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Wie kommt ein renommierter Stilllife-Fotograf wie Eberhard Schuy auf die Ideen zu seinen Bildern und wie arbeitet er sie aus – vom ersten kreativen Gedanken bis zur Umsetzung im Studio? In seinem neuen Buch macht Eberhard Schuy diesen Prozess transparent und zeigt, wie und woher wir kreative Impulse erhalten und auf welchen Wegen diese in Bilder münden können. Der Fokus liegt dabei auf der ganz persönlich geschaffenen Kreativität, als der eigentlichen fotografischen Kompetenz, die eine*n Fotograf*in auszeichnet und wiedererkennbar macht.
Die beschriebenen Grundlagen und Konzepte erläutert Schuy in ihrer Umsetzung am Beispiel eigener Fotografien. Zudem erfahren Sie, wie ernstzunehmende, professionelle Kreativität in vielen beruflichen Bereichen auch außerhalb der Fotografie aufgebaut werden kann.
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Seitenzahl: 249
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Foto von John McDermott
Eberhard Schuy arbeitet seit über 30 Jahren als freier Werbefotograf. Nach seiner Ausbildung zum Fotografen war er viereinhalb Jahre als Studioleiter einer internationalen Werbeagentur und weitere vier Jahre als Werbeassistent eines internationalen Industrieunternehmens tätig. Heute wird er oft bei fotografischen Stilllife-Produktionen und bei kreativen Konzeptentwicklungen engagiert.
Als Ausbilder unterrichtet er eine Meisterklasse für Produkt- und Stilllife-Fotografie und als Gastdozent an verschiedenen Hochschulen im D-A-CH-Bereich.
Eberhard Schuy ist Autor von mehreren Büchern über Produktfotografie und Kreativitätsentwicklung. Einige davon sind in mehreren Sprachen erschienen. In seinen Vorträgen zu diesen Themen hat er bereits über 13.000 Menschen erreicht.
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Eberhard Schuy
Von der Inspiration zum fertigen Bild
Eberhard Schuy
Lektorat: Boris Karnikowski
Lektoratsassistenz: Anja Weimer
Copy-Editing: Ursula Zimpfer, Herrenberg
Satz: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de)
Herstellung: Stefanie Weidner, Frank Heidt
Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de, unter Verwendung eines Fotos des Autors
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN:
978-3-86490-926-9
978-3-96910-886-4
ePub
978-3-96910-887-1
mobi
978-3-96910-888-8
1. Auflage 2023
Copyright © 2023 dpunkt.verlag GmbH
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Vorab
Einleitung
Kreativität
1Kreativität, Wahrnehmung und Wertschätzung
1.1Kreativ kopiert
1.2Die sieben Quadrate
1.3Der kreative Ursprung
1.4Persönliche Übungen
1.5Gedankensprünge, vom Hundertsten ins Tausendste kommen …
1.6Vertrauen auf den Geistesblitz
1.7Energien der Kreativität
1.8Die kreative Vernunft
1.9Erfolg durch nicht kalkulierbare Abenteuer
1.10Zulassen des Unbekannten
1.11Kreative benötigen keine Schubladen
1.12Merkwürdige Gedanken
1.13Aus der Persönlichkeit entsteht ein Bild
1.14Die notwendige Persönlichkeit als Kreativer
1.15Die Geschichte von der einsamen Höhle
1.16Wie man erfolgreich neugierig ist
1.17Die kreative Positionierung im Business
1.18Der kreative Single
1.19Der Kreative im Team
1.20Kreative Duoteams
1.21Expert:innen und Kreative in Symbiose
2Wege zum Bild
2.1Kreative Dokumentation in der Stilllife-Fotografie
2.2Visuelle Wahrnehmungen
2.3Authentizität in der Stilllife-Fotografie
2.4Das Licht fühlen
2.5Der Handfeger
2.6Technik und Kreativität
2.7Ratlos sein und die 16te Idee
3Bildanalysen
3.1Das fertige Bild
3.2Der Hero im Bild
3.3Wenn Regeln auf Kreativität treffen
4Bilder
4.1Die kreative Fotografie am Set
4.2Wasserglas
4.3Summerdrink
4.4Knoblauch
4.5Porzellangießer
4.6Porzellanschüssel
4.7Flasche
4.8Ring in Weiß
4.9Schmuck
4.10Ventilator
4.11Stühle
4.12Präzision
4.13Wok
4.14Sportbälle
5Gegebene und genommene Bilder
5.1Sonnenaufgang
5.2Sonnenuntergang
5.3Sonnenreflex
5.4Innenraum
5.5Motorroller
5.6Dynamo
5.7Baum
Zum Schluss
Index
Imagination und Vorstellung sind Schlüsselwörter, auf die es in der Fotografie und der Kreativität besonders ankommt.
