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Gute Porträts brauchen ein profundes Wissen um die passende Beleuchtung – welche Art von Licht benötigt wird, wie es geformt und gemessen wird, wie es mit dem Model interagiert und vieles anderes mehr. Die französische Mode- und Werbefotografin Nath-Sakura beschreibt in diesem enorm detaillierten Buch von den Grundlagen bis zu komplexen Licht-Setups alles, was Sie zur Erstellung einfühlsamer, eindrucksvoller und hochwertiger Porträts wissen müssen. Viele Praxisbeispiele und umfangreiche Illustrationen helfen Ihnen, ein tiefes Verständnis für die Kunst der richtigen Beleuchtung aufzubauen und erfolgreich für Ihre eigene Fotografie anzuwenden.
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Seitenzahl: 364
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Die Mode- und Werbefotografin Nath-Sakura arbeitete zunächst als Fotojournalistin für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften in Europa und Frankreich, bevor sie künstlerische Leiterin des Studio photo B612 in Montpellier wurde. Sie ist Autorin von sieben Fotobüchern und hat auf der ganzen Welt ausgestellt (von Hongkong bis Hollywood, von Barcelona bis London). Nath-Sakura leitet regelmäßig Workshops in ganz Europa.
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Nath-Sakura
Das Praxisbuch für professionelle Beleuchtung
Nath-Sakura
Lektorat: Boris Karnikowski
Lektoratsassistenz: Anja Weimer
Übersetzung: Susanne Ochs, Heidelberg
Copy-Editing: Friederike Daenecke, Zülpich
Satz: Ulrich Borstelmann, www.borstelmann.de
Herstellung: Stefanie Weidner
Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de, unter Verwendung eines Bildes der Autorin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN:
978-3-86490-865-1
978-3-96910-605-1
ePub
978-3-96910-606-8
mobi
978-3-96910-607-5
1. Auflage 2022
Translation Copyright für die deutschsprachige Ausgabe © 2022 dpunkt.verlag GmbH
Wieblinger Weg 17
69123 Heidelberg
Original French title: Éclairer et photographier le portrait © 2020 Éditions Eyrolles/Éditions Victoria Paris, France, ISBN: 978-2-212-67995-3
© Éditions Victoria/Nath-Sakura Factory, 2020
© Éditions Eyrolles, 2020, Paris, France
Sofern nicht anders erwähnt, sind alle Fotografien und Illustrationen das geistige Eigentum der Autorin Nath-Sakura © Alle Rechte vorbehalten.
Hinweis:
Der Umwelt zuliebe verzichten wir auf die Einschweißfolie.
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Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autorin noch Verlag noch Übersetzerin können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.
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Dieses Buch, das im »Lockdown« zwischen März und Mai 2020 entstand, wäre ohne meine beiden geduldigen Lektorinnen nicht möglich gewesen: Tao vom Victoria-Verlag und Stéphanie, Leiterin der Foto-Abteilung bei Eyrolles.
Auch die Teilnehmer meiner Workshops und die Leser meiner beiden vorherigen Bücher haben mit ihren zahlreichen und häufig komplexen Fragen zur Optimierung meiner Lerninhalte beigetragen.
Mein Dank gilt außerdem meinem unverzichtbaren Assistenten Yolan, den Modellen, die ich fotografieren durfte (und in Zukunft fotografieren werde), meinen künstlerischen Mitarbeitern, die mich im Studio und auf meinen Reisen durch Europa unterstützt haben (Audrey, Chad, Christophe, Delph, Djulia, Julie, Heidi, Laura, Manon, Mathilde, Véronica …), und meinen Dekorateuren Yvan und X Off. Kurz, ich danke allen, die mir dabei geholfen haben, die Bilder entstehen zu lassen, von denen ich geträumt hatte.
Ich widme dieses Buch meiner Tochter Victoria, die mich sehr glücklich macht.
Das Menschenbildnis im Wandel der Zeit
Das Porträt: keine Frage des Formats
1
Techniken der Porträtfotografie
Bevor es losgeht
Licht und Beleuchtung meistern
Lichtmenge
Optimale Nutzung des Lichts in der Digitalfotografie
Lichtqualität
Lichtkontrast
Die Rolle des Lichts
Lichtfarbe
Abstand und Winkel
Gesicht und Perspektive
Porträts bei natürlichem Licht
Messmethode
Stimmungen erzeugen
Das Modell platzieren
Tageslicht mit Unterstützung
Porträts mit Blitz
Führung des Blitzlichts
Porträts bei Mischlicht
Eine Frage der Stimmung
Kreative Möglichkeiten
Organisation und Vorgehensweise
Grundlegende Licht-Setups für Porträts
Streiflicht
Frontallicht
Loop-Licht
Rembrandt-Licht
Paramount-Licht
Beleuchtung von unten
Oberlicht
Beleuchtung mit Gegenlicht
Clamshell-Licht
Candy-Light
Hollywood-Licht
Komplexe Beleuchtungsaufbauten
Asymmetrische Beleuchtung
Indirektes Licht
Feathering
Ausleuchtung der Augen
Ausleuchtung des Hintergrunds
Beleuchtung und Gesichtsform
Bestimmung der Gesichtsform
Licht anpassen
Harmonische Kopfhaltung
Die geeignete Pose finden
Umgang mit Gesichtsmerkmalen
Welches Objektiv für welches Porträt?
Licht und Reflexionen
Lichtreflexe und Glanzlichter
2
Künstlerische Leitung bei Porträts
Porträt und Komposition
Intention und kleine Geschichte des Porträts
Der Kamerawinkel als künstlerische Entscheidung
Entfernung als künstlerische Entscheidung
Ausschnitt und Komposition
Das Modell und sein Kontext
Inspiration
Moodboard
Bildelemente anordnen beim Porträt
Dramatik und Hors-champ
Farbharmonie
Farbtöne, Sättigung und Helligkeit
Die Basisfarbe
Komplementärfarben
Benachbarte Farben
Triadisches Farbschema
Tetradisches Farbschema
Analoges Farbschema (Ton-in-Ton)
Farbtöne und Proportionen
Gesättigte Farben und Pastelltöne
Farbschema und Stimmung
Harmonie und Hautfarbe
Monochrome Porträts
Kontraststeuerung
Lichtsetzung bei Schwarzweiß
Regieanweisungen
Erfahrene Modelle und Anfänger
Position des Modells
Posing des Modells
Tipps und Tricks
Das Fotoshooting im Detail
Künstlerische Leitung und Atmosphäre
Make-up
Haare
Styling
Stimmung und Atmosphäre
Requisiten und Umgebung
Requisiten
Organisation des Fotoshootings und Checkliste
3
Die unter schiedlichen Arten von Porträts
Highkey-Porträts
Highkey in der Theorie
Highkey und die Kosmetik-Branche
Highkey: Nachbearbeitung
Lowkey-Porträts
Lowkey in der Theorie
Lowkey und Dramatik
Werbeporträts
Werbung und ihr Nutzen für die Porträtfotografie
Unterschiedliche Strategien
Beauty-Porträts
Eine Frage der Beleuchtung
Dramatische Porträts
Methoden zur Erzeugung von Dramatik
Porträts und Filmlicht
Filmlicht kreieren
Neue Impulse
Journalistische Porträts
Methode bei Presseporträts vor Ort
Business-Porträts
Workflow und Charakteristiken
Künstlerische Porträts
Einen Stil finden
Das Modell für die eigene Vision begeistern
Familienporträts
Klassische Porträts
Tricks und Methoden bei Kinderporträts
Umgang mit Gruppen
Porträts und Bewegung
Auslösung auf den 1. oder 2. Verschlussvorhang
Eingefrorene Bewegung
Ausschnitt, Beleuchtung und Dynamik
Porträts und schwarze Haut
Schwarzweißporträts
Schwarzweiß und Hautfarbe
Strategie und Kontext
Sonstige Porträts
Porträts am Arbeitsplatz
Memento mori
Redaktionelle Porträts
Selbstporträts
Porträts und Mehrfachbelichtung
Passfotos
Porträts und Recht
4
Licht-Setups im Detail
Einleitung
Porträt bei hartem Licht
Klassisches Porträt mit Parabol-Softbox
Porträt mit Blitzschirm
Clamshell mit einer Lichtquelle
Klassisches Schwarzweißporträt
Gegenlichtporträt im Freien
Einstellungen bei Sonnenlicht
Schattenspiel mit optischem Lichtvorsatz
Clamshell-Reflektor/Softbox
Gesichter modellieren mit weichem Licht
Porträt mit Softboxen
Das Modell freistellen
Porträt à la Bert Stern
Clamshell mit zwei Softboxen
Lichtabfall unterdrücken
Zwei Lichtquellen gleichzeitig
Mit Farben spielen
Der Körper als Skulptur
Unschärfekreise im Hintergrund
Extrem weiches Porträt
Einfaches Candy-Light
Maßgeschneiderte Beleuchtung
Dreifarbige Beleuchtung
Highkey soft
Filmlicht
Komplexes Setup mit 7 Lichtquellen
Anhang: Modelle und Mitwirkende
Index
Das Porträt – viel mehr als ein bloßes »Abbild« einer Person – ist ein künstlerisches Werkzeug, um die Persönlichkeit eines Menschen zu zeigen. Die Aufgabe des Porträtisten ist es daher, die Identität, die Besonderheit des Modells auf einem Bild zu verewigen und mit Haltung oder Pose die »Präsenz« des Menschen zum Vorschein zu bringen.
