Praxis der Psychologischen Gutachtenerstellung - René T. Proyer - E-Book

Praxis der Psychologischen Gutachtenerstellung E-Book

René T. Proyer

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Beschreibung

Das vorliegende Buch ist für die Lehre und die Praxis verfasst: Davon ausgehend, dass sich ein fachgerechtes Psychologisches Gutachten vor allem durch seine Nachvollziehbarkeit auszeichnet, gibt es klare Richtlinien vor, wie diese erreicht werden kann. Ausgehend von der Fragestellung und dem Deckblatt werden Anforderungen und Hypothesen, die Auswahl diagnostischer Verfahren, das diagnostische Gespräch, die Ergebnisdarstellung in Bezug auf verschiedene Verfahrensklassen, Stellungnahme, Entscheidung und zuletzt Empfehlung (Intervention) thematisiert. Für unterschiedliche Arten psychologisch-diagnostischer Verfahren werden standardisierte Ergebnisdarstellungen vorgeschlagen. Für jeden einzelnen Schritt wird der theoretische Hintergrund gemeinsam mit grundsätzlich zu berücksichtigenden Aspekten und Überlegungen diskutiert und in praktische Handlungsanweisungen umgesetzt. Anhand zahlreicher Beispiele werden typische Fehler und Probleme diskutiert, die dabei auftreten können. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf die Bedeutung unterschiedlicher Informationsquellen im Gutachten gelegt (z.B. Anamnese, Dokumente, Gelegenheitsbeobachtung, Testergebnisse usw.), wie sie gemeinsam dargestellt und integriert werden. Die zweite, vollständig überarbeitete Auflage berücksichtigt unter anderem die aktuelle Diskussion um die Qualitätssicherung Psychologischer Gutachten, liefert Aktualisierungen hinsichtlich geltender Standards und Gutachten und erweitert die Inhalte etwa um die Technik des Interviews.

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Seitenzahl: 281

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Praxis der Psychologischen Gutachtenerstellung

René T. Proyer, Tuulia M. Ortner

Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Psychologie:

Prof. Dr. Guy Bodenmann, Zürich; Prof. Dr. Lutz Jäncke, Zürich; Prof. Dr. Franz Petermann, Bremen; Prof. Dr. Astrid Schütz, Bamberg; Prof. Dr. Markus Wirtz, Freiburg i. Br.

René T. ProyerTuulia M. Ortner

Praxis der Psychologischen Gutachtenerstellung

Schritte vom Deckblatt bis zum Anhang

2., überarbeitete Auflage

PD Dr. René Proyer

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Abteilung Differentielle Psychologie und Psychologische Diagnostik

Emil-Abderhalden-Str. 26–27

06108 Halle (Saale)

Deutschland

[email protected]

Univ.-Prof. Dr. Tuulia M. Ortner

Universität Salzburg

Abteilung Psychologische Diagnostik

Hellbrunnerstraße 34

5020 Salzburg

Österreich

[email protected]

Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Kopien und Vervielfältigungen zu Lehr- und Unterrichtszwecken, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Psychologie

Länggass-Strasse 76

3000 Bern 9

Schweiz

Tel: +41 31 300 45 00

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.hogrefe.ch

Lektorat: Dr. Susanne Lauri

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung / Umschlag: Claude Borer, Riehen

Satz: Claudia Wild, Konstanz

Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co., Göttingen

Printed in Germany

2., überarbeitete Auflage 2017

© 2010 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

© 2017 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-95755-5)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-75755-1)