Es ist keinesfalls so, dass Fotografie nur mit Kreativität funktioniert, es gibt weite Bereiche der Fotografie, in denen Kreativität sogar schädlich wäre – etwa dort, wo zu dokumentarischen Zwecken fotografiert wird. Es muss also nicht jede Fotografie auf Kreativität basieren. Dennoch bin ich der Meinung, dass bis auf wenige Ausnahmen im journalistischen Bereich und bei reinen Sachdarstellungen die Kreativität unerlässlich ist. Im kommerziellen Bereich kann man durchaus sagen, dass Bilder nur dann eine Berechtigung zur Veröffentlichung erlangen können, wenn sie einen klaren kreativen Anspruch erfüllen!
Wir sollten also zwischen rein sachlichen Darstellungen und kreativen Arbeiten unterscheiden, damit hätten wir eine Einordnung, die auf alle Fotografien angewendet werden könnte, unabhängig vom Genre. Diese Einstufung, die sich auf das Endprodukt, das zu veröffentlichende Foto, bezieht, erlaubt Bilder zu kategorisieren und letztendlich auch besser zu beurteilen.
In der Sachfotografie spielt die Technik eine besondere Rolle, hier ist während des Fotografierens die Kreativität nur gefragt, um das Objekt möglichst perfekt und naturgetreu abzubilden. Bauart, Design, Haptik, Materialien und Funktionen müssen klar und unmissverständlich wiedergegeben werden. In der finalen Abbildung dürfen also weder kreative Gestaltung noch individuelle Sichtweisen eine Rolle spielen.
In diesem Buch widme ich mich dem Thema »Kreativität« am Beispiel meiner Stilllife-Fotografie. Der Kern dieser freien, nicht sachlichen Fotografie ist immer die Kreativität. Alle Bilder, die ich im Laufe der letzten vier Jahrzehnte gesehen habe, die diesen kreativen Kern nicht besaßen, waren es auch nicht wert, gezeigt zu werden. Es geht nicht darum, inwieweit Bilder gefallen, es gibt eine Menge Bilder, die ich als bemerkenswert gut und kreativ bezeichne, die mir persönlich dennoch nicht gefallen. So ist die kreative Fotografie also durchaus nicht nur Geschmacksache, wie hin und wieder zu hören ist. Gute Fotografie entspringt einer individuellen Einstellung, vielleicht sogar einer Philosophie, die in erster Linie ihren Ursprung in der Persönlichkeit der Bildautor:innen hat. Auch wenn Mainstream und gewünschte Stile in Bildern gefragt sind, gelingt es guten Fotograf:innen immer, sie mit der eigenen Kreativität umzusetzen.
Es gibt keine fotografische Kreativität. Kreativität entsteht – und man könnte es tatsächlich fotografisch ausdrücken – im Raw-Format der Individualität einer Person und wird von dieser dann entsprechend den unterschiedlichen Anforderungen ausgearbeitet und weiterentwickelt.
Ich freue mich, wenn Sie mich in diesem Buch begleiten und meine Faszination für die bewusste Kreativität mit mir teilen.
Ich blättere gerne in Büchern und die meisten Bücher lese ich nicht chronologisch, außer natürlich Romane. Das Blättern bedeutet auch immer wieder, etwas in einem neuen Zusammenhang entdecken zu können. Solche Momente führen zumindest bei mir zu einem spontanen Innehalten, Momenten der Inspiration, aber auch zu einer sehr eigenen Ruhe, die so nur von Büchern ausgehen kann. Es sind diese Gedanken, die bei mir eine eigene Stimmung hervorrufen. Dann gilt es nur noch, sich darauf einzulassen und mit diesem Gefühl das richtige, bereits etwas häufiger durchgeblätterte Buch auszusuchen und zu fotografieren. Die Idee zum Bild entsteht dann fast unterbewusst, es sind die einzelnen Seiten, die das Motiv ergeben, und die Darstellung des Buches ist dann eher zweitrangig.
Was also geschieht »hinter den Kulissen« einer Fotografie? Welcher Weg liegt hinter einer Fotografie, bevor sie präsentiert wird? Allein das Bewusstsein, dass jedes Bild eine echte Premiere erlebt, in dem Moment, in dem es vollendet ist und zum ersten Mal betrachtet wird (und wenn es nur von den Fotograf:innen selbst ist): Dies steigert nicht nur die Wertigkeit des Werkes, es bewirkt auch die besondere Sichtweise, die über die endgültige, zweidimensionale Abbildung hinausgeht.
