Projekt Lebensverlängerung - Thomas Schulz - E-Book

Projekt Lebensverlängerung E-Book

Thomas Schulz

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Beschreibung

Gesund 100 zu werden, ist möglich

Die vielleicht größte medizinische Erkenntnis des vergangenen Jahrzehnts lautet: Das Altern ist formbar. Es kann beeinflusst, beschleunigt, gebremst werden. Und wir können selbst viel dafür tun. Was genau, das hat Thomas Schulz in zahlreichen Interviews mit Nobelpreisträgerinnen und Krebsmedizinern, Hirnforscherinnen und Ernährungsexperten, Biohackern und KI-Vordenkerinnen zusammengetragen. Sein Buch führt in die angesehensten Longevity-Forschungslabore der Welt ebenso wie in die Unternehmenszentralen des Silicon Valley und beantwortet die großen Fragen: Welche Faktoren haben den stärksten Einfluss auf die gesunde Lebensspanne? Welche Ernährung, welche Sportarten sind am besten geeignet? Kann die Einnahme von Zusatzstoffen oder Medikamenten tatsächlich das Leben verlängern? Und, nicht zuletzt: Können wir uns die kommende Gesellschaft der Hundertjährigen überhaupt leisten?

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Gesunde 100 oder sogar 120 Jahre alt zu werden, ist möglich.

Die vielleicht größte medizinische Erkenntnis des vergangenen Jahrzehnts lautet: Das Altern ist formbar. Es kann beeinflusst, beschleunigt, gebremst werden. Und wir können selbst viel dafür tun. Was genau, das hat Thomas Schulz in zahlreichen Interviews mit Nobelpreisträgerinnen und Spitzenmedizinern, Hirnforscherinnen und Ernährungsexperten, Biohackern und Start-up-Gründerinnen zusammengetragen. Sein Buch führt in die angesehensten Longevity-Forschungslabore der Welt ebenso wie in die Unternehmenszentralen des Silicon Valley und beantwortet die großen Fragen: Welche Faktoren haben den größten Einfluss auf die gesunde Lebensspanne? Welche Ernährung, welche Sportarten sind am besten geeignet? Kann die Einnahme von Zusatzstoffen oder Medikamenten tatsächlich das Leben verlängern? Und, nicht zuletzt: Können wir uns die kommende Gesellschaft der Hundertjährigen überhaupt leisten?

Thomas Schulz ist Reporter der Chefredaktion des SPIEGEL. Zuvor berichtete er fast ein Jahrzehnt als Korrespondent für den SPIEGEL aus den USA: ab 2008 aus New York und ab 2012 aus San Francisco, wo er die Redaktionsvertretung im Silicon Valley aufbaute. Er wurde unter anderem ausgezeichnet mit dem Henri-Nannen-Preis, dem Deutschen Journalistenpreis sowie als Journalist des Jahres. Bei DVA erschienen seine vielbeachteten internationalen Wirtschaftsbestseller Was Google wirklich will (2015) und Zukunftsmedizin (2018).

Schulz studierte Politikwissenschaften in Frankfurt und Kommunikationswissenschaften als Fulbright-Stipendiat in den USA. An der Harvard University forschte er zu internationaler Wirtschaftspolitik. Seit 2024 ist er Mitglied des Sachverständigenrats des Institut Hospitalo-Universitaire HealthAge, dem führenden europäischen Zentrum für gesunde Langlebigkeit, angesiedelt an der Universitätsklinik Toulouse.

»Dieses Buch ordnet und gewichtet alle Verheißungen anschaulich und übersichtlich.« P.M. über »Zukunftsmedizin«

»Schulz lässt seine Leser hinter die Kulissen blicken, zeichnet die Grundlagen des sich anbahnenden Zeitwandels spannend nach – und zeigt auf, wie realistisch die Verheißungen sind.« bild der wissenschaft über »Zukunftsmedizin«

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THOMAS SCHULZ

Ein Spiegel-Buch

DVA

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Für meine Eltern

Copyright © 2024 by Deutsche Verlags-Anstalt, München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München, und SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG, Ericusspitze 1, 20457 Hamburg

Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt

Umschlagmotiv: Allies Interactive/Shutterstock.com

Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-32137-6V001

www.dva.de

INHALT

Einleitung

Warum auf einmal 100 die neuen 80 sind

1   Ist Altern eine Krankheit?

Wie eines der größten Geheimnisse der Biologie entschlüsselt wird

2   Stop the Clock!

Wie sich das biologische Alter messen lässt – und wie es zurückgedreht werden kann

3   Krebs

Die größte Hoffnung

4   Gene, Zellen, SuperAger

Warum manche Menschen mit 100 noch topfit sind

5   Gehirngesundheit

Wie gute Freunde das Leben verlängern und warum Alzheimer nicht mehr unbesiegbar ist

6  Ernährung

Länger leben durch richtiges Essen

7  Fitness

Schlechte Karten für Couch Potatoes

8  Zwischen Biohacking und Blockbuster-Medikamenten

Auf dem Weg zur Verjüngungsmedizin

9  Die Gesellschaft der Hundertjährigen

Wie wir uns darauf vorbereiten sollten

10  Projekt Lebensverlängerung: Die Grundregeln

Register

EINLEITUNG

Warum auf einmal 100 die neuen 80 sind

Für heute Fünfjährige wird es normal sein, 100 Jahre alt zu werden. Klingt gleich zu Anfang ein bisschen gewagt? Ist es aber nicht. So erwarten es Demografen schon länger. »Ein sehr langes Leben ist nicht das ferne Privileg künftiger Generationen – ein sehr langes Leben ist das wahrscheinliche Schicksal der meisten Menschen, die heute in den entwickelten Ländern leben«, hat James Vaupel, Direktor des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung, schon 2002 vorhergesagt. »100 Jahre zu leben, wird zum Standard für alle, die heute geboren werden«, stellten Wissenschaftler der Stanford University 2021 nüchtern fest.

Viele, die zum Altern forschen, sehen es inzwischen sogar so: Auch heute Fünfzigjährige haben noch gute Chancen, 100 zu werden. Und spätere Generationen halten eher auf die 120 zu.

Nach fast zwei Jahren Recherche und vielen Dutzend Interviews mit Spitzenforscherinnen und Nobelpreisträgern, mit Krebsmedizinerinnen, Alzheimer-Spezialisten, KI-Vordenkern, Ernährungsexpertinnen und CEOs von Techkonzernen bin ich davon ebenso überzeugt. Auch, wenn es sich gerade nicht so anfühlt.

Ich bin neulich selbst 50 geworden, und ich merke es. Die Haare werden weniger und die Brille stärker. Morgens tut der Rücken weh, die Nieren waschen das zur schnellen Abhilfe eingeworfene Ibuprofen nicht mehr so schnell aus, und die Berge bin in ich früher auch schon mal schneller hochgekraxelt. Da war eben mein Atemzugvolumen größer, und meine Muskeln konnten besser Sauerstoff aufnehmen. Auch das abendliche Bier wird von der Leber nicht mehr so schnell abgebaut. Und das Blut fließt langsamer durch mein Gehirn. Über Spermiendichte wollen wir gar nicht reden. Das Verhältnis von Muskeln und Fett verschiebt sich sehr penetrant auf die falsche Seite.

Die Liste ist so fürchterlich lang, dass mir die verbleibenden (angegrauten) Haare zu Berge stehen. Und dabei habe ich noch nicht mal das dramatisch steigende Krebsrisiko erwähnt. Hermann Hesse beschrieb es wunderbar punktgenau:

Von der Wiege bis zur Bahre

sind es fünfzig Jahre,

dann beginnt der Tod.

Man vertrottelt, man versauert,

man verwahrlost, man verbauert

und zum Teufel gehen die Haare.

Aber was soll man machen. Menschen sind nun mal nicht für die Ewigkeit gebaut. Irgendwann fängt es an zu knirschen und zu ächzen. Altern mit all seinen Begleitkrankheiten ist unumgänglich. Und die letzten Jahrzehnte sind deswegen eher nicht so toll. Wer Glück hat, darf nach der Rente noch ein paar Jahre im Gartenstuhl vor sich hin jammern.

So war es immer. So wird es also auch für immer bleiben.

