa zündete mächtig im ganzen Reiche, wie wenn die heilige Jungfrau ein neues und unglaubliches Wunder gewirkt hätte. Überall ermannten sich die Freunde des Vaterlandes, berieten und begannen nach kurzem Berathen zu handeln.
Elchanan eilte als Bote hin und her. Kurz vor Jahresschluss, am 25. December 1655, schlossen mehrere der vornehmsten Magnaten in Jiszowze eine Conföderation gegen Karl Gustav von Schweden und riefen den rechtmässigen König Johann Kasimir zurück. Die Lanzkoronski und Potocki standen an der Spitze der Bewegung. Stanislaw Lanzkoronski belohnte jetzt Elchanan für seine Tapferkeit und seine Vaterlandsliebe, indem er ihn zum Offizier ernannte und ihm den Namen Krakowski (der aus Krakau) verlieh.
Der König eilte durch Schnee und Eis, über Ungarn und die Karpathen nach Galizien und erschien unerwartet in Lemberg, wo man ihn mit Jubel empfing und der Adel sich um ihn schaarte. Bald war ein ansehnliches Heer beisammen, das Johann Kasimir sowie seine Person und sein Reich dem Schutze der heiligen Jungfrau von Czentstochowa empfahl.
Schnell kehrten jetzt die polnischen Truppen aller Orten zu der Fahne Johann Kasimirs zurück und zogen unter dem Commando des Kronfeldherrn Lubomirski und des Stephan Czarniecki gegen die Russen und Schweden in das Feld. Zur glücklichen Stunde fand Polen an Dänemark einen werthvollen Bundesgenossen.
In dem nun folgenden Feldzuge gegen Karl Gustav zeichnete sich Elchanan Krakowski wiederholt aus, besonders in der blutigen dreitägigen Schlacht bei Praga. Czarniecki war den Schweden unablässig auf den Fersen und führte eine Reihe gelungener Überfälle aus. Als der Krieg endlich durch den Frieden zu Oliva im Jahre 1660 beendet wurde, war Elchanan Oberst geworden und befehligte ein Regiment.
Mitten im Feldlager und den wechselnden Abenteuern des Krieges war indess Ezech Elchanan doch immer der bescheidene Weise, der menschenscheue Talmudjünger geblieben, und nie hatte ihn das Bild seiner schönen keuschen Braut verlassen. Er kam nach dem Kriege nach Warschau. Der Adel zog ihn in seine Kreise, und der tapfere Krakauer Jude durfte sogar am Hofe erscheinen. Man ignorirte seinen Glauben, seine Abkunft.
Die Königin sogar begann sich für ihn zu interessiren und beschied ihn eines Tages zu sich. Als er in das reich geschmückte Gemach getreten war und sich vor ihr auf ein Knie niedergelassen hatte, fasste ihn die hohe Frau, die in den Polstern eines türkischen Divans halb majestätisch und halb kokett ruhte, erst scharf in das Auge und winkte ihm dann aufzustehen.
»Elchanan Krakowski,« begann sie gnädig lächelnd, »Du gefällst unsern Damen. Weisst Du das, oder weisst Du es nicht?«
Elchanan erröthete.
»Ei! wie unschuldig Du bist, etwas zu unschuldig fast für einen Kriegshelden und königlich polnischen Obersten,« fuhr die Königin fort, »Du hast indess keine Ursache, Dich Deiner Triumphe zu schämen. Ich selbst, ich Deine königliche Herrin, habe Dir meine Gunst geschenkt und will Dich glücklich sehen. Versprich mir zu gehorchen.«
»Es wird mir leicht werden, gnädigste Königin, Ihren Befehlen Folge zu leisten,« erwiderte der Oberst.