Es geht mir um den Ursprung einer Idee zu einem Bild, die gewollt, aber ebenso auch rein zufällig sein kann. Es geht mir um Intentionen, Anforderungen, Funktionalität bis hin zur besonderen Persönlichkeit des Fotografen oder der Fotografin, die sich im Endprodukt wiederfindet. So wird dieses Buch also auch von visuellen Gesetzen und Wahrnehmungen handeln, von Kreativität, Persönlichkeit und der individuellen und gestalterischen Philosophie hinter den Bildern.
Sie können sicher sein, schreiben ist für mich sehr ähnlich wie fotografieren. Dort habe ich bereits während der Arbeit das fertige Bild im Kopf und hier, während ich an diesem Buch schreibe, denke ich im gleichen Moment an Sie, Sie als Leser:innen meiner Zeilen. Sie, mit denen ich meine Gedanken teile und mit denen ich gerade sehr in einem gedanklichen Dialog stehe. Auch wenn Sie vielleicht nicht alle meine Überlegungen teilen, für mich sind immer die Sichtweisen besonders wertvoll, die in einer reflektierten, langjährigen Erfahrung entstanden sind und sich mir nicht automatisch auf den ersten Blick erklären.
Natürlich spielen für mich als Stilllife-Fotograf Bilder eine besondere Rolle. Bilder können dem gesprochenen oder geschriebenen Wort eine zusätzliche Bedeutung geben, sie können ungenannte Gedanken und Gefühle transportieren, ohne dass darüber ein Wort verloren werden müsste. Und genau in diesem Sinne werde ich in diesem Buch mit Bildern arbeiten. Das Medium Buch bestimmt zudem mit seiner Optik, Haptik und seinem Geruch wesentlich das Erlebnis, wie Sie diese Informationen aufnehmen werden. Das Bild gegenüber zeigt die Individualität von Büchern allgemein wie auch dieses Buches, in dem Sie gerade lesen. So wie hier werde ich auch im weiteren Verlauf des Buches das Geschriebene immer wieder mit Bildern unterstützen.
Abbildung 1Buch
Man sagt mir nach, ich sei kreativ, reflektiert, nachdenklich und würde den Dingen auf den Grund gehen. So richtig mag ich keiner Beschreibung widersprechen, denn ich sehe mich auch in einer besonderen Art beobachtend. Mir ist durch meine Arbeit sehr schnell bewusst geworden, dass alle Dinge eine besondere Menschlichkeit transportieren – auch die Dinge, die ich als Spezialist für Produktfotografie ablichten darf.
In jedem Objekt steckt die ihm eigene Individualität und die, durch die es erschaffen wurde.
Was meine ich damit? Nehmen Sie ein Wasserglas. Es hat letztendlich eine ziemlich simple Aufgabe, doch selbst seine einfachste vorstellbare Form lässt bereits ganz persönliche Sichtweisen auf dieses Wasserglas zu. Und sobald wir uns darüber im Klaren geworden sind, dass wir auch alltägliche Dinge von Person zu Person sehr individuell wahrnehmen können, ist eine solche individuelle Darstellung des Wasserglases keine große Herausforderung mehr.
Diese Erkenntnis führte dazu, die Gegenstände, die ich zum Fotografieren bekam, immer auf ganz unterschiedliche Weisen zu sehen und möglichst alles an ihnen zu hinterfragen: Form, Material, Nutzen, Ursprung, erste Produktionen, bestimmte Designs, Modifikationen in der Entstehungsgeschichte, Herkunft, Nutzer oder Konsumenten. Alle diese Parameter stehen in Verbindung mit den Menschen hinter den zu fotografierenden Produkten, und jeder einzelne Parameter von ihnen gibt mir die Möglichkeit, auf eine bestimmte Individualität dieser Produkte einzugehen.
Nach vielen Jahren der Arbeit als Experte für Produktfotografie kam mir die überraschende Erkenntnis, dass ich die Menschen, die ich auch hin und wieder zu fotografieren hatte, auch wie Produkte fotografierte. Menschen für die Werbung zu fotografieren bedeutet, sie gegebenenfalls »nur« als Aufmerksamkeitssymbol abzulichten. Dann dienen sie nicht mehr zur Identifizierung durch die Betrachter, sondern als sogenannter »Eyecatcher«.
Seitdem mir das klar wurde, unterscheide ich zwischen Menschenfotografie und Personenfotografie. Menschenfotografie sollte etwas Menschliches auf besondere Art darstellen, während die Personenfotografie die Persönlichkeit eines Menschen transportieren muss.