Falsch.

Die vielleicht größte medizinische Erkenntnis des vergangenen Jahrzehnts lautet: Altern ist formbar. Es kann beeinflusst, beschleunigt, gebremst werden. Vielleicht auch gestoppt, für eine Weile zumindest. Jedenfalls muss für die meisten nicht mit spätestens Mitte 80 Schluss sein. Und das Leben mit 90 muss sich auch nicht miserabel anfühlen.

Wir lernen gerade sehr schnell, was zu tun ist, damit es besser läuft. Wie gesunde 100 erreichbar sind.

Unser Blick auf Altern und Lebenserwartung war bislang durch zweierlei getrübt: Erstens hatten wir bis noch vor wenigen Jahren viele biologische Zusammenhänge nicht verstanden. Etwas zu beeinflussen, was man nicht versteht, scheint unmöglich. Und zweitens war es in der Menschheitsgeschichte eben immer so, dass die späten Lebensjahre durch Siechtum und Krankheit geprägt waren. Warum sollte sich etwas ändern, was seit tausenden Generationen gleich war? Genauso konnte sich auch niemand vorstellen, dass es irgendwann normal wäre, nach Lust und Laune um den Planeten zu fliegen. Oder das Atom zu spalten, um daraus Energie zu gewinnen. Die eigentliche Frage also lautet: Warum sollten Wissensexplosion und technischer Fortschritt überall in der Natur zu radikalen Evolutionssprüngen führen – nur ausgerechnet bei unserem eigenen Körper nicht?

Tatsächlich beherrschen wir zunehmend unsere eigene Biologie, das zeigt sich in vielen Bereichen. Noch in den 1990ern galt Krebs als unheilbar. Gentherapien waren noch vor einem Jahrzehnt Science-Fiction. Und künstliche Intelligenz, die Tumore besser erkennt als Ärzte, hielten Informatiker für Quatsch. All das ist längst Normalität.

Was es bedeutet, alt zu sein, hat sich schon in den vergangenen 170 Jahren dramatisch verschoben. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts lag die Lebenserwartung in Europa bei kaum mehr als 40 Jahren. Hygiene, Medizin und soziale Errungenschaften veränderten viel. Bei Geburt im Jahr 1950 lag die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland immerhin bei knapp 67 Jahren. Sprich: Arbeiten bis zur Rente, und dann bleiben noch zwei, drei Jährchen im Sessel.

So ist es zum Glück für viele nicht gekommen, zwischendrin machte sich erneut der Fortschritt bemerkbar: Der Bypass wurde erfunden und die Chemotherapie, Herzinfarkte und Krebs waren nicht mehr so tödlich. Bürojobs lösten Knochenjobs ab. Viele wurden wohlhabender.

Wer heute Sterbeanzeigen in der Lokalzeitung durchschaut (ja, so was gibt es noch), kann sehen, wo es zuletzt hinging: Viele sterben im Alter von 85, 86, 87. Und das sind die Generationen, die erst in ihrem letzten Lebensdrittel von vielen medizinischen Entwicklungen profitieren konnten. Für die Krieg, Asbestverseuchung und Kettenrauchen normal waren. Allerdings sind heute für etliche Menschen die späten Lebensdekaden nur bedingt erquicklich, sie werden beeinträchtigt von vielerlei Erkrankungen.

Aber es gibt auch in diesen Generationen Menschen, die nicht nur sehr alt werden, sondern dabei weitgehend gesund und vital bleiben. Sogar im Alter von über 100 Jahren. Die sogenannten SuperAger zeichnet aus, dass sie keine der üblichen Alterserkrankungen schwer erwischt, weder Krebs noch Demenz noch Herzprobleme. Sie fallen oft einfach vom einen auf den anderen Tag um. Ich bin einigen dieser faszinierenden Menschen begegnet, die mit 104 noch Fahrrad fahren oder mit 99 Violine spielen, als hätten sie noch nie von steifen Fingern gehört. Alles genetische Glückspilze? Nur sehr bedingt. Tatsächlich macht das Erbgut Schätzungen zufolge lediglich etwa 10 bis 25 Prozent der Lebenserwartung aus.

