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Protein gilt als Grundstoff des Lebens, unerlässlich für eine ausgewogene Ernährung. Diät- und Sportpräparate sind vollgepackt mit Protein, Ärzte und Fitnesstrainer schwören darauf. Eiweiß soll beim Abnehmen helfen. Mit einer proteinreichen Ernährung, so scheint es, kann man eigentlich nichts falsch machen. Aber stimmt das wirklich? Als Chirurg und Spezialist für Gewichtsabnahme war Dr. Garth Davis lange schon frustriert über die wachsende Anzahl der Betroffenen, doch erst als er selbst von Übergewicht geplagt wurde, hat sich Davis die Langzeitwirkungen einer proteinreichen Ernährung genauer angesehen – und festgestellt, dass zu viel Protein sehr schädlich sein kann: Es macht dick, krank und müde. Ein Blick über den Tellerrand zeigt – gerade in den Ländern, in denen am wenigsten Protein konsumiert wird, leben die Menschen am gesündesten, während die proteinbasierte westliche Welt immer kränker wird. In Proteinaholic kombiniert der Arzt die Erkenntnisse seiner bahnbrechenden Forschungen mit seinen Erfahrungen in der Praxis. Er zeigt auf, wie wir in der westlichen Welt zu Proteinabhängigen wurden und welche Folgen dies für unsere Gesundheit hat. Seine revolutionären Erkenntnisse besagen, dass Fleischkonsum sogar zuckerkrank machen kann und Krebserkrankungen begünstigt. Davis erklärt, wie eine gesunde Ernährung aussehen sollte, die tatsächlich unser Leben verlängern kann. Er gibt nützliche Tipps zur Umstellung sowie einen ausgewogenen Wochenernährungsplan für die ersten Tage. Mit Proteinaholic führt Davis zurück auf einen Weg der Ausgewogenheit, Gesundheit und Langlebigkeit.
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Seitenzahl: 823
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DR. GARTH DAVIS
MIT DR. HOWARD JACOBSON
Protein aholic
WIE UNSERE FLEISCHSUCHT UNS UMBRINGT UND WAS WIR DAGEGEN TUN KÖNNEN
Dr. Garth Davis
mit Dr. Howard Jacobson
Proteinaholic
Wie unsere Fleischsucht uns umbringt und was wir dagegen tun können
1. deutsche Auflage 2016
E-Book ISBN: 978-3-946566-34-2
© 2016, Narayana Verlag GmbH
Titel der Originalausgabe:
Proteinaholic:
How Our Obsession with Meat Is Killing Us and What We Can Do About It
Copyright © 2015 by Garth Davis
Published by arrangement with HarperOne, an imprint of HarperCollins Publishers, LLC
Übersetzung aus dem Englischen: Bärbel und Velten Arnold
Coverabbildung: Kuh © Altana8 – shutterstock.de
Abbildung Seite 209 © 2012 Julieanna Hever, MS, RD, CPT – www.PlantBasedDietitian.com, Illustration by Sherri Nestorowich – www.sherrinest.wix.com/art
Herausgeber:
Unimedica im Narayana Verlag GmbH,
Blumenplatz 2, 79400 Kandern
Tel.: +49 7626 974 970-0
E-Mail: [email protected]
www.unimedica.de
Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags darf kein Teil dieses Buches in irgendeiner Form – mechanisch, elektronisch, fotografisch – reproduziert, vervielfältigt, übersetzt oder gespeichert werden, mit Ausnahme kurzer Passagen für Buchbesprechungen.
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Die Empfehlungen dieses Buches wurden von Autor und Verlag nach bestem Wissen erarbeitet und überprüft. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Weder der Autor noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
TEIL I: Proteinaholic
KAPITEL 1. Ich heiße Garth, und ich bin ein Proteinaholic
KAPITEL 2. Mein Weg in den Untergang
KAPITEL 3. Meine Suche nach der idealen menschlichen Ernährung
TEIL II: Wie wir Proteinaholics geworden sind
KAPITEL 4. Die Geschichte des Proteins
KAPITEL 5. Protein erobert den Thron der Nährstoffe
KAPITEL 6. Über Atkins und andere Diäten
KAPITEL 7. Die letzte Duftnote der Proteinbesessenheit: die Paleo-Diät
TEIL III: Tod und Krankheit durch Protein
KAPITEL 8. Wissenschaftliche Wahrheit und Bullshit: Die Sprache der Wissenschaft verstehen
KAPITEL 9. Diabetes: Fleisch macht zuckerkrank
KAPITEL 10. Bluthochdruck: Protein setzt uns unter Druck
KAPITEL 11. Herzerkrankungen: Fleisch weg – und das Herz bleibt im Takt
KAPITEL 12. Fettleibigkeit: Die Kohlenhydrate sind nicht die Bösen
KAPITEL 13. Krebs: Nachweis der Protein-Verbindung
KAPITEL 14. Verhinderung eines frühzeitigen Todes
TEIL IV: Genesungsplan für Proteinaholics
KAPITEL 15. Wie viel Protein brauchen wir?
KAPITEL 16. Tierisches Protein reduzieren: Warum, wie und was?
KAPITEL 17. Speiseplan
Danksagungen
Literaturverzeichnis/Quellennachweis
Index
Bezugsquellen
Ich heiße Garth Davis, und ich war ein Proteinaholic.
Viele Jahre lang habe ich mich daran gehalten, was mich das medizinische Establishment, meine Kollegen und die Medien gelehrt haben: dass jede einzelne Mahlzeit und jeder Snack eine große Ration meines geliebten Proteins zu enthalten hat. Ich kippte Proteindrinks in mich hinein, wann immer ich konnte, und verputzte quasi täglich große, dicke Steaks. Protein war meine Droge und – was noch schlimmer war – mein Rezept. Ich trieb meine Patienten regelrecht an, Protein zu konsumieren, ermunterte sie, meinem Beispiel zu folgen.
Zum Glück kann ich heute sagen, dass ich meine Proteinsucht überwunden habe. Dieses Buch ist eine detaillierte Beschreibung meiner Genesung. Wenn Sie meinen Bericht über die Reise lesen, auf die ich mich begeben habe, denken Sie vielleicht, dass ich Protein regelrecht verabscheue. Dazu kann ich nur sagen: Wie kann man einen Makronährstoff verabscheuen? Ganz offenkundig brauchen wir Protein. Mir geht es eher darum, dass wir gar nicht mehr von Nahrungsmitteln reden, wenn wir davon reden, wie wir uns ernähren. Stattdessen sind wir regelrecht besessen davon, all das, was wir zu uns nehmen, auf die Bestandteile zu reduzieren, aus denen unsere Nahrungsmittel sich zusammensetzen, und dabei haben wir eine ungesunde Obsession für einen speziellen Makronährstoff entwickelt. Mich stört die Tatsache, dass Protein im Hinblick auf unsere Ernährung ein richtiger Rockstar geworden ist. Protein ist in unseren Nahrungsmitteln und in der Werbung so allgegenwärtig wie nie zuvor. Wie es scheint, können wir gar nicht genug Protein zu uns nehmen, und das führt uns auf einen sehr gefährlichen Weg. In Wahrheit ist die Botschaft „Esst mehr Protein“ vielleicht der schlechteste Rat, den „Experten“ der Allgemeinheit erteilen können.
Egal ob Sie Ihren Arzt, Ihren Ernährungsberater oder Ihren Fitnesstrainer aufsuchen – alle raten Ihnen, unbedingt Protein zu sich zu nehmen. Und wenn Sie sich mal in einem Reformhaus wiederfinden sollten, ersticken Sie an einem Überangebot an Pillen und Pülverchen, die allesamt darum wetteifern, welches Produkt den höchsten Proteingehalt hat. Selbst unsere Lebensmittelgeschäfte setzen auf neue und interessante nahrungsmittelartige proteinreiche Produkte, während die Gänge mit den Obst- und Gemüseauslagen immer kürzer und weniger einladend werden. Warum sollte man einen Apfel kaufen, wenn man genauso gut proteinreiche Müsliriegel, Proteindrinks oder sogar Proteinzusätze im Wodka zu sich nehmen kann. Glauben die Leute wirklich, mit Protein angereicherter Wodka ist gesund? Die Antwort lautet höchstwahrscheinlich: Ja. In einem vor Kurzem im Wall Street Journal erschienenen Artikel wurde es auf den Punkt gebracht. „Das Wort Protein auf dem Etikett hat eine Wirkung, die Wissenschaftler als ‚Gesundheits-Heiligenschein-Effekt’ bezeichnen. Die Leute gehen davon aus, dass das betreffende Produkt ihnen Energie verleiht und sie sättigt.“ Der Artikel hatte die passende Überschrift: „Wenn auf der Schachtel Protein steht, sagt der Kunde: Das nehme ich.“ Eine vor Kurzem von der International Food Information Council Foundation durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass 63 Prozent der US-Amerikaner proteinhaltige Nahrungsmittel bevorzugen, wenn sie sich entscheiden, was sie essen, und beeindruckende 57 Prozent haben angegeben, dass sie versuchen, so viel Protein wie nur irgend möglich zu sich zu nehmen.