Von Beginn meiner Laufbahn als Fotograf an war die Personenfotografie nie mein Ding – aus unterschiedlichsten Gründen, einer davon war sicher meine extreme Schüchternheit. Was mich aber durchaus faszinierte, war, mit besonderen Darstellungen von Menschen abseits ihrer Persönlichkeit Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Das Bild in Abbildung 2 fotografierte ich für eine Kampagne zur Einführung einer neuen, hochauflösenden Profikamera. Da das Foto weltweit eingesetzt werden sollte, musste das Motiv in den unterschiedlichsten Kulturkreisen verwendbar sein. Ich hatte damals völlig freie Hand bei der Gestaltung und bin mir ziemlich sicher, dass der Kunde nicht wirklich ein Bild mit einer Person erwartete.
Abbildung 2Silberfrau
Wir alle wissen, dass die Bilder von Menschen in besonderem Maße geeignet sind, Aufmerksamkeit zu erregen – und dennoch wollte ich ein Stilllife fotografieren, also ein Genre, in dem Personen eher keine Rolle spielen. In der Stilllife-Fotografie haben wir es fast immer mit der Darstellung und Inszenierung von Produkten zu tun und so wollte ich die Verbindung schaffen, wie eine Person – und jetzt möchte ich nicht als unhöflich verstanden werden – fast als Gegenstand abgebildet werden kann. Ich hätte das Model völlig in einen Stoff oder ein anderes Material einhüllen können, das wäre sicher eine ähnliche, aber schon recht häufig in Bildern praktizierte Vorgehensweise gewesen. Daraus entstand die Idee, mit diesem Metallstaub zu arbeiten – ihn einerseits als Material sehr interessant darzustellen (mit einem starken Magneten bildet er links das Magnetfeld ab) und andererseits das Model rechts hinter diesem Material zu »verstecken«. So wurde aus einem vordergründigen Peoplefoto ein Bild, das eher der Rubrik »Stilllife-Fotografie« zuzuordnen ist.
Sie sehen, wie sehr ich mich auch nach über 35 Jahren Arbeit in diesem Genre mit der Frage beschäftige, warum ich was wie fotografiere und welche Art der Fotografie die größte Relevanz für die Betrachter der Bilder haben könnte. Daraus bitte ich Sie aber nicht abzuleiten, dass ich die Bilder nur für andere fotografiere, dass mir also meine eigene Persönlichkeit im Bild nicht wichtig sei. Ganz im Gegenteil: Nur durch die eigene Persönlichkeit, die weit mehr bedeutet als der eigene Stil, kann man überhaupt ernsthaft Bilder mit Relevanz schaffen. Ansonsten wären diese Bilder austauschbar, belanglos und im wahrsten Sinne des Wortes sinnlos!
Viele der Gedanken in diesem Buch stammen aus meinen Vorträgen über Kreativität im Business und beschäftigen sich sehr mit der Angst, dass Kreativität nicht planbar sei. Einige Zeit habe ich überlegt, diese Texte für dieses Buch umzuschreiben, um sie »fotografischer« zu machen, mich dann aber dagegen entschieden. Ihre Aussagen sind für die Fotografie selbst zwar weniger relevant, aber sie bieten Kreativen sehr hilfreiches Hintergrundwissen. Ich möchte darin zeigen, wie Denkmuster übertragen werden können und wie wichtig die individuelle Philosophie für die erfolgreiche, kommerzielle Fotografie ist.
Kreativität ist nicht wissenschaftlich belegbar, aber sie ist empathisch nachvollziehbar. Man kann sie verstehen, sie sympathisch und faszinierend empfinden, ohne sie wirklich logisch, nachvollziehbar erklären zu können. Das ist der wahre Grund, warum wir so viel mit ihr erklären wollen, warum so viel als »kreativ« bezeichnet wird, was scheinbar nur mit einem Gefühl zu erklären ist.
Im gesamten Buch wird Kreativität eine große Rolle spielen, aber lassen Sie mich damit beginnen, ihr den Stellenwert einzuräumen, den sie verdient. Für alle, die berufsmäßig mit Kreativität zu tun haben, ist sie eine ernste Sache und allzu oft, so scheint mir, wird der Begriff »Kreativität« etwas zu leichtfertig genutzt.
Zunächst werde ich also die Fotografie etwas vernachlässigen und meine Gedanken über Kreativität mit Vernunft und über den Weg der beruflich relevanten Kreativität beschreiben. Bei allen Arbeiten, die ich bisher in meiner Laufbahn liefern durfte, war der kreative Gedanke, die kreative Ausführung immer maßgebend. Oft wird gesagt: »Das ist ja ein tolles Foto«, gemeint ist dann sehr oft die kreative, die ungewöhnliche, überraschende Ausführung, die im Bild ihren Ausdruck findet – die perfekte handwerkliche Ausführung wird vorausgesetzt.
