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Folge Pia Parolin und Siegfried Hansen, entdecke mit ihnen Motive im urbanen Raum und lerne, wie du zu ausdrucksstarken Bildergebnissen gelangst, die deine Betrachter faszinieren, verblüffen oder in ihren Bann ziehen. Mit einer Fülle von Bildbeispielen zeigen die beiden dir die schillernde Vielfalt der Street-Motive. Grafiken und Making-of-Fotos stellen Fotosituationen anschaulich dar und demonstrieren, wie du dich deinem Motiv näherst, einen spannungsreichen Bildausschnitt findest und zum richtigen Zeitpunkt auslöst. Workshops verdeutlichen Schritt für Schritt die Herangehensweise an Situationen, Aufnahme- und Gestaltungstipps verhelfen dir zu Bildern mit starker Aussagekraft. Mithilfe von Aufgabenstellungen führen dich Pia und Siegfried zu Bildkompositionen, die dein Motiv prägnant und wirkungsvoll wiedergeben.
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Seitenzahl: 287
Pia und Siegfried in Hamburg, Juni 2024
Pia Parolin (PP) ist Biologin, Fotografin und vierfache Buchautorin im dpunkt.verlag. Sie liebt Streetfotografie und denkt gerne in ihren Vorträgen, Kursen und Büchern über die Möglichkeiten und Ausdrucksformen dieser fotografischen Disziplin nach. Ihre fotografische Arbeit konzentriert sich meist farbenfroh auf die ungestellten flüchtigen Momente des Alltags. 2020 wurde sie in die Deutsche Gesellschaft für Photographie e. V. (DGPh) berufen und ist Mitglied des Optic Nerve Collective, des Collectif Photon Nice und der laif Genossenschaft. Seit 2023 ist sie Master-Class-Referentin bei der Leica Akademie. Ihre Fotos und konzeptuellen Arbeiten werden weltweit ausgestellt. Sie ist Autorin mehrerer Bücher beim dpunkt.verlag. In Zusammenarbeit mit Martin U Waltz hat sie »Next Level Streetfotografie« publiziert, gemeinsam mit Siegfried Hansen das Buch »Mit offenen Augen. Eine Wahrnehmungsschule für die Streetfotografie«.
Siegfried Hansen (SH) lebt und arbeitet in Hamburg und gehört zu den renommiertesten deutschen Streetfotografen. Seine Arbeiten wurden in Einzel- und Gruppenausstellungen weltweit gezeigt. Er ist Mitbegründer des German Street Photography Festival und der Website German Street Photography, die 2018 ins Leben gerufen wurde. Hansens Arbeiten sind in mehreren Büchern vertreten; darunter in »Street Photography Now« (2011), »Streetfotografie made in Germany« (2018) sowie »Street Photography: A History in 100 Iconic Images« (2019). Seine eigenen Bücher »Hold the Line« (2015 erschienen im Kettler Verlag) sowie »The Flow of the Line« (2020 erschienen im Eyeshot Verlag) wurden sehr erfolgreich publiziert. Er gibt sein Wissen in nationalen und internationalen Workshops weiter. Seit 2021 ist er Master-Class-Referent bei der Leica Akademie Deutschland.
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Pia Parolin · Siegfried Hansen
Von der Szene zum Bild – wie kreative Streetfotos entstehen
Pia Parolin
[email protected] · https://www.piaparolin.com
Siegfried Hansen
[email protected] · https://siegfried-hansen.de
Lektorat: Rudolf Krahm
Copy-Editing: Friederike Daenecke, Zülpich
Satz & Layout: Birgit Bäuerlein
Herstellung: Stefanie Weidner
Umschlaggestaltung: Eva Hepper, Silke Braun unter Verwendung von Fotos der Autoren
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN:
978-3-98889-017-7
978-3-98890-176-7
ePub
978-3-98890-177-4
1. Auflage 2025
dpunkt.verlag GmbH
Wieblinger Weg 17
69123 Heidelberg
Schreiben Sie uns:
Falls Sie Anregungen, Wünsche und Kommentare haben, lassen Sie es uns wissen: [email protected].
Bildnachweis:
Die Urhebernachweise für die Fotografien sind in den Bildunterschriften vermerkt. Wenn nicht anders angegeben, wurden die mit SH gekennzeichneten von Siegfried Hansen, die mit PP gekennzeichneten von Pia Parolin aufgenommen.
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Die knorrigen Schatten zweier Bäume dienen als Bühne für den Auftritt einer Spaziergängerin. (SH)
Einleitung
Von der Szene zum Bild
Wir sehen nicht mit dem Auge, sondern mit dem Gehirn!
Anfangen
Überblick über die Einstellungen von Blende, Belichtungszeit und ISO-Empfindlichkeit
Die Motivsuche
Spannendes vor der Haustür
Was ist Streetfotografie?
Entwicklung der Streetfotografie
Warum überhaupt Streetfotografie?
Community
Genug geredet, nun zum Praktischen!
Bildanalyse
Das gut gestaltete Foto
Zeitfenster
Modul 1:Bildgestaltung
1.1Bildaufbau und Goldener Schnitt
Pia und der Turner
1.1.1Das Bildformat
1.1.2Den Bildausschnitt auswählen – und vorhersehen
1.1.3Bildaufbau
1.1.4Überschneidungen vermeiden
1.1.5Mittige und außermittige Kompositionen
1.2Geometrien
1.2.1Linien
Siegfrieds Tunnelblick
Siegfrieds Linienbild mit Wunschperson
1.2.2Dreiecke
Siegfrieds Eistüten-Dreieck
Pias Taube im Dreieck
1.2.3Kreise
Siegfrieds Blick auf das Regierungsgebäude
1.2.4Flächen und Muster
1.3Perspektive und Kamerastandpunkt
Siegfried lauert bei den zusammenlaufenden Linien
Siegfrieds Gitterrost-Perspektive
Siegfrieds Blick entlang der Lamellen
1.4Architektur
Siegfrieds Blick auf das CCH in Hamburg
Pia und die Akrobatin am Brandenburger Tor
Siegfrieds Paris
1.5Tipps und Tricks zur Bildgestaltung
1.5.1Ordnung im Chaos schaffen
1.5.2Weniger ist mehr
1.5.3Den Rahmen füllen
Siegfried füllt den Rahmen
1.5.4Verschachtelung von Flächen
1.5.5Objekte isolieren
Modul 2:Gestalten mit Farbe (und ohne)
2.1Schwarzweiß oder Farbe?
