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Studienarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Politik - Politisches System Deutschlands, Note: 1,3, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Institut für Politikwissenschaft und Japanologie), Veranstaltung: Aufbaumodul Regierungslehre und Policyforschung, Sprache: Deutsch, Abstract: Was ist noch Aufgabe des Staates? Beleuchtet man diese Frage näher, fällt auf, dass sich seit der Gründung der Bundesrepublik ein grundlegender Wandel im Funktions- und Rollenverständnis des Staates vollzogen hat. Mehr denn je tritt der Staat heute als Dienstleister auf, welcher neben der Sicherung der „freiheitlichen demokratischen Grundrechte“ ebenso das Sozialstaatsprinzip vertritt. Diese soziale Verantwortung dem Bürger gegenüber zeigt sich nicht nur in den stark institutionalisierten monetären Transferleistungen, sondern vor allem auch in der Bereitstellung kollektiver Güter wie Bildungseinrichtungen, Infrastrukturprojekten oder städtebaulichen Maßnahmen. Jedoch gestaltet sich die adäquate Allokation dieser öffentlichen Güter in Zeiten leerer öffentlicher Kassen immer komplizierter. Dabei befördert nicht nur die aktuelle Finanzkrise deutscher Gebietskörperschaften ein Umdenken. Globalisierung, internationale Finanzmarktströme und fortschreitende internationale Interdependenz bei gleichzeitiger Eruption des nationalstaatlichen Regelungsmonopols drängen auf eine Neudefinition der Staatsaufgaben bzw. der Rollenverteilung zwischen Staat und privaten Akteuren, vor allem in den Industrienationen. Eine Variante der Politik die Neudefinition der Rolle des Staates als Hüter öffentlicher Güter zu bewältigen, lautet PPP – Public Private Partnership2. Unter PPP versteht man die Zusammenarbeit von Staat und Privatwirtschaft zur Erfüllung staatlicher Leistungen (vgl. Mirow 1997: S. 16). „Öffentliche Private Partnerschaften (ÖPP) sind ein neuer Weg zur Bereitstellung öffentlicher Leistungen und ein wichtiger Baustein bei der Modernisierung des Staatswesens [...].“ (SPD-Parteitag 2003, Leitantrag aus Rügemer 2008: S. 55).
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Jedoch gestaltet sich die adäquate Allokation dieser öffentlichen Güter in Zeiten leerer öffentlicher Kassen immer komplizierter. Dabei befördert nicht nur die aktuelle Finanzkrise deutscher Gebietskörperschaften ein Umdenken. Globalisierung, internationale Finanzmarktströme und fortschreitende internationale Interdependenz bei gleichzeitiger Eruption des nationalstaatlichen Regelungsmonopols drängen auf eine Neudefinition der Staatsaufgaben bzw. der Rollenverteilung zwischen Staat und privaten Akteuren, vor allem in den Industrienationen.
Eine Variante der Politik die Neudefinition der Rolle des Staates als Hüter öffentlicher Güter zu bewältigen, lautet PPP - Public Private Partnership2. Unter PPP versteht man die Zusammenarbeit von Staat und Privatwirtschaft zur Erfüllung staatlicher Leistungen (vgl. Mirow 1997: S. 16). „Öffentliche Private Partnerschaften (ÖPP) sind ein neuer Weg zur Bereitstellung öffentlicher Leistungen und ein wichtiger Baustein bei der Modernisierung des Staatswesens [...].“ (SPD-Parteitag 2003, Leitantrag aus Rügemer 2008: S. 55).
Dieses aus den USA stammende Prinzip der Kooperation relativiert die klassische Dichotomie von Staat und Markt und ersetzt die Frage „Was ist Aufgabe des Staates?“ durch die Frage „Wie muss der Staat agieren, um das Gemeinwohl effektiv und effizient gestalten
1„Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeiten der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleicheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition“. (Rudzio 2006: S.37)
2Im deutschen Sprachraum auch ÖPP - Öffentlich Private Partnership. Im Folgenden wird für Public Private Partnership ebenso die AbkürzungPPPverwendet.
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zu können?“ (vgl. Mirow 1997: S. 13). Prominent erweisen sich PPP- Projekte in Deutschland zurzeit u.a. im Straßen- und Hochbau, bei kommunalen und nationalen Infrastrukturprojekten, im Gesundheitswesen sowie im Betrieb von Kultureinrichtungen.