Egal ob es nun um eine Fotografie geht oder um sonst eine Leistung, es ist absolut notwendig, dass wir, die in einem »kreativen Beruf« arbeiten, die kreative Leistung nicht nur bewusst erbringen, sondern sie auch so etablieren, dass in erster Linie sie gefordert wird und in zweiter Linie erst die Art der Ausführung – zum Beispiel als Fotografie. Ein solches Bewusstsein würde der Kreativität auch im Business die Wertschätzung zuteilwerden lassen, die sie in besonderem Maße als eigenständigen Bereich, als Instrument bei Problemlösungen neben der Wissenschaft und bewährten Erfahrungen selbstverständlich macht.
Nun bemerke ich während des Schreibens, wie unwohl mir bei dem Gedanken an das, worüber ich schreibe, immer wieder ist. Ich schreibe über etwas, was man im alltäglichen Sprachgebrauch, meistens unreflektiert, als »Kreativität« bezeichnet. Mir scheint, dass mir das Wort immer häufiger und vor allem ungewollt aufgedrängt wird. Dass ich den Begriff »Kreativität« im Alltag so häufig und mit so unterschiedlichen Bedeutungen höre, macht mich nachdenklich.
Es liegt wohl an dem Beruf, den ich schon lange ausübe, dass dieses Wort oft auch mit mir in Verbindung gebracht wird. Wenn ich wenigstens wüsste, was die Menschen denn genau meinen, wie ich denn sei, wenn sie mich so bezeichnen? Wäre es dann einfacher? Nein, wohl kaum! Ich bin sicher, in 95% der Fälle müsste ich zumindest leise protestieren, wenn ich nicht sogar – berechtigterweise – beleidigt sein könnte.
Also benutze ich das Wort und versuche in diesem Buch den Weg zu beschreiben, wie man es schaffen kann, als kreativer Experte und Fotograf anerkannt zu sein und eine leise Ahnung davon zu haben, was die Menschen, die dieses Wort nutzen, darunter verstehen. Ich beschreibe, wie wir so einen Begriff wie »kreative Vernunft« so etablieren können, dass dahinter eine Kompetenz gesehen wird, die nicht an ein bestimmtes Sachthema gekoppelt sein muss. So kann die wirtschaftlich relevante »Kreativität« einen eigenen Bereich abseits der Künste und der farblichen Gestaltung von gehäkelten Topflappen bekommen.
Ich möchte betonen, dass ich das in keiner Weise despektierlich meine. Ich drücke es nur deswegen so drastisch aus, um zu beschreiben, wie vielseitig und damit unverständlich mit dem Begriff »Kreativität« umgegangen wird. Ich hoffe dem, was mit ihm bezeichnet wird, ein wenig auf die Spur zu kommen, um uns allen den Umgang mit diesem Wort etwas einfacher zu machen.
Abbildung 1.1Wassergefäß
Eines, das kann ich hier bereits vorwegnehmen, wird Bestand haben: die Vielseitigkeit des Wortes, das wir nur im Kontext präzisieren können und im Zweifel auch müssen. So nutze ich in diesem Buch den Begriff »Kreativität« immer auch als Kurzform für die – vielleicht besondere – Art von Denken und Handeln, die selbst die Menschen nicht konkret beschreiben können, die wir als »kreativ« bezeichnen.
Spektakuläre Bilder leben oft auch von den Aktionen im Moment der Aufnahme. Mein Protagonist in Abbildung 1.1 war eine Tasse. Auch in diesem Bild ging es darum, für Fotografen eine technische Möglichkeit einer Kamera zu demonstrieren. Hier waren es kurze Belichtungszeiten mit sehr hoher Bildfrequenz. Meine Idee war es, sehr extrem verwirbelte, feine Wasserperlen im Bild zu fixieren.
Kreativität besteht für mich nicht in der Umsetzung einer Idee, sondern sie ist die eigentliche Idee, verbunden mit der Vorstellung, wie ein solches fertiges Bild aussehen könnte. Für in der Stilllife-Fotografie weniger erfahrene Fotografen kann natürlich auch die Umsetzung selbst zu einem kreativen Akt werden. Für mich war die notwendige Präparation der Tasse recht klar, als ich die Idee zum Bild das erste Mal vor meinem geistigen Auge visualisierte. Die Realisation der Idee war eher ein rein handwerklicher Akt, den sicher auch ein anderer Fotograf hätte ausführen können. Die individuelle Kreativität dieser Fotografie steckt hier also in der Idee als Ausgangspunkt für die Umsetzung.