Protein ist überall. Ein Riesenthema. Was ist also das Problem? Um es mit einem Wort zu sagen: Verwirrung. Einige von uns nehmen Protein zu sich, um abzunehmen, während andere es essen und trinken, um zuzunehmen. Denken Sie mal kurz über diesen Widerspruch nach. Das gleiche Produkt, das den Leuten verkauft wird, die abnehmen wollen, wird einfach umetikettiert und anderen Menschen verkauft, die zunehmen wollen! Viele Menschen glauben, Protein zu sich zu nehmen, mache sie gesünder oder trage dazu bei, dass sie länger leben. Und alle scheinen zu glauben, Protein verleihe ihnen Energie. Dabei kann Ihnen jeder, der etwas von den Grundlagen der Biochemie oder der Physiologie versteht, bestätigen, dass Kohlenhydrate und Fette Energie liefern, nicht jedoch Proteine. Noch beängstigender ist jedoch womöglich die Tatsache, dass Protein einer der wenigen Nahrungsmittelbestandteile ist, von dessen Vorzügen alle überzeugt zu sein scheinen. „Experten“ streiten über gute und schlechte Fette oder über gute und schlechte Kohlenhydrate. Genau dies ist einer der Hauptgründe dafür, weshalb wir so unsicher sind, was wir denn nun eigentlich zu uns nehmen sollen. Aber im Hinblick auf Protein scheinen wir uns alle auf der sicheren Seite zu wähnen. Niemand würde wagen zu behaupten, dass Protein schlecht für Sie ist.
Glauben Sie mir, ich habe dieses Buch nicht geschrieben, weil ich mich unbedingt von anderen abheben oder gegen den Strom schwimmen will. Ich lege es nicht darauf an, Aufsehen zu erregen, und ich habe ganz gewiss nicht die Absicht, für noch mehr Verwirrung zu sorgen. Doch dank meiner Erfahrung bin ich in der einzigartigen Lage zu erkennen, dass wir den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen haben. Tatsache ist, dass unsere Proteinbesessenheit uns umbringt und niemand davon Notiz zu nehmen scheint. Mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine da. Ich habe umfassende Recherchen angestellt, die mich zu diesem sicherlich umstrittenen Schluss haben kommen lassen, und ich werde Sie daran teilhaben lassen, was ich im Laufe dieser Reise, auf die ich mich begeben habe, gelernt habe. Am Ende dieses Buches werden Sie sehen, dass es wissenschaftliche Belege dafür gibt, dass unsere Proteinbesessenheit die Hauptursache für die Zunahme von Übergewichtigkeit, Krebserkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck und Herzerkrankungen ist, mit der wir uns konfrontiert sehen. Die USA sind wohl das ungesündeste Land der sogenannten ersten Welt mit der niedrigsten Lebenserwartung, und wir verzehren mehr Protein als jedes andere Land. Protein mag sehr wohl für den schlechten Gesundheitszustand unseres Landes verantwortlich sein!
Bevor Sie mich als einen Panikmacher abtun, möchte ich Ihnen diese einfache Frage stellen: „Macht all das Protein uns wirklich gesünder?“ In all den Jahren, in denen ich nun schon als Arzt praktiziere, habe ich es noch nie mit einem Patienten zu tun gehabt, der unter Proteinmangel gelitten hat. Beim Durchforsten der medizinischen Fachliteratur bin ich auf keinen einzigen Fall gestoßen, bei dem ein Patient, der ausreichend Kalorien zu sich genommen hat, unter Proteinmangel litt. Um genau zu sein, bin ich mir nicht sicher, ob es so etwas wie Proteinmangel überhaupt gibt – vorausgesetzt, man nimmt ausreichend Kalorien zu sich. Was hat uns also dazu gebracht, nicht mehr einfach nur ausreichend Protein zu uns zu nehmen, um gesund zu bleiben, sondern auf diese Mega-Rationen zu schwören, die heutzutage angesagt sind? Und hat uns das wirklich gesünder gemacht? Wann werden wir endlich begreifen, dass eine gesunde Ernährung nicht unbedingt Protein in den Vordergrund stellen muss?
Es heißt, wir reagieren nicht, wenn wir den Schein des Feuers sehen, sondern erst, wenn wir die Hitze spüren. So war es auch bei mir, und das hat mich letztendlich wachgerüttelt. Als ich mir ein paar Sorgen um meine eigene Gesundheit gemacht habe, hat mich das so tief aufgewühlt, dass ich anfing, das, was ich während meines Medizinstudiums über Ernährung gelernt hatte – und was meine Kollegen bis heute anraten –, in Frage zu stellen. Stattdessen begann ich, eigene Nachforschungen anzustellen.
Ich war schockiert, als ich herausfand, dass in keinem einzigen der Vorzüge, die dem Protein in dem allgemeinen Lobgesang auf das Eiweiß zugeschrieben werden, auch nur ein kleines Körnchen Wahrheit steckt.
• Protein ist nicht der Schlüssel, um abzunehmen – tatsächlich ist tierisches Protein sogar einer der Hauptfaktoren, die für die allgemein verbreitete Fettleibigkeit verantwortlich sind, und in praktisch jeder Studie wird tierisches Protein mit Gewichtszunahme in Verbindung gebracht.
• Tierisches Protein ist nicht eines der gesündesten Nahrungsmittel, die uns zur Verfügung stehen – vielmehr wird es in hohem Maße mit Diabetes, Bluthochdruck, Herzkrankheiten und Krebserkrankungen in Verbindung gebracht, den Krankheiten, an denen heutzutage die meisten Menschen sterben.
• Pflanzenbasiertes Protein gibt es nicht nur – es ist für Sie auch viel gesünder als tierisches Protein, und Pflanzen enthalten mehr als genug Protein, um jedes einzelne gesundheitliche Bedürfnis Ihres Körpers zu befriedigen.
• Eine proteinärmere (und fettarme) Kost ist die effektivste Art der Ernährung, um abzunehmen, gesünder zu werden und künftigen Krankheiten vorzubeugen.
• Kohlenhydrate, die alles andere als unser Feind sind, sind (in ihrem natürlichen Zustand) die Quelle menschlicher Gesundheit, Vitalität und Lebenskraft.
Nach Jahren intensiver Recherchen konnte ich nur zu einem Schluss kommen: Menschen, deren Kost sich in hohem Maße aus tierischem Protein zusammensetzt, leiden signifikant häufiger an chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck, Krebs, Diabetes, Herzerkrankungen und vielen anderen Krankheiten, unter anderem Grauem Star, Divertikulitis, Divertikulose, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, Erkrankungen der Gallenblase, Reizdarmsyndrom, Nierensteinen und rheumatoider Arthritis. Das wissen wir ganz sicher. In neueren Studien (deren Ergebnisse noch nicht als abschließend gesichert gelten können) wird auf einen Zusammenhang zwischen erhöhtem Konsum von tierischem Protein und Niedergeschlagenheit, Konzentrationsschwäche und Demenz hingewiesen.
Diese Schlussfolgerung wird von nahezu allen groß angelegten wissenschaftlichen Studien bestätigt: umfassenden, mit gewaltigem Aufwand betriebenen Studien, in deren Verlauf Tausende von Menschen über viele Jahre hinweg weltweit in allen möglichen Ländern untersucht wurden. Studie um Studie wurden immer wieder die Zusammenhänge zwischen tierischem Protein und gesättigten Fettsäuren und Fettleibigkeit und chronischen Krankheiten bestätigt. Beim Vergleich von Menschen, die Fleisch aßen, mit solchen, die kein Fleisch aßen, kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die Fleischesser schwerer und kränker waren und mit höherer Wahrscheinlichkeit früher starben. (In Teil II – „Wie wir Proteinaholics geworden sind“ – gehe ich näher auf dieses Thema ein.)
Macht tierisches Protein Sie krank?
Viele von uns – mich eingeschlossen – haben ihren schlechten gesundheitlichen Zustand jahrelang als „normal“ angesehen. Wie viele der folgenden Symptome treten bei Ihnen auf?
1. Sind Sie übergewichtig?
2. Haben sie einen erhöhten Cholesterinspiegel?
3. Leiden Sie unter einem Reizdarmsyndrom?
4. Haben Sie zu hohen Blutdruck?
5. Leiden Sie unter Verstopfung?
6. Leiden Sie unter Durchfall?
7. Ist Ihre Haut von Akne gezeichnet?
8. Sind Sie oft müde oder antriebsschwach?
9. Fühlen Sie sich manchmal benebelt – haben Sie Gedächtnisprobleme, oder fällt es Ihnen schwer, aufmerksam zu bleiben oder sich zu konzentrieren?