»Gut, dann gieb mir Dein Ehrenwort.«
»Sobald ich weiss, dass was Sie mir befehlen, hochmächtige Herrin, nicht gegen mein Gewissen ist.«
»Wie vorsichtig Du bist, auf dem Schlachtfelde warst Du es nicht,« fuhr die Königin fort, »also, dies ist mein Wille, Du sollst eine Frau nehmen, die ich Die erwählt habe, Krakowski, das reiche und schöne Fräulein Elisabeth Brzostowska, und deshalb musst Du Dich taufen lassen.«
Wieder wurde Elchanan roth, aber diesmal ungleich kräftiger.
»Entscheide selbst, hohe Frau,« sprach er nach langem Zögern, »ich habe eine Braut, ein Mädchen meines Volkes, ihretwegen zog ich in den Krieg und sie schwur, mich in Treue und Geduld zu erwarten. Darf ich jetzt, wo mir das Glück, wo mir die Sonne Deiner Huld lächelt, die Geliebte meiner Jugend verrathen und verlassen?«
Die Königin sann nach. »Wie lange hast Du nichts von ihr gehört?« fragte sie endlich.
»Fünf Jahre.«
Die Königin sah Elchanan an, halb verwundert und halb mitleidig, dann lächelte sie fein: »Gieb mir also Dein Ehrenwort,« sagte sie, »wie ich Dir das meine gebe. Du gehst sofort mit Deinem Regiment nach Krakau. Findest Du Deine Braut unvermählt und Dir treu, dann segne ich Euch. Hat sie einen Andern geheiratet, oder in Deiner Abwesenheit ihr Herz an einen Andern verschenkt, dann gehörst Du mir, Krakowski, und ich lasse Dich ohne Gnade taufen.«
»Ich bin’s zufrieden, mein Ehrenwort,« gab Elchanan zur Antwort. Die Königin reichte ihm herablassend die Hand, und während er dieselbe küsste, lächelte sie wieder fein und überlegen auf ihn herab.
Es war an einem stürmischen Novemberabend, während der Wind in den alten, schwarzen Rauchfängen polterte und dichter Schnee auf die Kirchen, die stolzen Adelspaläste und die kleinen Judenhäuser von Krakau herabfiel, als es kräftig an das Tor des reichen Kaufmanns Jonas klopfte und dieser nicht lange darauf zwei kostbar gekleidete jüdische Männer in das Zimmer seiner Tochter führte. Lea war seither zum Weibe erblüht. Ein wenig bleich, aber dadurch nur um so rührender in ihrer herzbezwingenden Schönheit, sass sie in der Tiefe des Fensters über einen Stickrahmen gebeugt, und wendete ihr reines Profil, von der Lampe sanft erhellt, den Eintretenden zu. Von diesen blieb der Eine an der Thüre, so recht im Schatten stehen, während der Andere mit silberdurchzogenem Haar und Bart, sich ehrerbietig Lea näherte. »Ich bin gesendet von dem reichen Abraham, dem Sohn des Nathan, in Kiew,« begann er mit freundlich leuchtendem Blick, »zu werben um Deine weisse Hand, Du schöne und kluge Tochter des reichen und gerechten Jonas, für Ephraim, des Abraham Sohn, den Enkel des Nathan, der der Weisesten einer war, ein Licht des Glaubens und der Weisheit, als Rabbi von Sandomir.«
»Eine grosse Ehre,« erwiderte Lea, die sich erhoben hatte, züchtig und bescheiden, »aber ich muss für dieselbe danken, ich kann keines Mannes Weib werden und wäre er noch so angesehen und trefflich.«
»Und warum nicht?« fragte der Werber lächelnd.
»Weil ich die Braut des Ezech Elchanan bin,« versetze Lea, »der um meinetwillen einen Elenden erschlug, und deshalb in die Fremde fliehen musste. Diesem werde ich treu bleiben die zum Grabe, und so Gott will, noch über das Grab hinaus, denn ihm gehört mein Herz, und ich könnte niemals einen Andern lieben.«
Jetzt war es dem Manne, der, in einen dunklen Mantel gehüllt, im Schatten an der Thüre stand, unmöglich, noch länger der Empfindungen Herr zu werden, die übermenschlich auf ihn einstürmten. Er warf die Verhüllung ab und stürzte zu Leas Füssen nieder.