2.2Monochrome Bilder
2.2.1Grafische Fotografie
Siegfrieds schwarzweiße Linien
2.2.2Grautöne nutzen
2.3Bunt!
Siegfrieds bunte Spiegelungen
2.3.1Komplementärfarben
2.3.2Kalte und warme Farben
2.3.3Farben: Harmonie, Klänge und Kontraste
Modul 3:Das Licht nutzen
3.1Tageslicht
3.2Der Hell-Dunkel-Kontrast
3.2.1High-Key, Low-Key
Pias »Spot On«
Siegfrieds Raumaufteilung mit Silhouetten
3.2.2Gegenlicht
Siegfrieds Felder im Gegenlicht: In Zonen denken
Pias rot-weißes Band
Pias Seifenblasen
Pias Mann mit Hut ist immer gut
3.3Die Goldene und die Blaue Stunde
3.4Nachtfotografie
3.5Blitzen
Modul 4:Wetter
4.1Regen
Siegfried im Regen
4.2Das graue Nichts
Pia sucht Inspiration im Grau
4.3Nebel
4.4Eis und Schnee
4.5Wind und Sturm
4.6Hitze
4.7Tipps fürs Fotografieren bei verschiedenen Wetterbedingungen
4.7.1Sonne
4.7.2Regen
4.7.3Nebel
4.7.4Schnee
4.7.5Wind und Sturm
Modul 5:Kreative Streetfotografie
5.1So lange, bis es wirklich passt
5.2Was wäre, wenn …
5.3Silhouetten
Siegfrieds Kugel-Silhouette
Pias Silhouetten vor dem Schiefen Turm von Pisa
5.4Schatten
Siegfrieds Lichtflecken
Siegfrieds Licht-Schatten-Situation
5.5Reflexionen
Pias Weihnachtslichter und Muster
Pias Rote Spiegelungen im Schaufenster
Siegfrieds Spiel mit dem Spiegel
Pias Selbstporträts in der Stadt
5.6Kaputte Scheiben
Pias kaputte Scheibe
5.7Schärfe und Unschärfe
5.7.1Große oder geringe Tiefenschärfe – Einstellung der Blende
5.7.2Gezielte Fokusunschärfe – Defokussierung
5.7.3Bokeh
5.8Unschärfe sich bewegender Objekte
Pias »Promenade Moments«
Siegfrieds Verwacklungsunschärfe
5.8.1Intentional Camera Movement
5.8.2Mitzieher
Siegfrieds Mitzieher
5.9Dynamik
Pias Suche nach dem perfekten Schritt
5.10Korrespondenzen
Pia folgt den rot-weißen Linien
Siegfrieds Markisenperspektive
Modul 6:Menschen fotografieren
6.1Menschen als Hauptfigur
6.2Menschen sehen und mögen
6.3Von oben herab oder auf Augenhöhe
6.4Menschenmengen
Pias Menschengewusel
6.4.1Wohlfühlen im Menschentrubel
6.4.2Nah ran
6.4.3Aufräumen
6.4.4Fokus auf alternative Inhalte
6.4.5Geduld für Geschichten
Siegfrieds Karneval ohne Gewusel
6.5Vielfalt überrascht
6.6Streetporträts
6.6.1Ein einzelnes Gesicht porträtieren
6.6.2Augenkontakt
6.6.3Environmental Portrait
6.6.4Gruppen und Interaktionen fotografieren
6.6.5Indirekte Porträts
6.7Menschen unkenntlich fotografieren
Siegfrieds Punkte
6.8Hunde porträtieren
6.9Thematische Serien
Modul 7:Storytelling
7.1Das Normale beobachten
7.2Bilder erzählen Geschichten
Siegfried bleibt dran
7.3Gegenstände und Menschen im Bild zusammenstellen
Pias rote Dame auf dem Cannes-Festival
7.4Einzelbild vs. Bildstrecke
Siegfrieds gehender Spiegel
Modul 8:Skills & Tools
8.1Was ist in der Fototasche?
8.1.1Immer bereit, immer leicht
8.1.2Blick in Pias Tasche
8.1.3Blick in Siegfrieds Tasche
8.2Kamera und Objektive
8.2.1Handyfotografie
8.2.2Kameragröße
8.2.3Das Bild sehen
8.2.4Tele oder Weitwinkel?
8.2.5Blitzlicht in der Streetfotografie?
8.2.6Stativ in der Streetfotografie?
8.3Einstellungen
8.3.1Einstellung des ISO-Wertes – Spielraum bei geringem Licht
8.3.2Den Blendenwert zum Ein- oder Ausblenden des Hintergrundes nutzen
8.3.3Belichtungszeit
8.3.4Scharfstellen
8.3.5Einzelbild oder Serienbildmodus?
8.3.6Künstliche Intelligenz
8.4Soft Skills
8.4.1Inspiration und Vorbilder
8.4.2Der eigene fotografische Stil
8.4.3Dich unter Menschen bewegen
8.4.4Wie näherst du dich Menschen?
8.4.5Mit Konflikten umgehen
8.4.6Kleidung
8.5Alles ist schnell
8.5.1Technisch fit
8.5.2Körperlich fit
8.5.3Vorhersehen
8.6Orte zum Fotografieren
8.7Visitenkarten und Postkarten
8.8Was machen mit all den Bildern?