10. Werden Sie häufig krank?
All diese Symptome mögen verbreitet sein, aber sie sollten kein „normaler“ Bestandteil des Lebens sein. Sie weisen auf Ungleichgewichte und Störungen hin, die von tierischem Protein entweder verursacht oder verstärkt werden. In den meisten Fällen lassen die Symptome innerhalb von zwei Wochen nach und verschwinden nach einem oder zwei Monaten ganz – wenn Sie dazu übergehen, sich pflanzenbasiert zu ernähren.
Doch meine Schlussfolgerungen werden nicht nur von groß angelegten Studien an weit verstreuten Bevölkerungsgruppen gestützt – wegweisende wissenschaftliche Laborstudien haben eindeutig nachgewiesen, dass es biochemische Mechanismen gibt, die einen Zusammenhang zwischen tierischem Protein und Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Diabetes, Krebs sowie vielen anderen Erkrankungen und einer insgesamt kürzeren Lebenserwartung erklären. Als ich einen wissenschaftlichen Zeitschriftenartikel nach dem anderen studiert habe, habe ich die wesentlichen Bestandteile tierischen Proteins identifiziert – darunter Aminosäuren, Hämeisen, den insulinähnlichen Wachstumsfaktor 1 (IGF1) und N-Nitroso-Verbindungen –, die im Hinblick auf eine verkürzte Lebenserwartung, vorzeitiges Altern und all die chronischen Erkrankungen, die zu einer Plage unserer Zeit geworden sind, eine Rolle spielen.
Als ob das noch nicht genug gewesen wäre, wiesen alle Studien an Menschen und Tieren in die gleiche Richtung. Dutzende randomisierte kontrollierte klinische Studien – der Goldstandard in der medizinischen Forschung – ergaben: Je mehr tierisches Protein die Probanden konsumierten, desto schlechter ging es ihnen.
Ich habe Tausende Originalstudien und Hunderte Metaanalysen und systematische Überblicksarbeiten gelesen. Und all meine Recherchen legten die gleiche Schlussfolgerung nahe: Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von tierischem Protein und chronischen Erkrankungen und frühzeitigem Tod. Viel Obst und Gemüse, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte zu essen, trägt hingegen dazu bei, gesund zu bleiben.
Wie der Titel dieses Buches bereits andeutet, glaube ich, dass unsere Gesellschaft unter einer Proteinabhängigkeit leidet. Ich möchte Sie ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich diesen Begriff nicht unüberlegt verwende und dadurch möglicherweise „wirkliche“ Abhängigkeiten verharmlose; ich meine es tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes so und benutze den Begriff mit voller Absicht.
Natürlich ist Proteinabhängigkeit etwas anderes als eine Alkohol- oder Drogensucht, vor allem, weil diese Form der Abhängigkeit gesellschaftlich gebilligt wird und keine unmittelbaren funktionellen Störungen zur Folge hat. Aber unser zwanghafter und unbekümmerter Überkonsum von Protein entspricht dem typischen Suchtmuster, und die gesundheitlichen Folgen – sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft insgesamt – sind langfristig keineswegs weniger gravierend als die Folgen anderer Süchte.
Dass Protein tatsächlich ein Suchtmittel ist, ist mir aufgrund der zahlreichen Beratungsgespräche klar geworden, die ich im Laufe der vergangenen Jahre mit meinen Patienten geführt habe, die abnehmen wollten. Normalerweise laufen diese Gespräche wie folgt ab:
Ich:
Bei unserem letzten Gespräch hatte ich Sie ja gebeten, mehr Obst und Gemüse in Ihren Speisplan einzubeziehen. Insbesondere hatten wir darüber geredet, dass Sie als Zwischenmahlzeit einen Apfel essen und Ihre Hauptmahlzeit mit einem Salat beginnen. Wie ist es denn gelaufen?
Patient:
Ich habe darüber nachgedacht, aber mir ist klar geworden, dass ich keinen Platz mehr für das Protein hatte, wenn ich einen Apfel oder einen Salat gegessen habe.
Ich:
Aber wir haben doch ausführlich darüber geredet. Sie brauchen nicht so viel Protein. In Wahrheit ist Ihr hoher Proteinkonsum der Hauptgrund dafür, dass Sie in meinem Sprechzimmer sitzen.
PATIENT
:
Ich weiß, aber ich bin in Sorge, dass ich nicht genug Protein zu mir nehme.
Diese Patienten geraten in Panik, wenn sie auch nur daran denken, ihren Proteinkonsum zu reduzieren. Sie klammern sich zum einen an die Vorstellung, dass Protein der König der Nährstoffe ist, und zum anderen an die proteinreichen tierischen Nahrungsmittel, um ihre tägliche Proteinzufuhr sicherzustellen. Wenn man sie auffordert, von diesen Gewohnheiten auch nur ein wenig abzuweichen, reagieren sie darauf wie ein Alkoholiker, der von seinen Freunden darauf hingewiesen wird, dass er vielleicht ein bisschen die Kontrolle über sich verloren hat: „Ich habe kein Problem. Lasst mich in Ruhe.“
US-Amerikaner konsumieren mehr Protein als Angehörige jeder anderen Nationalität: der Weltgesundheitsorganisation zufolge durchschnittlich etwa 130 Gramm am Tag (in Deutschland lag der Proteinkonsum 2007 pro Person durchschnittlich bei 99 Gramm am Tag [http://bit.ly/2bOtoa0]). Die Erhebung „National Health and Nutrition Survey“ schätzt den Proteinkonsum geringer ein. Demnach nehmen Männer 102 Gramm am Tag zu sich und Frauen 70 Gramm.
Ist das viel oder wenig? Nun, die vom Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten empfohlene Tagesdosis beträgt gerade einmal 56 Gramm für Männer und 46 Gramm für Frauen (Eine vom Robert-Koch-Institut herausgegebene Abhandlung aus dem Jahr 2002 empfiehlt als obere Grenze der Proteinzufuhr 2 g pro Kilogramm Körpergewicht und Tag für Erwachsene [http://bit.ly/2cd2QkK]).
Bedenken Sie, dass diese Mengenangaben sich auf die Gramm an Protein beziehen – nicht auf die jeweilige Fleischration. Wenn Sie sich vor Augen halten, dass ein 115-Gramm-Hamburger-Patty – für US-amerikanische Verhältnisse eher eine kleine Portion – 20 Gramm Protein enthält und ein 170-Gramm-Steak – das man in den USA wiederum als ziemlich klein betrachten würde, insbesondere bei uns in Texas – 57 Gramm Protein, wird Ihnen klar, wie viel mehr Protein wir zu uns nehmen, als es der empfohlenen Tagesdosis entsprechen würde. Schon einzelne Portionen dieser Gerichte übertreffen die empfohlene Tagesdosis an Protein, und die meisten von uns verputzen zu jeder Mahlzeit etwas in der Art.
Viele meiner Patienten reichern ihren Mittagssalat mit etwas Hähnchenbrust an (mit 100 Gramm, die 30 Gramm Protein enthalten) und essen zum Abendbrot einen von der Größe her „gesundheitsverträglichen“ Burger (mit einem 225-Gramm-Patty, also mit einem Proteingehalt von mehr als 40 Gramm). Damit haben sie die für einen Mann empfohlene Tagesdosis an Protein bereits um 14 Gramm überschritten, und wir haben noch nicht einmal ihr Frühstück berücksichtigt, geschweige denn irgendwelche Zwischenmahlzeiten, den Käse auf dem Patty, das Ranch Dressing auf dem Salat oder die Proteinriegel und die Proteinshakes, die uns dabei helfen sollen, unsere Ernährungsbedürfnisse „vollständig“ zu befriedigen.
Und bei dem Ganzen ist noch etwas zu berücksichtigen: Bei den Angaben zur empfohlenen Tagesdosis werden Optimalwerte zugrunde gelegt, nicht die Werte zur Befriedigung der Mindestbedürfnisse des Körpers. Da einige Menschen mehr Protein benötigen als andere, hat das Landwirtschaftsministerium als Empfehlung einen Wert gewählt, der für 99 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung eine adäquate Proteinaufnahme garantiert. Von der Annahme ausgehend, dass zu viel besser ist als zu wenig (was nicht stimmt, wie Sie später noch erfahren werden), haben die Verantwortlichen den Wert im Vergleich zu dem, was tatsächlich jeder Mensch braucht, ein wenig höher angesetzt. Diese leicht überhöhte Festlegung des Werts birgt keine wirkliche Gefahr, aber wenn viele US-Amerikaner die doppelte Proteinmenge der empfohlenen Tagesration zu sich nehmen, die ihrerseits, grob geschätzt, dem Zweifachen dessen entspricht, was wir tatsächlich benötigen, wird das Ganze zu einem großen Problem. (Wir werden uns damit detaillierter in Kapitel 15 – „Wie viel Protein brauchen wir?“ – beschäftigen.)