Wenn wir über längeres Leben reden, kann es aus doppeltem Grund nur um eine längere Gesundheitsspanne gehen, das heißt das Ausbleiben von schweren Krankheiten bis ins hohe Alter. Zum einen will kaum jemand ein Jahrzehnt länger leben, wenn das ein Jahrzehnt voller Krankheit und Schmerzen bedeutet. Länger leben muss heißen: länger vital sein – mit 80 noch Tennis spielen, mit 90 noch wandern, mit 100 noch ein Gläschen Rotwein mit Freunden und Familie und ins Konzert gehen. Die Urenkel aufwachsen sehen. So wie die SuperAger. Und zugleich ist das signifikant längere Leben im Wesentlichen nur möglich, wenn der körperliche Zerfall ausbleibt, der zu Krankheiten führt.

Deswegen ist dies kein Buch über den (Alb-)Traum von der Unsterblichkeit. Und es geht auch weniger um die Frage, wie weit wir die Grenze der menschlichen Lebenserwartung nach hinten verschieben können, ob es noch über die 120 hinausgehen kann (es scheint so). Sondern es geht um vitale Lebensjahrzehnte im hohen Alter, um fitte 100.

Biologisch betrachtet ist Altern ein fortschreitender Verlust der physiologischen Unversehrtheit, mit versagenden Körperfunktionen in allen Organsystemen. Zellen, Gewebe und Erbsubstanz häufen mit zunehmendem Alter Schäden an, die sich gegenseitig verstärken und die der Körper irgendwann nicht mehr selbst reparieren kann. Das ist erst mal nicht so gut.

Allerdings können wir beeinflussen, wie viele Schäden sich anhäufen und wie früh. Wir können etwas gegen den Zerfall tun. Vieles davon ist gar nicht so schwer. Und die Logik dahinter ist auch nicht kompliziert. So wie sich ein Auto 200 000 Kilometer gut fahren lässt, wenn man regelmäßig das Öl wechselt und die wichtigsten mechanischen Teile pflegt. Natürlich ist der Wagen am Ende nicht mehr so frisch, aber er läuft noch ziemlich rund. Oder der Motor raucht schon nach 100 000 Kilometern ab, weil der Wagen durch jedes Schlagloch geschunden wurde und Wartung und Inspektion ja nur vermeintliche Geldmacherei sind, die man auch lassen kann. Nur wissen wir genau, welche Schrauben und Rädchen man am Auto drehen muss, um sie lange am Laufen zu halten. Die Hebel, um unsere Körper in Schwung zu halten, kannten wir kaum. Mehr noch: Viele meinten, es gebe gar keine. Die biologische Maschine gehe eben einfach irgendwann kaputt, Pech gehabt.

Aber diese Zeit der Unkenntnis ist vorbei.

Schon vor einem Jahrzehnt kündigte sich eine Wissensrevolution an. Sie fällt nicht zufällig zusammen mit dem Moment, als künstliche Intelligenz die Welt zu verändern begann. Als Maschinen lernten, sich durch riesige Datenmengen zu wühlen und zuvor unlösbare Aufgaben in Windeseile zu berechnen. Ich habe das damals aus der Nähe beobachtet, als USA-Korrespondent des SPIEGEL in San Francisco. Eigentlich sollte ich aus dem ganzen Land berichten, aber ich verbrachte fünf Jahre fast ausschließlich im Silicon Valley. Zu sehr fühlte es sich nach einem geschichtsträchtigen Moment an, der den Lauf der Welt verändern würde.

Die datengetriebene Wissensrevolution schlägt inzwischen auf fast alle Bereiche des Lebens durch, aber fast nirgends ist ihre Bedeutung größer als in der Medizin. Sie macht es möglich, dass Krebs mit im Labor erschaffenen Super-Immunzellen behandelt wird, Alzheimer sich per Bluttest entdecken und das gesamte Erbgut eines Menschen in Minutenschnelle analysieren lässt. Dass künstliche Organe demnächst im 3D-Drucker gebaut werden. Von künstlicher Intelligenz getriebene Biotechnologie verändert dramatisch, wie Krankheiten diagnostiziert und therapiert werden. Jennifer Doudna, Nobelpreisträgerin und Entdeckerin der Genschere CRISPR, sagte es mir neulich so: »Ich bin seit Jahrzehnten Wissenschaftlerin, aber auch mir kommt es so vor, als erlebten wir gerade einen ganz besonderen Moment: Diese außergewöhnliche Überschneidung von Entdeckungen und Technologie beschleunigt das Tempo der Wissenschaft viel, viel stärker, als ich es je zuvor erlebt habe.«