8.8.1Zwei von Millionen von Sternen
8.8.2Kill your Darlings
8.8.3Portfolio aufbauen
8.8.4Zeig deine Bilder
8.9Geh raus und hab Spaß
Danksagung
Index
In der Großstadt ergeben Spiegelungen faszinierende Kompositionen, besonders wenn Farben und Linien mit im Spiel sind. (PP)
Diese Komposition wurde so gewählt, dass die Pusteblume ebenso wichtig erscheint wie das mächtige Bürogebäude des Frankfurter Messeturms im Hintergrund. (SH)
Streetfotografie ist eine großartige Art, den normalen Alltag immer und überall zu fotografieren. Ob spontan in einer kurzen Pause oder geplant mit Ruhe und Muße, du kannst spannende Fotos machen – wo auch immer du gerade in einer Stadt bist.
Aber wie fängst du das an? Wie machst du in der banalen Nachbarschaft ein Bild, das zum Hingucker wird? Wie kannst du mit einem Foto überraschen, eine gänzlich neue Perspektive einnehmen oder Geschichten erzählen?
Das kann jeder lernen, und wir zeigen dir hier, wie das geht.
Vielleicht kennst du die tollen Fotos von Henri Cartier-Bresson, Joel Meyerowitz oder Garry Winogrand, um nur ein paar der klassischen, ikonischen Streetfotografen zu nennen. Möchtest du auch solche Fotos machen? Das geht! Es lässt sich nämlich lernen, den perfekten Augenblick einzufangen.
Unser Buch dient dir dabei als Leitfaden. Wir erklären dir unsere Techniken, geben Tipps und verraten Tricks, um das Alltägliche in etwas Neuartiges zu verwandeln. Es geht darum, dass du das Handwerk beherrschst und nicht nur der Zufall entscheidet.
Aber wie komponierst du fotografisch, wie gestaltest du deine Bilder interessant und spannend? Welche Ideen und Tipps gibt es, um den Alltag mal ganz anders darzustellen?
Diesen Fragen gehen wir in unserem Buch nach. Wir haben unsere jeweiligen Wege gefunden und möchten mit dir teilen, wie wir fotografieren, dir unsere Herangehensweisen und Tricks erklären. Vor allem aber möchten wir dir unsere Freude daran weitergeben, viel kreative Zeit mit der Kamera im urbanen Milieu zu verbringen. Es geht uns um den Moment des Fotografierens!
Der Aufbau des Bildes und die Perspektive sind bei vielen Fotos der Streetfotografie genauso wichtig wie der Inhalt. Aus der Froschperspektive von unten nach oben bekommst du eine ungewohnte Sicht auf die Dinge. (SH)
Ein klassisches Streetfoto, bei dem Siegfried vor allem die Linien und Schatten nutzt, um aus ihnen sein Bild zu komponieren. Stell dir dieses Bild vor, wenn es ohne Menschen wäre. Das ist die Grundposition. Dann läuft durch Zufall eine Person die Treppe hoch. Du siehst ihren Schatten rechts an der Wand. Aber sei nicht mit dem Einfachen zufrieden! Jetzt fängst du an, die Situation zu steigern: Passiert noch etwas wirklich Interessantes? Warte einfach noch mal ab. (SH)
Und es geht uns darum, dir aufzuzeigen, wie du deine Motive findest. Es gibt keine »Motivklingel« im Fotoapparat. Die Technik ist zwar inzwischen sehr ausgereift und selbst Smartphones verfügen über viele Möglichkeiten, um dir zu helfen (z. B. Gesichtserkennung). Die Motive musst du aber immer noch selbst suchen und zusammenstellen. Es ist wie ein Trainingsprogramm, mit dem du lernst, die Dinge neu zu sehen. Aber das funktioniert nur, wenn du deine Wahrnehmung schärfst. Genau dazu haben wir 2022 zusammen das Buch »Mit offenen Augen – Eine Wahrnehmungsschule für die Streetfotografie« veröffentlicht. Es wurde als fortgeschrittene Schule der Streetfotografie konzipiert. Unser Ziel war, unseren Leserinnen und Lesern zu helfen, die eigene Wahrnehmung zu schulen und im Durcheinander des Alltags nach klaren Strukturen zu suchen.
Nun schreiben wir ein Praxisbuch über Streetfotografie: Es geht um die praktische Anleitung, wie du konkret das, was du wahrnimmst, in spannende Fotos umsetzen kannst. Denn in unseren zahlreichen Workshops haben wir immer wieder gemerkt, dass es ein starkes Bedürfnis gibt, die »Basics« kennenzulernen. Daher geben wir hier Tipps, die für Anfänger und Fortgeschrittene gleichermaßen spannend sein können. Schließlich lernt man nie aus, und jeder Fotograf, jede Fotografin entdeckt noch mal etwas Neues und anderes an einer Stelle, an der er bzw. sie schon hundertmal vorbeigelaufen ist.
Wir sehen uns Spots an, die du wahrscheinlich in jeder Stadt vorfindest (z. B. Treppenauf- und -abgänge). Egal ob in der Kleinstadt, im Dorf oder in einer Metropole: Überall findest du Linien, Schatten, Farben und spannende Kompositionsmöglichkeiten.
Streetfotografie bedeutet nicht, dass immer Menschen im Bild vorkommen müssen. (Links: SH; rechts: PP)
Wir zeigen, wie du neue Perspektiven einnimmst, und schlagen Bilder vor, die du nachmachen kannst. Dabei lassen wir uns selbst für dieses Buch gezielt beim Fotografieren ablichten und stellen die Szenen so nach, dass wir sie dir mit fotografischen Serien und Skizzen erklären können. Anhand von Bilderreihen leiten wir dich an, damit du schrittweise zu einem ähnlichen Foto gelangen kannst.