Damit Sie einschätzen können, wo Sie sich auf der Proteinaholic-Skala befinden, sind im Folgenden einige ausgewählte Gerichte mitsamt ihrem jeweiligen Proteingehalt aufgeführt. Die ersten entstammen jener „National Health and Nutrition Survey“, der Erhebung, nach der US-amerikanische Männer im Durchschnitt 102 Gramm Protein am Tag zu sich nehmen.
• 2 große Eier (12 Gramm Protein)
• 118 Gramm Milch (für Ihren Kaffee, Ihren Tee oder Ihre Cornflakes) (4 Gramm Protein)
• 225-Gramm-Hamburger-Patty (40 Gramm Protein)
• 100 Gramm Hähnchenbrust (30 Gramm Protein)
Klingt das so, wie Sie sich ernähren? Oder entspricht Ihre tägliche Proteinaufnahme eher dem folgenden Speiseplan, der auf den Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation beruht, der zufolge wir 130 Gramm Protein am Tag zu uns nehmen?
• 2 große Eier (12 Gramm Protein)
• 1 Streifen Bacon (3 Gramm Protein)
• 118 Gramm Milch (4 Gramm Protein)
• 225-Gramm-Hamburger-Patty (40 Gramm Protein)
• 30 Gramm Cheddarkäse (um aus dem Hamburger einen Cheeseburger zu machen) (8 Gramm Protein)
• 225 Gramm Lachsfilet (48 Gramm Protein)
Zu meinen Zeiten als Proteinaholic hätten mir diese Gerichte oder diese Angaben keinerlei Probleme bereitet. Mir war gar nicht bewusst, dass sie die von der US-Regierung empfohlenen Tagesdosen weit überstiegen (die Gesellschaft für Ernährung e. V. empfiehlt für Erwachsene ab 19 Jahren 0,9 g/kg Körpergewicht/Tag [https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/protein/]). Ich wusste auch nicht, dass die empfohlenen Tagesdosen selbst im Hinblick auf die Bedürfnisse der meisten Menschen bereits aufgebläht waren. Mir war nicht klar, dass ich mir eine tägliche Dosis an tierischem Protein zuführte, die hoch genug war, um schädlich zu sein.
Wenn Sie mir damals etwas über Ihre Proteinaufnahme und die empfohlenen Tagesdosen erzählt hätten, hätte ich wahrscheinlich etwas geantwortet wie: „Klar, wir nehmen jede Menge Protein zu uns! Das liegt daran, dass proteinreiche Nahrung so gesund ist – und weil wir so viel davon zu uns nehmen, sind die US-Amerikaner das gesündeste Volk der Welt.“
Wie sich herausgestellt hat, war mein US-amerikanischer Stolz auf unsere bessere Gesundheit ziemlich fehl am Platz. Einer im Jahr 2013 vom National Institute of Health finanzierten und vom National Research Council und dem Institute of Medicine durchgeführten Studie zufolge sind wir eines der ungesündesten Völker der entwickelten Welt (Woolf und Aron, 2013). Wir sterben im Durchschnitt früher als Europäer oder Japaner. Bei uns gibt es mehr Menschen, die unter Fettleibigkeit, Herzerkrankungen oder Diabetes leiden. Und bei uns erkranken mehr Menschen an Krebs. Unsere medizinischen Fortschritte haben zwar dafür gesorgt, dass die Sterberate infolge von Krebserkrankungen leicht rückläufig ist – was im Klartext bedeutet, dass wir häufiger an Krebs erkranken, aber dank aggressiver Behandlungsmethoden länger leben –, doch im Wesentlichen kann man feststellen: Wenn man das Ganze als Krieg betrachtet, ist der Krebs der Sieger.
Die Studie kommt zu dem Schluss: „… Das Tragische ist nicht, dass die USA einen Wettbewerb mit anderen Ländern verlieren, sondern die Tatsache, dass Amerikaner in einem Maße an Krankheiten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden und sterben, das bewiesenermaßen nicht so hoch sein müsste wie es ist.“
Wir nehmen also mehr Protein zu uns, geben mehr Geld für unser Gesundheitssystem aus und sind eines der ungesündesten Völker der entwickelten Welt. Das beweist natürlich nicht, dass Protein daran die Schuld trägt, aber es ist ein starkes Indiz, erst recht, wenn man sich die Länder ansieht, die sich bester Gesundheit erfreuen, und sich vor Augen führt, dass die Menschen in diesen Ländern sehr wenig Protein zu sich nehmen. Die langlebigsten Völker weltweit beziehen im Durchschnitt 10 Prozent ihrer Kalorienaufnahme aus Protein. Wir hingegen nehmen im Durchschnitt 15 bis 20 Prozent unserer Kalorien in Form von Protein zu uns, wobei dieser Anteil, wenn Sie sich proteinreich ernähren – zum Beispiel im Sinne der Atkins-Diät, der Paleo-Diät oder jenen Ernährungsweisen, die von meinen Kollegen, und früher auch von mir, empfohlen werden – locker auf 40 oder 50 Prozent ansteigt.
Man vergleiche dies mit den Bewohnern der Insel Okinawa. Sie nehmen den größten Teil ihrer Kalorien in Form von Reis und Süßkartoffeln zu sich, jenen angeblichen „kohlenhydratreichen Todbringern“, und beziehen nur 7 Prozent ihrer Kalorien aus Protein. Sie leben länger als US-Amerikaner, haben weltweit prozentual die meisten über Hundertjährigen und im Vergleich zu uns einen weit niedrigeren Anteil an übergewichtigen Menschen. Die alten Menschen sind dort stark, aktiv und voller Lebenskraft. Erst wenn Okinawaner in die USA ziehen, verschlechtert sich ihre Gesundheit – oder wenn sie dazu übergehen, in US-typischen Fast-Food-Restaurants zu essen, die sich auf ihrer Insel zusehends ausbreiten.
In Kapitel 4 werden wir uns eingehender damit befassen, wo die gesündesten Völker der Welt leben – und wie sie sich ernähren. Auch wenn diese Befunde nicht eindeutig „beweisen“, dass übermäßiger Proteinkonsum krank macht, liefern sie doch einen nur schwer zu leugnenden Hinweis. Und sie widersprechen definitiv den Verfechtern von Low-Carb-Diäten, denen zufolge wir nur gesund sein können, wenn wir uns proteinreich und fettreich ernähren.
Mit einem Wort: Nein. Dass ich Veganer bin, bedeutet nicht, dass Sie auch einer werden müssen. Ich persönlich glaube, dass es sowohl für unsere Gesundheit als auch für unsere Umwelt das Beste ist, Veganer zu sein – also jemand, der absolut kein tierisches Protein zu sich nimmt –, und wenn Sie dieses Buch zu Ende gelesen haben, werden Sie diese Überzeugung womöglich teilen.
Aber um diesem Buch etwas abzugewinnen, müssen Sie kein hundertprozentiger Veganer werden. Anstatt ein Gegner von tierischem Protein zu werden, sollten Sie lieber ein Verfechter von Obst und Gemüse werden. Das bedeutet, dass Sie den Großteil der Kalorien, die Sie zu sich nehmen, aus frischem Obst und frischem Gemüse beziehen sollten; außerdem aus Nüssen und Körnern, Bohnen jeder Art und aus unverarbeitetem Vollkorngetreide. Indem Sie gesunden und köstlichen, pflanzenbasierten Speisen den Vorzug geben, verdrängen Sie tierisches Protein automatisch von Ihrem Teller, ohne sich in das Ganze hineinzusteigern.
Und wenn Sie gegenwärtig ein Proteinaholic sind – wie ich es war und wie es die meisten meiner Patienten sind, wenn Sie mich zum ersten Mal aufsuchen –, holen Sie bitte einmal tief Luft, und bleiben Sie unvoreingenommen. Wie Sie auf den folgenden Seiten erfahren werden, enthalten pflanzliche Produkte jegliches Protein, das Sie benötigen, und darüber hinaus einen Haufen anderer guter Dinge: Antioxidantien, entzündungshemmende Substanzen, Vitamine, Mineralstoffe sowie andere Mikronährstoffe. Solange Sie den Großteil Ihrer Kalorien aus pflanzlichen Produkten beziehen, sind Sie auf dem richtigen Weg. (Meine Vorschläge, was man essen sollte, führe ich in Kapitel 16 und 17 auf, inklusive einem Beispiel für einen Ernährungsplan und den entsprechenden Rezepten.)