»Elchanan! mein Geliebter!« schrie diese auf, und schloss den verloren Geglaubten mit leidenschaftlicher Zärtlichkeit an ihre Brust. – Der Greis, der mit Elchanan gekommen war, sein Oheim Eleazar aus Tarnow, und der vor Glück strahlende Jonas verliessen leise die Stube. Die fühlten, dass sie hier überflüssig waren, und während sie jetzt unten in dem Gewölbe des Kaufmanns, unter klugen Reden, eine Flasche herrlichen alten bernsteinfarbigen Tokayers zusammen ausstachen, sassen die treuen Liebenden oben in der Fensternische zusammen, zärtlich umschlungen, und es begann ein herzliches Fragen und Antworten, ein Erzählen, das kein Ende nehmen wollte.
Am folgenden Tage aber war der Kasimierz festlich geschmückt. Zu allen Fenstern hingen farbige Teppiche heraus, die Thüren der kleinen dunklen Gewölbe waren mit Tannenreisig geschmückt und der Erdboden allenthalben mit grünem Schilf bestreut. Zur Mittagsstunde ertönte Trompetengeschmetter, ertönten Pauken und Flöten. Ezech Elchanan Krakowski hielt hoch zu Ross an der Spitze seines Regiments seinen Einzug in dem düsteren Judenviertel der Jagellonenstadt. Tausende von Neugierigen füllten die Strassen, die Thüren, die Fenster und Alle jubelten dem Sieger entgegen, ja sogar von den Dächern herab erschallten Zurufe und fielen Blumen zu den Füssen des Helden nieder. Die Rabbiner begrüssten ihn mit der Gesetzesrolle und einer blumenreichen, seine Tugenden preisenden Anrede. Als er sich aber dem Hause des Kaufmanns Jonas näherte, da stand Lea, reich geschmückt, in stolzer triumphierender Schönheit auf dem kleinen Balkon, und warf ihm einen grossen Kranz zu, den er mit seinem Säbel auffing, und dem Pferde, das er ritt, um den Hals legte.
Es war am 3. Mai 1685, zur Zeit König Sobieskis, als eine trefflich berittene und gerüstete Schaar in das den Kamaldulenserinnen von Wilna gehörige reiche Gut Brostowo eindrang und mit bewaffneter Hand Besitz ergriff.
Der Kastellan Zaba, der dasselbe Namens der Äbtissin verwaltete, begnügte sich, feierlich zu protestiren, und ergab sich dann ohne weiteren Widerstand in sein Schicksal. Eine halbe Stunde nach dem Überfall sass er bereits in einem Gemach des Erdgeschosses mit dem feindlichen Anführer beim Weinkrug.
»Sagt mir nur, edler Herr,« begann er, »was das für eine Welt heute ist, giebt es denn keinen König, kein Gesetz, keinen Kirchenbann mehr, dass Euer Herr, der Palatin, ohne Weiteres ein der Kirche gehöriges Besitztum so zu sagen rauben kann?«
»Wer soll ihn hindern?« antwortete der Offizier Sapiehas, Herr Zurawski, und strich seinen langen Schnurrbart, »der König am Wenigsten. Wer hat diese Wirren in Lithauen verschuldet? Niemand als die Pac, die sich zu den wahren Herrschern dieses Landes gemacht und den Adel unterdrückt hatten, diese stolzen Herren, die in ihrem Hochmuth so weit gingen, dem heldenmüthigen Johann Sobieski, als er 1675 zum König von Polen erwählt wurde, zu opponiren. Weiss Gott, ihr Hass hat ihnen schlechte Früchte getragen. Als der Hetman Michael Pac sich nun gar weigerte, mit dem Könige in die Ukraine in den Krieg zu ziehen, beschloss dieser, die Sapiehas gegen die Pac auszuspielen, die Sapiehas, welche ebenso grosse Güter und Reichthümer wie die Pac besassen, sich aber von allen Ehren und Würden ausgeschlossen sahen. Der König gab ihnen hohe Ämter und mit einem Male hatten sie auch eine Armee und Kanonen.