Folgende Schwerpunkte haben wir in unserem Buch gewählt: Wir zeigen dir, wie du Linien und Symmetrien einsetzt (Modul 1, ab Seite 33), wie du nach Rot, Gelb, Grün und Blau Ausschau hältst (Modul 2, ab Seite 83) und das Licht siehst (Modul 3, ab Seite 105). Du erkennst um dich herum Komplementärfarben und farbige Kleidungsstücke, die mit einem gleichfarbigen Objekt an einer anderen Stelle korrespondieren. Du beginnst, bestimmte Objekte zu sammeln, zum Beispiel verpackte Motorräder oder Hüte. Du lernst, die unterschiedlichsten Wetterlagen fürs Fotografieren zu nutzen (Modul 4, ab Seite 127) und Objekte kreativ andersartig darzustellen (Modul 5, ab Seite 137). Du erfährst, wie du fremde Menschen fotografierst (Modul 6, ab Seite 171) und Geschichten in deinen Bildern erzählst (Modul 7, ab Seite 195). Am Ende geht es dann um Skills & Tools: Wir teilen dort alle möglichen allgemeinen Tipps und Tricks mit dir (Modul 8, ab Seite 207).
Verschiedene typische Streetfotografien von Siegfried: voller Farben und Formen und dennoch mit klarer Struktur, übersichtlich im Chaos und interessant im Aufbau. Mit solchen Bildern erzählst du die Stadt ganz anders als durch Postkartenmotive. (SH)
Warum ist deine Wahrnehmung so wichtig? Warum musst du lernen, »neu« zu sehen? Hirnforscher sagen klipp und klar: Visuelle Eindrücke, also Bilder, entstehen nicht im Auge, sondern erst im Gehirn. Das Auge nimmt visuelle Reize wahr, aber das Gehirn setzt diese Reize erst in Bilder um.
Man könnte nun meinen, dann müsste ja jeder das Gleiche sehen. Aber nein! Jeder hat einen imaginären Filter im Gehirn. Und der ist individuell verschieden. Denn dieser Filter wird bestimmt von Erziehung, Erlebnissen, Erfahrungen, Emotionen und vielem mehr. Jeder Mensch nimmt daher die Welt unterschiedlich wahr, filtert unterschiedliche Dinge heraus und fokussiert sich automatisch eher auf gewisse Sachen, die ihn interessieren, anstatt auf andere. Wenn du zum Beispiel einen Hund hast, wirst du wahrscheinlich andere Menschen, die dir mit einem Hund entgegenkommen, eher registrieren und tatsächlich sehen.
Wir möchten dich anleiten, deine persönlichen Sichtweisen zu entdecken und anders als gewohnt darzustellen. Durch unsere Beispiele, Übungen und Tipps kannst du beginnen, um dich herum die Dinge des Alltags ganz neu zu sehen.
Gemeinsam decken wir eine gute Bandbreite der verschiedenen Möglichkeiten und Techniken in der Streetfotografie ab. Wir ergänzen uns dabei gut: Pia fotografiert gerne Menschen und hat wenig Hemmungen, auf sie zuzugehen. Außerdem liebt sie starke Kontraste und Lichtspiele. Siegfrieds Stärke liegt eindeutig im Finden von besonderen Blickwinkeln. Er ist Meister darin, neue Perspektiven einzunehmen und Linien zu verlängern. Geometrisches wird bei ihm zum Künstlerischen.
Es macht Spaß, spontane Porträts in der Stadt zu machen. Manchmal gibt es wirklich verrückte Szenen! Konfliktfrei läuft das ab, wenn dein Gegenüber sieht, dass du beim Fotografieren entspannt und fröhlich bist. Hier quatschte Pia mit der netten Dame in Sanremo, Italien, denn ganz alltäglich ist es ja nicht, mit einem Huhn auf der Schulter herumzulaufen. Und Siegfried porträtierte einen Pfau in Südfrankreich, bei dem es ihm wichtig war, den Fokus auf das Auge des Vogelhändlers im Hintergrund zu legen. (Links: PP; rechts: SH)
Der Lichtpfahl wirft einen Schatten auf die Treppe, der aus der seitlichen Perspektive ein interessantes, fast kariertes Muster erzeugt. Das stellt mit den Linien des Pfahls, der Treppen und des Geländers einen Rahmen dar, der Potenzial für eine interessante Aufnahme hat. Als zusätzliches Element kommt die Frau ins Spiel, deren Schatten die Schattenlinie der Lampe perfekt fortführt. Das kleinere Bild zeigt eine Situation zwei Jahre vorher, in der das nicht ganz so passte, wie Siegfried es gehofft hatte. (SH)
Du kannst das alles nutzen, um dich von uns inspirieren zu lassen und dann deine ganz persönlichen Bilder aufzunehmen.
Wir sind beide Autodidakten und geben seit Jahren Foto-Workshops, sodass wir wissen, welche Methoden bei Anfängern und Fortgeschrittenen funktionieren. Dadurch sparst du viel Zeit, weil du das Rad nicht neu erfinden musst. Lass dich entspannt von uns leiten und zu neuen kreativen Ideen anregen.
Wichtig ist, dass aus dir nur dann eine gute Streetfotografin, ein guter Streetfotograf werden kann, wenn du offen an dein Vorhaben herangehst. Der Schlüssel ist die Veränderung deiner Wahrnehmung. Wenn du deine Komfortzone verlassen magst und deine Umgebung mit ganz neuen Augen siehst, wirst du schon bald überraschende Fotos produzieren.
Und was sich nach heftiger Tiefenpsychologie anhört, ist nichts anderes als ein Lernprozess, der meistens sogar richtig Spaß macht, oft aber auch etwas Geduld und Durchhaltevermögen erfordert.
