Portugiesische Nelken - Martin Tretbar-Endres - E-Book

Portugiesische Nelken E-Book

Martin Tretbar-Endres

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Beschreibung

Der umtriebige Immobilienmakler und Projektentwickler Afonso Rodrigues ist tot. Fundort der Leiche: Ein Wassergraben neben dem Eingangstor der Salzgewinnungsfirma Tavisal. Rodrigues sollte das Gelände im Auftrag des Lissabonner Tourismuskonzerns O Turismo S/A kaufen. Auf dem Gelände will das Unternehmen eine große Ferienanlage errichten: Mitten im Naturschutzgebiet der Ria Formosa an der Ostalgarve. Da ist es kein Wunder, dass Rodrigues eine Menge Feinde hatte. Auch sein Privatleben trug dazu bei. Eigentlich bedauert niemand seinen Tod - nicht einmal die Witwe. Kommissar Paulo Carvalho von der Polícia Judiciária in Tavira und seine Mitarbeiter Ricardo Alves und die junge Isabel Gomes haben schnell eine Reihe von Tatverdächtigen im Visier. Aber so richtig kommen sie nicht voran. Und dann taucht noch eine neue Spur auf, die mehrere Jahrzehnte zurückführt. In die Zeit, als Portugal eine Diktatur und die Folter politisch Andersdenkender an der Tagesordnung waren.

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Martin Tretbar-Endres wurde am 10. Juni 1959 in Kiel geboren. Die Idee zu den "Portugiesischen Nelken" trieb ihn schon lange um. Aber erst nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben beim Land Schleswig-Holstein konnte er sie umsetzen. Seit 2023 lebt Martin Tretbar-Endres in Bernau bei Berlin und in Santa Luzia/Tavira an der Ostalgarve. Portugal ist für ihn zur zweiten Heimat geworden. Er beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der jüngeren Geschichte des kleinen Landes im äußersten Südwesten Europas.

Inhaltsverzeichnis

31. März 1974

Kapitel 1

3. März 2019

Kapitel 2

4. März 2019 - Vormittags

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

12. April 1974

Kapitel 7

4. März 2019 - Nachmittags

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

25. April 1974

Kapitel 11

5. März 2019

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

1. Mai 1974

Kapitel 17

6. März 2019 – Nachts und Vormittags

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

11. März 1975

Kapitel 22

6. März 2019 – Nachmittags und Abends

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

12. November 1975

Kapitel 27

7. März 2019 - Vormittags

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

21. Mai 1988

Kapitel 32

7. März 2019 - Nachmittags

Kapitel 33

Kapitel 34

27. Februar 2019

Kapitel 35

8. März 2019

Kapitel 36

13. März 2019

Kapitel 37

14. März 2019

Kapitel 38

15. März 2019

Kapitel 39

Kapitel 40

25. April 2019

Kapitel 41

Zu guter Letzt - Danksagung

31. März 1974

Grândola, vila morena

Terra da fraternidade

O povo e quem mais ordena

Grândola, braungebrannte Stadt

Ort der Brüderlichkeit

Es ist das Volk, das bestimmt

1

„Hier geht morgen früh um halb sieben die Bombe hoch. Damit blockieren wir die Auffahrt zur Brücke und niemand kommt mehr nach Lissabon rein.“

Bruno zeigte mit seinem Stift auf den Plan der Salazar-Brücke, der auf dem alten Küchentisch vor den drei Männern lag. Die Salazar-Brücke war die einzige Brücke, die in Lissabon über den Tejo führte. Sie ähnelte der Golden Gate Bridge in San Francisco. Seit der Einweihung vor acht Jahren trug sie den Namen des portugiesischen Diktators. Der hatte zwar 1968 einen Schlaganfall erlitten und war von Marcelo Caetano abgelöst worden. Die Brücke behielt aber ihren Namen. Auch an der Not der Bevölkerung in Portugal, der ständigen Angst vor Verhaftungen, den Gewalttaten der Geheimpolizei bis hin zum Mord und dem blutigen Kampf in den Kolonien änderte sich nichts.

Um besser sehen zu können, beugten sich Mario und Fernandez über den Tisch in Brunos kleiner Zweizimmerwohnung. Er wohnte schon seit langem in der Alfama, einem der ältesten Lissabonner Viertel.

„Bei diesem Funzellicht ist ja kaum etwas zu erkennen“, maulte Mario.

„Das Licht muss reichen. Sonst merkt noch einer von meinen Nachbarn, dass wir uns mitten in der Nacht hier treffen. Es gibt genug Spitzel und Verräter, die für die Diktatur arbeiten. Wir müssen sehr vorsichtig sein. Man weiß nie, wem man vertrauen kann. Glaubt mir: Ich spreche aus Erfahrung.“

Mario und Fernandez nickten. Bruno war mit seinen zweiundfünfzig Jahren nicht nur sehr viel älter als sie. Er kämpfte auch schon seit vielen Jahren gegen die Diktatur. Bis vor zwei Jahren war er Mitglied einer maoistischen Gruppierung gewesen, hatte diese aber nach heftigen Auseinandersetzungen über den richtigen Weg verlassen. Bruno gefiel deren Totalitarismus nicht. Er kämpfte für ein demokratisches Portugal.