ISBN 978-3-456-85755-8

http://doi.org/10.1024/85755-000

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Anmerkung

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur 2. Auflage
Vorwort zur 1. Auflage
1. Grundlagen
2. Formaler Aufbau eines Gutachtens
3. Das Deckblatt
3.1 Der zentrale Ausgangspunkt: Die Fragestellung
4. Der bisherige Sachverhalt
5. Hypothesen und Anforderungen
5.1 Das Anforderungsprofil
6. Auswahl und Beschreibung der eingesetzten psychologisch-diagnostischen Verfahren
6.1. Beispiel zur Operationalisierbarkeit gegebener Anforderungen
7. Das diagnostische Gespräch und seine Darstellung
8. Darstellung von Testergebnissen
8.1. Ergebnisdarstellung bei Leistungstests: Allgemeine Hinweise und ein Beispiel
8.2. Ergebnisdarstellung bei Persönlichkeitsfragebogen: Allgemeine Hinweise und ein Beispiel
8.3 Ergebnisdarstellung bei Objektiven Persönlichkeitstests: Allgemeine Hinweise
8.4 Ergebnisdarstellung bei Semiprojektiven Verfahren
8.5 Ergebnisdarstellung bei Nonverbalen diagnostischen Verfahren
8.6. Ergebnisdarstellung bei Projektiven Verfahren
9. Gelegenheitsbeobachtung und ihre Darstellung
10. Zusammenfassung der Ergebnisse
11. Stellungnahme und Entscheidung
12. Empfehlung (Interventions-/Maßnahmenvorschlag)
13. Zusatz und Anhang
14. Zusammenfassung
Anhang
Gütekriterien Psychologischer Gutachten
Literaturverzeichnis
Sachwortverzeichnis
Nützliche Seiten im Internet (Auswahl)
Die Autoren

Vorwort zur 2. Auflage

Seit dem Erscheinen der ersten Auflage sind nur wenige Jahre vergangen. In unterschiedlichen Bereichen waren inzwischen vielversprechende Initiativen mit dem Ziel der Steigerung der Qualität Psychologischer Begutachtungen und Psychologischer Gutachten zu verzeichnen. Die wichtigste Entwicklung stellt die Verabschiedung der neuen „DIN 33430: Anforderungen an berufsbezogene Eignungsdiagnostik“ (2016) dar. Die Norm thematisiert Qualitätskriterien und Standards für die berufsbezogene Eignungsdiagnostik, die Anwendungsfelder liegen vornehmlich im Personalbereich und der Berufs- und Studienwahl. Dennoch wird wie in der vorangehenden Version der gesamte Prozess der Eignungsdiagnostik adressiert und es lassen sich zahlreiche der Hinweise auf sämtliche Bereiche der Psychologischen Diagnostik übertragen. In diesem Sinne haben wir auch diese Neuauflage um einige Kommentare zur neuen DIN ergänzt. Darüber hinaus erließ beispielsweise das österreichische Bundesministerium für Gesundheit 2012 eine „Richtlinie für die Erstellung von klinisch-psychologischen und gesundheitspsychologischen Befunden und Gutachten“1 und eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe juristischer, psychologischer und medizinischer Verbände erließ 2015 „Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht“2. Diese Beispiele zeigen deutlich das gesteigerte Qualitätsbewusstsein sowie das Bestreben, Qualitätsmerkmale transparent zu machen.

Diese Entwicklungen zur Verbesserung der Qualität von Gutachten sind sehr zu begrüßen. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass sich Psychologinnen und Psychologen in vielen Tätigkeitsbereichen mit konkurrierenden Angeboten messen müssen, die aus anderen Disziplinen kommen und gegebenenfalls anderen Standards unterliegen. Bemühungen der Standardisierung und Unterstützung bei der Erhöhung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit dienen nicht nur Begutachteten, Auftraggeberinnen und Auftraggebern, sondern auch den Psychologinnen und Psychologen, die Gutachten erstellen. Sie können auch dazu beitragen, den diagnostischen Prozess und seine Dokumentation in seiner engen Verknüpfung an die aktuelle Wissenschaft und ihre Erkenntnisse zu verstehen und den Fokus auf die notwendige entsprechende Ausbildung von Gutachterinnen und Gutachtern zu legen.