Wenn du auf Licht und Schatten achtest, findest du überall spannende Motive. Wenn Siegfried durch die Stadt geht, sieht er überall sofort Linien und Schatten. Das kannst du auch lernen. (SH)
Aber wie fängst du an? Grundsätzlich zeigen sich verschiedene Charakter-Typen beim Beginnen eines neuen Hobbys. Die einen wollen zu 100 % verstehen, wie die Technik funktioniert. Da wir der Technik einen nicht so großen Stellenwert beimessen, erklären wir sie erst am Ende des Buches mehr im Detail (siehe Modul 8, ab Seite 207). Die Technik ist natürlich wichtig, deine Bilder stehen und fallen aber mit deiner Art, Dinge zu sehen und sie anders als gewohnt darzustellen.
Andere wollen gleich fotografieren und möchten erst mal sehen, ob ihnen das Medium Fotografie als Hobby überhaupt gefällt. Bist du so ein Typ, kannst du getrost alles auf Automatik stellen und erst mal losziehen.
Es gibt auch die Neugierigen, die die Blende manuell einstellen (z. B. Blende 8 oder 5,6) und mit Halbautomatik die Verschlusszeit und den ISO-Wert regulieren lassen. Und es gibt die Spezialisten, die ihre Kamera perfekt kennen, aber dennoch mit ihren Fotos nicht zufrieden sind, weil sie ihnen zu langweilig oder »normal« vorkommen.
Wo auch immer du dich einordnest, am besten fängst du einfach erst mal an. Mit Neugierde die eigene Umgebung neu zu entdecken, ist ein Schlüssel dazu. Spontane und ungestellte Porträts von Menschen zählen nämlich ebenso zur Streetfotografie wie ein verlorener Schuh, der in deiner Fantasie ein Märchen oder eine Kriminalerzählung entstehen lässt. Die Königsdisziplin ist, mit einem einzigen Bild – einem bestimmten von dir ausgesuchten Moment – eine ganze Geschichte zu erzählen.
Uns geht es darum, dass du zu Bildern kommst, die einen gewissen Aufbau, eine spannende Komposition haben, wenn du deinen Ort, deine Stadt oder deine Großstadt erkundest. Im Laufe der Zeit wirst du diese »einfache Komposition« steigern und machst immer komplexere, aufregendere Fotos.
Die technischen Einstellungen – das Dreieck aus Zeit, Blende und ISO – sind schnell erklärt und gut zu verstehen. Das meiste findest du spielend über Versuch und Irrtum heraus.
Sicher haben Großstädte viel zu bieten – an Vielfalt, architektonischen Möglichkeiten und unerwarteten Begegnungen. Aber sei dir sicher, wenn du die richtige Perspektive erlernt hast, liefert auch ein Deichspaziergang tolle Street-Bilder. (PP)
Blende, Belichtungszeit und ISO-Empfindlichkeit beeinflussen sich gegenseitig und gleichen sich im Automatik-Modus aus. Sie regeln die Helligkeit und Schärfentiefe eines Fotos bei einem bestimmten Lichtverhältnis. Verstellst du die eine Größe, ändern sich auch die beiden anderen.
Wenn du Anfänger oder Anfängerin bist, kannst du getrost erst mal im Automatik-Modus beginnen.
Wir arbeiten mit Halbautomatik. Das heißt, wir stellen einen Wert ein (Siegfried erst mal die Blende, Pia erst mal die Zeit) und der Rest wird von der Kamera automatisch an das bestehende Licht angepasst.
Siegfrieds Kamera hat ein Objektiv mit einer Festbrennweite von 28 mm. Als Grundeinstellung stellt er zunächst ISO und Zeit auf Automatik. Dann regelt er die Blende auf 5,6. So beginnt er bei jeder Szene. Je nach Situation entscheidet er dann, auf Blende 8 oder einen Blendenwert mit noch mehr Tiefenschärfe hochzugehen (z. B. 11 oder 16). Oder er stellt eine bestimmte Zeit (1/2000 Sekunde) ein, zum Beispiel um etwas, das sich sehr schnell bewegt, »einfrieren zu lassen«.
Pia hat dieselbe Kamera mit 28 mm Festbrennweite. Als Grundeinstellung an einem normalen Tag ohne großartige Sonne schaltet sie die ISO- und die Blendenautomatik ein. Anschließend regelt sie die Zeit manuell auf mindestens 1/250 Sekunde, eher 1/400 oder 1/500. Sie beobachtet dann, wie sich bei den gegebenen Lichtbedingungen die Blende automatisch einstellt. Geht die Blende unter 4, reguliert Pia mit einer Steigerung der ISO-Zahl nach. Auf diese Weise kann zum Beispiel bei ISO 800 oder 1600 eine Blende von 5,6 entstehen, und dennoch sind bei 1/250 Sekunde die Menschen, die vorbeigehen, nicht verschwommen. Je nach Lichtbedingungen und Situation stellt Pia die Blende auf 8 oder sogar mal auf 11, gerne aber vor allem die Zeit auf 1/500 Sekunde, damit keine Bewegungsunschärfe entsteht.
Jede Lichtsituation ist anders, und je besser du sie im Laufe der Zeit einzuschätzen lernst, desto schneller hast du die richtigen Einstellungen parat:
Ideale Wetterbedingungen mit strahlendem Sonnenschein
ISO-Empfindlichkeit 200 – 400, Blende 8 – 11, Belichtungszeit 1/500, Zonenfokus
Bewölkter Tag
ISO 800 – 3200, Blende 5,6 – 8, Belichtungszeit 1/125 bis 1/250 Sekunde, Zonenfokus oder manueller Fokus
Abenddämmerung, Regen, Nacht
Reize alles aus, was die ISO-Empfindlichkeit deiner Kamera hergibt (also je nach Kamera auch mal ISO 12.800). Die Blendenautomatik wird einen geringen Wert auswählen (1,7 – 4). Die Belichtungszeit wählst du so lang wie möglich (also z. B. 1/125 Sekunde). Da unter diesen Lichtbedingungen der Zonenfokus nicht sinnvoll ist, nutzt du den Autofokus oder den manuellen Fokus.