Wenn man tiefer in die Materie einsteigt, gehört das Porträt zu den schwierigsten fotografischen Genres überhaupt. Meist versteht man darunter eine »wirklichkeitsgetreue Darstellung eines menschlichen Gesichts als Kopfbild oder Büstenporträt, in der Regel von vorn«. Wenn das alles wäre, dann könnte man das von den Behörden verlangte Passbild zum Nonplusultra erklären – eine absurde Idee –, und in Anbetracht moderner Software zur Gesichtserkennung und -rekonstruktion wäre der Beruf des Porträtfotografen dem Untergang geweiht. So wissen wir heute dank moderner Technik nicht nur ziemlich genau, wie beispielsweise das Gesicht des ägyptischen Pharaos Tutanchamun ausgesehen hat, der seit über 3000 Jahren tot ist, sondern wir können auch die Gesichter lebender Personen problemlos rekonstruieren. In der Porträtkunst geht es jedoch um sehr viel mehr als um das äußere Erscheinungsbild: Zum Vorschein kommen soll die Seele, das Innere, die Einzigartigkeit eines Modells – diese immateriellen Aspekte sind nicht an der Form der Nase oder des Mundes ablesbar.
Das Modell muss sich selbst auf seinem Porträt noch nicht einmal unbedingt wiedererkennen können. Schon in einem meiner früheren Bücher habe ich das Beispiel des elsässischen Malers Jean-Jacques Henner genannt. Er vertrat die Meinung, dass ein Porträt dann gut sei, wenn es gut gemalt sei.
1923 wurde im Bulletin de la vie artistique der folgende amüsante Wortwechsel nacherzählt: »Sie haben mich vorzüglich porträtiert, sagte ihm eine Dame, nur sieht mir das Porträt gar nicht ähnlich. Und Henner antwortete, außer sich vor Wut: Der Nachwelt wird es völlig wurscht sein, Verehrteste, ob das Porträt Ihnen ähnlich sieht oder nicht!« Jetzt, ein Jahrhundert nach der Entstehung dieses Porträts, kann man nur feststellen, dass er recht hatte.
Hilfsmittel bei der Porträtierung
Wie ein Gesicht aussieht, ist untrennbar mit der Kopfhaltung, der Lichtqualität und dem Betrachtungswinkel verknüpft. Ein einzelnes Bild kann auf keinen Fall für sich allein einen Anspruch auf »Wirklichkeitstreue« erheben. Wir alle haben schon einmal festgestellt, dass wir am gleichen Tag in unterschiedlichen Spiegeln ganz anders aussehen: In dem einen gefallen wir uns, im nächsten gar nicht. Unsere Gesichtszüge verändern sich in so kurzer Zeit nicht, wohl aber das Licht und sein Einfallswinkel und die Qualität des Spiegels. Um es mit den Worten von Jean Cocteau zu sagen: »Spiegel sollten länger nachdenken, bevor sie ein Bild zurückwerfen.«
Und es kommt noch schlimmer: Aufgrund der optischen Eigenschaften von Spiegeln kennen wir nur unser spiegelverkehrtes Bild, während unser Konterfei auf einem Foto »richtig herum« erscheint. Aus diesem Grund haben wir oft Mühe, auf einem Foto Ähnlichkeiten mit uns zu entdecken. Aber dieses Problem löst sich quasi von selbst. Als Porträtfotograf geben wir nämlich nicht unbedingt die Wirklichkeit wieder, sondern nur das, was wir zum Vorschein bringen wollen. Mithilfe der Werkzeuge der Fotografie und der Beleuchtung machen wir uns anhand von sichtbaren Eigenheiten ein Bild von einer Person, das immer subjektiv bleiben wird.
In der Porträtfotografie geht es also nicht vordergründig um technische Aspekte, sondern um Psychologie, Beobachtung und Einfühlungsvermögen. Fangen Sie mit der Beobachtung des Modells an: Mimik, Gestik, natürliche Körperhaltungen, Besonderheiten. Reden Sie mit der Person über ihre Interessen, Hobbys, vielleicht sogar über ihre Schwächen. Dadurch soll sich vor Ihrem geistigen Auge ein Bild entwickeln, das Ihnen von allen möglichen Abbildungen am aussagefähigsten erscheint. Natürlich haben Sie hier die Qual der Wahl und müssen sich für eine Option entscheiden. Aber so ist das in der Kunst, auch in der fotografischen: Man muss Entscheidungen treffen.
1954 beschlossen die Abgeordneten des britischen Parlaments, ein Porträt von Winston Churchill als Geschenk zu seinem 80. Geburtstag anfertigen zu lassen. Den Auftrag erhielt Graham Vivian Sutherland, einer der Meister der modernen Malerei in England. Der Staatsmann selbst und seine Anhänger fanden dieses Porträt »abscheulich« (The People’s Almanac Presents the Book of Lists, herausgegeben 1977 von David Wallechinsky, Irving Wallace und Amy Wallace). Das Gemälde wurde angeblich heimlich, still und leise von Churchills Frau verbrannt. Sutherland behauptete immer, das gemalt zu haben, was er gesehen hätte: einen 80-jährigen Mann. Das Modell selbst allerdings hatte erwartet, als großer Staatsmann und Gewinner des Zweiten Weltkriegs gefeiert zu werden, als »Fels in der Brandung«, wie er sich selbst gern beschrieb.