„Ist ja schon gut“, lenkte Mario mit gedämpfter Stimme ein und zeigte auf die Karte: “Wenn hier die Bombe ist, von wo zünde ich sie?“

„Und was ist, wenn gerade ein Auto vorbeifährt, wenn Mario die Bombe zündet? Wir wollen doch niemanden umbringen.“

Fernandez hatte lange gezögert mitzumachen. Er befürchtete, dass Menschen zu Schaden kommen könnten. Das wollte er auf keinen Fall. Er war der einzige von den dreien, der eine Familie hatte. Am Ende steckte ihn die Begeisterung und der Tatendrang von Mario und Bruno aber doch an.

„Sei doch nicht so hasenfüßig, Kleiner“, entfuhr es Mario, der mit seinen achtundzwanzig Jahren gerade mal ein Jahr älter war als Fernandez. „Da ist frühmorgens doch noch gar nicht viel los. Und ich werde die Bombe erst dann zünden, wenn kein Auto in der Nähe ist. Das hatten wir doch so besprochen.“

Bruno setzte nach: „Fernandez, wenn du Bedenken hast, blasen wir alles ab. Wir müssen uns hundertprozentig aufeinander verlassen können. Du weißt, dass wir keine Toten wollen. Aber wir müssen ein Zeichen gegen das faschistische Regime setzen. Überall in Portugal nehmen doch die Proteste zu. Seit 1932 hat dieser Salazar unser Land regiert und die Reichen nur noch reicher gemacht. Und sein Nachfolger, dieser Caetano, ist genauso ein Verbrecher. Seit fast sechs Jahren hätte er die Kolonialkriege beenden können. Und was hat er gemacht? Nichts! Der denkt doch gar nicht daran, die Kolonien zu verlassen. 150.000 Portugiesen kämpfen in Mosambik, in Angola, in Guinea gegen die Freiheitsbewegungen und lassen dort ihr Leben. Ihr wart doch selber dort. Und wie sieht es bei uns in Portugal aus? Wir sind das Armenhaus Europas. Millionen von Escudos fließen in den Krieg und den Unterdrückungsapparat. Dafür sterben bei uns so viele Kinder wie nirgendwo sonst in Europa. Unsere Wirtschaft liegt am Boden. Fernandez, du hast doch selbst zwei kleine Kinder. Willst du nicht, dass die eine bessere Zukunft haben, in eine ordentliche Schule gehen und etwas lernen können?“

Mario fiel ihm ins Wort: „Und denk doch an unsere gemeinsame Zeit in Mosambik. Zwei Jahre dreckiger Krieg und jede Menge Tote auf unserer Seite und bei den Kämpfern der Befreiungsbewegung Frelimo. Hast du unseren Schwur vergessen, dass das ein Ende haben muss? Sogar General Spínola hat doch gesagt, dass Portugal den Krieg in Afrika militärisch nicht gewinnen kann. Und der ist schließlich nicht irgendein linker Spinner, sondern stellvertretender Generalstabschef der portugiesischen Streitkräfte.“

„Ja, ja. Ich habe das Buch von António de Spínola auch gelesen. Und ich kenne auch die „Movimento das Forças Armadas“, die Bewegung der Streitkräfte. Junge Offiziere, die die Kolonialkriege beenden wollen. Ich will genauso wie ihr, dass das Sterben und die Unterdrückung aufhören. Und meine Kinder sollen es einmal besser haben als ihr Vater, der es nur dazu gebracht hat, die Eléctrico zu fahren.“

“Straßenbahnfahrer ist doch ein ehrbarer Beruf“, entgegnete Mario schon versöhnlicher. „Besser als Hafenarbeiter.“

„Okay. Lasst uns weitermachen.“ Bruno deutete auf die Karte. „Hier sind die Versorgungswege, da können wir nach der Bombenexplosion …“

Mario und Fernandez erstarrten. Das Licht der nackten Glühbirne über dem Tisch fing an zu flackern. Kurzzeitig erlosch es ganz und es war dunkel. Nach einigen Sekunden flammte die Birne wieder auf. Die beiden sahen Bruno fragend an.