Die Motivsuche erfordert richtiges Hinsehen. Um deine Wahrnehmung zu ändern, musst du dir zunächst bewusst machen, was um dich herum passiert. Wo siehst du Farben, Linien, Schatten, Gesten, windzerzauste Haare oder verlorene Handschuhe?
Es beginnt langsam, aber wenn du erst mal anfängst, auch nur auf ein einziges Detail zu achten – zum Beispiel auf die Farbe »Rot« –, dann wird dir schon bald auffallen, dass deine selektive Wahrnehmung so viel Rotes herausfiltert, dass du mit dem Fotografieren gar nicht mehr hinterherkommst!
Farbliche Korrespondenzen sind ein wesentliches Element der Streetfotografie. Diese vollständig in Rot gekleidete Dame fällt natürlich sofort auf. Sie mit etwas anderem Roten in Verbindung zu bringen – hier mit dem Hut der Skulptur – macht das Bild rund. (SH)
Auf Bahnsteigen bieten die bunte Vielfalt der Reisenden und die Dynamik durchratternder Züge zahlreiche Fotogelegenheiten. Aber wie daraus ein »anderes«, ein »interessantes« Bild machen? Mit den richtigen Einstellungen deiner Kamera (hier 1/4 Sekunde, die Kamera wurde fest an einen Pfeiler gedrückt, um nicht zu verwackeln) und einer, wie hier, recht symmetrischen Komposition wird es ein Hingucker. (PP)
Streetfotografie bringt uns bei, zu sehen, wahrzunehmen, Dinge nicht auszublenden, sondern bewusst zu filtern. Wir erkennen im Alltag Schönheit, Spannung, Humor, egal ob auf dem Weg ins Büro oder zum Einkaufen.
Wenn du mit der Kamera Zeit in der Stadt verbringst, kannst du ohne viel Aufwand kreativ spielen und, wenn gewollt, mit Menschen in Kontakt kommen. Selbst wenn der Ort noch so alltäglich und folglich langweilig erscheint, gibt es immer etwas fotografisch zu entdecken und kreativ umzusetzen.
Streetfotografen beobachten die Welt um sich herum. Die Inhalte sind real, immer und überall. Wenn du in deiner Nachbarschaft unterwegs bist, kannst du sogar beliebig oft den Walk wiederholen. Denn oft genügt nicht der eine halbe Tag, an dem du dich mit deiner Kamera durch die Stadt treiben lässt. Gute Bilder gelingen nicht immer auf Anhieb. Viele entstehen durch Wiederholung am immer selben Standort. Siegfried zieht seit Jahren dieselben Kreise durch sein Hamburg. Seine preisgekrönten Bilder entstanden durch Ausdauer.
In deiner Stadt kennst du bald deine Orte, gehst sie immer wieder ab, und irgendwann passt es dann: Die perfekte Person erscheint am perfekten Ort im perfekten Augenblick. So wie bei Henri Cartier-Bressons »moment décisif« – dem entscheidenden Augenblick.
Die Kamera des Handys ist immer dabei und ermöglicht es dir, immer und überall zu fotografieren, sogar in recht guter Qualität. Dieses Foto von Pia entstand bei einer Zugfahrt – der Fotoapparat ist immer bereit. (PP)
Die Hamburger Elbphilharmonie ist sicher eines der meistfotografierten Gebäude Deutschlands. Daraus ein interessantes Streetfoto zu machen, ist gar nicht so schwer, wenn du eine ungewohnte Perspektive einnimmst. (PP)
Aufgabe: Wenn du das nächste Mal ohne große Eile in der Stadt Erledigungen zu machen hast, halte deine Kamera in der Hand. Du musst zwar von A nach B gehen, weil du ja etwas erledigen willst. Aber du hast Zeit, auf diesem Weg alles zu beobachten und kurz für ein Foto anzuhalten. Selbst wenn es kein Knallerfoto wird, war es zumindest eine wertvolle Übungsstunde.
Auch der Hamburger Hafen wird immer wieder von Touristen fotografiert. Den entscheidenden Moment festzuhalten – wie hier, als Siegfried die Silhouette eines hochgehaltenen Stuhls verewigt –, macht den kleinen Unterschied aus. Manchmal ist dafür Glück erforderlich, in der Regel liegt der Schlüssel aber nicht beim Zufall. Du brauchst eine gute Dosis konzentrierte Aufmerksamkeit und solltest immer mit der Kamera bereit sein. (SH)
Streetfotografie ist Fotografieren im öffentlichen Raum. Sie verbreitet sich als kreative Disziplin sehr schnell, weil sie so gut greifbar und immer machbar ist. Du musst nicht für viel Geld in ein exotisches Land reisen, dich unter heftiger körperlicher Anstrengung durch Gebirgszüge kämpfen oder ewig neben dem Ausgang einer Tierhöhle ausharren. Du kannst sofort starten.
Streetfotografie steht dir im ganz normalen Alltag zur Verfügung. Auf dem Weg zur Arbeit, in der Mittagspause oder auf Fotowalks mit Freunden. Du kannst selbst ein paar freie Minuten nutzen und jederzeit mit deiner Kreativität spielen. Es ist eine sehr freie Art der Fotografie. Jeder kann alles tun, wozu er oder sie Lust hat (natürlich unbedingt im Rahmen des Ethischen und Legalen). Das entspannt dich und andere, denn das Fotografieren soll ja Spaß bringen und nicht in Stress ausarten.