Ein Porträtist muss also eine subjektive Wahl treffen und die Persönlichkeit des Modells auf die eine oder andere Weise einfangen. Die Abbildung auf der vorherigen Seite zeigt die gängigsten Methoden: Beim Gespräch mit dem Modell verschafft man sich einen Eindruck von seiner Kleidung, seinem Beruf und seinen Hobbys und wählt dann aus diesen Informationen die aussagefähigsten aus.
Natürlich kann man den Schwerpunkt auch auf Details legen und körperliche Eigenheiten (Bart, breite Kieferpartie), eine bestimmte typische Köperhaltung oder sogar eine Silhouette (wie bei den meisten Porträts von Alfred Hitchcock) ins Bild rücken. Auch Symbole oder Kleidungsstücke können gute Dienste leisten: ein Schriftsteller mit einer Schreibmaschine oder ein Koch mit seiner Kochmütze. Aber das ist noch längst nicht alles – man kann das Modell auch bei der Ausübung einer Tätigkeit (ein Golfer auf dem Green), an seinem Arbeitsort (Picasso in seinem Atelier) oder vor einem seiner Werke (Gustave Eiffel vor seinem Turm) zeigen. Auch in ihrer alltäglichen Umgebung lässt sich eine Person darstellen, wie auf den Bildern von Arnold Newman, dem Erfinder des »Environmental Portrait«. Beim Lesen dieses Buches werden Sie feststellen, wie viele Perspektiven und Wege das Genre der Porträtfotografie eröffnen kann und wie sehr Porträtfotografen häufig hinter diesen Möglichkeiten zurückbleiben, denn sie begnügen sich nur allzu oft mit einer einfachen Abbildung des Gesichts.
Aus der Kunstgeschichte wissen wir, dass eine Person auf mannigfaltige Art und Weise dargestellt werden kann. Hoch zu Ross, wie auf den Reiterporträts von Louis-Auguste Brun, vor einem Regal voller astronomischer Instrumente und mit dem Zerrbild eines Totenschädels im Vordergrund, wie in Die Gesandten von Hans Holbein dem Jüngeren, aus drei unterschiedlichen Winkeln wie auf dem von Philippe de Champaigne gemalten Dreifachporträt von Kardinal Richelieu, oder sogar hinter einer Wolke aus Tabakrauch, wie auf dem von Platon aufgenommenen Bild von Sylvester Stallone.
Viele Menschen gehen automatisch davon aus, dass das Hochformat dem Porträt und das Querformat dem Landschaftsbild vorbehalten ist. Die Kunstgeschichte lehrt uns jedoch, dass bei Porträts das Format nie im Voraus festgelegt ist – nur die Intention des Künstlers zählt. Denn worin besteht der Zweck eines Porträts? Es soll die Einzigartigkeit eines Menschen zeigen, einem Helden huldigen – oder sogar eine Legende erschaffen, wie bei so manchem offiziellen Foto eines Staatsoberhaupts. Die Wirklichkeit soll nicht »fotokopiert«, sondern künstlerisch interpretiert werden. Ein Beispiel dafür ist das berühmte Bild von Che Guevara, aufgenommen von Alberto Korda. Dahinter verbirgt sich eine besondere Geschichte, denn nicht das ursprünglich aufgenommene Foto ist berühmt geworden, sondern die von dem italienischen Verleger Giangiacomo Feltrinelli retuschierte Aufnahme: Ausschnittvergrößerung, leichte Drehung (wodurch die Schultern bildwichtig werden) und erhöhter Kontrast. Durch diese kleinen Änderungen entstand das berühmte Kultfoto, das etliche Generationen von Aktivisten mit der historischen Figur des Che Guevara assoziiert haben. Ausschlaggebend ist also nicht die tatsächliche Physiognomie oder Pose, sondern die zugrunde liegende Intention des Fotografen bzw., wie in diesem Fall, des Retuscheurs.
Originalfoto von Che Guevara, aufgenommen 1960 von Alberto Korda in Havanna (Kuba), und das 1967 von dem Verleger Giangiacomo Feltrinelli retuschierte Bild. Durch diese Änderung ging das Foto in die Annalen ein.
Dreifachporträt von Kardinal Richelieu, wahrscheinlich 1642 von Philippe de Champaigne gemalt (National Gallery, London)
Beim Lesen dieses Buches begegnen wir nach und nach bestimmten Regeln für die Auswahl von Ausschnitt, Kamerawinkel und Kopfhaltung. Aufschlussreich ist an dieser Stelle das Gemälde von Kardinal Richelieu, gemalt 1642 von Philippe de Champaigne. Damals kam es nicht infrage, wegen einer Skulptur eine weite Reise zu unternehmen, und die Fotografie war noch nicht erfunden:
Das Gemälde wurde in Paris angefertigt, damit der in Rom lebende Bildhauer Francesco Mochi einen räumlichen Eindruck von der Physiognomie des berühmten Prälaten gewinnen konnte. Auch für uns ist das sehr interessant, denn wenn wir heute ein Porträt von Richelieu anfertigen würden, dann müssten auch wir entscheiden, aus welchem Winkel wir ihn zeigen wollten. Auf dem Gemälde lässt sich gut erkennen, dass Richelieus »Schokoladenseite« die rechte war (von links hat er eine Höckernase und zu stark hervorstehende Wangenknochen); wahrscheinlich würden wir heute eine ganz ähnliche Wahl treffen wie der Maler und das Gesicht im Dreiviertelprofil zeigen, mit von oben einfallendem Vorderlicht.
Zwei Porträts von Königin Marie-Antoinette aus dem gleichen Jahr (1783), aufbewahrt im Schloss Versailles: links Marie-Antoinette mit einer Rose (Élisabeth Vigée Lebrun), rechts Marie-Antoinette bei der Jagd (Louis-Auguste Brun)
Ein Porträt kann aber auch mehrere Aspekte eines Gesichts oder einer Person zeigen. Der Fotograf Paolo Bevilacqua gestaltet seine Bilder beispielsweise als Triptychon: Er fotografiert nicht nur das Gesicht, sondern auch die Hände und rückt die Person mit einem Gegenstand ins Bild.
Der Garabit-Viadukt im französischen Département Cantal sagt für viele Touristen mehr über den Erbauer Gustave Eiffel aus als jedes Porträt des Ingenieurs. Nicht ohne Grund nahm das architektonische Meisterwerk fast ebenso viel Platz auf dem 200-Franc-Schein von 1995 ein wie das Bildnis seines Erbauers. Bei der Auswahl von Ausschnitt und Format spielt fundiertes Wissen über das Modell und seine Umgebung also eine wesentliche Rolle. Wie ein guter Roman sollte sich ein Porträt flüssig »lesen« lassen; es muss eine Geschichte über die porträtierte Person erzählen.
Nach landläufiger Meinung genießen die Gesichtszüge des Modells bei Porträtaufnahmen Priorität und sollten formatfüllend oder zumindest als Schulterporträt ins Bild gerückt werden (siehe Abbildung unten). Dadurch beschneidet man jedoch die eigene Kreativität! Auf vielen Gemälden der Vergangenheit ist das Hauptmotiv nur ein Detail des Gesamtwerkes – dies gilt beispielsweise für alle Reiterporträts und für die meisten »Genrebilder«. Das Gemälde von Louis-Auguste Brun, Marie-Antoinette bei der Jagd (gegenüber) sagt viel mehr über die Königin und ihr Leben, ihre Umgebung und ihre Gewohnheiten aus als das etwa zur gleichen Zeit von Élisabeth Vigée Lebrun gemalte Porträt, obwohl das Gesicht aufgrund der geringen Größe gar nicht gut zu erkennen ist. Man kann es nicht oft genug sagen: Ein Porträt ist viel mehr als eine reine Abbildung eines Gesichts.