„Keine Sorge. Das ist hier normal. Die Stromleitungen in der Alfama sind uralt und werden nicht erneuert. Auch dafür fehlt das Geld. Aber immerhin ist der Mond auf unserer Seite.“ Bruno zeigte auf das kleine Dachfenster. Der Mond war hinter den Wolken hervorgekommen und warf sein Licht durch das Fenster. „Also über diese Versorgungswege hauen wir ab. Die kennt kaum jemand, aber ich nutze die täglich bei meiner Brückeninspektion. Und dann setzen wir uns in Richtung der Christusstatue in Almada ab. Mario, bist du sicher, dass die Bombe funktioniert?“

„Claro!“, antwortete der Mann, dessen Händen man ansehen konnte, dass er im Lissabonner Hafen Schiffe entlud. „Wenn ich etwas in den vier Jahren bei der Armee gelernt habe, dann ist das Bomben zu bauen. Ich kann sie auch….Fernandez, was hast du?“ Mario sah in das entsetzte Gesicht des Straßenbahnfahrers.

“Seid mal still“, flüsterte der. „Hört ihr das?“

Bruno und Mario lauschten und erstarrten.

„Scheiße“, entfuhr es ihnen nahezu gleichzeitig. Jetzt hörten auch sie die Schritte unten im Treppenhaus. Kein Zweifel. Es mussten mehrere Personen sein, die die alte Holztreppe hinauf stürmten. Die Schritte hatten schon den ersten Stock erreicht. Das Donnern der schweren Stiefel musste jeden Bewohner in der Umgebung aus dem Schlaf reißen.

Bruno reagierte als Erster: „Macht das Licht aus! Packt die Karte ein und dann schnell: Hier durchs Fenster aufs Dach und dann verschwinden wir. Das ist unsere einzige Chance!“

Mario und Fernandez nickten voller Angst und stürzten zum Fenster. Bruno nahm die Karte der Salazar-Brücke und wollte das Licht ausmachen. Zu spät. Die Eingangstür splitterte. Fünf uniformierte schwerbewaffnete Männer stürmten in die Wohnung. Sie hatten ihre Waffen gezückt. Sie warfen den Küchentisch um. Die halbvollen Gläser fielen herunter und zerbrachen auf dem Boden. Die Männer der gefürchteten Geheimpolizei stießen die drei Freunde brutal gegen die Wand. „Direção Geral de Segurança! Ihr seid verhaftet! Los umdrehen! Mit dem Rücken zur Wand!“ Das Brüllen des Anführers donnerte durch den kleinen Raum.

Fernandez zitterte am ganzen Körper. Wollten die Männer sie an Ort und Stelle liquidieren?

„Liberdade!“ hörte er Bruno rufen. Mario stimmte ein. Ihm selbst versagte die Stimme.

Einer der Uniformierten riss Bruno die Karte aus der Hand. „Was haben wir denn da? Was habt ihr vor?“ Er drückte seinen Gewehrlauf gegen Brunos Brust. „Ihr wollt nicht reden? Wartet mal ab, wir werden euch schon zum Reden bringen!“

Der Anführer der fünf Geheimpolizisten schlug Bruno so heftig ins Gesicht, dass dieser aus der Nase blutete und seine Brille zu Boden fiel. Fernandez wollte sie aufheben, doch der große kräftige Mann stieß ihn weg und zertrat die Brille mit seinen Armeestiefeln. Er grinste hämisch: „So alter Mann, jetzt kannst du keine Karten mehr lesen, blind wie du bist.“ Seinen Untergebenen befahl er: „Fesselt diese Dreckskerle! Und dann bringen wir sie in das Forte de Caxias! Dort werden sie die Wahrheit schon ausspucken!“.

Die Fesseln schnitten tief in die Arme von Bruno, Mario und Fernandez. Die fünf Geheimpolizisten stießen sie aus der Wohnung und drängten sie die Treppe hinunter. Vor dem Haus stand ein grauer Transporter. Die Geheimpolizisten stießen Bruno, Mario und Fernandez hinein und kletterten danach selbst in den Wagen. Erst nach einigen vergeblichen Versuchen startete der Motor des Transporters. Durch die dunkle Nacht rasten sie durch das Gassengewirr der Alfama ihrem etwa 20 Kilometer entfernten Ziel entgegen: dem Forte de Caxias, dem berüchtigten Gefängnis der portugiesischen Geheimpolizei in Oeiras, westlich von Lissabon.

3. März 2019

2

Zufrieden blickte Afonso Rodrigues in den Spiegel. Ihm gefiel was er sah. Einen stattlichen, attraktiven Mann. Einsneunzig groß und durchtrainiert. Ein faltenfreies gut gebräuntes Gesicht. Nur der kleine Bauchansatz störte ihn etwas.

„Meine Vorliebe für gutes und üppiges Essen hat doch ihren Preis. Und das eine oder andere Sagres oder Glas Vinho Tinto aus dem Alentejo weniger wäre vielleicht auch ganz hilfreich für die Figur“, dachte der Achtundsechzigjährige, als er sein Spiegelbild kritischer musterte. „Ach Scheiß drauf! In meinem Alter darf ich mir das erlauben“, verscheuchte er rasch die aufkommenden Gedanken an Verzicht. Der kleine Bauch gehörte zu ihm wie die fehlenden Haare auf dem Kopf. Er erinnerte sich gar nicht mehr daran, wann die Letzten ausgefallen waren. Es musste schon ein paar Jahre her sein. Begonnen hatte der Haarausfall 2008. Da hatte er das Immobiliengeschäft seines Schwiegervaters an der Ostalgarve übernommen.