Hierbei geht es weniger um eine Reduktion öffentlicher Aufgaben, sondern vielmehr darum, den Staat im Kern handlungsfähig zu erhalten und für die Bereitstellung öffentlicher Güter zu sorgen. Dabei sollen die Produktivitätsfortschritte und das Know-how der Privaten nutzbar gemacht werden für die Erfüllung staatlicher Aufgaben.
Kritiker sehen darin die Aushöhlung des Staates, welcher durch die Partnerschaft mit privaten Akteuren sein Herrschafts- und Verantwortungsmonopol abgibt, zumindest aufweicht. Während der Staat nur seinen Bürgern gegenüber Verantwortung trägt, läge der Fokus privatwirtschaftlicher Akteure auf der eigenen Gewinnmaximierung und nicht auf dem Wohl der Bürger. Zudem schwebt, manchem Kritiker zufolge, das Damokles-Schwert der Verwischung klarer Verantwortlichkeiten und fehlender demokratischer Kontrolle über PPP-Projekten: „Dass bei PPP der Staat noch Wichtiges zu sagen habe, ist [...] rein theoretisch.“ (Rügemer 2008: S. 58).
Somit stellt sich die Frage: Wie müssen PPP-Projekte beschaffen sein um die “Synergie-Effekte“ (Budäus/Grüning 1997: S. 50) für die staatliche Seite zu maximieren und dabei gleichzeitig dem Wohl des Bürgers zu dienen? Wichtig hierfür scheint die Formalisierung und Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen Staat und Privatwirtschaft (vgl. ebd.: S. 51-52). Da es sich bei PPP- Projekten um ein klassisches Verhältnis zwischen Auftraggeber (Staat) und Auftragnehmer (Privatwirtschaft) handelt, bietet sich die Prinzipal-Agent-Theorie3als theoretische Folie zu Untersuchung der Delegationsproblematik an:
„Das kennzeichnende Merkmal dieser Beziehungen ist die Delegation einer Aufgabe oder Zuständigkeit durch einen Auftraggeber (Prinzipal) an einen Auftragnehmer (Agent) in der Erwartung, dass der Agent die ihm zugewiesene Aufgabe oder Zuständigkeit gemäß dem Interesse des Prinzipals erfüllt bzw. wahrnimmt.Prinzipalagent-Beziehungenbasieren auf einem expliziten oder impliziten Vertrag, der einen Agenten dazu ermächtigt und verpflichtet, bestimmte Handlungen an Stelle und im Interesse eines Prinzipals vorzunehmen.“ (Pratt/Zeckhauser 1985: S.2; Göbel 2002: S. 98-99 in Oppermann 2008: S. 77)
3Im Verlauf der Arbeit wird als Synonym die AbkürzungPPA-Theorieverwendet.
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Vor diesem Hintergrund der Delegation genuin staatlicher Leistungen, muss die öffentliche Hand bei der Kooperation mit privatwirtschaftlichen Partnern Sorge dafür tragen, dass Public-Private-Partnership-Projekte im Sinne des Allgemeinwohls formalisiert und durchgesetzt werden. Ziel dieser Arbeit ist es daher, in einem ersten Schritt zu definieren was unter Public Private Partnership zu verstehen ist. Auf Basis dieser Definition und mit Hilfe der Prinzipal-Agent Theorie sollen darauf folgend theoretische Annahmen für die erfolgreiche Formalisierung4von PPP-Projekten, in Form eines Kriterienkatalogs generiert werden. Im nächsten Schritt geht es darum, diese Annahmen anhand zweier empirischer Beispiele5zu überprüfen um abschließend ansatzweise die Frage beantworten zu können, ob und inwieweit Public Private Partnership ein effektives Mittel des Staates zur Realisierung moderner, verantwortungsvoller und kostenreduzierender Wohlfahrtspflege sein kann.
4Die Definition für eine erfolgreiche Zusammenarbeit orientiert sich dabei an der sachgemäßen Erfüllung der vom Prinzipal auf den Agenten übertragenen Aufgaben. In unserem Fall bedeutet dies, dass der Fokus auf staatlicher Seite liegt, da der Staat in PPP-Projekten naturgemäß als Prinzipal auftritt.
5Zum Einen das PPP-Projekt zwischen Bund und dem Konsortium Toll Collect zur Errichtung eines LKW-Maut-Systems. Zum Anderen das PPP-Bundespilotprojekt zu Sanierung von Schulen Kindertagesstätten der Stadt Halle (Saale).