Wahrscheinlich gibt es bei Porträts ebenso viele Bildausschnitte und fotografische Möglichkeiten, wie es Menschen gibt. Denn die Aufgabe des Porträtfotografen besteht, wie schon gesagt, darin, die Einzigartigkeit, das »gewisse Etwas« einer Person zum Vorschein zu bringen. Dieses Buch soll Ihnen dabei helfen, schwerfällige technische Konzepte über Bord zu werfen, Ihre Beleuchtungskenntnisse zu vertiefen und die für den Erfolg einer Porträtaufnahme unverzichtbaren Werkzeuge wirkungsvoll zu nutzen.
1.
Close up (oder Nahaufnahme)
2.
Kopfbild (oder Headshot)
3.
Schulterporträt
4.
Brustbild
5.
Halbfigur
6.
Hüftbild
7.
Kniebild
8.
Ganzfigur
Gängige Ausschnitte
Bevor es losgeht
Licht und Beleuchtung meistern
Gesicht und Perspektive
Porträts bei natürlichem Licht
Porträts mit Blitz
Porträts bei Mischlicht
Grundlegende Licht-Setups für Porträts
Beleuchtung und Gesichtsform
Licht und Reflexionen
Da dieses Buch für Fotografen gedacht ist, die sich bereits mit den manuellen Einstellmöglichkeiten ihrer Kamera vertraut gemacht haben, verzichte ich auf die Beschreibung dieser Grundlagen.
Nicht alle Porträts sind gleich: Für manche braucht man weder komplexe Methoden noch ausgeklügelte Geräte, andere wiederum erfordern viel Wissen und Know-how. Das ist ähnlich wie beim Hausbau: Eine Holzhütte ist schnell zurechtgezimmert, aber wenn man ein Schloss konstruieren will, dann braucht man eine sorgfältige Planung und solide Kenntnisse … Auch ein gutes Foto will sorgfältig geplant sein.
Die Kamera sollte vor allem flexibel, d. h. leicht einzustellen (Belichtungszeit, Blende, Empfindlichkeit, Weißabgleich) und an die Situation angepasst sein. Im Studio sind jedoch SLRs (APS-C oder Vollformat) und Mittelformatkameras klar im Vorteil. Letztere sind zwar für viele Situationen zu schwer und sperrig, leisten aber bei schwachem Licht sehr gute Dienste. Im Freien wirken die modernen spiegellosen Kameras Wunder: Sie sind flexibel und intuitiv bedienbar und bieten außerdem einen großen Dynamikumfang (manche Kameras von Sony bis zu 15 EV). Aber nicht die Kamera macht das Bild: Ein Fotograf wie Patrick Demarchelier wird auch mit einer Einsteigerkamera immer noch bessere Bilder aufnehmen als ein Anfänger mit einer Phase One IQ4, die 40.000 Euro kostet. Erfahrung und Know-how fallen stärker ins Gewicht als die Ausrüstung.
Bei klassischen Porträts (Headshot und Brustbild) werden meist 85- bis 135-mm-Objektive eingesetzt. Sie ermöglichen einen Aufnahmeabstand von über zwei Metern; die resultierende Perspektive entspricht der Bildästhetik, die sich in den 1960er-Jahren entwickelt hat. Zahlreiche Künstler wie beispielsweise der Brite Antoniou Platon greifen jedoch auch auf Weitwinkel- und Nahaufnahmen zurück (zum Beispiel bei seinem Porträt von Wladimir Putin auf dem Cover von Time im Jahr 2007). Die Auswahl der Brennweite hängt von der Intention des Fotografen ab (in puncto Perspektive und Abstand), aber auf jeden Fall sind Festbrennweiten gegenüber Zooms zu bevorzugen: Sie sind in der Regel sorgfältiger gerechnet, lichtstärker (sie haben eine sehr große Anfangsblende), arbeiten präziser und kosten sogar weniger. Ohne Zoom muss man die eigene Position bei der Suche nach dem richtigen Blickwinkel natürlich verändern, aber das ist gleichzeitig der größte Vorteil dieser Objektive: Die Fotos wirken dadurch dynamischer und die Posen lebendiger.
Nach landläufiger Ansicht bilden bestimmte Optiken, wie z. B. Weitwinkelobjektive, den Körper »verzerrt« ab. Das ist jedoch ein Irrtum: Da man mit diesen Objektiven näher an das Motiv herangehen muss, ändert sich die Perspektive (siehe S. 22–25). Die Entfernung zwischen Fotograf und Modell beeinflusst daher ganz entscheidend, ob das Gesicht innerhalb des Raums riesengroß oder winzig klein abgebildet wird. Perspektive und Schärfentiefe sind außerdem für die räumliche Darstellung der Bildelemente vor und hinter dem Modell auf unterschiedlichen Ebenen verantwortlich. Brennweite und Abstand zum Modell leiten sich also von Ihrer fotografischen Intention ab – und nicht von irgendwelchen Halbwahrheiten, die in Foren und bestimmten Tutorials verbreitet werden.
Nachdem ich viele Jahre lang Fotografiekurse gegeben hatte, wurde mir bewusst, dass Fotografen, die nur mit natürlichem Licht arbeiten, häufig gar nichts über den gekonnten Umgang mit künstlichen Lichtquellen wissen; diese Beleuchtungsart ist für jene Fotografen nämlich nur eine Notlösung. Und da die Sonne ebenso wenig »einstellbar« ist wie das Wetter, nehmen sie das natürliche Licht häufig einfach so hin. In diesem Buch lernen Sie, wie Sie das Licht so führen, dass es Ihrer künstlerischen Absicht entspricht – denn Menge und Qualität des natürlichen Lichts sind durchaus vom Fotografen steuerbar. Auf mannigfaltige Weise kann man den Tag zur Nacht machen, weiche Schatten im hellen Sonnenlicht oder eine bläuliche Lichtstimmung neben einem Holzfeuer erzeugen und vieles andere mehr.
Manche Aufnahmen scheinen einfach, erfordern jedoch einen hohen technischen Aufwand; andere sind dagegen ganz leicht umzusetzen. Hier mussten bei der Belichtungsmessung verschiedene Beleuchtungsarten mit unterschiedlicher Dauer (drei Blitzgeräte, Sonne und Kunstlicht) berücksichtigt werden. Modell: Elena Shilnikova
In den meisten Fällen benötigt man zumindest etwas zusätzliches künstliches Licht, um ein perfektes Ergebnis zu erzielen. In diesem Buch benutze ich ausschließlich Blitzgeräte, weil sie eine enorme Lichtleistung haben (was eine Fülle von fotografischen Möglichkeiten eröffnet), weil die meisten dieser Blitzgeräte leicht und problemlos zu transportieren sind (auch im Freien, da viele unabhängig vom Stromnetz sind – das gilt für Aufsteckblitzgeräte und für moderne Studioblitzgeräte mit Lithium-Ionen-Akku) und weil viele Hersteller recht ordentliche Geräte zu erschwinglichen Preisen anbieten.
