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Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Technische Universität Darmstadt, Sprache: Deutsch, Abstract: Postpartale psychische Erkrankungen fallen in einen Lebensabschnitt, der im Allgemeinen als glückliches Ereignis betrachtet wird. Gefühle der Traurigkeit lassen sich mit der Geburt eines Kindes nur schwer vereinen. In unserer Gesellschaft herrscht diesbezüglich ein Mythos vor, der den noch unerfahrenen Müttern suggeriert, dass sie in dieser Phase so glücklich sein müssen wie noch nie in ihrem Leben. Diese Annahme erweist sich in der Realität oftmals als Trugschluss. Mit einer Auftrittswahrscheinlichkeit von bis zu 70 Prozent sind depressive Störungen im Wochenbett keine Seltenheit, sondern sie zählen zu den häufigsten postpartalen Komplikationen, die ersichtlich werden. Dieser Umstand lässt sich vor allem auf die zahlreichen biologischen und psychosozialen Veränderungsprozesse zurückführen, die mit der Geburt eines Kindes einhergehen. Es ist somit durchaus nachvollziehbar, dass Frauen in dieser Schwellensituation zur Mutterschaft eine erhöhte psychische Vulnerabilität ausgebildet haben, die den Ausbruch einer postpartalen Erkrankung begünstigen kann. Das Störungsbild, was sich diesbezüglich verzeichnen lässt, ist sehr umfassend und weit ausdifferenziert. Die drei klassischen postpartalen Krankheitsformen umfassen den Baby-Blues, die Wochenbettdepression und die Wochenbettpsychose. Postpartale Erkrankungen fallen in einen Zeitraum, indem Säuglinge fundamental auf die Bedürfnisbefriedigung ihrer primären Bezugsperson, die in der Regel durch die Mutter verkörpert wird, angewiesen sind. Vor allem in den ersten Lebensmonaten ist die psychische Entwicklung eines Kindes noch extrem störungsanfällig, weshalb man eine Erkrankung post partum, als erhöhtes Risiko einstuft. Angesichts der zahlreichen Belastungsfaktoren, die mit einer mütterlichen Depression einhergehen, ist eine schnelle, präventive Hilfe unabdingbar, um eine Beziehungsstörung zwischen Mutter und Säugling zu vermeiden. Das Problem was sich diesbezüglich ergibt ist, dass viele Frauen nur geringe Informationen über dieses Krankheitsbild erhalten, weshalb die damit einhergehende Symptomatik oftmals übersehen wird und somit eine Chronifizierung nach sich zieht. Durch diese Arbeit möchte ich einen kleinen Beitrag dazu leisten, den Blick für postpartale Depressionen zu öffnen. Die Tabuisierung der Erkrankung und die damit einhergehenden Schuldgefühle, die von vielen Müttern ausgebildet werden, sind ein gesellschaftlich bedingtes Problem, dem nur durch Aufklärung entgegengewirkt werden kann.
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Postpartale psychische Erkrankungen fallen in einen Lebensabschnitt, der im Allgemeinen als glückliches Ereignis betrachtet wird. Gefühle der Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Hilflosigkeit lassen sich mit der Geburt eines Kindes nur schwer vereinen. In unserer Gesellschaft herrscht diesbezüglich ein Mythos vor, der den noch unerfahrenen Müttern suggeriert, dass sie in dieser Phase so glücklich, euphorisch und zufrieden sein müssen wie noch nie in ihrem Leben. Diese überaus hohe Erwartungshaltung, die auch viele Frauen an sich selbst stellen, erweist sich in der Realität oftmals als Trugschluss.