Unseren Kolleginnen und Kollegen in der Lehre zur Psychologischen Diagnostik wünschen wir bei der Vermittlung dieser Inhalte viel Erfolg. Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert, der Ausbildung in der Psychologischen Diagnostik im Allgemeinen und der Psychologischen Gutachtenerstellung im Speziellen in den bestehenden Ausbildungsprogrammen und Studienplänen mehr Raum zu geben. Dies betrifft insbesondere auch Lehrveranstaltungen mit günstigem Studierende-Lehrende-Betreuungsschlüssel, in denen Kompetenzen unter Supervision geschult und vermittelt werden.

Unser Bestreben ist auch in der 2. Auflage, einen praktischen Leitfaden für die Gutachtenerstellung zur Verfügung zu stellen. Natürlich ist es schwer, alle potentiell auftretenden Fragen und Herausforderungen zu antizipieren. Rückmeldungen zur ersten Auflage haben uns geholfen, die Schwerpunktsetzung zu verbessern und jene Bereiche zu identifizieren, in denen weitere Beispiele bestehender Gutachten häufig auftretende Probleme verdeutlichen können.

Wir haben den Aufbau des Buches aus der ersten Auflage beibehalten und Teile ergänzt. Im Speziellen waren wir darum bemüht, nicht nur Beispiele von Tests zu aktualisieren, sondern auch neue, uns wichtig erscheinende Aspekte anhand von Beispielen aus uns vorliegenden Psychologischen Gutachten zu kommentieren und zu diskutieren und dort zu ergänzen, wo die erste Auflage nicht ins Detail gegangen ist. Entsprechend der Rückmeldungen haben wir uns daher vor allem bemüht, Kapitel 11 (Stellungnahme und Entscheidung) zu ergänzen. Wir freuen uns auch bei dieser zweiten Auflage über Anmerkungen, Kritik und Hinweise, die zur Verbesserung dieses Buches führen.

Wir bedanken uns bei Jasmin Buchberger und Verena Eberle für ihre Unterstützung bei der Recherche für die Neuauflage und wir danken Freya Gruber für die wertvollen Hinweise zur Überarbeitung.

René Proyer und Tuulia Ortner

(Halle/Saale und Salzburg, 2017)

Vorwort zur 1. Auflage

Dieses Buch basiert überwiegend auf den Erkenntnissen und Erfahrungen, welche wir während unseres eigenen Studiums sowie später in der Zeit als Lehrende am Lehrstuhl für Psychologische Diagnostik an der Wiener Fakultät für Psychologie gesammelt haben. Die Ausbildung in Psychologischer Diagnostik in Wien basiert auf dem Ausbildungskonzept von Klaus Kubinger. Der Studienplan sieht mehrere Ausbildungsstufen vor und kann hinsichtlich der vermittelten Pflichtinhalte sowie an Möglichkeiten zur fachlichen Spezialisierung im deutschsprachigen Raum als einmalig bezeichnet werden: Die Studierenden der Fakultät für Psychologie in Wien fassen dabei bis zum Studienabschluss sechs vollständige Psychologische Gutachten ab. Je zwei Gutachten werden in den allgemeinen Bereichen Leistungs- bzw. Persönlichkeitsdiagnostik abgefasst. Zwei weitere entstehen auf den darauf erworbenen Kenntnissen aufbauend in Praxisseminaren, in der Regel bei der Bearbeitung von Echtfällen (z.B. Eignungsauswahl, Begutachtungen Arbeitssuchender, Neuropsychologische Patienten, Familiendiagnostik). Das vorgelegte Buch soll die verschiedenen Schritte bei der Abfassung Psychologischer Gutachten beleuchten, konkrete Handlungsmöglichkeiten beschreiben und typische Probleme, die Studierende bei der Erstellung von Gutachten berichtet haben, aufgreifen und Lösungsmöglichkeiten anbieten.