Wir fotografieren mit Respekt. Und wir bauen unsere Bilder nicht künstlich zusammen. Ansonsten gibt es keine Regeln und Dogmen. Der Bandbreite der Streetfotografie sind schlicht keine Grenzen gesetzt.
Wir sind frei, Silhouetten, Linien und Farbkleckse in einem Bild miteinander zu kombinieren, durch Plastikfolien zu knipsen oder einer spontanen Straßenszene gebannt zuzusehen, um den richtigen Augenblick für unser Bild zu erhaschen.
Streetfotografie aus dem Alltag – und Beispiele dafür, dass ein gutes Bild immer mehr zeigt als einfach einen Mann, der liest, oder einen Jungen, der über eine Pfütze springt. Die Details wie Schatten, Reflexion und Bildaufbau sind der eigentliche Kern: Sie präsentieren die Personen in einem besonderen Rahmen und lassen sie zu Inhalten der Streetfotografie werden. (SH)
Die Streetfotografie nahm ihren Anfang circa 1918 – 1920 mit den Kleinbildfilmen, die von Oskar Barnack bei Leica erfunden wurden. Erst durch diese fast durch Zufall entstandene und herausragend kleine Kamera wurde es möglich, sich beim Fotografieren schnell und einigermaßen unauffällig unter Menschen zu bewegen.
Folgende Fotografen und Fotografinnen sehen wir als richtungsweisend für unsere Arbeit an: in den 1920/30er-Jahren André Kertész (Ungarn), Brassaï (Ungarn/Frankreich), Willy Ronis und Robert Doisneau (Frankreich). In den 1930/40er-Jahren folgten Henri Cartier-Bresson (Frankreich), Berenice Abbott (USA) und Ernst Haas (Österreich/USA).
Mit der Entstehung des Farbfilms teilte sich die Fotografie auf. Treue Anhänger der Schwarzweißfotografie blieben Robert Frank (Schweiz/USA) und Dorothea Lange (USA) in den 1950ern, in den 1960/70ern Garry Winogrand, Lee Friedlander, Bruce Gilden, Diane Arbus (alle USA) und in den 1970/80ern Ray K. Metzker, Mary Ellen Mark (USA) und Daido Moriyama (Japan).
Entwicklung der Streetfotografie
Der Farbfotografie verschrieben sich ab 1950 vor allem Saul Leiter (USA) und Ernst Haas (Österreich/USA), ab den 1960/70ern dann Tony Ray-Jones, Martin Parr (beide Großbritannien) und Fred Herzog (Deutschland/Kanada). In den 1970/80ern sind Alex Webb, Susan Meiselas und Joel Meyerowitz (alle USA) zu nennen.
Natürlich gibt es unzählige zeitgenössische Fotografen und Fotografinnen, die uns bereichern. Zu ihnen zählen bei der Schwarzweißfotografie Alain Schaller (Belgien/UK) und Phil Penman (UK) und bei der Farbfotografie Matt Stuart (UK), Vineet Vohra (Indien), Sandra Cattaneo Adorno (Brasilien) und Julia Coddington (Australien). Pia fügt der Liste noch einen Namen hinzu, der eindeutig eine neue Stilrichtung begründet hat: Siegfried Hansen!
Streetfotografen und -fotografinnen hören oft folgende Fragen: »Wie, du fotografierst andere Menschen? Wie unangenehm! Darfst du das? Wollen die anderen das? Warum machst du das?«
Dieses Warum blieb hängen. Warum so eine Leidenschaft, fremde Menschen zu fotografieren? Was ist so spannend daran, Menschen im Bild festzuhalten?
Ein historisch wichtiges Warum der Streetfotografie ist, dass sie eine wichtige Zeitzeugin ist. Viele Streetfotografinnen und -fotografen sehen ihre Berufung darin, das Leben zu dokumentieren. Und es ist großartig, dass viele Menschen rund um die Welt das Hier und Jetzt dokumentarisch festhalten.
Ob in der humanistischen Fotografie, in der dokumentarischen Fotografie oder in der Reportagefotografie: Es werden Zustände im Hier und Jetzt beschrieben, die schon morgen zum Schmunzeln anregen oder völlig aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Alles, was für uns heute normal ist, kann morgen schon hochinteressant aussehen.
Aufgabe: Überlege dir Folgendes: Was ist dein Warum in der Streetfotografie? Was bereitet dir besonders viel Freude? Wo liegen Ängste, die du vielleicht angehen kannst (z. B. direkt auf Fremde zuzugehen, Menschen nahezukommen)? Was ist dein Ziel, was möchtest du mit deiner Fotografie erreichen (z. B. Freude mit der Kamera haben, eine gesellschaftskritische Serie zusammenstellen, dein Hobby mit anderen teilen, einfach schöne Bilder machen, …)?
Dieses Foto ist ein Zeitdokument, da es von der Paketflut berichtet, die sich als Folge der Covid-Pandemie einstellte: Die Menschen gingen nicht mehr einkaufen, sondern bestellten alles per Post. (PP)
Wir, Pia und Siegfried, werten Streetfotografie als selbstständige Disziplin. Wir beobachten soziale und kulturelle Gegebenheiten und Impulse und dokumentieren sie durch unsere Fotografie. Aber wir sind – anders als bei der Dokumentation und Reportage – nicht der Wahrheit verpflichtet. Und das ist wunderbar, denn es lässt uns viel mehr künstlerische Freiheit. Alle kreativen Möglichkeiten stehen uns offen, um die Welt in unseren Bildern so zu gestalten, wie sie uns gefällt.
Bei unserer Streetfotografie versuchen wir sehr wohl, unsere Bilder als ehrliches Abbild der Straße zu gestalten, d. h., sie nicht zu stellen und möglichst die Menschen nicht vorher anzusprechen. Und schon gar nicht wollen wir mit künstlicher Intelligenz irgendetwas verändern, in der Bildbearbeitung Dinge wegstempeln oder Sachen hinzufügen. Das sind ungeschriebene ethische Grundlagen der Disziplin. Insofern sind wir in gewisser Weise schon der Wahrheit verpflichtet.
Bananen in der Stadt! Ja, man findet sie immer wieder. Bilder, die nicht gestellt, sondern aus dem Leben gegriffen sind. Auf dem Platz in Hannover hat jemand eine Bananenparty gefeiert und dann leider seinen Müll vergessen. Ein klassisches Streetfoto, aber gleichzeitig eine Dokumentation menschlichen Verhaltens in der Stadt. Auch die Bananenschale auf dem Boden vor der Wandverzierung ist ein Hingucker. (Links: PP; rechts: SH)
Ein schönes Porträt wird durch die umgebenden Elemente noch verstärkt. (SH)
Aber wir sind keine Reporter, wir müssen nicht dokumentieren, was wir sehen. Wir könnten es, und häufig tun wir es. Aber im Grunde ist es ein großes Spiel und, als solches gelebt, bringt es uns viel Spaß.
Das gemeinsame Leben in städtischen Ballungsräumen zu erkunden und Menschen zu beobachten – das ist spannend und kann ruhig durch deinen ganz persönlichen Blickwinkel gefiltert werden.
Für uns ist die Antwort auf das Warum also vor allem, dass es uns Spaß macht, mit der Kamera unkompliziert auf die Pirsch zu gehen. Das Erlebnis des Fotografierens macht Freude.
Streetkollektive und Fotoclubs gibt es in jeder Stadt, selbst wenn sie noch so klein ist. Gemeinsam kann man mehr entdecken und nach einem Fotowalk zusammensitzen und sich austauschen. Sieh dich in deiner Gegend um, ob es nicht ein Kollektiv gibt, das einen Fotowalk anbietet, oder dem du dich auf lange Sicht anschließen kannst.
In Deutschland gibt es eine stetig und schnell wachsende Community in der Streetfotografie. Oft kennt man sich schon virtuell von Instagram oder Discord.
Auch Festivals entwickeln sich im In- und Ausland immer mehr. Wenn du auf die entsprechenden Vernissagen gehst, triffst du überall Gleichgesinnte und es entwickeln sich schnell Gespräche. Wenn man sich beim German Street Photography Festival oder beim Meet & Street-Treffen live begegnet, gibt es ein lautes Hallo.
Oft finden dabei gemeinsame Fotowalks und Diskussionsrunden statt, an denen du dich beteiligen kannst, wodurch du dein Netzwerk ausbaust. Vor allem helfen dir die Kontakte zu anderen, deine eigene Fotografie zu entwickeln. Du wirst von Orten inspiriert, an denen andere Leute tolle Fotos gemacht haben, und Gleichgesinnte diskutieren mit dir über deine Bilder, deine Ideen und deine Techniken.
Wenn schreiende Kontraste und grelle Farben mit der Komposition zusammenspielen, hast du die Basis für ein gutes Streetfoto. (PP)
Dein fotografisches Weltbild änderst du effizient, indem du dich nach Fotografinnen und Fotografen umsiehst, die dich interessieren, deren Bilder dir gefallen, die dich ansprechen.
Aufgabe: Suche Aufnahmen, die von Fotografinnen und Fotografen stammen, die dich inspirieren: deren Bilder dir immer wieder gefallen, die dich in ihrer Ausdrucksform ansprechen. Dann analysiere ihre Fotos. Wie sind sie aufgebaut? Welche Elemente wiederholen sich? Wie kannst du deine Bilder ähnlich gestalten und weiterentwickeln?
Wenn du ein Bild siehst, das dir gefällt, analysiere es. Nimm dir Zeit dafür! Und stell dir verschiedene Fragen:
Warum gefällt es dir? Ist es der Humor, die grafische Struktur, der Moment, der ungewöhnliche Winkel, die Bildidee?
Die Elemente der Bildanalyse
Und dann gehst du ins Detail:
Was ist das zentrale Motiv und wie wird es herausgestellt?
Benutzt der Fotograf Farbe oder Schwarzweiß?
Welchen Ort, Platz, Standpunkt hat die Fotografin bezüglich des Motivs gewählt? Durch die Wahl deines Standpunktes entscheidest du, wie du dein Bild aufnimmst.
Wie ist der Gesamtaufbau des Bildes?
Welche Ebenen existieren, was ist im Vorder-, was im Hintergrund abgebildet?
Welche Linien, Formen, Geometrien sind im Bild zu sehen?
Gerade zu Beginn ist es wichtig, dass du den Raum vor dir betrachtest und analysierst. Betrachte ihn wie eine Bühne. Fang mit kleinen ruhigen Orten an: ein Treppenaufgang oder -abgang. Es kommt jemand im Gegenlicht herunter. Wo platzierst du die Person? Wo hätten deine Lieblingsfotografen die Personen platziert?
Je öfter du solche Trainingseinheiten machst, umso schneller gelingt es dir, den Ort zu beurteilen und deinen Standpunkt für ein gelungenes Bild zu suchen – bis das nach einiger Zeit intuitiv geschieht.
Bei dem Bild rechts sah Siegfried zum Beispiel erst den bizarren Schatten der Bäume und fand ihn ungewöhnlich. Er konnte von einer Brücke nach unten fotografieren: Das ist die Bühne! Nun musste er warten, bis sich dieses Bild mit irgendetwas füllte. Zuerst fuhr ein Radfahrer durch die Schatten – das sah irgendwie nicht gut aus: zu groß, zu grafisch. Dann spazierten zwei Personen durch die Szene – das wirkte sehr unruhig. Schließlich kam eine einzelne Person. Das war für Siegfried der passende Moment. Das kann jedoch bei dir ganz anders sein: Vielleicht würdest du das Bild mit dem Radfahrer besser finden.