Rodrigues strich sich selbstverliebt über seine Glatze und grinste. Dass kahlköpfige Männer eine erotische Ausstrahlung auf Frauen haben, konnte er nur bestätigen. Zwar ließ die Wirkung auf seine Frau Leticia, mit der er seit nunmehr dreißig Jahren verheiratet war, etwas nach. Aber es gab ja genügend andere, vor allem jüngere Portugiesinnen, die einem sexuellen Abenteuer mit einem erfolgreichen Immobilienmakler nicht abgeneigt waren. Garciana, Tereza, Luiza, Carla oder Vitoria: Klasse Frauen, mit denen er viel Spaß hatte.

„Ich kann wirklich zufrieden mit mir und meinem Leben sein. Vor allem wenn man bedenkt, wo ich herkomme“, resümierte Rodrigues für sich selbst. „Ich habe ein tolles großes Haus mit Garten in einer phantastischen Lage zwischen Santa Luzia und der Ferienanlage Pedras d´el Rei - mit einem wunderschönen Blick auf die Marschlandschaft des Naturparks Ria Formosa. Zum Strand Praia do Barill ist es auch nicht weit.“

Rodrigues hatte allerdings kein besonderes Interesse am Strand und am Schwimmen. Außer wenn er am FKK-Abschnitt mit einer seiner gerade aktuellen Geliebten alle Hüllen fallen lassen konnte. Sonst liebte er eher das Angeln, das auch vom Strand aus gut möglich war. Allerdings war er dazu in der letzten Zeit nicht mehr gekommen.

„Überall brennt es!“ Seine Stimmung verschlechterte sich, als ihm die Probleme durch den Kopf gingen, die sich in den letzten Wochen und Tagen gehäuft hatten. Und das sowohl beruflich als auch privat. Angefangen damit, dass das Projekt einer neuen Ferienanlage auf dem Gelände der Salzgewinnungsfirma Tavisal zwischen Santa Luzia und Tavira stockte. Es gab heftigen Widerstand von Umweltschützern sowie Bürgerinnen und Bürgern aus der Umgebung dagegen. In seinen Augen alles Kleingeister, die nicht begriffen, dass die gesamte Region enorme wirtschaftliche Vorteile aus dem Projekt ziehen könnte.

„Die sollen doch mal an die Westalgarve schauen. Dort legt der Tourismus von Jahr zu Jahr zu, schafft Arbeitsplätze und damit Wohlstand in unserem immer noch armen Land.“

Und dann noch die Politiker, die letztlich den Bebauungsplan genehmigen mussten. Seine Auftraggeber aus Lissabon waren zwar bereit, sich die Zustimmung etwas kosten zu lassen. Aber auch für sie gab es eine Grenze. Das hatten sie ihm erst vor kurzem deutlich zu verstehen gegeben. Ein Scheitern des Projektes wäre sehr ärgerlich, denn auch für ihn lag eine Menge Geld im Topf. Und dann gab es noch andere Immobilienprojekte, bei denen es mehr oder weniger Ärger gab.

Und jetzt kam auch noch die Sache mit Vitoria hinzu. Mit der Neununddreißigjährigen aus Cabanas hatte er seit gut einem Jahr eine heiße Affäre. „Der Sex mit der kleinen süßen Schwarzhaarigen war echt klasse. Und dann will sie das alles Knall auf Fall beenden? Angeblich, weil sie ihren Mann und ihre Familie nicht verlieren will.“

So etwas ließ sich Rodrigues nicht bieten. Er bestimmte, wo es langgeht – im Beruf und im Privatleben. Und das hieß auch, dass er bestimmte, wann es zu Ende ist.

Rodrigues Blutdruck stieg, als er an die Nacht vor drei Tagen zurückdachte. Die Trennung hätte er schon akzeptiert. Er hätte schon eine neue gefunden. Frauen gab es ja genug. Aber dass Vitoria nicht noch einmal mit ihm schlafen wollte, brachte ihn in Rage. Schließlich hatte es auch ihr immer Spaß gemacht. Der Gipfel war jedoch, dass diese Vitoria am Sonnabend bei seiner Frau auftauchte und ihn beschuldigte, sie vergewaltigt zu haben. Der sich anschließende Streit mit Leticia stellte alles in den Schatten, was er bisher mit ihr erlebt hatte. Sie hatte ihm sogar mit Scheidung gedroht und war zu ihrer Freundin nach Olhão gefahren.