Auf dem Buchmarkt existieren bereits sehr empfehlenswerte Bücher zur Erstellung Psychologischer Gutachten. Das Ziel dieses neuen Buchs ist es nicht, die bestehenden Werke zu diesem Thema zu ersetzen. Wir verstehen dieses Buch als praktische Ergänzung zur bestehenden Literatur. Empfehlen möchten wir als Grundlage für die Abfassung das Buch Psychologische Gutachten schreiben und beurteilen von Karl Westhoff und Marie-Luise Kluck (2014). Viele praktische Hinweise zum diagnostischen Prozess und zur Gutachtenerstellung finden sich auch bei Klaus D. Kubinger (Einführung in die Praxis Psychologischen Diagnostizierens, 20063). Grundlagen der Gutachtenerstellung im forensischen Bereich, Merkmale diagnostischer Fragestellungen sowie detaillierte Hinweise zur Gliederung aus rechtspsychologischer Sicht werden von Berndt Zuschlag (2002) in Das Gutachten des Sachverständigen beschrieben (s.a. Ackerman, 2006). Die Motivation das vorliegende Buch, welches einige Jahre Studierenden der Universität Wien und Zürich als Skriptum zur Verfügung stand, zu veröffentlichen, entstand durch immer wiederkehrende spannende praktische Fragen von Studierenden, die in der bisher bestehenden Literatur nicht oder nur am Rande behandelt werden.

Dieses Buch soll einen praktischen Leitfaden für die Erstellung psychologischer Gutachten darstellen. Neben formalen Hinweisen finden sich zahlreiche Beispiele aus studentischen Gutachten oder aus Gutachten von Psychologinnen und Psychologen aus der diagnostischen Praxis. Ein Ziel ist es, anhand dieser Beispiele eine möglichst anschauliche Darstellung zu erreichen. Darüber hinaus wird auch der Versuch unternommen, allgemeine Schemata zu entwickeln anhand derer die Ergebnisdarstellung von beliebigen, hier in diesem Buch nicht genannten, psychologisch-diagnostischen Verfahren ermöglicht werden soll. Der psychologisch-diagnostische Prozess, der hinter der Erstellung eines Gutachtens steht, wird von der Erstellung des Deckblatts bis zur Ableitung von Maßnahmenvorschlägen demonstriert. Der Aufbau des Buches folgt dabei weitgehend dem eines psychologischen Gutachtens.

Einführend geben wir eine kurze Definition Psychologischer Gutachten und umreißen die üblichen Rahmenbedingungen und die Funktion von Begutachtungen.

Unsere Schwerpunkte setzen wir in folgenden Bereichen: Ausgehend von allgemeinen Grundlagen und Überlegungen zu psychologisch-diagnostischen Fragestellungen wird auf die Gestaltung des Deckblatts (Kap. 3), die Darstellung des bisherigen Sachverhalts (Kap. 4) und auf die Formulierung von Hypothesen und Anforderungen (Kap. 5) eingegangen. Daran schließen Überlegungen zur Auswahl und Hinweise zur Beschreibung der eingesetzten psychologisch-diagnostischen Verfahren im Gutachten (Kap. 6) mit einem Beispiel zur Operationalisierbarkeit gegebener Anforderungen an. Die Darstellung eines diagnostischen Gesprächs (Kap. 7) sowie die Darstellung von Testergebnissen, Fragebogendaten und Ergebnissen aus weiteren Verfahren (Kap. 8) werden anschließend behandelt. In den darauf folgenden Abschnitten werden die Gelegenheitsbeobachtung und ihre Darstellung im Gutachten diskutiert (Kap. 9). Es folgen Ausführungen zur Zusammenfassung der Ergebnisse (Kap. 10), zur Stellungnahme und Entscheidung (Kap. 11), sowie Empfehlungen für die Rückmeldung und Interventions- bzw. Maßnahmenvorschläge (Kap. 12). Informationen zum Zusatz sowie zu Anhängen finden sich in Kapitel 13.

Bei den Vorschlägen, die wir für die konkrete Erstellung Psychologischer Gutachten geben, ist zu betonen, dass der dargestellte Weg sicherlich nicht der einzige mögliche und fachlich richtige Weg ist, Gutachten abzufassen. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, Informationen sachlich richtig und nachvollziehbar darzustellen und zu gliedern.

Im vorliegenden Buch werden an verschiedenen Stellen Ausschnitte aus Gutachten wiedergegeben, die von Studierenden erstellt wurden. Selbstverständlich sind dabei alle personenbezogenen Angaben anonymisiert. Wir legen großen Wert auf die Feststellung, dass die Wiedergabe der Zitate ausschließlich aus didaktischen Gründen erfolgt und keinesfalls, um Studierende in irgendeiner Art und Weise „vorzuführen“. Im Gegenteil sei an dieser Stelle der große Respekt vor den überwiegend sehr guten Leistungen der Studierenden in verschiedenen Seminaren zum Ausdruck gebracht, im Rahmen derer die Gutachten entstanden sind, aus denen hier zitiert wird. In großer Mehrheit bewältigen die Studierenden die komplexe und anspruchsvolle Aufgabe, ein erstes eigenes Gutachten zu verfassen, mit großem Engagement, Interesse und Erfolg. Dass dabei Fehler passieren ist selbstverständlich und trägt (nach erfolgter Rückmeldung) zum eigenen Lernen und durch Wiedergabe in Lehrveranstaltungen oder Büchern auch zum Lernerfolg anderer bei. Somit sei den Studierenden an dieser Stelle auch ausdrücklich ein Lob ausgesprochen!

Wir bedanken uns bei Frau Mag. Isabella Vormittag und Frau Eva Weißkopf für hilfreiche Hinweise und sorgfältiges Korrekturlesen. Ausserdem danken wir Stephanie Estoppey, Rahel Flisch und Noah Savary für ihre Unterstützung bei der Fertigstellung des Manuskripts.

Wir freuen uns über Anmerkungen, Kritik und Hinweise, die zur Verbesserung dieses Buches führen.

René Proyer und Tuulia Ortner

(Zürich und Berlin, 2009)

2. Formaler Aufbau eines Gutachtens

Ein einheitlicher formaler Aufbau des psychologisch-diagnostischen Gutachtens erfüllt verschiedene Funktionen: Er gewährleistet 1), dass nichts Relevantes vergessen wird; 2) erleichtert ein logischer Aufbau die Nachvollziehbarkeit des Gutachtens; und 3) ermöglicht er Leserinnen und Lesern, die sich an einem Standardaufbau orientieren, Informationen rasch und gezielt zu finden. Ein standardisierter Aufbau hilft auch bei der Ergebnisrückmeldung, da diese dann ebenfalls entsprechend strukturiert werden kann. Die Empfehlungen (Entscheidungen, Interventionen, Maßnahmenvorschläge) ergeben sich für die ratsuchende Person dann aus den zuvor berichteten Teilen des psychologisch-diagnostischen Prozesses.

Grundsätzlich ergibt sich der Aufbau logisch aus der hypothesengeleiteten Fallbearbeitung. Als Faustregel gilt, dass die Reihenfolge der Elemente im Gutachten von der Nachvollziehbarkeit bestimmt wird: Aus der Tatsache, dass etwa aus dem Anforderungsprofil Fragen in der Anamnese und in der Exploration resultieren, kann argumentiert werden, dass es bereits vor der Anamnese formuliert werden soll. Die Darstellung der Informationen aus der Anamnese sollte im Gutachten daher auch erst nach der Beschreibung des Anforderungsprofils erfolgen. Es empfiehlt sich in der Regel folgender Aufbau als Gerüst für die Erstellung psychologischer Gutachten (dieser kann aus inhaltlichen Gründen modifiziert werden):

Deckblatt (auch: Titelseite)(Bisheriger) Sachverhalt (auch: Vorgeschichte, Anlass)Anforderungsprofil bzw. psychologische HypothesenEingesetzte Verfahren bzw. InformationsquellenAnamnese, Exploration, InterviewErgebnisdarstellung (auch: Untersuchungsbericht, Befunde)GelegenheitsbeobachtungZusammenfassung der ErgebnisseStellungnahme („Interpretation“) und EntscheidungEmpfehlungUnterschrift des Gutachters/der GutachterinZusatz und Anhang

Ob dieser Aufbau durch Unterkapitel oder ggf. durch zusätzliche Kapitel ergänzt wird, ist von Fall zu Fall zu entscheiden und hängt sowohl von sachlich-inhaltlichen Merkmalen des behandelten Falls, als auch vom persönlichen Stil ab. Dennoch gilt, dass die genannten Punkte in jedem Fall abgedeckt sein müssen. Hinweise zum Aufbau von Gutachten finden sich (mit Schwerpunkt auf Sachverständigengutachten) bei Zuschlag (2002), außerdem bei Amelang und Schmidt-Atzert (2006), Fisseni (2004), und Boerner (2010).

Neben dem Einhalten formaler Standards hat der Aufbau auch eine inhaltliche Bedeutung, die sich am Schema des psychologisch-diagnostischen Prozesses nach Jäger (2003b; s.a. Jäger, 1978) orientiert. Vereinfacht formuliert geht es darum, nach der Auswahl einer geeigneten (das ist eine psychologische!) Fragestellung, wissenschaftlich fundierte Hypothesen abzuleiten, die einen Beitrag zur Klärung der Fragestellung leisten können. Am Ende des Prozesses steht dann die Rückmeldung von Interventions- und Maßnahmenvorschlägen an die Person, die den Auftrag zur Begutachtung vergeben hatte (vgl. dazu auch ausführlicher Kaminski, 1970).

Schon zu Beginn des psychologisch-diagnostischen Prozesses zeigt sich also die zentrale Bedeutung psychologischen Grundlagenwissens. Als Faustregel gilt: Je mehr Fachwissen Gutachter hinsichtlich eines Fachgebietes besitzen, desto mehr Arbeitshypothesen können sie formulieren und systematisch prüfen. Betrachten wir das anhand eines Beispiels: Ein Vater stellt seinen neunjährigen Sohn bei einer Erziehungsberatungsstelle wegen einer Konzentrationsstörung vor: Nur wenn alle möglichen psychologischen und medizinisch-körperlichen Bedingungsfaktoren für das Auftreten von Konzentrationsstörungen (bei einem neunjährigen Jungen) bekannt sind, können diese als Hypothesen formuliert und bei der Begutachtung gezielt unter Einsatz geeigneter Methoden untersucht werden. Grundsätzlich ist es zunächst möglich, dass die Eltern etwas anderes meinen, wenn sie von Konzentration sprechen, als das, was üblicherweise in der Psychologie unter dem Begriff „Konzentration“ verstanden wird. Als Konzentration wird aus psychologischer Sicht die Fähigkeit beschrieben, unter Bedingungen schnell und genau zu arbeiten, die das Erbringen einer kognitiven Leistung normalerweise erschweren (Schmidt-Atzert, Büttner, & Bühner, 2004) oder auch, „[…] die absichtvolle nicht automatisierte Koordination von Handlungsteilen und deren kontrollierter Ausführung“ (Hagemeister & Westhoff, 2011, S. 54).