Die revolutionäre Zukunftsmedizin zahlt zwangsläufig auf unsere Lebenserwartung ein: Allein die kardiovaskuläre Revolution der 1960er Jahre, die viele Herzprobleme behandelbar machte, führte zu einem sichtbaren Sprung in der Lebenserwartung. Nun laufen zahlreiche solcher großen Entwicklungen parallel. Wir beginnen unsere Biologie grundlegend zu verstehen.

Daraus ist 2018 mein Buch Zukunftsmedizin entstanden. Ein optimistisches Buch aus amerikanischer Perspektive sollte es sein, über die Möglichkeiten, die der Fortschritt eröffnet, und wie viel schneller sich dadurch die Welt dreht. Ich wollte es dem überkritischen Pessimismus Europas gegenüberstellen, wo so oft zuerst bedacht wird, warum etwas vielleicht nicht funktionieren könnte, wo im Zweifel lieber der Haushalt ausgeglichen wird, als in Bildung, Forschung und Innovation zu investieren.

Inzwischen ist mehr wahr geworden, als selbst meine optimistische Vision aus dem Jahr 2018 hoffen ließ. Eben noch experimentelle Krebsmedikamente wurden zu Standardbehandlungen, erste Gentherapien sind zugelassen, und künstliche Intelligenz hat sich noch viel schneller und weiter entwickelt als geahnt.

Am prägnantesten dürfte der Fall eines damals noch unbekannten Start-ups sein, das ich gleich im ersten Kapitel ausführlich beschrieben hatte, fasziniert von einer neuen Technologie: Sie sollte, so hatten es mir die Chefs des amerikanischen Biotech-Unternehmens 2016 erzählt, den menschlichen Körper zu seiner eigenen Medikamentenfabrik machen. Indem die Zellen direkt Anweisungen einprogrammiert bekommen, was sie herstellen sollen. Allenfalls Science-Fiction, hieß es dazu damals selbst in Fachkreisen, noch Jahrzehnte entfernt, falls überhaupt je was daraus werde. Nur wenig später rettete diese vermeintliche Science-Fiction-Idee die Welt. Der Name des damals unbekannten Start-ups: Moderna. Die Technologie: mRNA-Impfstoffe.

Wenn wir nun erneut nach vorne blicken, ist es deswegen wichtig, auch das vergangene Jahrzehnt im Auge zu behalten. Es zeigt deutlich, wie viel schneller der Fortschritt voranrast als in den vergangenen Jahrhunderten. Der Wahlspruch internationaler Pessimisten, »Das hat aber noch nie funktioniert«, gilt nicht mehr.

Ausgerüstet mit KI-Algorithmen und Supercomputern, gelang es Forschern im vergangenen Jahrzehnt erstmals, wesentliche Grundlagen des kompliziertesten aller biologischen Prozesse zu entschlüsseln, nämlich das Altern. Zuvor gab es nur Vermutungen, Hinweise, einzelne Erkenntnisse. Nun beginnen wir in erstaunlichem Tempo zu verstehen, welche konkreten zellulären und molekularen Prozesse beteiligt sind – und wie sie zusammenhängen. Längst sind nicht alle Antworten gefunden, aber immerhin eine ganze Liste von klar definierten Kennzeichen des Alterns, von instabilem Erbgut bis zur Fehlfunktion von Zellkraftwerken. So lässt sich inzwischen sogar per Bluttest bestimmen, wie schnell oder langsam der einzelne Mensch altert.