Die Schlüsselbotschaft lautet nicht „absolut kein Fleisch“, sondern eher „mehr pflanzliche Produkte“. Anstatt Sie dazu zu bringen, sich hundertprozentig korrekt zu ernähren, ist mir eher daran gelegen, dass Sie Ihre Kost insgesamt umstellen. Wenn Sie dieses Buch gelesen und die Belege zur Kenntnis genommen haben, können Sie Ihre eigenen Schlüsse ziehen und selber entscheiden, wie weit Sie gehen wollen. Die Erkenntnisse legen zwar nahe, dass Sie sich umso besser fühlen und umso gesünder werden, je näher Sie an die 100 Prozent herankommen, aber es ist allemal unendlich viel besser, sich auf nicht ganz perfekte Weise zu ernähren, als sich einer perfekten Ernährungsweise zu verschreiben, die man nicht durchhält.
Schluss mit den Protein-Mythen
Wir werden uns in Teil III intensiv mit diesen Mythen befassen und sie entlarven. Fürs Erste reicht uns hier ein Überblick über die Mythen der Proteinaholics und über die Fakten, die diese Mythen widerlegen.
MYTHOS: Eine kohlenhydratreiche Ernährung verursacht Diabetes.
FAKT: Kohlenhydrate verursachen keinen Diabetes. Fleisch und Fett verursachen Diabetes. Ja, Sie haben richtig gelesen. Kohlenhydrate verursachen keinen Diabetes – nicht einmal Zucker verursacht Diabetes, es sei denn, er wird im Übermaß konsumiert. Fleischverzehr führt zu Insulinresistenz und einem erhöhten Insulinspiegel, einem Syndrom, das als wichtigster Vorbote eines Diabetes gilt und in hohem Maße daran beteiligt ist, wenn jemand unter Übergewicht leidet.
MYTHOS: Eine kohlenhydratreiche Ernährung macht Sie anfällig für Herzerkrankungen.
FAKT: Kohlenhydrate verursachen keine Herzerkrankungen – Fleisch verursacht Herzerkrankungen. Fleisch erhöht den Spiegel an schlechtem Cholesterin und verstopft Ihre Arterien. Fleisch ruft eine Entzündungsreaktion hervor – eine Reaktion des Immunsystems, die, wenn sie chronisch wird, praktisch jedes Ihrer chronischen Leiden verstärken kann, inklusive Herzerkrankungen. Darüber hinaus verursacht Fleisch auf vielfältige andere Weisen Erkrankungen des Herzens.
MYTHOS: Eine kohlenhydratreiche Ernährung verursacht Übergewicht.
FAKT: Alle groß angelegten Studien kommen zu demselben Ergebnis: Veganer (die kein tierisches Protein zu sich nehmen) wiegen im Durchschnitt weniger als Vegetarier (die etwas tierisches Protein zu sich nehmen), und Vegetarier (die Eier und Milchprodukte verzehren) wiegen im Durchschnitt weniger als Fleischesser (die rotes Fleisch, Geflügel und Fisch essen). Es gibt noch die Kategorie „Pescetarier“, die sich ausschließlich von pflanzlichen Produkten und Fisch ernähren. Wie vorherzusehen, wiegen sie im Durchschnitt mehr als Vegetarier und weniger als Fleischesser.
Kohlenhydrate sind nicht die Ursache für das verbreitete Leiden an Übergewicht – stattdessen sind Fleischkonsum und übermäßige Kalorienzufuhr dafür verantwortlich. Fleisch bringt Ihre Darmbakterien in Unordnung, was dazu führt, dass Sie zunehmen. Das meiste Fleisch enthält Antibiotika, die eine Gewichtszunahme ebenfalls begünstigen. Fleischverzehr verursacht Übersäuerung und Entzündungen, was wiederum eine Gewichtszunahme fördert. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs – die ganze Geschichte über die Zusammenhänge zwischen Protein und Gewichtsreduktion kommt in Kapitel 12 über Fettleibigkeit umfassend zur Sprache.
MYTHOS: Fleisch stellt nur dann ein Gesundheitsrisiko dar, wenn es von Tieren aus industrieller Massentierhaltung stammt.
FAKT: Es stimmt, dass Massentierhaltung das Problem vervielfacht. Fleisch, Milch oder Eier aus Massentierhaltung sind mit Bakterien, Viren, Antibiotika und in der industriellen Produktion anfallenden Chemikalien belastet. Doch archäologische Studien, in denen die Knochen unserer Vorfahren aus längst vergangenen Zeiten untersucht wurden, die niemals Fleisch von auch nur einem einzigen aus Massentierhaltung stammenden Tier verzehrt haben, haben gezeigt, dass Menschen, die mehr Fleisch gegessen hatten, öfter an Krebs erkrankt waren. Und Studien, die sich auf die heutige Zeit beziehen, kommen zu dem gleichen Schluss: Fleisch – selbst Biofleisch von mit Gras gefütterten, artgerecht aufgezogenen Tieren – ist karzinogen, trägt also zur Entstehung von Krebserkrankungen bei. Milchprodukte und Eier können ebenfalls Karzinogene enthalten.
MYTHOS: Viele Kulturen, vergangene und gegenwärtig existierende, haben sich proteinreich ernährt und sich bester Gesundheit erfreut.
FAKT: Im Laufe der gesamten Menschheitsgeschichte auf unserer Erde gab es keine einzige Kultur, die sich proteinreich ernährt und sich bester Gesundheit erfreut hat. Einige Kulturen haben sich auf eine solche Weise ernährt. Doch wenn sie es tun, erfreuen sie sich nicht bester Gesundheit. Sie überleben zwar, doch für ausnahmslos alle diese Kulturen gilt, dass die Menschen häufiger an Erkrankungen, Behinderungen und Degenerationen leiden und eine kürzere Lebenserwartung haben.
Als ein auf Gewichtsreduktion spezialisierter Chirurg, der in Houston eine große auf die chirurgische und medizinische Behandlung krankhaften Übergewichts spezialisierte Klinik leitet, stehe ich im Kampf gegen Fettleibigkeit an vorderster Front. Ich bin täglich Zeuge der negativen Auswirkungen der schlecht konzipierten Ernährungspläne sogenannter Experten. Tag für Tag kommen Patienten in mein Behandlungszimmer, die dringend Hilfe benötigen, nachdem sie all die berühmten proteinreichen Ernährungspläne vielfach ausprobiert haben. Ich habe Tausende von Menschen behandelt, die unter Übergewicht und dadurch verursachten Erkrankungen gelitten haben, und habe dabei gelernt, was funktioniert und was nicht funktioniert.
Was nicht funktioniert, sind große Rationen an tierischem Protein. Was funktioniert, ist eine pflanzenbasierte Kost, die nicht zwingend vegan sein muss, sich jedoch zu einem weitaus geringeren Anteil aus tierischen Produkten zusammensetzt, und bei der der Großteil der zugeführten Kalorien aus frischem Obst und frischem Gemüse sowie aus Nüssen, Samen, Bohnen und Getreide stammt.
Mit anderen Worten: Das exakte Gegenteil der Ernährungspläne, die meine Patienten befolgen, bevor sie zu mir kommen. Ihre Ernährungsprotokolle gleichen wahrhaft einem Tierfriedhof. Zum Frühstück Eier mit Bacon, zum Mittag ein Sandwich mit ein paar Scheiben Fleisch, als Zwischenmahlzeit ein wenig Dörrfleisch, zum Abendbrot Hähnchen. Nachdem ich meine eigene Proteinabhängigkeit überwunden habe, ist das Erstaunliche für mich, dass meine Patienten trotz der offensichtlichen Hinweise, die ihnen ihre eigenen Körper liefern, an den alten Mythen festhalten: Protein ist gut, und mehr Protein ist besser. Wenn ich sie frage, was sie denn glauben, warum sie nicht abnehmen – warum sie in Wahrheit sogar noch zunehmen –, schieben sie es nie auf das Dörrfleisch, das Hähnchen oder, Gott bewahre, auf den Bacon. Stattdessen sehen sie mich beschämt an und murmeln: „Wegen der Kohlenhydrate.“
„Welche Kohlenhydrate?“, frage ich dann, und sehe in ihrem Ernährungsprotokoll einen Tag nach dem anderen ohne einen einzigen Apfel oder Salat – denn frisches Obst und Gemüse enthalten selbstverständlich Kohlenhydrate.