Sowohl die Farbzusammenstellung als auch die Anordnung und insbesondere die Positionierung des Schuhs in Abbildung 1.2 waren für das Jahr 1987, in dem ich dieses Motiv fotografierte, schon recht ungewöhnlich. Das Typische für solche High Heels ist die Steigung, der Winkel, in dem sich der Fuß befindet, bedingt durch die Höhe des Absatzes. Diese Steigung macht wohl das schlank und lang wirkende Bein aus und lässt die Trägerin des Schuhs auch ein wenig größer erscheinen. Besondere High Heels sind also extrem steil. Ich hatte nun die Idee, genau diese Steilheit in die Waagerechte zu versetzen, um auf diese Weise den Schuh sehr ungewöhnlich und dadurch in seinem Design besonders interessant darzustellen. Auch hier bestimmt letztendlich ein aus Kreativität entstandenes Detail das gesamte Bild. Nicht nur bei dem Kunden kam diese plakative Darstellung gut an, viel wichtiger, das Bild erhielt allgemein sehr große Aufmerksamkeit.
Abbildung 1.2Schuh
Eine Anekdote zu diesem Bild
Ich gehörte damals noch einem großen Fotoverband für Werbefotograf:innen an, der sich auch regelmäßig auf großen Veranstaltungen und Messen präsentierte. So wurde ich gefragt, ob ich dieses Bild für einen Messestand zur Verfügung stellen würde. Natürlich empfand ich es als große Ehre, mein Bild in einer Breite von fast vier Metern auf diese Art einem sehr großen Publikum zeigen zu können. Das Bild wurde also entsprechend vergrößert und auf einer Platte kaschiert. Gleich am ersten Tag war ich auf der Veranstaltung, um als junger Fotograf ziemlich stolz mein Werk zu begutachten und das ein oder andere Lob entgegenzunehmen.
Am nächsten Tag rief mich der Vorsitzende des Verbandes an und wollte wissen, ob ich etwas über den Verbleib des Bildes auf der Messe wüsste. Nein, natürlich wusste ich nichts, die Messe dauerte ja noch weitere fünf Tage. Das Bild war nach dem ersten Tag der Ausstellung gestohlen worden und niemand konnte sich erklären, wie ein Bild in dieser Größe einfach verschwinden konnte. Alle Nachforschungen ergaben nichts und letztendlich haben wir das auch nicht weiterverfolgt. Wichtig war es, sich auf die Messe zu konzentrieren, um hier erfolgreich zu sein.
Zirka zweieinhalb Jahre später, ich hatte mittlerweile einen festen Stand im Verband, traf sich ein kleiner Arbeitskreis zu einer Besprechung in einem Düsseldorfer Hotel. Wir hatten dort einen Besprechungsraum gebucht, um ungestört diskutieren zu können. Den Vorsitzenden hatte ich bereits in der Lobby im Hotel zu einem Kaffee getroffen und wir gingen gemeinsam in den hinteren Trakt zu unserem Raum. Sehr dekorativ hing dort an einer der Wände in einer Breite von vier Metern und mit dem Verbandslogo rechts unten mein Bild von dem Schuh. Es konnte nur das Bild der Messe sein, denn es wurde kein weiteres Mal in dieser Art produziert. Wir schauten uns einige Sekunden sprachlos an und mussten dann herzlich lachen.
Der Hotelinhaber klärte uns auf, dass er das Bild etwa zwei Jahren zuvor von einem damals mit der Dekoration beauftragten Handwerker gekauft hatte. Es war ihm ausgesprochen unangenehm und er wollte es auch sofort abhängen. Wir einigten uns auf ein gutes Getränk am Abend auf seine Kosten und er versprach mir, das Bild hängen zu lassen. Weiter haben wir die Sache dann nicht nachverfolgt. Immerhin, so wusste ich mein Werk sehr prominent in einem Hotel präsentiert und nach zwei Jahren auch mit einem kleinen Schild versehen, auf dem der Urheber genannt wurde.
Kommen wir zurück zur Kreativität, die ja scheinbar auch Bilder sehr begehrenswert machen kann.
Kreativität auch nur annähernd zu beschreiben ist schwierig. Kreativität ist letztendlich die Erfindung von neuen Ideen zu bestimmten Aufgabenstellungen. Ideen, die im besten Fall nicht auf bestehenden Lösungsansätzen beruhen. Ich kann Ihnen Kreativität nicht beibringen, Sie besitzen sie bereits (und ich werde später noch auf die Persönlichkeitsmerkmale kreativer Menschen eingehen). Aber ich werde Ihnen Wege und Erkenntnisse aufzeigen, mit denen Sie kreative Lösungen finden können.
Um Kreativität sehr genau definieren zu können, ist es für die kreative Arbeit wichtig, dass wir diese Bedeutung im Alltag nicht verwässern! Wir wollen zunächst mit einigen Stichworten beginnen.