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2. Private Public Partnership
Wie bereits angedeutet, handelt es sich bei dem PPP-Konzept um einen relativ jungen ordnungspolitischen Ansatz, welcher in Deutschland erst seit Ende des 20. Jahrhunderts an Bedeutung für Politik und Wirtschaft gewann. Deshalb ist, im Gegensatz zu den USA, welche auf mehr als 50 Jahre Erfahrung mit PPP zurückblicken kann (vgl. Budäus/Grüning 1997: S. 25), der Erfahrungshintergrund mit der Umsetzung von PPP-Projekten auf Seiten der Handelnden sowie die wissenschaftliche Diskussion über PPP in Politik und Wirtschaft noch sehr begrenzt vorhanden. Allgemein wird unter Public Private Partnership „jede Form öffentlich-privaten Zusammenwirkens [...] die der Bewältigung der anstehenden Problem-und Aufgabenkomplexe unter Berücksichtigung technischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aspekte dienen soll“ (Petra Hartmann zitiert nach Budäus/Grüning 1997: S.48) verstanden. Diese Definition schließt jedoch auch Kooperationsarten ein, die im engeren Sinne nicht als PPP-Projekte gelten können.6Aus diesem Grund ist es sinnvoll eine Begriffserklärung- und Abgrenzung vorzunehmen, um im weiteren Verlauf der Arbeit auf eine inhaltlich und strukturell konsistente Definition von Public Private Partnership zurückgreifen zu können. Zumeist wird PPP im Rahmen der Privatisierungsdiskussion erörtert und unterliegt somit des Öfteren einer ideologisch gefärbten Sichtweise, welche nicht selten zur undifferenzierten Verwendung des Begriffes führt.
In Anlehnung an den Kriterienkatalog von Budäus/Grüning, liegt der Fokus zur Beurteilung eines PPP-Projektes vor allem auf demGrad der Formalisierungsowie demMaß der Zielkomplementarität(vgl. Budäus/Grüning 1997: S. 50-51). Gerade die Qualität der Zielkomplementarität erweist sich als entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zu den üblichen Kooperationsformen zwischen Staat und Privatwirtschaft wie u.a. Contracting-Out. Während beim Contracting-Out private Akteure lediglich an den Einnahmen für die Erbringung einer Leistung im Auftrag der öffentlichen Hand interessiert sind, zeichnen sich PPP-Projekte dadurch aus, dass beide Akteure ein Interesse an einer kontinuierlichen Zusammenarbeit besitzen:
6So verweisen unter anderem Budäus/Grüning darauf, dass es keine allgemeingültige und exakte Definition von PPP gibt, was die wissenschaftlich-korrekte Arbeit mit dem Begriff erschwert. (vgl. Budäus/Grüning 1997: S. 46)
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„Das konstitutive Charakteristikum des PPP-Ansatzes ist [...] der
wertschöpfungsstufenübergreifende Einkauf eines Services durch die öffentliche Hand bei einem privaten Unternehmen, welches als Betreiber bezeichnet wird, anstelle der Beauftragung von Arbeiten auf einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette bzw. der Eigenerstellung durch den öffentlichen Sektor.“ (Becker 2005: S.42)
Längerfristige Kooperationzwischen den staatlichen und privaten Akteuren und eingemeinsam definiertes Zielsind somit die maßgeblichen Charakteristika für die Definition eines Projekts unter PPP-Gesichtspunkten.
Somit ist es nicht verwunderlich, dass der Realisierung von PPP-Projekte eine Reihe von Verhandlungen, Vorüberlegungen, Kalkulationen und Vertragsverhandlungen vorausgehen. Beide Akteure, die öffentliche Hand sowie die Privatwirtschaft, haben naturgemäß Interesse daran, dass ihre Ziele und Forderungen durchgesetzt werden. Der Kooperationsgedanke fußt letztendlich auf dem rationalen Gedanken, dass die spezifisch verfolgten Ziele eines Akteurs, ohne den jeweils Anderen nicht adäquat realisiert werden könnten. Während für die Privaten die langfristige Gewinnaussichten, die Reduzierung von möglichen Risikoinvestitionen sowie die Verbesserung der Public Relations im Vordergrund stehen, versuchen Politik und Verwaltung die Erbringung öffentlicher Leistungen kostenreduzierend und effizient zu gestalten, neue Organisationskapazitäten zu erschließen sowie Know-how zu generieren.