„Oh, ich habe am Dienstag ein bisschen Pizza gegessen“, erwidern sie dann vielleicht verlegen und zerknirscht. Oder: „Da waren am Mittwoch diese Pommes.“ Oder vielleicht sogar: „Beim Sonntagsbrunch konnte ich mich nicht zurückhalten. Ich habe einen Donut verputzt.“
Was ist falsch daran, die Schuld dafür, dass sie nicht abnehmen, bei den Kohlenhydraten zu suchen? Erstens stammen die meisten Kalorien aus Pizza, Pommes Frites und Donuts eher aus Fett als aus Kohlenhydraten. Zweitens lassen meine Patienten tierisches Protein und gesättigte Fettsäuren bei der Suche nach dem Schuldigen außen vor, indem sie sich so auf diese angeblich bösen Kohlenhydrate konzentrieren. Wenn ich ihnen rate, mehr frisches Obst und Gemüse zu essen, ist es nicht so, als ob sie dagegen tatsächlich etwas einzuwenden hätten. Sie sind einfach nur so darauf fixiert, mehr und mehr Protein in ihre Kost einzubeziehen, dass gar kein Platz mehr für pflanzenbasierte Produkte übrig bleibt.
Also musste ich mich fragen, warum das so ist. Warum hielten meine Patienten so verzweifelt an dem Glauben fest, dass Eier, Bacon, Fisch und Hähnchen so gesunde Lebensmittel sind, und warum ließen sie Wassermelonen, Äpfel, Kohl und Haferflocken außer Acht, die zu meinen eigenen Grundnahrungsmitteln geworden sind, wenn es ums Abnehmen geht?
In unserer Welt, in der es Google und Wikipedia gibt, müssen wir uns keine Sorgen mehr machen, nicht über ausreichende Informationen zu verfügen. Wir werden mit Informationen überflutet. Die Herausforderung besteht für uns darin zu wissen, was wir mit diesen Informationen anfangen sollen und richtige von falschen Informationen zu unterscheiden. Was das Reich der Ernährung angeht, haben es anekdotenhafte Geschichten über Wunderdiäten und unglaubliche Gewichtsreduktionen an die Spitze der Informationsflut geschafft. Gleichzeitig wurden wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert oder – was noch schlimmer ist – sogar manipuliert. Das Ergebnis ist ein Glaube an bestimmte Ernährungsweisen, die uns in Wahrheit dick und krank machen.
Ein paar kluge Experten haben Bücher geschrieben, in denen sie die Leute dazu animieren, damit aufzuhören, sich Nahrungsmittel in den Kategorien einzelner Makronährstoffe vorzustellen, sondern sie als ganze Produkte zu sehen. Sie fordern die Leser auf, nicht daran zu denken, wie viel Protein sie zu sich nehmen, sondern darauf zu achten, vollwertige natürliche Lebensmittel zu verzehren. Wie Michael Pollan, Autor des Bestsellers The Omnivore’s Dilemma [Deutsch: Das Omnivoren-Dilemma: Wie sich die Industrie der Lebensmittel bemächtigte und warum Essen so kompliziert wurde] es so treffend auf den Punkt gebracht hat: „Essen Sie echte Lebensmittel, nicht zu viel und vorwiegend Pflanzen.“ Das Problem an diesem Appell, echte Lebensmittel zu essen, besteht darin, dass die Leute dem Glauben an das Protein so verfallen sind, dass Vollwertprodukte sorgfältig daraufhin betrachtet werden, wie hoch ihr Proteingehalt ist. Und was noch schlimmer ist: Die Leute glauben, Protein bedeute tierisches Protein. Entweder wissen sie nicht, dass pflanzliches Protein existiert, oder sie halten es, wenn sie es wissen, für minderwertig.
Und was meinen die Leute, wenn sie sagen, dass sie zum Abendessen „ein Proteingericht“ zu sich nehmen? Was sind denn Bohnen oder Avocados? Sie enthalten Protein, Kohlenhydrate und Fett. Was Obst und Gemüse angeht, legen die Leute Lippenbekenntnisse ab. Wir stimmen alle darin überein, dass Früchte und Gemüse gut für uns sind, obwohl wir aus Gründen, die mich auf die Palme bringen, die Einschränkung hinzufügen, dass Früchte nur „in Maßen“ gut seien. Und während wir vielleicht überzeugt sein mögen, dass diese Vollwertprodukte gut für uns sind, glauben wir nicht, dass Gemüse und Obst für uns auch nur annähernd so wichtig sind wie „Protein“. Tatsächlich haben wir im Hinblick auf Nahrungsmittel eine Betrachtungsweise verinnerlicht, die uns dazu verleitet, das eine Produkt mit dem anderen zu vergleichen. Und so mögen wir vielleicht zustimmend nicken, wenn Experten uns nahelegen, Vollwertprodukte wie eine Möhre oder einen Apfel zu essen, doch in unserem Hinterkopf spukt trotzdem die Frage herum, wie hoch der Proteingehalt eines Apfels ist. Aufgrund dieser Betrachtungsweise essen wir lieber Hähnchenbrust oder trinken einen Proteinshake. Dieser falsche Schwerpunkt, den wir auf Protein legen, führt dazu, dass wir nur 5 bis 7 Prozent unserer Kalorien aus Obst und Gemüse beziehen!
Wir sollten mehr über Lebensmittel als Ganzes reden. Die reduktionistische Sichtweise, Lebensmittel in ihre Bestandteile zu zerlegen, hat die Lage wirklich verkompliziert. Doch beim Schreiben dieses Buches muss ich auch ein Reduktionist sein. Ich kann nicht dafürhalten, dass es schädlich ist, das Augenmerk derart auf Protein zu legen, wenn ich nicht die Ärmel aufkrempele und selbst in die reduktionistische Betrachtungsweise der Nahrungsmittel eintauche. Ich muss es sozusagen Mann gegen Mann mit dem Protein aufnehmen. Ansonsten kann ich Ihnen noch so sehr ans Herz legen, einen Apfel zu essen, Sie werden trotzdem immer wieder nach einem Beef Jerky greifen, das heute nahezu überall zu bekommen ist. Noch wichtiger aber ist: Ich muss Ihnen auch vor Augen führen, dass es, was die physiologischen Effekte angeht, zwischen pflanzlichem und tierischem Protein gewaltige Unterschiede gibt.
Wie mir klar wurde, bedeutete der Übergang zu einer pflanzenbasierten Kost sowohl für mich als auch für viele meiner Patienten, dass wir alles, was wir im Hinblick auf Ernährung bisher geglaubt hatten, verwerfen und komplett umdenken mussten – so wie Kopernikus den Menschen seiner Zeit abverlangte, den Glauben aufzugeben, dass die Sonne sich um die Erde dreht, und stattdessen zu akzeptieren, dass die Erde sich um die Sonne dreht.
Immerhin wird die Proteinbesessenheit von nahezu jedem Arzt gefördert. Zehntausend Bücher predigen Protein (genau genommen hat eine Suche bei Amazon nach englischen Büchern über „kohlenhydratarme Ernährung“ exakt 9.710 Treffer ergeben, ich bitte Sie also, meine leichte Übertreibung zu entschuldigen). Die Atkins-Diät-Industrie und ihre Ableger (die South-Beach-Diät, die Zone-Diät, die Protein-Power-Diät und so weiter) propagieren Protein. Die Paleo-Bewegung macht sich dafür stark. Eine ganze Legion Fitness- und Lifestyle-Blogger preist Protein. Und die Rinder-, Schweine-, Hühner-, Milchprodukte- und Eierindustrie fördert unsere Proteinbesessenheit Jahr für Jahr mit Milliarden Dollar, die sie in Fernsehwerbung und in die Finanzierung tendenziöser Auftragsstudien steckt, und indem sie Lobbyarbeit betreibt, Regierungsbeamte einschüchtert und die Illusion erzeugt, dass eine unserer gefährlichsten Abhängigkeiten absolut normal und sicher sei.
Ich will ehrlich zu Ihnen sein: Ich hatte keine große Lust, dieses Buch zu schreiben. Als Chef einer expandierenden Klinik zur Behandlung von Übergewicht und für Adipositaschirurgie habe ich mehr Patienten, als ich betreuen kann. Ich bin ein sehr engagierter Vater von zwei kleinen Mädchen. Ich liebe es, Zeit mit meiner Frau zu verbringen. Seit ich meinen pflanzenbasierten Lebensstil entdeckt habe, habe ich Gefallen daran gefunden, an Marathonläufen und Triathlonwettkämpfen teilzunehmen (Sie werden sehen – wenn Sie erst einmal Ihre Gesundheit und Ihre Lebenskraft zurückgewonnen haben, ist alles möglich!). Mit meiner Arbeit als Arzt, meiner Familie und meinen Hobbys habe ich mehr als genug um die Ohren.
Also hatte ich eigentlich keine große Lust, jahrelang späte Abende, frühe Morgenstunden und komplette Wochenenden mit dem Schreiben dieses Buches zu verbringen – aber ich musste es tun. Und zwar aus drei Gründen.