Kreativität erkennen wir an:
Lösungen ohne direkt erkenntliche Herkunft in Grundidee oder Gestaltung;
Schöpfungen, die durch Stimulationen unterschiedlichster Herkunft neu und nicht direkt einer vorhandenen Arbeit zuzuordnen sind;
Schaffensprozesse, die in Qualität und Intensität der Ausführung durch die Persönlichkeit der Autor:innen bestimmt werden;
Faszination, die entsteht, wenn Geist und Seele durch Neues berührt werden, das nicht allein durch Wissen, Erfahrung und Gedanken zu begründen ist.
Lassen Sie uns demnach unterscheiden zwischen Modifikationen, also Dingen, die wir einfach nur anders oder in anderem Kontext machen, und einer Kreation, dem kreativen Schaffen von Neuem, in dem der Ursprung eine untergeordnete Rolle spielt und wahrscheinlich gar nicht mehr zu erkennen ist.
Die vielen kleinen Änderungen, die wir immer wieder vornehmen, um etwas neu zu strukturieren, werden oft voreilig als »kreativ« bezeichnet, letztendlich sind es jedoch oft nur kleine Modifikationen von Abläufen (und hier liegt einer der Hauptgründe verborgen, warum kreativer Input in Unternehmen oft nicht den nötigen Stellenwert hat, um Innovationen effektiv voranzutreiben – dazu später mehr). Es gilt den Unterschied zu suchen zwischen dem, was neu kreiert werden muss, und dem, was übernommen und verändert werden kann. Es muss uns immer klar sein: Wenn wir etwas übernehmen, kann es ein Teil von etwas Neuem sein, es kann auch eine Modifikation werden oder in manchen Fällen einfach auch nur eine Kopie. Wir müssen streng sein in der Bewertung der kreativen Leistung.
Zu schnell wird Kreativität oft als simple und schnelle Modifikation begriffen, um mit dem kreativen Prozess relativ schnell und einfach fertig zu sein. Kreativität wird so letztendlich verstanden als das Verwenden des Vorhandenen, man müsse es »nur« verbiegen, also in eine neue Form bringen, oder nur brechen, um etwas Vorhandenes in Teilstücke zu zerlegen, oder aber Dinge einfach nur neu miteinander verbinden. So beschreiben es auch David Eagleman und Anthony Brandt in ihrem Buch Kreativität1. Und das Fatale an der Sache ist, dass es stimmt, denn natürlich findet Kreativität nicht im luftleeren Raum statt. Allerdings wird das Wort »nur« in diesem Zusammenhang sehr oft dazu verwendet, es sich relativ einfach zu machen.
Wir sollten als Kreative viel strenger mit uns sein. Lassen Sie uns Modifikationen als solche bezeichnen und klar den Schritt definieren, ab wann etwas nur verändert wurde oder ab wann aus dem Vorhandenen etwas Neues entstanden ist, das eine Einzigartigkeit besitzt und nicht unmittelbar auf Vorhandenes zurückzuführen ist. So könnte man der wirklich neuen, der kreativen Lösung den besonderen Stellenwert erhalten.
Ähnlich verhält es sich mit der Inspiration. »Inspiration« bedeutet für viele Menschen, zu schauen, wie andere das Problem gelöst haben, um es dann genau so zu machen – und wenn die Reihenfolge der einzelnen Schritte ein wenig geändert wird, dann merkt es auch keiner. Das ist keine Inspiration, das ist das Verwenden eines funktionierenden Musters. Und natürlich ist das völlig in Ordnung, wenn eine bereits vorhandene Lösung ein Problem zur Zufriedenheit löst – nur kreativ ist es nicht!
Das Verwenden einer vorhandenen Lösung sollte nicht als »kreativ« bezeichnet werden, auch wenn es eine gute Idee ist. Die Kreativen werten die Kreativität selbst ab, wenn sie es sich zu einfach machen, wenn sie nicht streng mit dem kreativen Prozess umgehen und ihn entsprechend umsetzen.
Wenn man nicht nur die Qualität einer Erfindung an ihrem Nutzen messen könnte, sondern auch für den Teilbereich der kreativen Leistung innerhalb der Erfindung eine Maßeinheit hätte, wäre es einfach, diesen Wert zu benennen und zu erkennen. Es geht darum, wirtschaftlich und gesellschaftlich der Kreativität einen Wert zu geben, so wie wir ihn zum Beispiel auch der mechanischen Fertigung eines Produktes zuordnen.
