Praxisbuch Handarbeit - Arlette Magiera - E-Book

Praxisbuch Handarbeit E-Book

Arlette Magiera

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Beschreibung

Pferde an der Hand auszubilden ist eine bewährte und schon sehr alte Ausbildungsmethode. Früher nutzte man sie primär, um das Pferd auf seine späteren Aufgaben unterm Sattel vorzubereiten. Viele klassische Reitmeister vertraten sogar die Auffassung, man solle ein Pferd erst dann besteigen, wenn alle Lektionen zumindest ansatzweise an der Hand sicher abgefragt werden können. Die Vorteile dieses Trainings liegen auf der Hand: Ohne Reitergewicht findet ein Pferd schneller seine Balance und lernt Lektionen müheloser. Reiterfehler, die das Lernen möglicherweise erschweren, sind ausgeschaltet und der Ausbilder hat eine ausgezeichnete optische Kontrolle darüber, wie das Pferd die gefragte Lektion ausführt. Gerade für weniger routinierte Reiter ist dies ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Denn die Arbeit an der Hand schult nicht nur das Auge des Menschen, sondern auch sein Gefühl für möglicherweise bestehende Widerstände im Pferdekörper. Das Erarbeiten der Lektionen unterm Sattel wird deutlich vereinfacht, vorausgesetzt, man nutzt in der Handarbeit solche Signale, die sich später auch in den Sattel übertragen lassen. Doch die Arbeit des Pferdes an der Hand vermag noch deutlich mehr als bloßes Lektionenpauken. Sie leistet wichtige Dienste bei der Rehabilitierung verletzter Pferde, die wieder langsam ans Training herangeführt werden sollen und hält ältere Pferde, deren Reitkarriere sich dem Ende zuneigt, weiterhin fit und geschmeidig. Gerade Pferdesenioren wollen oftmals nicht abrupt in den Ruhestand geschickt werden, sondern freuen sich über eine auf ihre Möglichkeiten angepasste Gymnastik.

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(Foto: C. Bachert)

Arlette Magiera

PRAXISBUCHHANDARBEIT

Vom Führen bis zur Piaffe

Titelbild: Caroline Bachert

Die Autorin, der Verlag und alle anderen an diesem Buch direkt oder indirekt beteiligten Personen lehnen für Unfälle oder Schäden jeder Art, die aus den in diesem Buch dargestellten Übungen entstehen können, jegliche Haftung ab. Achten Sie immer auf die entsprechende Sicherheitsausrüstung für sich selbst. Tragen Sie bei der Bodenarbeit Handschuhe und feste Schuhe.

Impressum

Copyright © 2018 by Cadmos Verlag, München

Titelgestaltung und Layout: ravenstein2.de

Fotos: Caroline Bachert, Lina Börner, Arlette Magiera

Lektorat: Maren Müller

Druck: Graspo CZ, a.s., Zlín

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

Printed in Czech Republic

ISBN: 978-3-8404-1532-6

eISBN: 978-3-8404-6462-1

INHALT

Einleitung

Vorbereitende Bodenarbeit

Ausrüstung

Körpersprache

Konkrete Übungen

Grundlagen der klassischen Handarbeit

Ziele

Ausbildungsprinzipien

Ausrüstung

Basisübungen im Halten

Biegen im Halten am Kappzaum

Abkauübungen auf Trense

Vermitteln der Touchierpunkte

Die Führpositionen und erste Übungen in der Bewegung

Führen von vorn

Führen von innen

Führen von innen mit Abstand

Führen von außen

Rückwärts

Untertreten

Seitwärtsbewegungen

Übertreten

Schulterherein

Travers

Traversale

Renvers

Übungen für Könner

Pirouetten

Halbe Tritte und Piaffe

Paradenarbeit

Einhändige Zügelführung

Vorbereitung

Voran auf einer Spur

Einhändiges Führen in den Lektionen

Anhang

Danksagung

Über die im Buch gezeigten Pferde

Stichwortregister

(Foto: C. Bachert)