Erstens, und das war der dringendste Grund, konnte ich es nicht mehr ertragen, auch nur eine weitere Patientin mit ihrem Ernährungsprotokoll in der Hand in mein Behandlungszimmer kommen zu sehen und mir von ihr erklären lassen zu müssen, dass ihre Gewichtszunahme der vergangenen Woche irgendwie damit zu tun haben müsse, „nicht genug Protein“ zu sich genommen zu haben, obwohl sie zum Frühstück Eier, zum Mittag Lachs und zum Abendessen Hähnchen gegessen habe, womit sie die zwei- oder sogar dreifache Proteinration der sowieso schon zu hohen empfohlenen Tagesdosis aufgenommen hatte.
Zweitens, und es schmerzt mich, das zugeben zu müssen, habe ich ein Buch geschrieben, das ein Teil des Problems gewesen ist. Im Jahr 2008 habe ich The Expert’s Guide to Weight-Loss Surgery veröffentlicht. Ich habe damit einen guten Treffer gelandet. Es hat bei Amazon.com 4,5 von 5 Sternen erhalten. Und es hat eine Menge Menschen erreicht, die unbedingt abnehmen wollten, um ihr Leben zurückzugewinnen. Jedes Kapitel in dem Buch war sorgfältig recherchiert und beruhte auf den besten, damals aktuellen Erkenntnissen. Bis auf – Sie haben es sicher erraten – das Kapitel über Ernährung. Ohne groß darüber nachzudenken, habe ich leichtfertig die Zone-Diät empfohlen, inklusive der Empfehlung, dass die Ernährung jeweils zu 30 Prozent aus Protein und Fett und zu 40 Prozent aus Kohlenhydraten bestehen sollte. (In der Gemeinschaft der Gewichtsreduktions-Experten hat natürlich niemand auch nur mit der Wimper gezuckt; schließlich habe ich nur propagiert, was alle anderen auch geglaubt haben.) Ich konnte den Geist nicht zurück in die Flasche befördern, aber ich konnte einen noch mächtigeren und effektiveren Geist loslassen, der den Menschen helfen kann, ihre Figur und ihre Gesundheit zurückzugewinnen. Sie halten ihn in den Händen.
Und drittens konnte ich mir keinen einzigen Tag länger unsere beschämenden US-amerikanischen Gesundheitsstatistiken ansehen, denen zufolge es in unserem Land mehr Menschen mit als ohne Übergewicht gibt – 66 Prozent – und in dem ein ganzes Drittel der Bevölkerung unter Fettleibigkeit leidet (in Deutschland haben etwa 67 Prozent der Männer und etwa 50 Prozent der Frauen zwischen 18 und 80 Jahren Übergewicht [http://bit.ly/2bWMBXu]). Ich konnte es nicht mehr ertragen, ein Arzt in einem Land zu sein, das mehr Geld für sein Gesundheitssystem ausgibt als jede andere Nation dieser Welt – und das trotzdem von allen entwickelten Ländern die schlechtesten Gesundheitsstatistiken aufweist. Unsere nationale Proteinbesessenheit bringt uns regelrecht um: sie zehrt an unserer Lebenskraft, untergräbt unsere Gesundheit und verkürzt unsere Lebenserwartung. Ich halte die gegenwärtige Situation für geradezu kriminell.
Aber es muss nicht so sein. Die Lösung kann unmittelbar in Ihrem Einkaufswagen, Ihrem Kühlschrank oder auf Ihrem Teller zu finden sein – sobald Sie verstanden haben, wie tierisches Protein Ihre Gesundheit beeinträchtigt und wie Sie sich gesünder ernähren können. Die Lösung kann auch im Behandlungszimmer Ihres Arztes zu finden sein, da Mediziner zusehends besser ausgebildet sind, was gute Ernährung angeht, und immer mehr Ärzte ihren Patienten immer bessere Ratschläge geben. Und nicht zuletzt kann die Lösung auch in unserer nationalen Gesundheitspolitik zu finden sein, wenn es uns gelingt, den Milliarden-Dollar-Budgets der Lebensmittelindustrie und ihren Gefolgsleuten im Landwirtschaftsministerium Paroli zu bieten, und wenn wir in der Lage sind, die Werbung, die die gesundheitlichen Vorzüge von Fleisch, Milch und Eiern propagiert, zu durchschauen.
Als Apidositaschirurg und regenerierender Proteinaholic sehe ich mich selbst als einen Kämpfer an vorderster Front. Meine Umstellung von Hamburgern und Steaks auf und Grünkohl hat mich in die Lage versetzt abzunehmen und mich in einen Ironman-Wettkämpfer zu verwandeln. Ich bin heute stärker, schneller und gesünder, als ich es je in meinem Leben war. Mein Reizdarmsyndrom ist verschwunden. Mein Cholesterinspiegel ist auf Normalniveau gefallen. Meine Blutzuckerwerte sind vorbildlich. Meine Entzündungsparameter im Blut sind exzellent. Eine pflanzenbasierte Ernährung war für mich das Tor zu einem neuen Leben voller Gesundheit und Tatkraft – und für meine Patienten auch.
Als Chirurg für die Behandlung von krankhaftem Übergewicht habe ich mit den schwersten Menschen im ganzen Land zu tun, denjenigen also, bei denen die üblichen Diäten und sportliche Betätigung nichts gebracht haben. Wenn diese Menschen ihre Ernährung von einem überhöhten Proteinkonsum auf eine gesunde, pflanzenbasierte Kost umstellen, machen sie die gleichen Erfahrungen wie ich. Ihre Pfunde purzeln, und diesmal für immer. Ihre Cholesterinspiegel fallen. Ihre Blutzuckerwerte stabilisieren sich. Lebt wohl – Herzkrankheiten, Bluthochdruck und Diabetes. Hallo – Energie, Ausdauer und gesundes Gewicht. Ihr größtes Problem besteht nicht mehr darin, am Morgen die Energie zu finden, um aufzustehen und einem weiteren Tag voller Schmerzen, Erschöpfung und beschämter Verlegenheit entgegenzusehen, sondern darin zu entscheiden, was Sie mit Ihrer neuentdeckten Lebensfreude anfangen wollen. Was Sie vorhaben mit Ihrem „einem wilden und kostbaren Leben“, wie es die Schriftstellerin Mary Oliver auf den Punkt gebracht hat.
Wenn Sie beim Lesen dieser Zeilen skeptisch sind, kann ich das gut verstehen. Mein Ich aus dem Jahr 2008 hätte genau in diesem Moment gerufen: Was für ein Bullshit! Sie und ich und überhaupt jeder sind darauf programmiert worden, Protein als den perfekten Nährstoff zu betrachten, für den angeblich gilt: Je mehr, desto besser. Uns werden dazu fesselnde Geschichten aufgetischt (das gilt insbesondere für die Verfechter der Paleo-Diät, die uns eine tolle Geschichte darüber erzählen, dass es darum gehe, zu unseren Höhlenmensch-Wurzeln zurückzukehren und wieder „richtige“ Männer und Frauen zu werden). Wir werden von unseren Ärzten und anderen Gesundheitsautoritäten eingeschüchtert, ohne uns dessen bewusst zu sein, dass sie von Ernährung im besten Fall so viel verstehen wie Laien.
Wenn Sie Ihre Ernährung auf eine pflanzenbasierte Kost umstellen wollen, müssen Sie die gleiche Reise antreten, auf die ich mich begeben habe. Sie führt von dem Glauben, dass tierisches Protein das gesündeste Nahrungsmittel überhaupt ist, dahin, sich der zahlreichen Risiken bewusst zu werden, die es birgt. Sie müssen durchschauen, wie die Medien, die Lebensmittelindustrie und das medizinische Establishment Sie verschaukelt haben, indem sie Sie – fälschlicherweise – davon überzeugt haben, dass tierisches Protein die Grundlage einer gesunden Ernährung sein sollte und dabei gelte: Je mehr, desto besser. Sie müssen die wissenschaftlichen Debatten über die Wirkungen von tierischem Protein verstehen und sich eine Schneise durch das Dickicht der lauthals herausposaunten sogenannten Erkenntnisse schlagen – durch diese verwirrende, oft entmutigende Informationskultur, die Ihnen „Beweise“ liefert, die nahezu jede Schlussfolgerung stützen, bis Sie schließlich gar nicht mehr wissen, was Sie glauben sollen.
Der mentale Teil dieser Reise besteht aus zwei Phasen.