Es gibt intelligente und dumme Kopien. Das Wort »Nachahmung« bezeichnet für mich eine durch etwas Bestehendes inspirierte Handlung, während die »Kopie« ein Plagiat ist, das ich persönlich sehr oft nahe an der Unrechtmäßigkeit sehe. Ja, natürlich gibt es völlig legale Kopien. Im Sinne einer schöpferischen Urheberschaft müssten diese dann aber auch klar benannt sein (und im kommerziellen Bereich wurden in den letzten Jahren, gerade was auch geistige Urheberschaft anbelangt, große Fortschritte gemacht). Auf einen klaren Ursprung zurückzuführende Inspirationen und Nachahmungen sollten immer auch als solche gekennzeichnet sein.
Unabhängig davon gibt es Erkenntnisse, zu denen man gelangt, wenn man sich sehr intensiv mit einem Thema beschäftigt, und die man plötzlich für eine einzigartige Entdeckung oder Lösung eines Problems hält – die es aber bei genauerer Prüfung nicht ist. Die Frage ist, inwieweit eine solche Entdeckung, die aufgrund eigener schöpferischer Tätigkeit entstanden ist, einen allgemeinen Wert verlieren kann, wenn man auf bereits existierende Lösungen des Problems im Nachhinein stößt. Ich befasse mit seit über acht Jahren intensiv mit Gedanken zur Kreativität und mir ist bewusst, dass ich mich dabei in guter Gesellschaft vieler intelligenter Menschen befinde. Soll ich deswegen meine Überlegungen dazu einstellen, werden damit meine individuellen Erkenntnisse, wenn sie nicht ganz banal sind, wertlos?
Abbildung 1.3Schneebesen
Nein, natürlich nicht, jeder Gedanke ist es wert, gedacht zu werden, und wenn wir alle uns diese Frage ernsthaft stellen würden, könnten wir das Teilen unserer Gedanken und Erkenntnisse einstellen. Wir würden ab sofort auf dem heutigen Stand stehenbleiben.
Ich habe vor vielen Jahren selbst erlebt, wie ich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurde. Ich hatte eine sehr banale Erfindung gemacht, auf die vor mir scheinbar noch nie jemand gekommen war.
Wir mussten im Studio einen sich drehenden Schneebesen fotografieren. Ich hatte die Idee, das in einem mit Wasser gefüllten Aquarium zu tun, um so durch die sprudelnden Luftblasen ein besonders plakatives Bild zu gestalten. Damit noch eine spezielle Dynamik entsteht, präparierten wir den Schneebesen so, dass er in eine Bohrmaschine mit sehr hohen Drehzahlen eingespannt werden konnte.
Sie können sich vorstellen, was im Aquarium abging. Ich fotografierte nun auf einer Ebene mit dem Schneebesen seitlich in das Aquarium und im Bild war eine Explosion von Luftblasen zu erkennen, leider aber nicht mehr der Schneebesen, um den es ging. Es dauerte ein, zwei Tage mit unterschiedlichen Tests, bis ich auf die Idee kam, ein Aquarium bauen zu lassen, dass so schmal war, dass die Luftblasen sich nur nach oben und unten ausbreiten konnten und mir nicht die Sicht auf den Schneebesen nahmen. Zwischen sich drehendem Schneebesen und Glasscheibe lagen also nur wenige Millimeter Wasser. Auf diese Weise konnten wir die Idee realisieren, und das Bild wurde sogar besser als erwartet (siehe Abbildung 1.3). In Kursen, Vorträgen und auch in Büchern beschrieb ich nun, wie solche Bilder zu realisieren sind – vor allem, wie logisch der Weg zur Lösung ist, wenn man sich nur intensiv mit dem Problem befasst.
Ziemlich stolz auf meine scheinbar geniale Idee habe ich diese Story über zwei Jahre bei meinen Vorträgen eingebaut. Sie ahnen es – wenn die Dinge so logisch liegen, ist der Wert, die Lösung gefunden zu haben, nicht geringer, aber auch wahrscheinlich nicht einmalig.
Ein guter Bekannter schenkte mir ein altes Buch zur Werbefotografie aus den 1970er-Jahren. Ich war begeistert, bis ich beim Durchblättern darin die Erklärung fand, wie man Objekte in sprudelndem Wasser in besonders schmalen Aquarien fotografiert. Bemerkenswert waren die genannten Abmessungen, sie entsprachen bis auf 2cm genau denen, die ich nach meinen eigenen Überlegungen für sinnvoll hielt.
Zunächst war ich enttäuscht. Später erkannte ich den Mehrwert der Tatsache, dass logische Überlegungen, die auch die Spezialanfertigung eines Aquariums nicht ausschließen, zu gleichen Resultaten führen.
Vielleicht hätte man die Lösung heute schnell im Internet gefunden. Es ist aber unsere Aufgabe, die Lösungen zu suchen, die noch nicht bekannt sind – kreativ modifiziert!