„Sie wird sich schon wieder beruhigen“, war Rodrigues überzeugt. „Und Vitoria wird aus Angst um ihren Ruf und aus Angst, ihre Familie zu verlieren, schweigen. Ansonsten werde ich sie schon zum Schweigen bringen. Ein paar Euro werden bei der Kleinen Wunder wirken.“

Doch das war noch lange nicht alles. Die Begegnung mit dem alten Mann vor vier Tagen ging ihm nicht aus dem Kopf. Und dann gab es noch diesen Kleinkriminellen, der ihn schon seit Jahren erpresste. Der wurde immer unverschämter.

„Diesem Kerl werde ich heute Nacht ein für alle Mal klarmachen, was es heißt, sich mit Afonso Rodrigues anzulegen. Dem lege ich sein dreckiges Handwerk.“ Rodrigues grinste.

Er schaute auf seine Rolex. Noch fünf Minuten bis Mitternacht. „Auf gehts – es wird Zeit.“ Er hatte sich um ein Uhr an den Salzsalinen mit dem Typen verabredet, wollte aber rechtzeitig da sein, um noch einmal die Umgebung in aller Ruhe zu checken. Außerdem wollte er unbedingt als erster vor Ort sein. Rodrigues zog rasch noch sein braunes, etwas verwaschenes Jackett über das beige Poloshirt und steckte eines seiner Anglermesser in die linke Innentasche. In die rechte stopfte er seine Geldbörse. Dann verließ er das Haus. Nahezu lautlos überquerte er die Auffahrt, setzte sich in seinen weißen BMW, einen 420d-Coupé und warf erneut einen Blick auf seine Uhr. Es war 0.05 Uhr. Der neue Tag hatte begonnen. Afonso Rodrigues startete den Motor seines Wagens und fuhr los.

4. März 2019 - Vormittags

3

Paulo Carvalho trank gerade seine morgendliche Bica. Er hatte zwei Löffel Zucker hineingerührt. „Beba Isto Com Açúcar - Trink dies mit Zucker!“ Nur so war die portugiesische Espressovariation genießbar. Hungrig biss er in sein Croissant.

Sein Smartphone vibrierte. Der Kommissar der Polícia Judiciária erkannte die Nummer im Display und seufzte. Seinen freien Montag konnte er wohl vergessen. Dabei hatte er sich sehr auf sein verlängertes Wochenende gefreut. Der Beginn am Sonnabend war auch ganz nach seinem Geschmack verlaufen. Sein Lieblingsverein Benfica Lissabon hatte in einem dramatischen Spiel den großen Konkurrenten FC Porto mit zwei zu eins geschlagen. Und das auch noch in Porto, im Estádio do Dragão, dem Drachenstadion.

Paulo hatte die aufregenden 90 Minuten im Casa do Benfica in Tavira zusammen mit vielen weiteren Benfica-Anhängern auf einer großen Leinwand gesehen. Alle waren sich freudetrunken einig: In diesem Jahr könnte es wieder mit der Meisterschaft für Benfica klappen, nachdem letztes Jahr der verhasste FC Porto vorne gelegen war. Auf den Sieg gegen Porto und die Meisterschaftsperspektive war so manches Sagres geflossen.

Sonntag war dann sein Putztag. Wie immer, wenn es ans Saubermachen ging, stellte Paulo fest, dass das Haus mit seinen vier Zimmern und dem großen Garten viel zu groß für ihn alleine war. Und wie immer dachte er dann darüber nach, es endlich zu verkaufen und sich eine kleine möglichst direkt in Tavira gelegene Wohnung zu suchen. Nicht nur, dass er es dann näher zur Arbeit hätte. Vor allem die Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten mit Restaurants und Sporteinrichtungen waren in der 12.000-Einwohner-Stadt erheblich besser als in Luz de Tavira, wo weniger als tausend Menschen lebten.

Paulos Haus lag kurz vor dem Ortseingang an der kleinen Straße nach Sinagoga, die von der N 125 abzweigte. Zur Polizeistation von Tavira brauchte er mit dem Auto etwa fünfzehn Minuten. Wenn Paulo an seine in wenigen Jahren bevorstehende Pensionierung dachte, war er sicher: Tavira wäre der bessere Wohnort.

Seine zweite Frau Teresa und er hatten das Haus kurz nach ihrer Hochzeit gekauft - vor 25 Jahren. Als sie sich damals gemeinsam das leerstehende Haus angesehen hatten, malten sie sich aus, wie Kinderstimmen und Kinderlachen durch die Räume schallen würden. Den Garten wollte Paulo zu einem Spielplatz umgestalten, auf der Terrasse war genug Platz für eine große Sandkiste. Doch nichts davon erfüllte sich. Die Ehe mit Teresa blieb kinderlos. Und nach sieben Jahren war sie plötzlich verschwunden, ohne Abschiedsbrief, ohne Erklärung.

Paulos Suche nach Teresa und nach möglichen Gründen für ihr Verschwinden blieb ohne Erfolg. Bei der Kriminalpolizei hatte er immer alle Fälle gelöst, hier scheiterte er. Nur schrittweise arbeitete er sich aus dem tiefen Loch, in das er gefallen war, wieder heraus.

Als Zeitvertreib neben der Arbeit und dem Fußball stürzte Paulo sich auf sein altes Hobby, das er jahrelang vernachlässigt hatte: das Züchten von Nelken. In Gelb-, Rosa-, Pink-, Weiß- oder Rottönen blühte es nun in seinem Garten. Sogar Preise hatte er mit seinen Nelken gewonnen.

Heute wollte er nun den Boden im Garten für die bevorstehende Aussaat vorbereiten. Am Nachmittag stand dann ein Besuch bei seinen Eltern im knapp fünfzig Kilometer entfernten Cachopo auf dem Programm. Sie verbrachten ihren Lebensabend in dem kleinen Dorf in der Serra do Caleirão, im hügeligen Hinterland der Algarve. Dort war er vor neunundfünfzig Jahren auch geboren worden. Paulo kümmerte sich um seine alten Eltern. Zwar hatte er noch einen drei Jahre jüngeren Bruder. Der war aber 2002 auf der Suche nach Arbeit nach Deutschland ausgewandert.

Paulo trank seine Bica aus und nahm den Anruf entgegen.

„Estou, hallo, Paulo hier.“

„Glückwunsch zum Sieg am Sonnabend.“

Paulo erkannte die Stimme von Ricardo Alves.

Der knapp dreißigjährige Subkommissar gehörte neben Isabel Gomes, der zweiundzwanzigjährigen Kommissaranwärterin, zu seinem Ermittlungsteam. Es war kein Geheimnis, dass Ricardo Paulo nach seiner Pensionierung beerben wollte.

„Obrigado – Danke. Schon gut, was gibt es?“

Paulo wusste, dass der Glückwunsch nur eine Höflichkeitsgeste von Ricardo war. Denn der kam aus Porto und die Rivalität zwischen den beiden größten Städten des Landes war groß. Das galt erst recht für die Fußballvereine Benfica Lissabon und FC Porto.

„Es tut mir leid, dass ich dich an deinem freien Tag stören muss, Paulo. Aber mich haben gerade zwei Arbeiter der Firma Tavisal angerufen. Sie haben bei den Salinen in der Nähe von Santa Luzia eine Leiche entdeckt - unterhalb der Böschung kurz vor dem Eingangstor. Die Arbeiter sagten, es sei ein älterer Mann, mehr wussten sie auch nicht. Die beiden standen ziemlich unter Schock.“

„Wo bist du? Zu Hause oder im Büro?“

„Ich bin gerade ins Büro gekommen, als die beiden angerufen haben. Isabel ist auch schon da.“

„Gut. Dann fahre bitte mit Isabel sofort zum Fundort und sage Fabiana Bescheid. Die soll sich die Leiche auch gleich mit ansehen.“

„Ist bereits geschehen. Fabiana ist schon unterwegs.“

„Gut, danke. Ich bin in etwa zwanzig Minuten da.“

Paulo beendete das Gespräch und seufzte erneut: Es gab Zeiten, da freute er sich auf seine Pensionierung, auch wenn er nicht so recht wusste, was er dann machen sollte. Immerhin würde er dann mehr Zeit für seine geliebten Nelken haben.

4

Eine gute viertel Stunde später bog Paulo mit seinem zehn Jahre alten Renault kurz hinter Santa Luzia von der asphaltierten Straße rechts in die Sandpiste ein, die zum Gelände der Firma Tavisal führte. Geradeaus hätte er in etwa zwei Kilometern das Polizeirevier in Tavira erreicht. Dort hatten er und sein Team ihre Büros. Nach einer scharfen Linkskurve und einer Rechtskurve passierte er die Salzgewinnungsbecken rechts und links neben der Sandpiste. In gut fünfhundert Metern Entfernung glitzerten zwei weiße Salzberge in der Morgensonne. Der Himmel war strahlend blau. Mit etwa sechzehn Grad war die Temperatur für Anfang März und die frühe Morgenstunde schon ganz angenehm. Etwas irritierte Paulo beim Anblick der neben den Salzbergen liegenden großen Halle. Er konnte aber nicht sagen was. Die Sonne blendete ihn.

Paulo parkte seinen metallic-blauen Wagen hinter dem neuen Honda Civic von Ricardo und dem alten VW-Golf von Fabiana Gomes. Er quälte sich aus seinem Wagen. Der Fahrersitz war schon sehr durchgesessen. Der Kommissar hatte schon häufiger über den Kauf eines neuen Wagens nachgedacht, dies aber immer wieder verworfen. Er hing an dem Renault und den Erinnerungen, die er damit verband.

Paulo legte die wenigen Meter zum Firmengelände von „Tavisal“ rasch zurück. „Zutritt verboten!“ verkündete ein Schild an dem rostigen Eingangstor. Neben dem Firmenschild wurde darauf hingewiesen, dass das Gelände videoüberwacht ist.