(Foto: C. Bachert)

EINLEITUNG

Noch bis ins 20. Jahrhundert war es für gute Ausbilder selbstverständlich, ein Pferd nicht nur unter dem Sattel zu schulen, sondern auch an der Hand. Als der Schwerpunkt bei der Pferdeausbildung sich jedoch nach und nach dahingehend veränderte, möglichst zeitsparend viele Pferde für den Militärgebrauch vorzubereiten, verlor dieser Teilbereich zunehmend an Bedeutung und das Reiten stand im Mittelpunkt. Selbst heute noch wird in konventionellen Reitschulen kaum etwas anderes angeboten als Reitunterricht. Vielleicht ist das der Grund, warum die Arbeit an der Hand oft belächelt wird und ein negatives Image hat. Viele betrachten sie als Spielerei für Menschen, die nicht reiten können, oder für Pferde, die nicht (mehr) fürs Gerittenwerden taugen. Damit tut man ihr jedoch in hohem Maß unrecht und glücklicherweise geht der Trend wieder dahin, sich auf andere Weise als ausschließlich beim Reiten mit dem Pferd zu befassen.

Es ist richtig, dass einige sich gerade deswegen für die Handarbeit interessieren, weil sie nicht mit überragendem Talent im Sattel gesegnet sind und auch nicht in langer, mühevoller Arbeit die entsprechenden Fähigkeiten schulen möchten. Nicht jeder ist der geborene Balletttänzer. So mancher wird es auch nach jahrelangem engagierten Training nicht schaffen, eine künstlerisch wertvolle Episode aus Schwanensee zu tanzen, selbst wenn er sich mit aller Kraft bemüht und an sich arbeitet. Das ist beim Reiten nicht anders. Daher ist auch nichts Verwerfliches daran, wenn jemand sich dafür entscheidet, sein Pferd am Boden sinnvoll zu trainieren und im Sattel ausschließlich ins Gelände zu bummeln. Das ist allemal besser, als das Pferd durch jahrelange schlechte Reiterei zu verschleißen.

Gerade der Aspekt des vorzeitigen Verschleißes ist heute nicht unbedeutend, denn üblicherweise hat man nur ein Pferd zur Verfügung. Verletzt sich dieses oder wird es aus anderen Gründen unreitbar, kann und will man meistens nicht sofort auf ein neues zurückgreifen. Man ist emotional mit dem Tier verbunden und möchte ihm auch abseits des Reitpferdealltags ein gutes Leben ermöglichen. Gesundheitsschonende Trainingsmethoden sind daher so gefragt wie nie zuvor. Genau hier kann die Handarbeit wertvolle Dienste leisten. Ihr Nutzen geht aber noch weit über das Beschäftigen eines unreitbaren Pferdes hinaus. Dieses Buch soll zeigen, wann und wie man sie sinnvoll einsetzen kann. Ein strukturierter Trainingsaufbau und immer anspruchsvollere Übungen ermöglichen es Mensch und Pferd, ihre Fähigkeiten Schritt für Schritt zu entwickeln und vielleicht schon bald Lektionen zu erarbeiten, von denen man im Sattel nie zu träumen gewagt hätte.

Arbeit an der Hand macht Spaß und ist kein stupides Neben-dem-Pferd-Herlaufen. Genau das möchte ich vermitteln.

Viel Freude und Erfolg bei der Umsetzung!

(Foto: C. Bachert)

VORBEREITENDE BODENARBEIT

In jeder Reitweise, sei es nun klassisch-barock, traditionell oder Western, ist es üblich, ein Pferd in irgendeiner Form am Boden zu trainieren, meistens, um es auf das Gerittenwerden vorzubereiten. Als Basis für die klassische Handarbeit ist die Bodenarbeit jedoch ebenso wertvoll. Pferd und Mensch müssen erst eine gemeinsame Kommunikationsform entwickeln, damit das Pferd die Anfragen des Menschen verstehen und der Mensch umgekehrt die Signale und Reaktionen des Pferdes deuten kann. Für eine konstruktive Lernatmosphäre ist es wichtig, dass das Pferd Vertrauen zum Menschen aufbaut. Ähnlich wie Kinder in der Schule lernen Pferde am besten, wenn sie keine Angst vor dem Lehrer oder seinen Reaktionen haben, ihn jedoch trotzdem als Autoritätsperson respektieren.

Damit sinnvolles Training möglich ist, wird also ein gewisses Maß an Erziehung und Grundgehorsam benötigt. Dazu gehört das Beherrschen verschiedener Übungen, die den alltäglichen Umgang erleichtern. Ein Pferd, das sich nicht beliebig anhalten und losschicken lässt oder dem Menschen nicht auf Anfrage weicht, bereitet wenig Freude. Zudem werden Schwierigkeiten bei solch simplen Aufgaben die weitere Ausbildung immer wieder stören. Die Bodenarbeit leistet auf diesem Gebiet hervorragende Dienste. Mensch und Pferd lernen sich dabei kennen und lesen.

So können sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen und eine klare Kommunikation etablieren – das ist der Grundstein für jede sich anschließende Ausbildung.

Wichtig!

Was linksherum gut klappt, funktioniert rechtsherum noch lange nicht. Man sollte daher von Anfang an großen Wert darauf legen, alle Übungen von beiden Seiten abzufragen. Dadurch wird eine solide Basis für die klassische Handarbeit geschaffen.

AUSRÜSTUNG

Häufig werden für die Bodenarbeit ein Knotenhalfter und ein Bodenarbeitsstick genutzt, was auch absolut in Ordnung ist. Das Knotenhalfter ist ein gutes Werkzeug, sofern es mit der entsprechenden Sensibilität eingesetzt wird.

Im Hinblick auf die später angestrebte klassische Arbeit an der Hand ist es jedoch ebenfalls gut möglich, die hier beschriebenen Basisübungen der Bodenarbeit am Kappzaum mit im mittleren Ring eingehaktem Führstrick und mit einer Gerte zu trainieren. So lernt das Pferd bereits den Kappzaum kennen und der Mensch bekommt Routine im Umgang mit dem Equipment.

Die Vorteile des Kappzaums gegenüber dem Knotenhalfter sind dessen präzisere Passform und die Möglichkeit, mitten auf der Nase einzuwirken, also auf der Mitte der Längsachse des Pferdes. So kann der Kopf leichter und genauer geführt werden.

KÖRPERSPRACHE

Unabhängig davon, für welche Ausrüstungsgegenstände man sich entscheidet, ist die elementare Hilfe bei der Bodenarbeit die Körpersprache des Menschen. Pferde sind es gewohnt, die Körpersprache ihres Gegenübers zu beobachten, zu deuten und entsprechend darauf zu reagieren. Sie registrieren daher auch sofort, wenn jemand unsicher ist oder die Körpersprache nicht zu den übrigen Signalen passt. Der Mensch hingegen kommuniziert eher verbal und hat oftmals Schwierigkeiten, seine Körpersprache gezielt, eindeutig und verständlich einzusetzen. Dies ist der Grund für viele Probleme im Umgang mit dem Pferd. Der Mensch gibt widersprüchliche Hilfen und bringt das Pferd dadurch in das Dilemma entscheiden zu müssen, welche der Signale es nun befolgt und welche es ignoriert. Das führt bei manchen Pferden zu Frustration oder sogar Aggression. Andere stumpfen mit der Zeit ab, da sie gelernt haben, dass ein Großteil der Zeichen des Menschen für sie ohnehin nicht von Belang ist. Der Mensch hingegen ärgert sich über das in seinen Augen unwillige oder büffelige Pferd, das einfach nicht macht, was es soll. Das ist keine gute Basis für ein konstruktives Miteinander und ein gutes Arbeitsklima!

Es ist daher sehr wichtig, dass sich der Mensch bereits bei der Bodenarbeit eine eindeutige Körpersprache aneignet und diese verinnerlicht. Nur so wird es ihm später bei der Handarbeit gelingen, den Pferdekörper entsprechend zu formen. Wer hingegen schon seinen eigenen Körper nicht unter Kontrolle hat, der wird kaum einen 600 Kilo schweren Pferdekörper kontrollieren und präzise leiten können.

Das innere Bild

Eine entscheidende Rolle bei der Erarbeitung der nötigen Routine spielt das innere Bild. Der Mensch muss sich klar darüber sein, was genau er vom Pferd erwartet. Man braucht einen Plan und formuliert sozusagen im Kopf einen an das Pferd gerichteten Satz. Hierbei spielt die genaue Aussage eine bedeutende Rolle. Es macht für das Pferd durchaus einen Unterschied, ob der Mensch beispielsweise beim Rückwärtsrichten ein klares „Geh zurück!“ im Kopf hat oder eher ein „Könntest du wohl vielleicht bitte zurückgehen?“. Stellt man sich dazu noch die entsprechende Körperhaltung vor, kann man sich leicht denken, wie das Pferd jeweils reagieren wird. Bei einem sehr höflichen Pferd mag auch die zweite Variante reichen. Ein etwas robusteres Pferd wird darauf aber möglicherweise gar nicht oder nur sehr zögerlich reagieren und ein anderes Pferd antwortet im übertragenen Sinn möglicherweise sogar mit einem deutlichen „Nein, geh du doch weg!“.

Warum ist das so? Die eigene innere Haltung beeinflusst die Körpersprache stark. Dies geschieht zum großen Teil unbewusst. Der Weg zu einer guten Körpersprache ist also die Visualisierung des zur Absicht passenden inneren Bildes. Man sollte sich daher angewöhnen, dem Pferd klare Aufträge zu erteilen, statt ihm Fragen zu stellen. Selbstverständlich erfolgt das in freundlicher Form und hat nichts mit einem gewaltsamen Unterordnen des Pferdes zu tun. Es geht schlicht darum, dass sich der Mensch seiner Sache absolut sicher ist und das tatsächlich ausstrahlt. Bei der Bodenarbeit lässt sich das recht einfach umsetzen. Hier geht es ja nicht um komplexe Bewegungsabläufe mit großem Fehlerpotenzial, sondern um einfache Alltagsübungen, bei denen leicht zu erkennen ist, ob das Pferd wie gewünscht reagiert oder nicht. Durch ein bestimmtes Auftreten und klare Anweisungen vermittelt man dem Pferd zudem Sicherheit und fördert dessen Vertrauen zum Menschen.

Hier widersprechen sich Absicht und Körpersprache. Der Mensch möchte das Pferd verlangsamen, befindet sich aber viel zu weit hinter der Schulter. (Foto: C. Bachert)

Verbale Kommandos

Ob man für die Übungen am Boden zusätzlich verbale Kommandos einführt, bleibt jedem selbst überlassen. Zwingend notwendig ist das nicht. Wer sich dafür entscheidet, sollte selbstverständlich für die einzelnen Übungen jeweils ein ganz bestimmtes Wort verwenden, also beispielsweise für das Anhalten immer das Kommando „Steh“, und nicht mal „Steh“, dann „Halt“ und beim nächsten Mal „Brrr“.

KONKRETE ÜBUNGEN

Wie bereits erwähnt, geht es bei der Bodenarbeit weniger um die Gymnastizierung des Pferdes als um elementare Übungen, die den alltäglichen Umgang erleichtern und gleichzeitig die Grundvoraussetzung für die weiterführende klassische Handarbeit sind. Diese werden im Folgenden erklärt.

Angehen

In vielen Ställen kann man beobachten, dass Pferde nicht flüssig neben ihrem Menschen herlaufen, sondern eher hinterhergeschleift werden oder vorauseilen, wobei Pferdehals und Menschenarm immer länger werden. Sofern keine gesundheitliche Ursache dahintersteckt, wird dieses Verhalten von vielen als Faulheit oder umgekehrt als übermäßiger Bewegungsdrang abgetan. In Wirklichkeit handelt es sich aber schlicht und ergreifend um ein Defizit in der Erziehung des Pferdes und damit um ein Versäumnis des Menschen. Dies lässt sich durch konsequentes Üben aber gut beheben.

Man steht für diese Übung neben dem Pferd mit Blickrichtung nach vorn. Eine Hand hält den Strick, die andere die Gerte. Soll das Pferd antreten, baut man zunächst vermehrt Körperspannung auf und streckt sich. Dadurch signalisiert man dem Pferd, dass es aufpassen soll, weil gleich eine Anweisung folgen wird.

Um das Pferd in Bewegung zu setzen, zeigt die Hand mit dem Strick nach vorn, der Oberkörper neigt sich ebenfalls leicht in die Bewegungsrichtung. Ein Stimmkommando kann die Körpersprache unterstützen. Reicht das nicht aus, touchiert man das Pferd hinten am Rumpf leicht mit der Gerte. Sobald es losgeht, begleitet man es.

Gerade wenn ein Pferd bisher dazu neigte, sich hinterherziehen zu lassen, sollte man darauf bestehen, dass es künftig zuerst die Idee hat anzutreten, bevor man selbst mitgeht. Nötigenfalls kann man es von hinten mit der Gerte zum Vorwärtsgehen animieren. Unbedingt gilt es zu vermeiden, zuerst loszugehen. Das wäre die für das Pferd gewohnte Situation, die ja gerade verändert werden soll. Ist das Pferd hingegen zu eilig, hilft das später unter „Tempokontrolle“ beschriebene Vorgehen.

Anhalten und stehen bleiben

Es sind zahlreiche Situationen denkbar, in denen ein Pferd auf Kommando anhalten und stehen bleiben muss, sei es beim Verbringen auf die Weide, wenn man ein Tor öffnet oder schließt, beim Überqueren einer Straße oder auch beim Aufsteigen. Pferde, die dann ruhelos umherzappeln, den Menschen anrempeln oder am Strick ziehen, sind ein Ärgernis und nicht beliebt beim Stallpersonal. Auch in der Ausbildung wird man immer wieder auf Probleme stoßen, wenn man sein Pferd nicht sicher anhalten kann.

Zum Üben geht man auf Höhe der Pferdeschulter neben dem Pferd mit Blick nach vorn. Am Anfang bietet sich an, die Bande als äußere Begrenzung zu nutzen. Die dem Pferd zugewandte Hand hält den Führstrick, die andere Hand die Gerte.

Um das Pferd aufmerksam zu machen, erhöht man nun die eigene Körperspannung und hebt die Hand mit dem Führstrick leicht an. Das Anhalten selbst leitet man ein, indem der dem Pferd abgewandte Fuß einen größeren Schritt nach vorn macht und der andere Fuß herangeschlossen wird. Den eigenen Oberkörper dreht man dabei in Richtung Pferdekopf. Gegebenenfalls kann man die Gerte nach vorn anheben und vor die Pferdenase halten oder das Pferd damit an der Brust antippen. Wichtig ist, dass der Mensch wirklich stehen bleibt und nicht anfängt, hin und her zu treten, wenn das Pferd selbst nicht gleich anhält. Das Pferd muss verstehen, dass der Mensch sich auch durch Gezappel nicht von seinem Plan abbringen lässt.

Stoppt das Pferd nicht, liegt das oft an missverständlichen Signalen oder einer falschen Position des Menschen. Vielleicht befindet sich auch die Gerte in einer treibenden Position. Ignoriert das Pferd das Kommando, obwohl Hilfengebung und Position stimmen, lässt man es einen – oder falls nötig mehrere – Kreise um sich herumgehen und gibt die Hilfen zum Anhalten erneut, wenn das Pferd die Stelle erreicht hat, an der es eigentlich hätte stehen bleiben sollen. Es gilt möglichst zu vermeiden, das Halten durch Ziehen am Strick zu erreichen. Besser ist der Einsatz der Gerte vor der Pferdenase oder -brust. Auch kann es helfen, wenn man zum Anhalten selbst deutlicher auf die Bande zutritt, um dem Pferd optisch den Weg abzuschneiden.

Hat man das Pferd angehalten und es geht von allein wieder los, bringt man es zu der Stelle zurück, wo es vorher gestanden hat, und hält es dort wieder an. Hierbei sind manchmal Geduld und Konsequenz gefragt, und gerade bei hektischen Pferden ist es geschickt, das Stehenbleiben nicht zu lang auszudehnen.

Wichtig!

Egal, ob man das Anhalten nur für eine kurze oder für eine längere Zeit fordert, entscheidend ist, dass grundsätzlich der Mensch das Anhalten auflöst und das Pferd nicht von allein losgeht.

Befindet sich der Mensch auf Höhe der Pferdeschulter, wirkt seine Position neutral. (Foto: C. Bachert)

Tempokontrolle

Läuft das Pferd neben dem Menschen, sollte es dessen Tempovorgabe zu jeder Zeit respektieren, also weder heftig voranstürmen noch unaufgefordert abbremsen. Ziel ist, dass das Pferd immer auf gleicher Höhe neben dem Menschen bleibt. Dessen Position und Körpersprache haben dabei eine große Bedeutung. Geht der Mensch auf Höhe der Pferdeschulter, wirkt seine Körperhaltung neutral, kommt er vor die Schulter, bremst er das Pferd aus, befindet er sich hinter Schulter beschleunigt er es.

Diese Wirkung lässt sich durch die übrige Körpersprache zusätzlich unterstützen. Ein leicht nach vorn gebeugter Oberkörper kann beschleunigend wirken, wohingegen ein leicht nach hinten geneigter Oberkörper in der Regel zu einer Verlangsamung des Tempos führt. Und nicht zuletzt sollte man auch auf die eigene Körperspannung achten, denn ein aufgerichteter Oberkörper und ein deutliches Einatmen vermitteln mehr Energie, abgesenkte Schultern und entspanntes, tiefes Ausatmen beruhigen hingegen eher.

Wie beim Anhalten sollte bei der Tempokontrolle ein Ziehen am Strick möglichst vermieden und stattdessen mit der Gerte unterstützt werden. Möchte das Pferd nach vorn eilen, wirkt die Gerte an der Pferdebrust oder vor der Nase. Versucht es, sich zurückfallen zu lassen, treibt die Gerte am Rumpf energisch nach.

Die Position vor der Schulter wirkt bremsend …

… und die Position hinter der Schulter treibend. (Fotos C. Bachert)

Die Hilfen zur Tempokontrolle

 

Beschleunigen

Bremsen

Führposition

hinter der Pferdeschulter

vor der Pferdeschulter

Position des Oberkörpers

nach vorn gebeugt

nach hinten geneigt

Position der Gerte

hinter dem eigenen Körper

vor dem eigenen Körper

Atmung

betontes Einatmen

betontes Ausatmen

Rückwärtsweichen

Damit das Pferd ohne großen Aufwand rückwärtsgeschickt werden kann, muss es lernen, bereits auf eine leichte Berührung zu weichen. Manche Ausbilder arbeiten nach dem Prinzip der gesteigerten Intensität und erhöhen den Druck immer weiter, bis das Pferd reagiert. Das führt jedoch oft zu unschönen Szenen, wo massiv auf das Pferd eingewirkt wird, um ihm die gewünschte Reaktion abzunötigen. Dabei steckt hinter dem vermeintlichen Unwillen und der mangelnden Kooperationsbereitschaft oft nur ein Nicht-Verstehen. Besser ist es daher, konstanten leichten Druck anzuwenden und diesen konsequent aufrechtzuerhalten, bis das Pferd anfängt herumzuprobieren, wie es diesen Druck abstellen kann. Dazu umfasst man den Nasenrücken leicht mit einer Hand, sodass das Pferd den Kopf nicht gleich wegziehen kann, und wartet. Bald wird es anfangen, den Kopf etwas zu bewegen. Gibt es dabei nach hinten ein wenig nach, lässt man sofort los und lobt. Nach einigen Wiederholungen versteht das Pferd, dass seine Reaktion nach hinten den Druck auf der Nase beendet.

Das Ganze kann man Stück für Stück ausbauen, indem man nicht mehr sofort bei jeder kleinen Reaktion nach hinten loslässt, sondern erst, wenn das Pferd sich einen ganzen Schritt zurückbewegt hat. Später kann man auf diese Weise immer mehr Schritte nach hinten fordern, ohne die Intensität der Einwirkung erhöhen zu müssen.

Seitwärtsweichen

Das eben beschriebene Prinzip, bei dem konstanter leichter Druck angewendet wird, funktioniert auch beim Seitwärtsweichen. Über die Stelle, an der man den Druck ausübt, bestimmt man gezielt, welches Körperende zur Seite tritt, also ob die Vor- oder die Hinterhand sich wegbewegen soll. Mit Blick auf die spätere Handarbeit ist es sinnvoll, die Körperstellen schon entsprechend der späteren Hilfen zu wählen, damit das Pferd sich nicht umgewöhnen muss.

Wenden der Vorhand durch Berührung an der Schulter und Stellung in Bewegungsrichtung.

Hier schickt die Hand an der Schenkellage die Hinterhand zur Seite. (Fotos: C. Bachert)

Das Bewegen der Vorhand löst man über ein Berühren der Schulter aus, die zur Seite treten soll. Die Übung ist für das Pferd leichter zu verstehen, wenn man zusätzlich mit der anderen Hand den Pferdekopf etwas von sich wegschiebt.

Die Hinterhand lässt man über ein Berühren der Schenkellage seitwärtsweichen. Hier ist es hilfreich, den Pferdekopf zu sich hin zu stellen, um die Hinterhand leichter bewegen zu können.

Wie auch beim Rückwärtsgehen begnügt man sich zu Anfang mit jeder noch so geringfügigen richtigen Reaktion des Pferdes. Zunächst reicht also eine kleine Gewichtsverlagerung in die gewünschte Richtung. Erst nach und nach erhöht man die Anforderungen und verlangt eine immer deutlichere Rückwärtsbewegung.

Man sollte beim Seitwärtsweichen unbedingt von Anfang an darauf achten, dass das Pferd tatsächlich den Teil seines Körpers bewegt, den man angesprochen hat, also die Vorhand bei Berühren der Schulter und die Hinterhand bei Berühren der Schenkellage. Viele Pferde sind in der Vor- und Hinterhand unterschiedlich gut beweglich und bieten daher eher ein Weichen mit dem jeweils mobileren Körperteil an. Mit Blick auf die spätere Gymnastizierung durch die Arbeit an der Hand ist schon bei dieser Grundübung präzises Arbeiten wichtig, um die Mobilität des steiferen und vielleicht auch schlechter koordinierten Körperteils zu verbessern.

Sich auf einen Kreis schicken lassen

Kann man das Pferd von sich weg auf einen Kreis schicken, ist das nicht nur eine hervorragende Vorbereitung für die Arbeit an der Longe, sondern auch eine wichtige Übung für dominante oder distanzlose Pferde, die dem Menschen gern zu nah kommen. Für ein erfolgreiches Training ist es wichtig, dass das Pferd den ihm zugewiesenen Platz akzeptiert und diesen nicht unaufgefordert verlässt. Außerdem ist eine gewisse Distanz zum Menschen nötig, damit dieser eindeutige Hilfen geben kann. Bei zu geringem Abstand ist es dem Pferd gar nicht mehr möglich, alle Signale des Menschen optisch zu erfassen.