Je besser die zentralen biologischen Prozesse durchschaut werden, desto klarer zeichnet sich ab, wie sie am Laufen gehalten werden können. Wenn man erst einmal weiß, wo das Problem liegt, kann man auch Lösungen entwickeln. Eben noch schien das Altern unaufhaltbar, nun werden ständig neue mögliche Gegenmaßnahmen entwickelt und erprobt, von Stammzellentherapie bis zu Genchirurgie. Manche Forscher wollen das Altern radikal verlangsamen und setzen dazu auf revolutionäre Ansätze, etwa alte Zellen einfach zu jungen Zellen umzuprogrammieren. Andere wären froh, den körperlichen Zerfall zumindest etwas auszubremsen, und hoffen, bereits zugelassene Medikamente auf ihr Anti-Aging-Potenzial zu testen.

Manche solcher Verjüngungsmaßnahmen werden bereits in klinischen Versuchen getestet. Andere probieren experimentierfreudige Biohacker selbst an sich aus.

Die Grenzen zwischen Spitzenforschung und Biohacking verschwimmen dabei mitunter. Longevity – der englische Begriff für Langlebigkeit setzt sich auch hierzulande zunehmend durch – ist ein wissenschaftliches Boomthema wie kaum ein anderes, auch weil sich viele Felder vermischen: Biologie, Gerontologie, Neurologie, Onkologie, Ernährungswissenschaften, Sportmedizin. Um nur ein paar zu nennen.

So viele Informationen werden in die Welt geschwemmt, dass es für die Öffentlichkeit nicht immer leicht ist, auf den ersten Blick auseinanderzuhalten, was wissenschaftlich erwiesen und was Esoterik ist. Und was Geschäftemacherei. Mittlerweile werden immer mehr Pillen und Pülverchen als Longevity-Mittel angeboten, manche auch von bekannten Wissenschaftlern mit eigenen Firmen und Langlebigkeitsprogrammen, die sie mit Podcasts und Büchern vermarkten. Wesentliches Ziel dieses Buches ist es deshalb, einen neutralen Überblick zum Stand der Longevity-Forschung zu geben. Es führt in die angesehensten Forschungslabore der Welt von Heidelberg bis Harvard, in die Unternehmenszentralen des Silicon Valley, zu Nobelpreisträgerinnen und SuperAgern, zu Biohackern und Biochemikerinnen, die sich an ersten Verjüngungspräparaten versuchen.

In den kommenden Jahren und Jahrzehnten, so viel scheint sicher, wird eine Anti-Aging-Medizin entstehen, getrieben von neuen Biotechnologien und befeuert von etlichen Milliarden an Investorengeldern, die ohne Unterlass in ihre Entwicklung gepumpt werden.

Das ist der eine Ansatz: Hightech gegen das Altern.

Es gibt aber auch einen noch naheliegenderen und scheinbar simpleren Ansatz: den eigenen Lebenswandel. Wie wir essen und uns bewegen, wie wir schlafen, unseren Stress kontrollieren, die mentale Gesundheit pflegen und uns mit Freunden und Familie umgeben. Vieles davon mag wenig überraschend wirken, wissen wir doch schon lange, dass Chips und Schweinebraten und Bier eher nicht so hilfreich sind wie Brokkoli und Vollkornbrot. Dass Übergewicht und Bewegungsmangel nicht gerade das Leben verlängern.

Doch es gibt neue Erkenntnisse, was einen effektiven Longevity-Lebenswandel ausmacht. Auf der Suche nach den zellulären und molekularen Mechanismen, die das Altern beeinflussen, kamen die Forscher auf zentrale Informationswege, die dem Körper anzeigen, wie er mit Energie versorgt wird. Sie fanden heraus, welche biochemischen Prozesse dabei eine Rolle spielen und wie sich teils seit Jahrhunderten bekannte Maßnahmen wie das Fasten auf molekularer Ebene auswirken. Warum Sport die Zellkraftwerke in Gang bringt und die DNA-Reparatur beeinflusst. Wie enge Freundschaften die Gehirngesundheit fördern, weil die Synapsen erhalten bleiben.

Das sind extrem gute Nachrichten: In erster Linie liegt ein langes, gesundes Altern also in unserer eigenen Hand, Wege dorthin gibt es genug, man muss sie nur kennen und zusammenbringen und ihre Wirkung verstehen. Lebensgewohnheiten lassen sich leichter verändern, wenn man genau weiß, warum. Sicher ist: Es geht dabei nicht um ein paar Monate mehr, sondern um Jahrzehnte.