Folgende Bedingungen könnten beispielhaft für die oben beschriebene Fragestellung als Hypothesen in Betracht gezogen werden: Körperliche Bedingungen, wie eine zentralnervöse Erkrankung (z.B. als Folge bakterieller Komplikationen), Hirnfunktionsstörung (z.B. durch einen Gehirntumor), zerebrale Schädigung als Folge eines Unfalls, Schlafmangel (auch durch situative Bedingungen z.B. verkehrsbezogene Lage des Schlafzimmers; durch physische Erkrankung, z.B. der Schilddrüse), Bewegungsmangel, Ungleichgewichteim Hormon- oder Mineralstoffhaushalt, Unverträglichkeiten, oder aber auch Einschränkungen der Sehkraft können fehlgedeutet werden.

Situative Bedingungen, wie zeitlich-situative Bedingungsfaktoren mit Einfluss auf die Arbeitsleistung (z.B. Bearbeitung von Hausaufgaben am späten Abend), räumlich-situative Bedingungsfaktoren (schlechte Lichtverhältnisse, Arbeiten bei laufendem Radio bzw. eingeschaltetem Fernseher) oder Behinderung konzentrierten Arbeitens durch Geschwister bzw. andere Kinder (kein eigener Arbeitsplatz zu Hause, Ablenkung und Störung in der Schule).

Psychische Bedingungen im engeren Sinne, die zu einer Einschränkung des Konzentrationsvermögens führen, können sich ergeben durch familiäre Belastungssituationen oder ein psychisches Trauma (z.B. psychische Erkrankung eines Elternteils oder schwierige Scheidung der Eltern), schulische Belastungssituation durch Peers oder Lehrende (z.B. Mobbing), schulische Belastungssituation durch Leistungsanforderungen (z.B. Über- oder Unterforderung, Teilleistungsstörung), sekundärer Krankheitsgewinn (z.B. Bestrafung der Eltern durch schlechte Noten), Persönlichkeit (z.B. Ängstlichkeit) bzw. Stabilisierung des Verhaltens durch Verstärkung (z.B. verstärkte Zuwendung durch Lehrpersonal und Eltern bei Schwierigkeiten). Letztlich müsste auch in Betracht gezogen und ausgeschlossen werden, dass eine unterdurchschnittliche Konzentrationsleistung simuliert oder aggraviert (d.h. verstärkt zur Schau gestellt) wird (z.B. um mehr Zuwendung von den Eltern zu erhalten oder um ansteigende schulische Leistungen zu vermeiden).

Es ist also relevant zu wissen, seit wann und bei welcher Gelegenheit (beim Hausaufgabenmachen? Bei Prüfungen? Im Unterricht?) sich wie und unter welchen Bedingungen das vom Vater als „Konzentrationsstörung“ beschriebene Verhalten zeigt. Wichtig für die Abklärung eines möglichen „Konzentrationsproblems“ ist es überdies herauszufinden, um welche Form von Aufmerksamkeit bzw. Konzentration es sich handelt: Ob es um Informationsaufnahme oder Aufrechterhalten des Aktivierungsniveaus geht, um selektive oder geteilte Aufmerksamkeit, Ausblenden oder Aufnahme von Reizen. Ob eine Aufgabe häufiges Reagieren erfordert, die Aufgabe monoton ist und wie lange eine Aufgabe dauert, bei der es Schwierigkeiten gibt. Überdies kann es relevant sein, zu wissen ob es sich um Probleme handelt, die sich im Arbeitstempo niederschlagen, in der Reaktionszeit oder in der Anzahl der Fehler. Alle diese Fragen grenzen die Fragestellung aus psychologischer Sicht weiter ein, geben Auskunft, um welche Art der Aufmerksamkeits- bzw. Konzentrationsstörung es sich handelt, und lassen Hinweise darauf zu, welche Hypothesen als Ursache in Betracht gezogen werden müssen.

Jene Hypothesen, die sich auf körperliche Ursachen beziehen, werden nicht im Rahmen einer psychologischen Begutachtung untersucht. Eine medizinische Abklärung erfolgt in diesem Fall in der Regel vor der psychologischen Begutachtung (s. Abschnitt „Bisheriger Sachverhalt“, Kap. 4).