Kasimir Sapieha wurde Unterhetman und Kastellan von Wilna, Benedict Grossschatzmeister, Michael Grossstallmeister, und der jüngste, Leon, mein gnädiger Herr, wurde Schatzmeister des Königs und Palatin von Polock, und als im vorigen Jahre Herr Michael Pac starb, ernannte der König an seiner Stelle den hochgeborenen Herrn Kasimir Sapieha zum Hetman.«
»Verstehe,« sprach der Kastellan, im seinem Fette schnaubend, »aber was geht das uns an, die wir der Kirche dienen?«
»Sehr richtig,« erwiderte Herr Zurawski, »nur ist ein Umstand, den Ihr vergesst. Ist Eure hochwürdige Äbtissin Telimena nicht eine Pac? Grund genug für meinen Herrn, ihr Brostowo wegzunehmen; und wäre es nur, weil die Pac sich damit brüsten, von der Pazzi von Florenz abzustammen, und der selige Hetman, zu Ehren der heiligen Maria Magdalena von Pazzi, seiner angeblichen Verwandten, das Kloster zu Wilna erbaut hat.«
»Ja, ja, zwei Millionen hat es uns gekostet,« seufzte der Kastellan, »und dabei ist es noch nicht ganz ausgebaut.«
Nicht lange nach dem Zajazd (Besitzergreifung mit bewaffneter Hand nach polnischem Recht) erschien der Palatin Leon Sapieha mit einem kleinen, aber glänzenden Gefolge in Wilna, stieg vor dem Thore des Kamaldulenserinnen-Klosters vom Pferde und begehrte Einlass sowie eine Unterredung mit der Äbtissin, welche ihm diese auf der Stelle gewährte. Der Palatin wurde am Thore von zwei älteren würdigen Nonnen empfangen und in das mit reichem Luxus eingerichtete Empfangszimmer geführt, das ausserhalb der Klausur lag. Hier liess man ihn allein. Es währte nicht lange, so trat die Äbtissin herein.
Sapieha starrte dieselbe einige Augenblicke fast unartig an, er war auf Alles gefasst, nur nicht auf diese Erscheinung. Vor ihm stand eine junge Dame von höchstens fünfundzwanzig Jahren, eine mittelgrosse schlanke Gestalt mit jungfräulich stolzen Formen, welche über dem weissen Habit einen langen sich weich anschmiedenden Talar von violetter Seide mit fürstlichem Hermelin gefüttert und besetzt trug. Das runde frische Gesicht mit der feinen eigensinnigen Nase blickte aus schlauen grauen Augen fast muthwillig auf ihn. Unter dem weissen Velum, das ihr Haupt einhüllte, quollen einzelne goldige Härchen hervor und umspielten die schöngebildeten Ohren und den blendenden Nacken gleich Sonnenlichtern.
Sapieha kam erst zur Besinnung, als die Äbtissin Telimena sich würdevoll niederliess und ihm einen Platz ihr gegenüber anwies.
»Schön, Herr Palatin,« begann sie kampflustig. »Ihr Gewissen schreckt also nicht einmal von der Sünde zurück, sich mit dem Gute der Kirche zu bereichern. Denken Sie denn nicht an die göttlichen und ewigen Strafen, die Sie erwarten?«
»Nein,« erwiderte Sapieha laut und lustig, »ich denke an etwas ganz Anderes.«
»An was, wenn ich bitten darf?«
»Ich denke,« fuhr der junge männlich schöne Palatin, seinen schwarzen Schnurrbart streichend, fort, »wie herrlich das gewesen wäre, wenn Sie, statt eine Braut des Himmels, – meine Frau geworden wären.«
»Weshalb schmeicheln Sie mir? Sie bleiben doch mein Feind,« entgegnete Telimena spöttisch, aber sie war trotzdem ein wenig rot geworden.
»Ich spreche aufrichtig,« fuhr Sapieha fort, »Sie wären eine Frau für mich gewesen, wie keine Andere, und diese Verbindung hätte die Pac und die Sapiehas geeinigt und Lithauen den Frieden zurückgegeben.«
»Das ist nun vorbei.«
»Leider.«
»Wer weiss, vielleicht könnte auch ich es bedauern,« sprach Telimena und blickte zur Erde, während ihre kleine Hand tändelnd in dem üppigen Pelzwerk, das um sie knisterte, versank, »aber wäre auch unter den jetzigen Verhältnissen der Friede nicht dem Kampfe vorzuziehen?«
»Das hängt nun von Ihnen ab.«
»Ich bin zu einem Vergleich bereit.«
»Also, ich will Brostowo herausgeben, sobald Sie mir gestatten, einige meiner Soldaten für unbestimmte Zeit auf den Klostergütern einzuquartieren.«
»Soldaten! auf unbestimmte Zeit!« rief Telimena aufbrausend, »davon kann keine Rede sein.«
»Dann behalte ich Brostowo.«
»Trotz Ihrer Verehrung für mich?«
»Gehen Sie nach Rom, Telimena,« rief Sapieha mit blitzenden Augen, »suchen Sie Dispens zu erlangen, für Geld kann man in Rom Alles haben, und sobald Sie von diesen geistlichen Ketten frei sind, liege ich zu Ihren Füssen.«
»Sie werden auch so zu meinen Füssen liegen,« sprach die Äbtissin gelassen, ihren Pelz streichelnd, »Sie kennen die Macht der Kirche nicht.«
»Ich kenne dafür Ihre Macht, Telimena, diese macht mir viel mehr bange.«
»Dann geben Sie unser Klostergut heraus.«
»Sie kennen die Bedingungen.«
»Die ich nicht annehmen kann.«
Sapieha zuckte die Achseln, während die Äbtissin überlegte.
»Sie geben mir Brostowo nicht?« sagte sie endlich.
»Nein.«
»Sie sollen also durchaus den Krieg?«
»Sie zwingen mich dazu, schöne Frau!«
»Gut, also Krieg,« schloss Telimena, sich erhebend, »und kein Friede, ehe Sie nicht besiegt zu meinen Füssen liegen.«
Der Palatin entfernte sich mit einem Seufzer, er hatte zum ersten Male ein Weib gefunden, das ihm imponirte. Als er sie verlassen hatte, ging die Äbtissin noch einige Zeit mit verschränkten Armen auf und ab, ihre zarte Brust athmete ruhig unter dem schwellenden Hermelin, um ihre schlauen Augen und ihren trotzigen Mund spielte erst ein schelmisches Sinnen, dann ein anmuthig boshaftes Lächeln. Ein feiner Plan war in ihrem Köpfchen gereift. Sie blieb stehen, erhob die sammtne Hand und drohte mit dem Zeigefinger, an dem ein Rubin gleich einem Feuerfunken hing, gegen die Thüre, durch welche der Palatin hinausgeschritten war. Für’s erste kam ihr jedoch dieser zuvor. Schon nach wenigen Tagen erschien ein Trupp seiner Reiter, erzwang sich den Einlass in das Kloster und quartierte sich in diesem ohne Weiteres ein.
Die Äbtissin zuckte mit keiner Wimper, sie sass in ihrem Hermelinpelz wie ein lauerndes Kätzchen, das mit geschlossenen Lidern zu schlummern scheint, während die Mäuse um dasselbe spielen. Sie zog den Anführer der Reiter, Herrn Krakowski, Mittags zur Tafel, und dieser war beim Nachtessen bereits so begeistert von den Reizen und der Liebenswürdigkeit der Äbtissin, dass er stürmisch aus deren Schuh zu trinken verlangte (Polnische Sitte der Frauenhuldigung). Telimena gewährte ihm diese Gunst mit lächelndem Munde, nachdem sie der Schwester Lodoiska, welche den Keller verwaltete, einen spitzbübischen Wink gegeben. »Die beste Flasche Tokayer!« befahl sie. Als derselbe zur Stelle war und Herr Krakowski sich vor Telimena auf ein Knie niedergelassen hatte, kam auch schon unter dem schimmernden Hermelinsaum das kleine Füsschen hervor. Mit leuchtenden Augen zog der galante Offizier den niedlichen Sammetpantoffel herab, und kaum hatte ihn Schwester Lodoiska mit Wein gefüllt, leerte er ihn auch schon auf einen Zug, indem er Telimena ein lautes Vivat zurief. Als Krakowski seinen Platz an der Seite Telimenas wieder eingenommen hatte, liess diese ihre schlauen Augen mit heiterer Neugier auf ihm ruhen. Es währte nicht lange, so wurde seine Zunge schwer und er begann sich schlaftrunken die Stirne zu reiben, dann fielen ihn die Augen zu und endlich sank sein Kopf auf die Brust und er schlummerte süss wie ein Kind in der Wiege. Telimena neigte das Haupt und blickte ihm mit fast kindlicher Freude von unten in das Gesicht, dann gab sie den Nonnen ein Zeichen, und alle zugleich begannen in die Hände zu klatschen und laut zu lachen. Die Äbtissin aber nahm den nächsten besten Kork, hielt ihn über die Lampe, und malte dann mit demselben ihrem schlafenden Verehrer eine riesige schwarze Brille in das Gesicht. Schwester Lodoiska fügte ein paar drastische Augenbrauen, eine zweite Nonne einen dicken Strich über die Nase hinzu, und so trieben die frommen Klosterfrauen ihr übermüthiges Spiel mit dem armen Krakowski eine Weile kichernd fort, während zu gleicher Zeit seine Reiter, welche der Kastellan unten im Keller bewirthet hatte, einer nach dem andern vom Stuhle fielen und dann auf Befehl der Äbtissin in einem als Kerker dienenden unterirdischen Gewölbe gleich Holzscheiten aufgeschichtet wurden. Nachdem auch Krakowski in sicheres Gewahrsam gebracht worden war und Telimena selbst alle Schlösser gesperrt und alle Riegel vorgeschoben hatte, begann auf ihr Geheiss die lustigste Maskerade.
Die jungen Nonnen verwandelten sich mit der grössten Geschwindigkeit in Soldaten, während Telimena die Stelle des Anführers übernahm. Die Säbel klirrten, die Lanzen blitzten und helles Lachen tönte dazwischen, als sie im Schlosshof die Pferde der Sapieha’schen Reiter bestiegen. Dann ging es im Galopp hinaus in die sternenhelle Nacht und nach dem nahen Städtchen Grodno.
Dort, im Judenviertel, hielt die fröhliche Schar vor dem Hause des reichen Kaufmanns Mordochai, dessen schöne Tochter Esther die Geliebte Leon Sapiehas war, wie Telimena in Erfahrung gebracht.
Zwei der Amazonen stiegen ab, klopften mit dem Säbelknauf an das Thor und verlangten Einlass. Da Mordochai gerade abwesend war, erschien Esther am Fenster und fragte erschrocken, um was es sich handle. Sie hätten Befehl vom Palatin, die schöne Esther zu entführen, lautete die Antwort. Die schöne Jüdin, rasch entschlossen, raffte ihren Schmuck und noch einige andere Kostbarkeiten zusammen und kam dicht verschleiert heraus. Man hob sie auf ein Pferd und im Sturme ging es wieder zurück nach Wilna.
Es währte einige Zeit, ehe der Palatin von dem Raube erfuhr; als er eines Tages nach Grodno kam und das Nest leer fand, wusste er sofort, wo er die kleine schöne Hand zu suchen habe, die hier im Spiel gewesen. Zuerst kam er allein nach Wilna zur Äbtissin und verlangte die Auslieferung Esthers sowie seines Offiziers und seiner Soldaten. Telimena zuckte die Achseln. »Wir sind im Kriege,« sagte sie, »und da sucht ein Jeder Gefangene zu machen.«
Sapieha zog unverrichteter Sache ab. Als er aber mit Fussvolk und Reitern zurückkehrte, fand er das Kloster im Vertheidigungszustand, von Kriegsvolk der Pac besetzt. Auf der Mauer standen Geschütze, die Brücke war aufgezogen, der Graben mit Wasser gefüllt und dazwischen flatterte der Hermelinpelz der Äbtissin, vom Winde bewegt, wie eine Fahne.
Einen Angriff wagte der Palatin nicht, aber er schloss das Kloster von allen Seiten ein, in der Hoffnung, die Nonnen bald aushungern zu können. Nach acht Tagen war er schon der ganzen Sache müde. Verdriesslich umritt er die kleine geistliche Festung, und da sich die Äbtissin auf dem Walle zeigte, grüsste er sie und fragte, ob ihre Speisekammer noch nicht leer sei.
»O, wir essen und trinken vorzüglich,« erwiderte Telimena, »aber ich langweile mich furchtbar; wenn Sie galant wären, kämen Sie zu mir herein, mir die Zeit zu vertreiben.«
»Sehr gerne.«
»Also gleich heute zum Diner.«
Sapieha erschien in der That und das Mahl war ebenso delicat als heiter.
»Wo ist nun meine Jüdin?« fragte er endlich leise.
»Esther? Ein schönes Mädchen,« erwiderte die Äbtissin, »sie wird in Rom ihr Glück machen.«
»Sie scherzen.«
»Ich bin stolz, diese Seele gerettet zu haben,« fuhr Telimena fort, »sie hat sich taufen lassen und ist mit Briefen von mir an mehrere Cardinäle auf dem Wege nach der ewigen Stadt.«
Sapieha blieb einige Zeit sprachlos. »Und meine Soldaten?« fragte er endlich, »sind die auch nach Rom?«
»Ihre Soldaten können Sie haben, sobald Sie mir Ihr Ehrenwort geben, nichts Gewaltsames mehr gegen mich zu unternehmen. Es ist eines Mannes von Geist nicht würdig, eine Dame mit solchen rohen Waffen zu bekämpfen, uns stehen ja feinere und anmuthigere zu Gebote:«
»Hier meine Hand.«
»Sie ziehen ab und unternehmen nichts Ähnliches mehr gegen mich.«
»Mein Ehrenwort!«
»Und Brostowo?«
»Behalte ich.«
»Also wir kämpfen weiter.«
Die Äbtissin gab die Gefangenen heraus und Sapieha zog ab. Er hielt Wort, und auch sie verhielt sich während des Sommers ruhig, aber sie setzte den Krieg in ihrer Weise fort, als der Palatin zu Beginn des Herbstes um die Hand der Tochter des Kastellans von Wilna, Jadwiga Oginska, warb. Man sah die Bewerbung gerne, und auch das Fräulein schien ihm hold. Schon wurde an der Aussteuer genäht, als plötzlich Jadwiga aus dem Elternhause verschwunden war. Sapieha zerbrach sich nicht lange den Kopf. Er kam auf prächtig geschirrtem Pferde vor das Kloster und hielt um eine Unterredung mit der Äbtissin an, die ihm sofort gewährt wurde.
»Wo ist Jadwiga?« war seine erste Frage.
Telimena antwortete mit einem silberhellen Lachen.