Mit einer Auftrittswahrscheinlichkeit von bis zu 70 Prozent sind depressive Störungen im Wochenbett keine Seltenheit, sondern sie zählen zu den häufigsten postpartalen Komplikationen, die ersichtlich werden. Schätzungen ergeben, dass die Dunkelziffer noch weitaus höher ist, weil viele Erkrankungen nicht diagnostiziert werden und die Übergänge von einer leichten depressiven Verstimmung zu einer massiven Depression oder Psychose oftmals fließend sind (vgl. Lenz 2005, S. 50). Der Gedanke liegt nahe, dass postpartale Depressionen ein Erscheinungsbild der Neuzeit sind. Diese Aussage ist zu widerlegen, weil sich bereits erste Symptombeschreibungen bei Hippokrates etwa 460 vor Christus finden lassen (vgl. Nispel 2001, S. 11). Mein persönliches Motiv für dieses Thema
Der Grund, warum ich mich in meiner Diplomarbeit für das Thema „postpartale Depressionen und ihre Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Beziehung“ entschieden habe, wurde stark durch meine eigene Schwangerschaft geprägt. Im Zuge dessen hatte ich mich im Vorfeld mit den verschiedenen Aspekten einer Schwangerschaft und Geburt intensiv beschäftigt, um einen umfassenden Einblick in diesen Bereich zu erlangen. In diesem Zusammenhang stieß ich auf das Krankheitsbild der postpartalen Depressionen, welches mein Interesse erweckte. Ich setzte mich näher mit diesem Thema auseinander und erkannte sehr schnell, dass in Deutschland kaum einschlägige Literatur vorhanden ist, die sich mit dem Thema der postpartalen Erkrankungen auseinandersetzt. Diese Tatsache ist vor allem darauf zurückzuführen, dass ein fachliches Interesse für diese Er-krankungsform erst seit den letzten zehn Jahren in Deutschland zu verzeichnen ist, weshalb die wesentlichen Impulse vom amerikanischen Raum ausgehen.
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Das Problem was sich diesbezüglich ergibt ist, dass viele Frauen nur geringe Informationen über dieses Krankheitsbild erhalten, weshalb die damit einhergehende Symptomatik oftmals übersehen wird und somit zu einer Chronifizierung führt. Zudem gibt es noch zu wenige geeignete Interventionsangebote, die eine schnelle, präventive Hilfe gewährleisten.
Aufgrund dieser Erkenntnisse reifte der Gedanke, mich im Zuge meiner Diplomarbeit intensiver mit dieser Thematik zu beschäftigen und einschlägige Recherchen vorzunehmen. Vor allem interessierte mich in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit sich postpartale Erkrankungen auf die gemeinsame Beziehung zwischen Mutter und Kind auswirken, und welche Folgen sich hieraus ergeben.
Diesbezüglich entwickelte ich einige Fragestellungen, denen ich im Laufe dieser Arbeit nachgehen möchte:
Unterscheiden sich die Auswirkungen einer postpartalen psychischen Erkrankung1.
von Depressionen, die zu anderen Zeitpunkten auftreten? Welche Folgen ergeben sich für die Mutter-Kind-Beziehung aus einer zeitlich be-2.
fristeten Erkrankung im Wochenbett?
Welche möglichen Interventionen können an dieser Stelle sinnvoll greifen?3.
Durch meine Diplomarbeit möchte ich einen kleinen Beitrag dazu leisten, den Blick für postpartale Depressionen zu öffnen. Die Tabuisierung der Erkrankung und die damit einhergehenden Schuldgefühle, die von vielen Müttern ausgebildet werden, sind ein gesellschaftlich bedingtes Problem, dem nur durch Aufklärung entgegengewirkt werden kann.
Die Gliederung der Arbeit gestaltet sich wie folgt
Zu Beginn möchte ich dem Leser einen einführenden Blick in das Thema der Depressionen gewähren. Diesbezüglich werde ich in Kapitel zwei eine allgemeine Begriffsbestimmung vornehmen, die einen theoretischen Überblick zu dieser Thematik vermittelt.
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In Kapitel drei möchte ich mich den biologischen und psychosozialen Veränderungsprozessen zuwenden, die mit der Geburt eines Kindes einhergehen. In diesem Zusammenhang wird ersichtlich, dass der Übergang zur Mutterschaft nicht nur als glückliches Ereignis zu verstehen ist, sondern dass zudem zahlreiche Konflikte und Verlusterfahrungen zu Tage treten.
Im darauf folgenden vierten Kapitel zeige ich einen Überblick über die unterschiedlichen Erkrankungsbilder der Postpartalzeit auf. Anhand gängiger Klassifikationen beleuchte ich die postpartale Dysphorie, die postpartale Depression und die postpartale Psychose.
In Kapitel fünf unternehme ich einen ausführlichen Exkurs in das Thema der Bindungs-theorie, um mögliche Auswirkungen einer postpartalen Erkrankung auf die Mutter-Kind-Beziehung ersichtlich zu machen.
Der Mutter-Kind-Interaktion wende ich mich in Kapitel sechs zu. Hierbei lege ich meinen Schwerpunkt auf die frühkindliche affektive Phase, die als Grundstock für den weiteren Bindungsaufbau zwischen Mutter und Kind zu betrachten ist. In Kapitel sieben möchte ich die unterschiedlichen Auswirkungen einer postpartalen Erkrankung auf die Kinder herausarbeiten. Hierbei konzentriere ich mich vornehmlich auf das Säuglings- und Kleinkindalter, wende mich aber auch den langfristigen Folgen zu, die für ältere Kinder relevant sind.