Mit diesem Buch will ich Ihnen das Wissen und das Know-how vermitteln, das Sie zur Umsetzung Ihres fotografischen Projekts brauchen (das Sie natürlich vor der eigentlichen Aufnahme konzipiert haben müssen). Sie sollen lernen, wie Sie Ihre Aufnahmen »steuern« können, anstatt sich mit den Gegebenheiten und Einschränkungen der Fotosession abzufinden. In Kapitel 2 werden wir sehen, dass man mit einfachen Methoden zu einem gelungenen künstlerischen Ergebnis gelangen kann. Dort geht es um die Entwicklung von Farbkonzepten und um die Auswahl von Beleuchtungsart, Ausschnitt und Stimmung je nach den objektiven Charakteristiken Ihres Modells (Hautfarbe, Haarfarbe, Look, Gesichtsform, Persönlichkeit). Diese Methoden werden seit Langem von Art Directors angewendet und auch in der Werbung und im Film eingesetzt.
Das Wort »Fotografie« setzt sich aus »Foto« (altgriechisch φωτός, photós: Licht) und »grafie« (γράφειν, graphein: schreiben, malen, zeichnen) zusammen. Die wörtliche Bedeutung ist also »Malen mit Licht«. Eine Fotografie nennt man meist kurz »Foto«, und das sagt einiges aus: Wir wiegen uns in der Sicherheit, dass wir φωτός, also das Licht, realitätsgetreu aufzeichnen, und vergessen dabei das Wesentliche, nämlich γράφειν, das Malen, also die Tätigkeit, die Kompetenz, die Kunst des Fotografen. Kurz: die Führung des Lichts.
Das Licht, das wir »sehen«, ist nur eine visuelle Wahrnehmung in unserem Gehirn, die mit den Eigenschaften unserer Augen, mit unserer Kultur und mit unserer Geschichte verknüpft ist. Wenn Sie farbenblind sind, aus dem Fernen Osten kommen oder bei schönem Wetter immer traurig werden, dann sehen Sie nicht das Gleiche wie ein Mensch, der aus der westlichen Welt stammt, keine Sehschwäche hat und gerne Urlaub in der Sonne macht. So ähnlich verhält es sich mit Ihrer Kamera: Mithilfe der Einstellungen können Sie darüber bestimmen, was die Kamera sieht. Bei Blende f/1,4, ISO 2.000 und 15 s Belichtungszeit erscheint die Wüste bei Nacht taghell, während es um die Mittagszeit am Äquator bei Blende f/22, ISO 100 und 1/200 s stockfinster wird.
Fotos bei unterschiedlichen Einstellungen für Blitzlicht oder Dauerlicht. Modell: Yolan Lemaire
Zur Einstellung der Kamera und Planung eines Licht-Setups muss man das Licht und seine sieben grundlegenden Charakteristiken zunächst verstehen: Menge, Qualität, Kontrast, Farbe, Funktion, Entfernung und Einfallswinkel.
Bei der Aufnahme eines Fotos muss man die jeweilige Lichtmenge kennen. Korrekt messen lässt sich die Lichtmenge nur mit einem Belichtungsmesser (und nicht mithilfe des Kameradisplays oder des Histogramms). Viele Einsteiger in die Digitalfotografie gehen davon aus, dass auf dem LCD-Bildschirm hinten an der Kamera ihr Foto angezeigt wird, und wählen die Einstellungen anhand dieser Anzeige. Wenn Sie sich als Fotograf verbessern wollen, müssen Sie anders an die Sache herangehen und einen Belichtungsmesser zur Hand nehmen.
Denn nicht Ihr Foto erscheint auf dem Kameramonitor, sondern ein komprimiertes Bild, eine Miniaturansicht im JPEG-Format mit viel weniger Farben und Tonwerten als die ursprüngliche Raw-Datei: 256 Farbwerte pro Kanal beim JPEG-Bild gegenüber 16.384 bei einer Raw-Datei mit 14 Bit. Diese Anzeige ist das Ergebnis einer vom Hersteller vorgegebenen automatischen Konvertierung der Raw-Datei und Ihrer eigenen Monitoreinstellungen. Sie ist wenig zuverlässig oder sogar irreführend, insbesondere in den Lichtern und sehr hellen Lichtern: Beispielsweise zeigt die »Überbelichtungswarnung« vielleicht »überbelichtete« Bereiche an, obwohl es sich um detailreiche Stellen mit den meisten Helligkeitsinformationen handelt (50 % des gesamten Dynamikumfangs). Später werden wir noch sehen, wie wichtig dieser Aspekt des Dynamikumfangs von digitalen Sensoren für die Umsetzung eines gelungenen Fotos ist. Auch das Histogramm auf dem Kameradisplay ist nur beschränkt einsetzbar, denn es liefert statistische Daten zum JPEG-Bild, sagt aber nichts über den Belichtungsumfang der Raw-Datei aus.
Resultate der integrierten Kamera-Belichtungsmessung
Präzise Belichtungsinformationen erhält man also nur vom Belichtungsmesser (Dauerlicht) bzw. Blitzbelichtungsmesser (Blitzlicht).
Man muss zwischen Objektmessung (gemessen wird das in Richtung Kamera reflektierte Licht) und Lichtmessung (gemessen wird das auf das Motiv treffende Licht) unterscheiden. Die Objektmessung ist problematisch (s. Abbildung gegenüber), denn sie hängt vom Reflexionsvermögen des beleuchteten Motivs ab. Einfach gesagt, reflektiert ein Gesicht mit dunkler Hautfarbe weniger Licht als ein helles Gesicht: Bei gleicher Beleuchtung würde die Messung also unterschiedlich ausfallen. Wenn man sich auf die Objektmessung verließe, würde man das eine Gesicht über- und das andere unterbelichten – beides wäre falsch. Die einzige brauchbare Information ist die tatsächliche Lichtmenge, die auf das Motiv trifft. Dieses einfallende Licht muss also gemessen werden.
Mit dem Belichtungsmesser der Kamera ist nur eine Objektmessung möglich. Er sollte nur dann zum Einsatz kommen, wenn keine andere Lösung übrig bleibt, beispielsweise bei weit entfernten (Himmel, Berge usw.) oder »unerreichbaren« Motiven (Prominente auf dem roten Teppich). Für alle anderen Fälle gibt es den Handbelichtungsmesser (s. Foto auf der folgenden Seite), dessen Diffusorkalotte so nahe wie möglich an der zu messenden Fläche in Richtung der Lichtquelle gehalten wird.
Messmethoden
Im Gegensatz zum eingebauten Belichtungsmesser der Kamera kann man mit einem externen Handbelichtungsmesser auch eine Lichtmessung durchführen. Der Handbelichtungsmesser besteht aus einer Fotodiode und einer manuellen Rechenscheibe (ältere Modelle) oder einer elektronischen Anzeige (alle modernen Geräte) und berechnet die richtige Belichtung in Abhängigkeit von Beleuchtung, Belichtungszeit, Blende und Empfindlichkeit des Sensors (oder Films). In dieser Rechenleistung liegt der Unterschied zu einem Luxmeter.
Für viele Fotografen ist der Umgang mit einem Handbelichtungsmesser zunächst eine Herausforderung. Hat man seine Funktionsweise aber verstanden, wird man nicht mehr auf dieses Gerät verzichten wollen. Die Arbeitsschritte sind einfach.
1.
Schalten Sie das Gerät ein (drücken Sie »Power« oder »On«, je nach Marke und Modell).
2.
Wählen Sie die die Dauerlichtmessung (Sonnensymbol) oder die Blitzlichtmessung (Blitzsymbol) aus.
3.
Geben Sie eine Belichtungszeit vor.
4.
Geben Sie eine Empfindlichkeit vor.
5.
Wählen Sie Objektmessung oder Lichtmessung (bei teureren Blitzbelichtungsmessern im Menü, bei Einsteigermodellen durch Verschieben der Kalotte).