Das Projekt Lebensverlängerung ist also beides: eine Aufgabe für Wissenschaftlerinnen, Mediziner, Biologinnen und Informatiker, aber auch ein Projekt für jeden Einzelnen. Auch für mich.

Wenn man erst einmal beginnt, sich mit der Biologie des Alterns zu befassen, ist es fast unmöglich, die Welt noch mit den gleichen Augen zu sehen. Das geht vielen Medizinern so, das ging auch mir so. Ich bin weder Gesundheitsfanatiker noch Biohacker. Dazu trinke ich viel zu gerne ein Helles im Biergarten und möchte das Grillwürstchen an einem lauen Sommerabend nicht missen. Joggen finde ich furchtbar langweilig und Fitnessstudios anstrengend. Aber natürlich würde ich gerne auch noch meinen Enkelkindern das Skifahren beibringen und die Rentenjahre nicht auf dem Sofa verbringen, sondern durch den brasilianischen Regenwald wandernd.

Das Projekt Lebensverlängerung ist also auch eine persönliche Reise, die gar nicht so geplant war. Begonnen hat sie schon vor rund einem Jahrzehnt, als meine Hausärztin in San Francisco Prädiabetes diagnostizierte. Und zehn Kilo Übergewicht. Und schlechte Blutwerte. Das Ergebnis von vielen Jahren Dauerstress, Überarbeitung und drei Geschäftsessen jede Woche. Damals schon sagten mir befreundete Alzheimer- und Krebsforscher gleichermaßen: Tu was dagegen, sonst bekommst du richtige Probleme. Aber mit 40 hörte ich nur halb hin.

Während der Entstehung des Buches habe ich nun aber die Gelegenheit ergriffen, viele Forschungserkenntnisse selbst anzuwenden. Anders zu essen, mehr und anders zu trainieren und ja, auch das eine oder andere Supplement auszuprobieren. So viel vorweg: Die Zwischenergebnisse sind ermutigend. 50 beginnt sich langsam wieder mehr wie 40 anzufühlen.

Ich hoffe mit diesem Buch Menschen zu erreichen, die wie ich selbst am Ende genauer hinschauen, was für ein vitales hohes Alter jetzt schon zu tun ist. Dazu muss nicht jahrzehntelang spaßbefreit und asketisch gelebt werden. Aber es gilt sich vorzubereiten, sowohl auf das eigene vielleicht deutlich längere Leben als auch auf eine Gesellschaft der Hundertjährigen. Für die wir längst nicht bereit sind.

Mit dem neuen Verständnis von Altern und Langlebigkeit fangen die großen Fragen erst an. Was tun mit den gewonnenen guten Jahren? Bislang waren die meisten Menschen auf zehn, 15 Jahre Rente eingestellt, in denen sie fit genug sind, um zu reisen und sich um die Enkel zu kümmern. Schon jetzt ist gesellschaftlich spürbar, dass es für immer mehr Menschen 20 aktive Jahre werden. 30 Jahre wären bereits ein Gamechanger: Fast ein Drittel des Lebens stünde nach Ende der Arbeitszeit noch bevor.

So werden ganz andere Lebensentwürfe denkbar, mit zwei, drei Karrieren. Auch zweiten, dritten Familien? Was tun wir dafür, dass die gewonnene Zeit eine gute wird? Viele Menschen sind gerade im Alter einsam. Hinzu kommen Generationenkonflikte und Ressourcenfragen.

Und wie soll das lange Leben bezahlt werden? Das Rentensystem funktioniert jetzt schon nicht mehr. Arbeiten wir dann einfach sukzessive immer länger, bis 75, bis 80? Finanzielle Vorsorge, individuelle wie gesellschaftliche, muss neu gedacht werden.

Die Fünfjährigen von heute werden jedenfalls anders altern als alle Generationen zuvor. Langsamer, krankheitsfreier, begleitet von einer personalisierten Hightech-Medizin. Es wird dringend Zeit, uns vorzubereiten.