„Bom dia!“, begrüßte Isabel Gomes ihren Chef.

„Ein guter Tag ist das nicht gerade“, grummelte Paulo. „Tudo bem - Schon gut“, ergänzte er rasch, als er Isabels erstauntes Gesicht sah. Er mochte die Zweiundzwanzigjährige sehr. Sie war seit gut einem halben Jahr in seinem Team, hatte eine schnelle Auffassungsgabe, war wissbegierig, klug und wusste sich zu behaupten. Das hatte nicht zuletzt Ricardo erfahren müssen. Mehr als einmal hatte die schwarzhaarige hübsche Isabel ihn charmant aber bestimmt abblitzen lassen, als er sich in den ersten Wochen an sie heranmachen wollte.

„Wo ist denn der Tote?“ Paulo blickte sich suchend um.

„Hier gleich rechts vom Eingangstor. Er liegt unterhalb der Böschung. Und wir wissen auch schon, wer der Tote ist.“

Isabel machte eine kurze Pause, bevor sie das Geheimnis lüftete: „Es ist … Afonso Rodrigues - ohne Zweifel! Wir haben zwar keine persönlichen Dinge wie Ausweispapiere oder Kreditkarten bei ihm gefunden, aber er ist…, ich meine, er war ja häufig in der Zeitung zu sehen.“

Paulo zog seine dunklen Augenbrauen hoch. Der Immobilienmakler und Projektentwickler war eine an der ganzen Ostalgarve bekannte Persönlichkeit. Was man so hörte, war er ein ziemlich gerissener Geschäftsmann und dem weiblichen Geschlecht nicht abgeneigt. Paulo war sofort klar, dass es wahrscheinlich viele Menschen gab, die über seinen Tod nicht unglücklich waren und einige davon hatten sicherlich sogar ein Mordmotiv. Und dann war das natürlich ein tolles Thema für die Presse. Er sah schon die Schlagzeile der regionalen Zeitung Tavira de Manhã: „Toter Immobilienmakler: Polizei tappt im Dunkeln!“

Paulo und Isabel kletterten die zwei Meter hohe Böschung zum Fundort hinab.

„Bom dia!“ Paulo begrüßte Ricardo und Fabiana, die Mutter von Isabel. Fabiana war Rechtsmedizinerin bei der Polícia Judiciária in Faro und damit fiel die Leiche in ihren Zuständigkeitsbereich. Die Neunundvierzigjährige lebte zusammen mit ihrem Mann, Isabel und dem zwei Jahre jüngeren Bruder in einem alten Fischerhäuschen in Santa Luzia. Paulo sah sie an. Es versetzte ihm immer noch einen kleinen Stich, wenn er sie sah, auch wenn die Affäre mit ihr schon lange zurücklag. Er fand sie immer noch sehr attraktiv mit ihren langen braunen Haaren und dem schlanken markanten Gesicht.

Er wendete seinen Blick von ihr ab und betrachtete den Toten. Isabel hatte Recht: Afonso Rodrigues würde keine Immobilien mehr verkaufen und keine Projekte mehr entwickeln.

„Was wissen wir schon?“

Ricardo deutete nach oben auf zwei Männer, die in der Nähe des Eingangstors standen und sich gerade eine Zigarette anzündeten. Sie wirkten immer noch geschockt.

„Die zwei Arbeiter hier haben ihn heute gegen neun Uhr gefunden, als sie die Salinen inspiziert haben. Die werden jetzt ja für die beginnende Salzgewinnung vorbereitet. In den nächsten Wochen wird nach und nach das Meerwasser zum Verdunsten eingeleitet. Und im Herbst wird das Salz….“

Paulo unterbrach ungeduldig seinen Mitarbeiter: „Danke Ricardo, jedes Kind an der Algarve weiß, wie Meersalz gewonnen wird. Bitte komm auf den Punkt.“

Ricardo tat so, als habe er den Unmut seines Chefs gar nicht bemerkt oder er hatte ihn tatsächlich nicht bemerkt. „Ich habe die beiden schon befragt. Sie haben mich gleich angerufen, nachdem sie Rodrigues gefunden haben. Sie sind die Böschung runter, haben keinen Atem mehr gehört und den Blutfleck auf seinem Poloshirt gesehen. Sie haben mir versichert, dass sie nichts berührt haben. Rodrigues ist wohl an einem Messerstich in den oberen Bauchbereich verblutet…..“

„Die Einschätzung der Todesursache sollten wir lieber der Expertin überlassen“, unterbrach Paulo ihn erneut. Ricardo war sehr von seinen Fähigkeiten überzeugt und ließ alle gerne an seiner Klugheit teilhaben.