6.
Halten Sie das Gerät nah an den am hellsten ausgeleuchteten Bereich des Motivs und richten Sie die Kalotte auf die Lichtquelle.
7.
Drücken Sie die Messtaste: Ein Messwert wird in Form von 1/10-Blendenstufen angezeigt (»11 + 0« auf der Abbildung unten).
Anfänger finden die Interpretation des Ergebnisses manchmal schwierig. Keine Panik – man muss nur die Blendenreihe im Kopf behalten: 1 - 1,4 - 2 - 2,8 - 4 - 5,6 - 8 - 11 - 16 - 22 - 32, und dann auf die Abbildung auf der folgenden Seite schauen. Wenn der Belichtungsmesser also z. B. »11+3« angibt, dann bedeutet das »f/11 + 1/3«, d. h. f/13, also einen Wert in Drittelblendenstufen.
1.
Kalotte
2.
Sucherokular
3.
Modus Dauerlichtmessung/Blitzlichtmessung
4.
Belichtungszeit
5.
Empfindlichkeit
6.
Messtaste
7.
Gemessener Wert (hier 11 + 0)
8.
Modus Objektmessung/Lichtmessung
Die Anzeigen können je nach Modell unterschiedlich sein (beim Sekonic 308 wird der Modus »Lichtmessung«/»Objektmessung« durch Verschieben der Messkugelhalterung gewählt). © Foto Sekonic
Grundeinstellungen beim Handbelichtungsmesser
Allerdings ist der angezeigte Wert häufig kein Vielfaches von 3 (also keine Drittelblende). Aber auch das bekommt man problemlos in den Griff. Wir werden auf den nächsten Seiten sehen, wie man dieses Ergebnis interpretiert.
Bei Dauerlicht hängt die Belichtungszeit von der Art der fotografierten Szene und von der gewünschten Wiedergabe ab. Wenn Sie die Bewegung eines 10 m entfernten Radfahrers bei 40 km/h mit einer effektiven Brennweite von 35 mm einfrieren möchten, darf die Belichtungszeit höchstens 1/640 s betragen. Diesen Wert immer wieder selbst zu berechnen, ist allerdings kompliziert und anstrengend. Um Zeit zu sparen, können Sie sich eine der vielen Smartphone-Apps herunterladen (beispielsweise Photographer’s companion für Android bei Google Play oder Photographer’s friend im Apple Store).
Wenn Sie das Motiv nicht einfrieren wollen, aber Verwacklungsunschärfen vermeiden möchten, sollte die Belichtungszeit kürzer sein als der Kehrwert der verwendeten Brennweite, multipliziert mit dem Cropfaktor, falls Sie keine Vollformatkamera benutzen. Beispielsweise darf Ihre Belichtungszeit bei einer Brennweite von 50 mm nicht länger als 1/50 s und bei 100 mm nicht länger als 1/100 s sein.
Die Empfindlichkeit sollte nach Möglichkeit in etwa der nativen Empfindlichkeit des Sensors entsprechen (meist ISO 100 – der Wert wird in der Kamerabedienungsanleitung genannt). Sobald Belichtungszeit und Empfindlichkeit eingestellt sind, hält man den Handbelichtungsmesser an die am stärksten beleuchtete Stelle des Motivs (mit der Kalotte in Richtung Lichtquelle) und drückt zur Ermittlung des Blendenwerts die Messtaste.
Bei Blitzlicht kommen bei der Voreinstellung des Blitzbelichtungsmessers drei Szenarien infrage:
1.
In einem Innenraum ohne Umgebungslicht oder an einem anderen dunklen Ort können Sie alle Belichtungszeiten auswählen, die länger sind als die Blitzsynchronzeit Ihrer Kamera. (Dieser Wert steht in der Kamerabedienungsanleitung, bei SLRs meist 1/200 s.) Da ein Blitz nur sehr kurz aufleuchtet (etwa 1/1000 s), spielt die Dauer der Belichtung keine Rolle. In dieser Situation wählt man immer die native Empfindlichkeit der Kamera – die Lichtmenge reicht bei geblitzten Aufnahmen meist aus, sodass höhere ISO-Zahlen nicht benötigt werden.
Der Handbelichtungsmesser gibt die Werte in EV (Exposure Value; Lichtwert) und in 1/10 EV an. Den exakten Messwert kann man ganz leicht anhand der Skala oben ermitteln (hier 4 + 4/10 links, also 1/10 mehr als f/4,5, bzw. 8 + 6/10 rechts, also f/10). Hinweis: Denken Sie daran, an Ihrer Kamera 1/10-Blendenstufen einzustellen (standardmäßig eingestellt sind häufig 1/3- oder 1/2-Blendenstufen).
Die Anzeige des Handbelichtungsmessers verstehen
Die zum Einfrieren der Bewegung notwendige Belichtungszeit hängt von der Geschwindigkeit des Motivs, von der Entfernung und von der Brennweite ab. Die Werte oben wurden auf der Grundlage einer Brennweite von 50 mm und einer Entfernung von 10 m zwischen Motiv und Objektiv berechnet.
Ungefähre Belichtungszeiten für eine scharfe Abbildung bei Dauerlicht
2.
Wenn Sie Blitz- mit Umgebungslicht kombinieren (Mischlicht), können Sie das Umgebungslicht entweder unterdrücken (a) oder einfließen lassen (b).
a.
Belichten Sie das mit dem Handbelichtungsmesser ermittelte Ergebnis um mindestens 3 EV schwächer. Würde die Messung des Dauerlichts z. B. 1/125 s, ISO 100, f/4 ergeben, wäre das Umgebungslicht bei 1/125 s, ISO 100, f/11 verschwunden (oder bei 1/200 s, ISO 100, f/9, wenn Sie die Blende nicht zu weit schließen wollen). Passen Sie anschließend die Blitzstärke an das Ergebnis an.
b.
Damit sich das Umgebungslicht bemerkbar macht oder eine Bewegung eingefroren werden kann, wenden Sie die für den Umgang mit dem Handbelichtungsmesser beschriebene Methode an und passen die Blitzstärke entsprechend an (abhängig vom gewünschten Effekt).
EXPOSURE VALUE (EV), BLENDEN UND BLENDENSTUFEN
In diesem Buch wird die Lichtmenge in »EV« (Exposure Value, Lichtwert) ausgedrückt. Wie Blende oder Blendenstufe beschreibt auch der EV-Wert die Änderung der Belichtung nach oben oder unten (+1 EV bedeutet eine Verdoppelung, -1 EV eine Halbierung). Der EV hat den Vorteil, dass damit sowohl die auf den Sensor treffende Lichtmenge als auch die Kameraeinstellungen bezeichnet werden können (Belichtungszeit, Empfindlichkeit und Blende). Man erhöht den Lichtausstoß eines Blitzgeräts um +1 EV, indem man bei herkömmlichen Geräten beispielsweise von 1/2 auf 1/1 Leistung umschaltet. Auch durch die Änderung von 1/200 s auf 1/100 s oder von f/5,6 auf f/4 oder von ISO 100 auf ISO 200 erhöht man die einfallende Lichtmenge um +1 EV.
Ermittlung des hellsten Bereichs
Bei Mischlicht entscheiden Sie, wie das Verhältnis zwischen den beiden Beleuchtungsarten ausfällt. Die Kameraeinstellung leitet sich von der höheren der beiden Messungen ab. Auch der prozentuale Anteil von Blitzlicht und Dauerlicht (Sekonic L-478D und höher) kann zur Einstellung herangezogen werden (zur Vermeidung von Unschärfen muss aber ein Blitzlichtanteil von mindestens 60 % beibehalten werden).