Im Anschluss daran werde ich im achten Kapitel verschiedene Interventions- und Hilfsmöglichkeiten genauer beleuchten, die vor allem im interdisziplinären Bereich angesiedelt sind. Hierbei richte ich meinen Blick auf präventive Maßnahmen sowie auf pädagogische und therapeutische Ansätze, die speziell auf Mütter und ihre Kinder ausgerichtet sind.
In Kapitel neun fasse ich die mir am wichtigsten erscheinenden Gedanken noch einmal zusammen. Dieser Teil dient dazu, meine eigenen Denkansätze zu verdeutlichen und mit dem theoretischen Teil meiner Arbeit in Zusammenhang zu bringen.
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Wie ich bereits im Thema meiner Arbeit verdeutlicht habe, beziehe ich mich vorzugsweise auf die Mutter-Kind-Beziehung. Selbstverständlich kommt auch dem Vater eine große Bedeutung zu, die durchaus eine kompensatorische Funktion erfüllt. Somit kann ein feinfühliger Vater protektiv (bewahrend) auf die kindliche Entwicklung einwirken, indem er mögliche Defizite ausgleicht, die sich durch die mütterliche Depression eingestellt haben. Unabhängig von diesem Aspekt möchte ich mich primär der Mutter-Kind-Beziehung zuwenden, aber trotz dieser Tatsache darauf verweisen, dass die ausgleichende Wirkung von anderen Bezugspersonen (Vater, Großeltern, Freunde) nicht außer Acht gelassen werden sollte.
Darüber hinaus wende ich mich hauptsächlich dem Säuglings- und Kleinkindalter zu, weil diese Altersgruppe in besonderer Weise gefährdet ist. Eine postpartale Depression setzt zu einem Zeitpunkt an, indem diese Kinder fundamental auf eine adäquate Bedürfnisbefriedigung angewiesen sind. An dieser Stelle sei aber darauf verwiesen, dass auch ältere Kinder von diesem Krankheitsbild betroffen sind, vor allem wenn sich eine Chronifizierung der Erkrankung einstellt.
Abschließend möchte ich formal darauf hinweisen, dass ich mich dazu entschlossen habe, in der vorliegenden Diplomarbeit die weibliche Schreibweise zu verwenden. Meines Erachtens würde sowohl die beständige Verwendung der Doppelform (der/die Sozialpädagoge/in) als auch der Anhang „In“ (SozialpädagogIn) einen reibungslosen Lesefluss beeinträchtigen. Ich bitte deshalb höflichst, gedanklich die männliche Form hinzuzufügen.
Darüber hinaus habe ich meine eigenen Aussagen im Text kursiv geschrieben, um sie somit besser kenntlich zu machen und gezielt hervorzuheben.
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Eine Depression (lateinisch: deprimere „niederdrücken“) ist eine psychische Erkrankung, deren Symptomatik sich durch eine bedrückte, niedergeschlagene und pessimistische Stimmung auszeichnet, die häufig mit einem Interessensverlust einhergeht. Internationale Studien belegen, dass Depressionen mittlerweile zu den häufigsten psychischen Erkrankungsbildern zählen, die zu verzeichnen sind. Bereits in Deutschland leiden ca. 10 bis 15 Prozent aller Menschen an depressiven Verstimmungen, wovon jede vierte Person eine schwere psychische Störung entwickelt (vgl. Der Brockhaus Gesundheit 2004, S. 269). Frauen sind deutlich häufiger von Depressionen betroffen als Männern. Die Ursachen werden sowohl biologischen als auch psychosozialen Faktoren zugeschrieben (vgl. Angst/Sellaro 2001, S. 63).
Die Bezeichnung „pränatal“ stammt aus dem lateinischen Wortschatz und bedeutet ins deutsche übersetzt „vor der Geburt“. Vorzugweise wird dieser Begriff in der Pränataldiagnostik eingesetzt. Hierbei geht es um vorgeburtliche Untersuchungen, die zur Erfassung von genetischen Erkrankungen und Entwicklungsstörungen beim Fötus dienen sowie zur Früherkennung von Schwangerschaftskomplikationen eingesetzt werden (vgl. Der Brockhaus Gesundheit 2004, S. 974).
Demgegenüber stehen die Begrifflichkeiten postpartal und postnatal, die in der psychiatrischen Terminologie (Fachsprache) gleichbedeutend eingesetzt werden. Aus dem lateinischen abgeleitet, bedeutet „post“ „nach“ und „partus“ steht für die „Entbindung“. Der Ausdruck postpartal bedeutet somit „nach der Entbindung“, wohingegen „natus“, aus dem lateinischen übersetzt, für die „Geburt“ steht. Somit bedeutet postnatal „nach der Geburt“. In der deutschen Fachsprache ist man dazu übergegangen, vorzugsweise den Begriff postpartal zu verwenden, wohingegen sich im englischen Sprachraum der Begriff postnatal durchgesetzt hat (vgl. Rohde 2004, S. 21). Treten innerhalb des ersten halben Jahres nach der Entbindung Symptome einer psychischen Störung auf, dann wird dieser Zeitraum als postpartal bezeichnet.
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Es gibt auch vereinzelte wissenschaftliche Meinungen, die diese Zeitspanne bis auf ein Jahr nach der Geburt erweitern (vgl. ebd., S. 27).
Im Hinblick auf die oben ausgeführte gängige Klassifizierung beziehe ich mich in meiner Diplomarbeit ebenfalls auf den Ausdruck postpartal, der an dieser Stelle gleichbedeutend mit dem Begriff postnatal eingesetzt wird.
Viele Frauen leiden im Wochenbett unter depressiven Verstimmungen, die durch biologische und psychosoziale Umstellungsprozesse während der Schwangerschaft und der Geburt begünstigt werden (vgl. Der Brockhaus Gesundheit 2004, S. 270). In zahlreichen Studien zu diesem Thema erkannte man, dass das Risiko, an einer psychischen Störung zu erkranken, zu keinem anderen Zeitpunkt so ausgeprägt ist, wie nach einer Entbindung. Die Erkrankungsrate steigt in dieser Zeit signifikant an, wohingegen das Risiko während der Schwangerschaft an Depressionen zu erkranken, verhältnismäßig gering ist (vgl. Unger/Rammsayer 2001, S. 153).
Die postpartalen psychischen Erkrankungen verfügen über unterschiedliche Ausprägungsgrade, die von einem leichten Stimmungstief bis zu einer gravierenden Depression reichen können (vgl. Dalton 2003, S. 12). In der Regel handelt es sich um eine kurzlebige Erscheinung, die als postpartale Dysphorie (Baby-Blues) klassifiziert wird. Erst wenn sich die Symptomatik verfestigt und über einen längeren Zeitraum andauert, kann sich hieraus eine postpartale Depression entwickeln. Im schlimmsten Fall entsteht eine postpartale Psychose, die mit schwerwiegenden Verhaltensstörungen einhergehen kann. Die hier skizzierten Ausprägungsformen gehören zu den klassischen Störungen der Postpartalzeit. Eine eindeutige Abgrenzung untereinander ist oft schwer zu vollziehen, weil es innerhalb der einzelnen Krankheitsbilder zu zahlreichen Überschneidungen kommt (vgl. Gröhe 2003, S. 41).
Im nachfolgenden Kapitel möchte ich mich mit den zahlreichen biologischen und psychosozialen Veränderungsprozessen auseinandersetzen, die mit der Geburt eines Kindes einhergehen. Alle Eltern eines neugeborenen Kindes haben mit den Folgen dieses Umbruches zu kämpfen. Die Auswirkungen dieser Belastung werden jedoch unterschiedlich wahrgenommen. Eine Ernüchterung in der Beziehung, Unzufriedenheit, ein eingeschränktes Wohlbefinden, psychosomatische Symptome sowie Depressionen können die Folge sein (vgl. Eckert 1999, S. 71).
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Im Rahmen der psychiatrischen Forschung hat man herausgefunden, dass psychischen Störungen oftmals ein bedeutendes Lebensereignis („life event“) vorausgeht. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass sowohl positive als auch negative Erfahrungen als auslösende Faktoren betrachtet werden (vgl. Rohde 2004, S. 35). Die Geburt eines Kindes stellt solch ein signifikantes Ereignis dar, dass mit zahlreichen Veränderungsprozessen auf biologischer und psychosozialer Ebene einhergeht. Vor allem der Übergang vom kinderlosen Paar zur Elternschaft birgt ein erhöhtes Konfliktpotenzial in sich und wird somit als „normative Krisensituation“ verstanden (vgl. Gloger-Tippelt 1999a, S. 209).
Nach Stern tritt eine Frau - insbesondere eine Erstgebärende - mit der Geburt ihres Kindes in eine neue psychische Organisation ein, die er als „Mutterschaftskonstellation“ bezeichnet. Diese Phase ist vorübergehend, aber in ihrer Dauer durchaus variabel. So kann sie sich über Monate, aber auch über Jahre hin erstrecken. Themen, die während dieser Zeit relevant sind, betreffen die Fähigkeit der Frau für das Leben des Kindes zu sorgen, es hinreichend zu lieben, eine unterstützende Umgebung zu errichten und schließlich die Frage, ob sie sich eine neue Identität als Mutter aufbauen kann. Keine andere Beziehung, die im Vorfeld durchlaufen wurde, wird die Mutter in ihrer gesamten Persönlichkeit so fordern, wie die Verbindung zu ihrem Kind (vgl. Stern 1998, S. 209-211). Diesbezüglich schreibt Stern: „Wenn Sie ein Baby haben, wird es eine Zeitlang bestimmen, woran Sie denken, was Sie befürchten oder erhoffen und wovon Sie träumen. Es wird Ihre Gefühle und Ihr Verhalten beeinflussen und sogar Ihre sinnliche Wahrnehmung und die Art Ihrer Informationsverarbeitung intensivieren. Mit einem Kind werden sich Ihre Vorlieben und Vergnügen und wahrscheinlich auch einige Ihrer Wertvorstellungen ändern. In einer ganz verblüffenden Weise wird es alle Ihre früheren Beziehungen beeinflussen und Sie veranlassen, Ihre engsten Freundschaften zu überdenken und Ihre Rolle in der Geschichte Ihrer eigenen Familie neu zu bestimmen“ (zit. n. Stern/Bruschweiler-Stern/Freeland 2003, S. 10).
Ist eine Frau nicht dazu in der Lage, die an sie gestellten Anforderungen zu bewältigen, so sind Konflikte in der Partnerschaft und in der Mutter-Kind-Beziehung vorprogrammiert(vgl.Jacubeit 2001, S. 94).
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Mit Beginn der Schwangerschaft setzten im Körper zahlreiche Veränderungsprozesse ein, die durch den rapiden Anstieg der Hormone Östrogen und Progesteron ausgelöst werden. Die Gebärmutter vergrößert sich in der darauf folgenden Zeit um das Vierzigfache ihres regulären Umfangs, damit der wachsende Fötus genügend Platz erhält. Zudem muss sich der Brustraum erweitern, damit die Lungen ihre Kapazität erhöhen können, um genügend Sauerstoff zu produzieren. Während dieser Zeit arbeiten das Herz, die Leber und die Nieren auf Hochtouren, um eine hinreichende Versorgung für Mutter und Kind zu gewährleisten.
Die körperlichen Umstellungen nach der Geburt sind ebenso gravierend wie die der Schwangerschaft. Nur mit dem Unterschied, dass sie sich wesentlich schneller ereignen. Im Augenblick der Entbindung vollzieht sich ein gewaltiger Veränderungsschritt: vom Zustand der Schwangerschaft zurück zum Normalzustand. Durch diese enorme körperliche Anstrengung während der Entbindung fühlen sich viele Frauen in der darauf folgenden Zeit erschöpft, leer und ausgebrannt. Diese Umstellungsphase birgt ein erhöhtes Krisenpotenzial in sich, weil vielen Frauen die nötige Zeit fehlt, um sich von den Strapazen der Geburt zu erholen. Stattdessen warten neue, völlig unbekannte Anforderungen auf sie, die es zu bewältigen gilt (vgl. Dunnewold/Sanford 1996, S. 69f.).
Durch die Empfängnis vollziehen sich erhebliche hormonelle Veränderungen, die tief greifende Auswirkungen haben. Der Körper bildet in dieser Zeit größere Mengen der Hormone Östrogen und Progesteron aus, die für die Entwicklung des Fötus von entscheidender Bedeutung sind. Der Wert dieser beiden Hormone steigt auf das Dreißigbis Fünfzigfache dessen an, was im Normalzustand gebildet wird. Zusätzlich wird das Hormon Prolaktin vermehrt im Körper ausgeschüttet, welches für die Milchproduktion zuständig ist. Viele Frauen fühlen sich durch die Veränderung des Hormonhaushaltes resistenter gegenüber psychischen und physischen Stress, was auf das Hormon Progesteron zurückzuführen ist, dessen Wirkung einem Antidepressivum gleicht.