Paulo hatte ein zwiespältiges Verhältnis zu ihm. Einerseits verfügte Ricardo über eine schnelle Aufassungsgabe: Er hatte bei sich festlaufenden Ermittlungen schon häufiger Ideen eingebracht, die dann aus der Sackgasse herausführten. Andererseits scheute er die mühevolle und kleinteilige Ermittlungsarbeit und versuchte immer wieder diese auf Isabel abzuschieben. Da Ricardo aus Porto kam, hielt er die Algarve generell für etwas rückständig. Das konnte man seiner Meinung nach ja bereits beim Fußball sehen. Portimonense war der einzige Verein der Algarve, der in der ersten Liga spielte und dort meistens gegen den Abstieg kämpfte. Der SC Farense aus Faro war schon 2002 in die Segunda Liga abgestiegen.

Ganz im Gegensatz zu Paulo legte Ricardo großen Wert auf sein Äußeres. Mit seiner immer gutsitzenden Kurzhaarfrisur, dem Dreitagebart und den hellen braunen Augen war er ein Blickfang, nicht nur für viele portugiesische Frauen - sondern auch für so manche Touristin. Sein gut durchtrainierter Körper tat ein Übriges. Er war immer modisch gekleidet, auch im Dienst. Nicht immer war das allerdings praktisch. Paulo blickte auf Ricardos teure schwarze Santoni-Schuhe. Die bedurften nach dem ganzen Staub heute sicherlich einer Sonderbehandlung nach Feierabend.

Fabiana deutete auf den toten Afonso Rodrigues. Sein Kopf lag am Rand des kleinen Wasserkanals und seine Beine waren noch halb im Wasser.

„Entweder er ist hier unten getötet worden oder er ist die Böschung heruntergerutscht. Natürlich könnten ihn dort auch der oder die Täter hingelegt haben. Seht Ihr den größeren Blutfleck auf seinem Poloshirt auf der rechten Seite im unteren Brustbereich? Ich habe mir einmal die Einstichwunde etwas genauer angeschaut. Vermutlich ist Rodrigues daran gestorben. Allerdings möglicherweise nicht sofort. Die Leichenstarre ist schon fast vollständig ausgeprägt. Das heißt, er ist schon seit mindestens sechs bis acht Stunden tot. Er könnte so zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens umgebracht worden sein.“

„Oder auch früher“, warf Ricardo ein.

„Theoretisch schon. Aber wenn ich mir so den Zustand der Leiche anschaue, glaube ich das eher nicht. Aber natürlich muss ich das alles noch genauer untersuchen. Dann kann ich den Todeszeitpunkt etwas besser eingrenzen“, entgegnete Fabiana.

Sie sah Paulo an. Er war nicht gerade eine Schönheit von Mann, mit seiner eher kleinen Statur, dem Bauchansatz und der beginnenden Halbglatze. Was sie aber an ihm mochte, war seine Warmherzigkeit und seine Verletzlichkeit. So war es vor etlichen Jahren auch zu der Affäre zwischen ihnen gekommen, als seine Frau plötzlich verschwunden und Paulo am Boden zerstört war. Sie hatte es dann nach einem halben Jahr beendet, weil sie ihren Mann und ihre Kinder sehr liebte. Aber immer noch fühlte sie sich zu ihm hingezogen.

„Gibt es Spuren? Haben wir eine Tatwaffe? Habt ihr das Unternehmen schon informiert? Was ist mit der Videoüberwachung?“

Die präzisen Fragen von Paulo rissen Fabiana aus ihren Gedanken, auch wenn diese sich eher an ihre Tochter Isabel und Ricardo richteten. Zum Ärger von Ricardo reagierte Isabel als erste: „Der Geschäftsführer von Tavisal Simão Mendes weiß Bescheid und ist bereits unterwegs. Schleifspuren haben wir nicht entdeckt, aber schau mal, wie das Gebüsch am Straßenrand niedergedrückt ist.“

Alle vier kletterten die Böschung wieder hinauf.

Isabel fuhr fort: „Da könnte ein Kampf stattgefunden haben. Die Aufzeichnungen der Videokameras werden wir uns noch besorgen, aber ich glaube, dass die den Bereich außerhalb des eingezäunten Geländes leider nicht abdecken. Ein Messer haben wir bisher noch nicht gefunden. Aber das Gelände ist ja sehr groß und wir haben bisher auch noch nicht intensiv suchen können und……“

„Wir haben aber etwas anderes gefunden", fiel Ricardo ihr ins Wort, der mit verkniffener Miene zugehört hatte.

Er wies in die Richtung der asphaltierten Straße, von der sie alle gekommen waren. Im Hintergrund waren die Silhouetten der Berge des Algarve-Hinterlandes zu erkennen.

„Paulo, als du gerade gekommen bist, ist dir doch bestimmt die Abzweigung in der zweiten Kurve aufgefallen. Das ist eine Nebenstraße, die nach Tavira führt. Nach etwa zweihundert Metern haben wir einen BMW 420d Coupé entdeckt - tolles und nicht ganz preiswertes Modell. Ich könnte mir vorstellen, dass der Afonso Rodrigues gehört.“