»Auch in Rom?«
»Nein, in Krakau.«
»Zu welchem Zweck?«
»Sie hat sich entschlossen, den Schleier zu nehmen.«
»Welche Sünde! sich lebendig zu begraben!«
»O! Ich befinde mich ganz wohl dabei, wie Sie sehen.«
»Aber wollen Sie mir denn jede Geliebte entreissen?«
»Jede.«
»Es ist Ihr Ernst?«
»Mein voller Ernst. Ich gebe nicht nach, ehe Sie nicht zu meinen Füssen liegen.«
»Und wenn ich, zur Verzweiflung getrieben, Sie selbst entführe?«
»Thun Sie es,« spottete Telimena, »das wäre doch einmal ein aufregendes Abenteuer, ich bin noch nie entführt worden.«
»Mit Ihnen ist es schwierig zu kämpfen.«
»Ergeben Sie sich also.«
»Noch nicht.«
Der Palatin begann hierauf der schönen jungen Wittwe des Starosten von Siradin, Frau Bonna Bialopiotrowicz, den Hof zu machen, obwohl dieselbe in dem Rufe stand, ihre Anbeter wie die Handschuhe zu wechseln. Es war indess eine der reichsten Partien, und als Bonna sich Leon Sapieha geneigt zeigte, und man von gewissen geheimnissvollen Besuchen im Dunkel der Nacht zu flüstern begann, beneidete mancher verschuldete Magnat den schönen Palatin um das Glück, das er bei den Frauen hatte. Die Hochzeit war bereits anberaumt, als eines Tages, kurz vor Lichtmess, die Äbtissin Telimena, eine Jugendfreundin Bonnas, in Siradin erschien. Sie verstand es, der leicht erregbaren Lebefrau einerseits ihren strafbaren Lebenswandel, anderseits die Qualen des Höllenpfuhles mit so grellen Farben zu malen, dass Bonna mit einem Male ihren ganzen Sinn änderte, an Sapieha einen Absagebrief schrieb und sich in das Kloster der Kamaldulenserinnen zu Wilna zurückzog, um dort in reuiger Demut Vergebung ihrer Sünden von Gott zu erflehen.
Als Sapieha diesmal vor der Klosterpforte erschien, wurde ihn diese zwar aufgethan, aber die Äbtissin weigerte sich, ihn zu empfangen.
»Ich lasse mich nicht abweisen,« rief er, »ich dringe mit Gewalt zu ihr!«
»Die hochwürdige Mutter befindet sich in der Kapelle, wo sie wohl vor Ihnen sicher ist, gnädiger Herr,« erwiderte die Pförtnerin.
»Begehe ich denn ein Sacrilegium, wenn ich dort eintrete?«
»Gewiss, denn kein Mann darf die Schwelle der Klausur überschreiten.«
Sapieha dachte einen Augenblick nach, dann spielte ein Lächeln um seine Lippen.
»Ich werde sie nicht überschreiten,« sprach er, »mein Wort als Edelmann, aber die Äbtissin wird mich deshalb doch empfangen müssen.«
Rasch entschlossen gab er seinem prächtigen Pferde die Sporen, sprengte durch die Pforte und ritt dann tollkühn die Treppe empor. Erst oben im Vorsaal, jenseits der Klausur, stieg er von dem vertrauten Thiere herab und sprich sich stolz den Schnurrbart.
»Das war ein Meisterstück,« sprach Telimena, die ihm mit leuchtenden Augen entgegen eilte. Sie nahm hierauf seinen Arm und führte ihn in ein prächtig eingerichtetes Gemach. »Für dieses Mal bin ich besiegt,« fügte sie, sich auf den weichen Polstern niederlassend, hinzu:
»Sie geben Bonna heraus?«
»Die arme Bonna, sie wird sehr von Gewissensbissen gepeinigt und ist eben im Begriffe, Busse zu thun, ich fürchte, sie ist für Sie verloren.«
»Telimena, Sie sind mit dem Teufel im Bunde.«
»Im Gegentheil, ich treibe Teufel aus.«
»Wie?« fragte Sapieha, indem er neben ihr Platz nahm.
»Mit der Geissel.«
»Sie werden Bonna geisseln?«
»Gewiss, heute noch.«