Erstens müssen Sie die Forschungsergebnisse kennen: Was haben Wissenschaftler bisher tatsächlich herausgefunden? Es gibt ungeheuer viele und vielfältige Forschungsergebnisse zur Ernährung, und man kann immer eine Studie finden, die alle anderen widerlegt – oder zu widerlegen scheint. Das bedeutet nicht, „dass wir gar nichts wissen“ oder „keine Erkenntnis gesichert ist“. Wenn Sie auf der einen Seite hundert umfassende Studien haben, bei deren Erstellung Tausende von Menschen viele Jahre lang beobachtet wurden, und diese Studien allesamt zu ein und demselben Schluss kommen, und auf der anderen Seite eine einzelne Studie, bei deren Erstellung nur einige wenige Menschen ein paar Monate lang beobachtet wurden, ist es ziemlich einfach zu entscheiden, welchem Ergebnis man glauben sollte. Deshalb lege ich in diesem Buch all jene Erkenntnisse dar und lasse Sie selber entscheiden.
Zweitens hilft das Schlagen einer Schneise durch das Dickicht der lauthals herausposaunten sogenannten Erkenntnisse dabei zu verstehen, warum die Medien vieles so falsch herüberbringen. Angesichts der Art und Weise, in der über wissenschaftliche Studien berichtet wird, ist es einfach, verwirrt zu werden. Wenn Sie einmal ein paar grundlegende Techniken verstanden haben, die es einem ermöglichen, diesen Wust an Informationen zu filtern und sich auf einige Schlüsselerkenntnisse zu konzentrieren, werden Sie in der Lage sein, mit dieser beängstigenden Informationsüberflutung umzugehen. Es stimmt ja, diese Informationsflut ist für uns alle verwirrend – selbst für mich, und ich bin Arzt und mache praktisch nichts anderes, als mich mit medizinischer Forschung und Praxis zu beschäftigen. Aber es gibt eine Möglichkeit, sich in diesem Informationswirrwarr zurechtzufinden – in der Lage zu sein, zwischen fundierten Erkenntnissen und aufgebauschtem Hype zu unterscheiden –, und wenn Sie das gelernt haben, werden Sie wissen, wie außerordentlich befreiend es ist, sich selbst ein Urteil bilden zu können.
Genau das möchte ich mit diesem Buch erreichen: Ich möchte Sie in die Lage versetzen, im Hinblick auf Ihre Ernährung so sicher zu sein, dass Sie wissen, welche Nahrungsmittel gesund sind. Und dann können Sie selber entscheiden.
Auf den Seiten dieses Buches nehme ich Sie mit auf die Reise, auf die ich mich selber begeben habe. Ich führe Ihnen die überwältigenden und übereinstimmenden Belege für die Schädlichkeit tierischen Proteins vor Augen und lege die Vorzüge von frischem Obst und Gemüse und anderen pflanzlichen Produkten dar.
Ich nehme Sie mit in eine sibirische Jurte und in eine kirgisische Hütte und mache Sie mit zwei Völkern bekannt, die Seite an Seite in den russischen Steppen leben und von denen das eine Volk Fleisch isst und das andere sich von pflanzlichen Produkten ernährt. Raten Sie mal, welches von beiden das gesündere ist. Ich präsentiere Ihnen das bemerkenswerte Experiment von Dr. Dean Ornish, der Männer, die unter Prostatakrebs litten, auf eine pflanzenbasierte Diät gesetzt und ihnen beigebracht hat, ihren alltäglichen Stress zu reduzieren, und dann den weiteren Verlauf ihrer Krebserkrankung im Vergleich zum Verlauf der Erkrankung ebenfalls an Prostatakrebs erkrankter Männer untersucht hat, die weiterhin Fleisch gegessen haben.
Ich lege Ihnen dar, wie Krebszellen sich in einer Petrischale explosionsartig vermehren, sobald man IGF1 hinzugibt – ein Hormon, dessen Wert sich mit vermehrtem Konsum von tierischem Protein erhöht –, und wie die gleichen Krebszellen zu schrumpfen beginnen, sobald man Blut von Menschen hinzugibt, die sich pflanzenbasiert ernährt haben. Darüber hinaus lasse ich Sie an meinen Erkenntnissen teilhaben, die ich dank meiner jahrelangen Untersuchungen und meiner Tätigkeit an einer Klinik gewonnen habe.
Wenn Sie mögen, können Sie die in Kapitel 17 aufgeführten Ernährungspläne und Rezepte verwenden, die Ihnen dabei helfen sollen, Ihre Kost im Sinne einer gesunden Ernährung so umzustellen, wie ich es getan habe – eine Umstellung, die auch Hunderten meiner Patienten geholfen hat.
Ich erwarte nicht, dass Sie mir alles, was ich hier anführe, bis aufs letzte Wort abnehmen. Wir sind alle zu vielen „Ernährungs-Gurus“, angeblich Fett vernichtenden Wunderprodukten, einander widersprechenden Medienberichten und verwirrenden Debatten ausgesetzt gewesen, um noch irgendjemandes Meinung ohne Weiteres zu glauben. Manche Leute schalten angesichts dessen einfach ab, schütteln den Kopf und sagen sich: „Da kann ich genauso gut essen, wonach mir der Sinn steht; schließlich bringt mich alles um.“
Wenn Sie diese Sichtweise nachempfinden können oder selber schon das Gleiche gedacht haben, kann ich Ihnen das nicht übel nehmen. Und ich will das Ganze nicht noch verschlimmern, indem ich mit dem, was ich zu sagen habe, einfach nur noch eine weitere verwirrende Meinung dazu beitrage. Zum Glück ist der Glaube keine erforderliche Zutat, wenn Sie sich auf Ihre Reise zu einer pflanzenbasierten Ernährung begeben. Abgesehen von allen anderen Vorzügen einer pflanzenbasierten Kost ist einer der größten die Tatsache, wie schnell eine solche Kost zu durchschlagenden und offensichtlichen Verbesserungen führt. Somit können Sie es Ihrem Körper überlassen, Sie zu überzeugen, und mir diese Aufgabe ersparen.
Klingt gut? Dann lassen Sie uns loslegen. Die erste Station auf unserer Reise ist einer jener Momente, in denen ich in der Öffentlichkeit besonders strahlend dastand, als ich für meine Arbeit als überzeugter professioneller Proteinaholic gefeiert wurde. Doch wie Sie sehen werden, war meine Situation in Wahrheit alles andere als strahlend …
Zu diesem Buch gibt es auch eine Webseite, proteinaholic.com (Englisch), die darauf ausgerichtet ist, Menschen dabei zu helfen, ihr Leben auf eine gesunde Ernährung und einen gesunden Lebensstil umzustellen. Mit Rezepten, Kochtipps, inspirierenden Geschichten, Updates im Hinblick auf neue Forschungserkenntnisse und auf eine die Umstellung begleitende Unterstützung ist für jeden etwas dabei.
Sie können loslegen, indem Sie sich den kostenlosen Proteinaholic-Genesungsplan herunterladen, der zusätzliche Rezepte, Links zu Videos und ein einfaches Schritt-für-Schritt-Programm zur Verbesserung Ihrer Ernährung enthält und Ihnen dabei helfen soll, Ihre Ernährungsweise zu verbessern.
Ich stand vor meinem Schlafzimmerspiegel, und was ich dort sah, gefiel mir gar nicht. Meine schweren Wangen. Meine aufgedunsene Figur. Mein dicker Bauch. Ich war erst fünfunddreißig, sah aber schon aus wie ein alter Mann. Meine Gesichtshaut hing schlaff herab. Ich hatte tiefe, dunkle Ringe unter den Augen. Mein Gesicht wirkte erschöpft und antriebslos, als ob ich es morgens kaum schaffte, mich aus dem Bett zu quälen. Ich war Arzt – ein Spezialist für die Behandlung von krankhaftem Übergewicht –, doch ich selber war nicht gerade schlank und auch nicht fit, und besonders gesund sah ich auch nicht aus. Ich sah so aus, wie ich mich fühlte – angegriffen.
Ich verstand das nicht. Ich ernährte mich auf eine normale, wenn nicht sogar explizit „gesunde“ Weise – auf eine Weise, die jeder Arzt, den ich kannte, für gesund hielt. Jeden Morgen mit Bacon. Zum Mittag einen doppelten Cheeseburger oder vielleicht auch ein Truthahn-Sandwich – mit mehreren Lagen aufeinandergeschichtetem Fleisch zwischen den Brotscheiben. Zum Abendessen ein Steak oder Gegrilltes oder Spaghetti mit Hackfleischbällchen. Jede Menge Protein. Haufenweise Protein.
Ich hatte meinen Patienten empfohlen, sich auf diese Weise zu ernähren, und sie befolgten meinen Rat. Einige von ihnen – die ganz besonders Strebsamen – nahmen sogar noch mehr Protein zu sich, als ich empfohlen hatte. Ich hatte ihnen auch dringend geraten, sich sportlich zu betätigen, doch an diesen Rat schienen sie sich nie zu halten. Ich auch nicht, vor allem, weil ich zu erschöpft und zu schlapp war, um mich aufzuraffen.
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