Um die tatsächliche Lichtmenge genau zu bestimmen, muss man den Bereich mit der maximalen Helligkeit ermitteln. Ich bezeichne diesen Bereich als »maximal hell«, um ihn von Glanzpunkten oder Lichtreflexen zu unterscheiden; diese entstehen durch Glanz auf der Haut (verursacht von direkten Reflexionen einer Lichtquelle auf fettiger oder feuchter Haut, was nichts mit der Lichtmenge zu tun hat). Maximal hell ist immer der Bereich, der der Lichtquelle am nächsten liegt. Im Zweifel misst man mehrere Stellen an und nimmt den höchsten Wert als Messpunkt (f/16 auf dem Schaubild links); die anderen Messungen sagen etwas über die Richtung und das Verhalten des Lichts aus. (In unserem Beispiel ist es um 0,1 EV stärker auf der Wange als oben auf dem Kopf.)
Bei Messgeräten mit herausziehbarer Kalotte (bei Sekonic alle Modelle ab dem L-478D) beeinflusst die Position dieses Diffusors die Messgenauigkeit. Ist sie herausgezogen, wird das aus allen Winkeln einfallende Licht gemessen, in geschlossenem Zustand nur das direkt auf die Sensorzelle treffende Licht (etwa 15°). Die Diffusorkalotte wird also ein- oder ausgefahren, je nachdem, was man messen möchte: die Lichtquelle und ihre Umgebung (insbesondere Reflexionen, aber auch das Umgebungslicht) oder eine bestimmte Lichtquelle. Alle anderen Fälle sind im Schaubild unten beschrieben.
Manche Blitzbelichtungsmesser (bei Sekonic die Modelle ab dem L-478D) sind mit einer Delta-Taste (ΔEV) zur Messung der Helligkeitsniveaus mehrerer Bereiche mit einer Genauigkeit von 0,1 EV ausgestattet. Die Kontrastmessung ist äußerst hilfreich bei der Bestimmung der Beleuchtungsunterschiede und ermöglicht eine sehr feine Unterscheidung zwischen dunklen und helleren Bildpartien. Von dieser Messung hängt der Erfolg eines Licht-Setups ab. Sie gibt uns Aufschluss über die optimale Position, die optimale Entfernung und die optimale Einfallsrichtung des Lichts im Verhältnis zum Modell.
Der richtige Einsatz der Kalotte
1.
Eine Kontrastmessung wird immer mit herausgezogener Kalotte in Richtung Kamera durchgeführt. (Der Kontrast ändert sich je nach Blickwinkel; eine andere Richtung hätte keine Aussagekraft.)
2.
Wählen Sie die ISO-Empfindlichkeit und Belichtungszeit, die den Einstellungen Ihrer Kamera entsprechen.
3.
Führen Sie mit herausgezogener Kalotte in Richtung Kamera eine Referenzmessung des maximal hellen Bereichs durch und lösen Sie dabei den Blitz aus. Drücken Sie die Taste ΔEV: Die Messung wird vom Blitzbelichtungsmesser gespeichert und bildet die Berechnungsgrundlage für alle späteren Messungen.
4.
Verändern Sie die Position des Blitzbelichtungsmessers und drücken Sie in jedem Bereich, den Sie prüfen möchten, auf die Messtaste: Die Werte werden z. B. als »+0,1« oder »-0,2« angezeigt.
5.
Nach den Kontrastmessungen löschen Sie den Referenzwert mit der Taste M.CLEAR.
Ziel dieses Verfahrens ist nicht unbedingt die Ermittlung eines Einzelwerts, sondern eine Art Helligkeitsvergleich der Ausleuchtung. Falls Ihr Blitzbelichtungsmesser nicht über die ΔEV-Funktion verfügt, können Sie jede Zone einzeln ausmessen (wie oben erwähnt).
Kontrastmessung
Der Dynamikumfang einer Digitalkamera schwankt je nach den Lichtverhältnissen. Die Belichtung nach rechts (»Expose to the Right«, ETTR) ist der einzige Weg zu einem verlustfreien Foto mit einem guten Signal-Rausch-Verhältnis. Der Dynamikumfang von digitalen Sensoren ist nämlich in den sehr hellen Lichtern außerordentlich groß und in den sehr dunklen Schatten extrem klein: 50 % der Tonwerte findet man im hellen Teil des Histogramms (8.192 für jeden der drei RGB-Kanäle bei einer Raw-Datei mit 14 Bit), aber nur 3 % (512 Helligkeitswerte pro Kanal) in den Tiefen.
Durch die Belichtung nach rechts (natürlich ohne ein »Ausfressen« der Lichter zu riskieren) erhält man eine Datei mit Farbkanälen mit einer sehr guten Differenzierung zwischen Rauschen und Signal, was bei der Entwicklung des Fotos besonders vorteilhaft ist. Der Tonwertreichtum ist größer und das Foto ist nicht verrauscht und leicht zu bearbeiten.
Besonders bei Porträts ist dieser Ansatz Gold wert. Schätzungsweise braucht man z. B. etwa 20.000 Farbwerte, um die menschliche Haut richtig darzustellen. Mit einer Belichtung, die dem Messwert des Belichtungsmessers entspricht, verringert man den Dynamikumfang ohne ETTR um etwa 50 % (weil die sehr hellen Lichter dabei fast alle verloren gehen). Eine Raw-Datei mit 14 Bit Farbtiefe würde bei dieser Belichtung nur bestenfalls 8.000 Farbwerte enthalten, aber gleichzeitig auch Informationen aus den sehr dunklen Tiefen, wo das Rauschen besonders ausgeprägt ist.
Dynamikumfang von Digitalkameras
Links: das in Lightroom angezeigte Originalfoto, belichtet mit +1,33 EV, bei Standardentwicklung. Rechts: mit linearer Kurve entwickeltes Foto. Es gehen keine Informationen verloren. Modell: Carla Maurel
Überzeugen Sie sich selbst, wie wichtig diese Optimierung der Belichtung ist. Machen Sie drei Fotos: ein Bild mit dem vom Messgerät angegebenen Wert, ein zweites um 1 EV schwächer und das dritte um +1,33 EV stärker belichtet. Öffnen Sie die Fotos in Ihrem Konvertierungsprogramm (Lightroom, Capture One, Camera Raw usw.) und schauen Sie sich die Zeichnung in den Tiefen und Lichtern an, indem Sie die Belichtung verändern: Bei der um +1,33 EV stärkeren Belichtung sind weder die Tiefen verrauscht noch die Lichter »ausgefressen«. Das gilt für alle digitalen Sensoren, auch für die allerneusten und leistungsfähigsten. Bei manchen kann man sogar um +2 EV nach rechts belichten (Sensoren von Sony, Phase One, Hasselblad, Leica usw.).
Bei einer Standardentwicklung scheinen die Raw-Dateien überbelichtet und ohne Zeichnung (wie auf dem ersten Foto oben); bei Verwendung eines Profils mit linearer Gradationskurve gibt es weder ausgefressene Lichter noch Tonwertbeschneidungen. Die Erstellung eines solchen Profils für Ihre Software (angepasst an Ihre Kamera) ist also unverzichtbar. In zahlreichen Tutorials, in denen der DNG Profile Editor von Adobe genutzt wird, wird die Vorgehensweise erklärt.