Das Auf-den-Kreis-Schicken funktioniert sowohl auf kurze als auch weite Distanz nach dem gleichen Prinzip. Man greift den Strick mit der Hand, in deren Richtung das Pferd gehen soll, also für linksherum mit der linken Hand und umgekehrt. Mit dieser Hand zeigt man nun zur Seite auf den Kreisbogen. Gleichzeitig dreht man den Oberkörper in die beabsichtigte Bewegungsrichtung. Reicht das nicht aus, treibt man mit der in der anderen Hand gehaltenen Gerte das Pferd zusätzlich an. Setzt es sich in Bewegung, lässt man die Hand, die den Führstrick hält, etwas sinken, um es für richtige Reaktion zu bestätigen.

Die linke Hand zeigt dem Pferd, wohin es gehen soll. Der Oberkörper ist leicht in die Bewegungsrichtung gedreht. (Foto: C. Bachert)

Bei dieser Übung sollte man Wert darauf legen, dass das Pferd sich sofort in die angedachte Richtung in Bewegung setzt und nicht erst auf den Menschen zu läuft. Das ist gerade bei Pferden wichtig, die gern ungefragt in den persönlichen Bereich des Menschen kommen und ihn bedrängen. Eine Möglichkeit, das Pferd in diesem Fall auf Abstand zu halten, ist die Gerte. Diese kann man vor dem sich nähernden Pferd anheben, um es zu begrenzen, oder man kann die Pferdebrust damit antippen. Alternativ kann man aber auch mit dem Strick eine wellenförmige Bewegung auf das Pferd zu machen. Genügt das nicht, sollte man das Pferd anhalten, in Ruhe rückwärtsschicken und anschließend einen neuen Versuch starten. So verschafft man sich eher den Respekt des Pferdes, als wenn man hektisch wird und mit der Gerte wild vor seiner Nase herumfuchtelt.

Auch wenn die in diesem Kapitel beschriebenen Übungen auf den ersten Blick ganz unspektakulär erscheinen, zahlt sich akkurates Arbeiten in diesem Bereich später um ein Vielfaches aus. Der Umgang mit dem Pferd und dessen gesamte Ausbildung gestalten sich dadurch deutlich angenehmer und einfacher. Das Pferd ist zufrieden und entspannt, weil es den Menschen als berechenbare, konsequente Führungsperson kennengelernt und darüber hinaus verstanden hat, was von ihm erwartet wird. Ein solider Grundstein für die weiterführende Arbeit wurde gelegt!

(Foto: C. Bachert)

GRUNDLAGEN DER KLASSISCHEN HANDARBEIT

Anders als bei der Bodenarbeit, bei der die Kommunikation mit dem Pferd im Vordergrund steht, geht es bei der klassischen Handarbeit im Schwerpunkt um die Gymnastizierung des Pferdes. Selbstverständlich ist auch dazu eine gute Kommunikation erforderlich. Jedoch kommt es darüber hinaus vor allem darauf an, in welcher Qualität die Übungen ausgeführt werden. Grundkenntnisse der Pferdeanatomie sollten deshalb beim Menschen vorhanden sein. Nur unter diesen Voraussetzungen beeinflusst die Handarbeit das Pferd positiv. Muskelgruppen werden gestärkt, die Geschmeidigkeit wird erhöht oder erhalten, die natürliche Schiefe reduziert sich. Im besten Fall wird das Pferd auch geistig zufriedener, weil es durch das verbesserte Körpergefühl mehr Selbstvertrauen und -bewusstsein erlangt und die verschiedenen Übungen und Kombinationen seinen Intellekt fordern und fördern.

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