(Bei allen vier Beispielen sieht man links das Ergebnis der Standardentwicklung und rechts des linearen Profils.)
Belichtungsvariationen
Bei manchen Programmen, z. B. Capture One, sind die linearen Profile der Phase One-Kameras bereits integriert.
Wir gehen rechnerisch davon aus, dass das vom Sensor empfangene Lichtsignal bestmöglich genutzt wird, wenn die Belichtung während der Aufnahme um +1,33 EV erhöht wird.
WENN ES BLINKT
Bei einer Belichtung nach rechts und aktivierter Überbelichtungswarnung kann die Abbildung anfangen zu blinken, sodass der Eindruck entsteht, die Aufnahme sei überbelichtet (Beschneidung der Lichter). Aber das ist nicht der Fall. Die Produkte der Kamerahersteller sind für jedermann gedacht – die Überbelichtungswarnung ist eine Funktion für Anfänger. Man kann ganz leicht überprüfen, ob die Lichter wirklich beschnitten sind, wenn man die gleiche »Warnung« in Lightroom aktiviert. Der Grenzwert der kamerainternen Analysesoftware liegt zwischen 85 und 90 % des Dynamikumfangs; es bleibt also noch Spielraum, bevor tatsächlich Informationen in den Lichtern verloren gehen.
Mit einem Experiment lässt sich das nachprüfen. Zur Vorbereitung muss man unbedingt eine Lichtmessung des maximal hellen Bereichs durchführen. Nun stellen wir uns vor, wir fotografierten ein weißes Blatt Fotopapier: In diesem Fall würde der Belichtungsmesser beispielsweise Blende f/5,6 ermitteln. Nach der Entwicklung sieht das weiße Blatt hellgrau aus – der Belichtungsmesser ist auf 18 % Grau geeicht, sodass die Szene, also das weiße Blatt, dunkler wiedergegeben wird. Erhöht man die Belichtung aber um 1,33 EV, sieht das Blatt wieder reinweiß aus. Bei +1,66 EV erkennt man bereits eine leichte Überbelichtung.
Ebenso erhält man bei sehr dunklen Tiefen, die ohne diese Optimierung »absaufen« würden, bei +1,33 EV eine gute Differenzierung zwischen Signal und Rauschen. Das vereinfacht die Entwicklung.
Berechnen lässt sich die Belichtung mithilfe der Tabelle auf der folgenden Seite. Ein Beispiel: Sie haben bei (vorhandenem) natürlichem Licht an der Stelle mit der maximalen Helligkeit f/16 ermittelt – Sie müssen die Kamera jetzt nur noch auf f/10 einstellen. Wenn Sie dagegen bei Studiobeleuchtung f/5,6 wählen möchten, stellen Sie Ihren Blitz auf eine eingemessene Leistung von f/9 ein (auf dem Blitzbelichtungsmesser als »83« angezeigt).
Manchmal soll der Hintergrund absolut weiß sein: Bei Fotos für Lookbooks liegt der Messwert des Hintergrunds beispielsweise bei +3,33 EV, und auch bei Fotos mit bewölktem Himmel finde ich es manchmal angenehmer, wenn einige kleine Partien absolut weiß erscheinen (so werden auch graue Wolkenränder vermieden). Also hängen die Einstellungen von der Intention des Fotografen ab. Die am stärksten belichtete Bildpartie belichte ich nie mit weniger als +1,33 EV, aber manchmal gehe ich auch noch höher.
Bestimmte Fragen zur Berechnung der optimalen Belichtung tauchen immer wieder auf. Einige davon sollen an dieser Stelle kurz beantwortet werden.
Warum kann die Belichtung nicht später in der Entwicklungssoftware optimiert werden? Wenn nicht gleich bei der Aufnahme nach rechts belichtet wird, werden die für die spätere Entwicklung notwendigen Informationen nicht aufgezeichnet. Bei der Entwicklung kämen diese Datenlücken noch stärker zum Vorschein und würden zu einer schlechten Bildqualität führen (reduzierte Farbpalette, digitales Rauschen, Posterisierung usw.).
Warum integrieren die Hersteller keine automatische ETTR-Funktion in ihre Kameras? Korrekt berechnen lässt sich diese Belichtungsoptimierung nur mithilfe einer Lichtmessung (mit einem externen Belichtungsmesser); mit der Kamera ist eine solche Messung nicht möglich. Eine solche Funktion wäre also sinnlos. Die Belichtung lässt sich zwar korrigieren, beruht aber immer nur auf einer Objektmessung.
Auf einer Linie: von einem Feld zum nächsten 0,3 EV; von einem roten Feld zum nächsten 1 EV. In einer Spalte: von einem Feld zum nächsten ETTR um 1,3 EV.
ETTR einfach berechnen
Dank der Erhöhung um +1,33 EV hat dieses Foto einen großen Tonwertumfang in den dunklen Bereichen; die Belichtung wurde bei der Entwicklung verringert. Modell: Léa Isis
Muss man die Messungen immer optimieren? Unabhängig vom Motiv und von der Situation bleibt der Dynamikumfang eines digitalen Sensors immer gleich. Die Berechnung und entsprechende Einstellung sollte man also immer durchführen.
Die Fotos sehen auf meinem Display ausgewaschen und überbelichtet aus. Ist das Foto misslungen? Nein. Ein Kameramonitor gibt eine komprimierte Abbildung mit erhöhtem Kontrast, beschnittenen Lichtern und stark gesättigten Farben wieder. Er sagt aber nur wenig über die tatsächliche Raw-Datei aus. Als Hilfsmittel zur Festlegung der Einstellungen kann nur ein Handbelichtungsmesser/Blitzbelichtungsmesser dienen.
Um gelungene Porträts aufzunehmen, sollte man die Lichtqualität (hartes oder weiches Licht) kennen und gezielt kreativ nutzen können. Es folgt ein kurzer Überblick.
Intuitiv wissen wir, wann das Licht hart und wann es weich ist. Wir alle kennen Sonnenlicht um die Mittagszeit im Juli (hart) und Tageslicht an einem nebligen Tag in den Bergen (weich). Um das Licht zu führen, reichen diese Kenntnisse aber noch nicht aus.
Beispielsweise muss man zwischen Schatten, Halbschatten und hell ausgeleuchteten Bereichen unterscheiden. Wie unten dargestellt, liegt derjenige Bereich im Schatten, der aufgrund eines undurchsichtigen Hindernisses vor der Lichtquelle nur indirekt beleuchtet wird. Wenn nur ein Teil der Lichtstrahlen blockiert ist, befindet sich die betreffende Partie im Halbschatten; nur auf den hellen Bereich treffen die Lichtstrahlen ungehindert auf. Je enger das Lichtbündel ist, desto kleiner ist der Bereich im Halbschatten und desto abrupter der Übergang zwischen Hell und Dunkel.
Schatten und Halbschatten
DIE LICHTQUALITÄT
Vier Faktoren bestimmen die Lichtqualität. Sie müssen unbedingt immer berücksichtigt werden.
Scheinbare Größe der Lichtquelle: Je größer die Lichtquelle ist, desto weicher ist das Licht; je kleiner die Lichtquelle ist, desto härter ist das Licht.
Entfernung: Je geringer die Entfernung ist, desto weicher ist das Licht; je größer der Abstand ist, desto härter ist es (da die scheinbare Größe der Lichtquelle mit zunehmender Entfernung abnimmt).
Reflexion: Das von einer Fläche (z. B. von einer weißen Wand) reflektierte Licht ist weniger stark gebündelt und dadurch weicher.
Streuung: