Psychische Ressourcen im Job - Ilona Bürgel - E-Book

Psychische Ressourcen im Job E-Book

Ilona Bürgel

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Beschreibung

Wir wissen alle, was wir beruflich leisten sollen: nämlich in immer kürzerer Zeit immer mehr. Dabei sollen wir gleichzeitig flexibel, innovativ und top-motiviert sein. Doch keiner sagt, WIE das geht. So sind wir zunehmend unzufrieden und haben Angst vor der Zukunft. Doch wenn wir unsere psychischen Ressourcen aktiv nutzen und unsere inneren Stärken fruchtbar machen, können wir das Leben führen, das wir uns wünschen - auch in einer sich wandelnden Arbeitswelt.

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Seitenzahl: 200

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Ilona Bürgel

Psychische Ressourcen im Job

Darauf kann ich wirklich setzen

Impressum

© KREUZ VERLAG

in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2015

Alle Rechte vorbehalten

www.kreuz-verlag.de

Umschlaggestaltung: Vogelsang Design

Umschlagmotiv: © 1st Gallery – Fotolia.com

Autorinnenfoto: © Lars Neumann

E-Book-Konvertierung: epublius GmbH, Berlin

ISBN (Buch) 978-3-451-61339-5

ISBN (E-Book) 978-3-451-80316-1

Inhalt

Einleitung: Psychische Ressourcen – Ihr Erfolgskapital der Zukunft

1. Warum es sich lohnt, heute schon an morgen zu denken

Was uns erwartet

Können wir uns wirklich ändern?

Ist das Leben beeinflussbar?

Warum immer ich?

2. Hindernisse auf dem Weg ins Arbeitsglück – Äußere Bedingungen

Nicht immer ist die Welt, wie sie uns gefällt

Ihre Arbeitsbedingungen auf dem Prüfstand

Belastungen im Alltag

3. Der selbstgemachte Stress – Innere Einstellungen, die blockieren

Wie aus Arbeit Stress wird

Wenn das Gehirn macht, was es will

Gutes Leben – und trotzdem zu viel Stress?

4. Psychische Ressourcen – unsere ungehobenen Schätze

Positive Psychologie – Der positive Blick auf die Welt

Die Praxis des positiven Lebens

Eine kurze Geschichte der psychischen Ressourcen

Psychische Ressourcen im Fokus der Wissenschaft

5. Die besten psychischen Ressourcen im Überblick

Hoffnung

Optimismus

Selbstwirksamkeit

Resilienz

Sinn

Dankbarkeit

Genussfähigkeit

6. Das bewusste Leben und Arbeiten mit Ihren psychischen Ressourcen

Treffen Sie eine Entscheidung

Erkennen Sie Ihre psychischen Ressourcen

Ihre ganz persönlichen psychischen Ressourcen

Nutzen Sie Ihre psychischen Ressourcen

Pflegen Sie Ihre psychischen Ressourcen

Erweitern Sie Ihre psychischen Ressourcen

7. Praxistipps für Ihre psychischen Ressourcen

Ein Leben im Optimum

So wie wir heute essen, werden wir morgen sein

Was dem Geist guttut

8. Ihr Ressourcenpass

Schlusswort: Schöne Aussichten

Literaturverzeichnis

Einleitung: Psychische Ressourcen– Ihr Erfolgskapital der Zukunft

Ich freute mich auf mein erstes Interview mit der FAZ. Ziel meiner Arbeit ist es, körperliches und geistiges Wohlbefinden aus verschiedenen Blickrichtungen zu beleuchten. So beschäftigt mich auch das Thema Burnout, für das ich angefragt wurde. Ein heißes Eisen, bei dem man zwischen Sättigung und Sorge hin und her schwankt. Ich hatte die Daten meiner aktuellen Recherchen geliefert, Telefon- und Veröffentlichungstermin waren vereinbart. Meistens mache ich mir Notizen zu den wichtigsten Aspekten eines Themas, bevor ein Interview stattfindet. So habe ich immer passende Informationen zu bieten. Dementsprechend fühlte ich mich gut vorbereitet – bis zur ersten Frage: »Frau Bürgel, hatten Sie schon einmal Burnout«? Ich war überrascht. Keine Frage zu Theorie, Wissenschaft oder Hintergrund, sondern eine sehr persönliche.

»Erfreulicherweise nicht. Doch ich weiß, was es heißt, überarbeitet zu sein«, antwortete ich nach einer kurzen Irritation. Wie ich das denn hinbekäme bei meinem arbeitsreichen und reiseintensiven Leben? Schon sind wir mittendrin in einem Austausch über meine eigenen Erfahrungen und Lebensprinzipien.

Ja, wie mache ich das? Diese Frage höre ich immer öfter, wenn ich Vorträge halte. Woher nehme ich persönlich meine Gelassenheit und Energie? Ich beantworte diese Frage gern und werde es auch in diesem Buch tun. Weil Authentizität zählt. Es ist ein Unterschied, ob jemand ein Thema nur erforscht oder ob er es erforscht und selbst auch lebt. Ob jemand hinter dem steht, was er sagt. Genau das möchte ich. Denn meiner Meinung nach dürfen Menschen, die andere beraten wollen, mit besonders hohen Erwartungen konfrontiert werden. Warum sollten sie sonst das Recht haben, zu beraten? Empfehlungen auszusprechen und Tipps zu geben hat ja immer auch etwas mit »besser wissen« zu tun. »Besser machen« ist meine Devise. Mein erklärtes Ziel ist es vorzuleben, dass das, was ich lehre, auch funktioniert. In einem richtigen Alltag, nicht nur in der Theorie.

Fragen Sie sich gerade, ob ich es möglicherweise leichter habe als Sie, weil ich ein besonders angenehmes Arbeitsthema habe? Es ist für mich genauso leicht oder schwer wie für Sie. Wir alle treffen täglich hunderte von Entscheidungen, die oft leider nicht von Selbstfürsorge und Selbstrespekt geprägt sind, sondern von »Sollen«, Pflichten, Sorgen und negativen Emotionen.

Ich habe deshalb bei meiner Arbeit neben der Sichtung der Studien aus Psychologie und Gehirnforschung immer ein Auge auf die Praxis. Ich suche nach Konzepten, die das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Nur dann lohnt es sich, danach zu leben. So bin ich auf die Positive Psychologie gestoßen. Die Wissenschaft, die erforscht, was Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Gesundheit ausmachen. Auf ihren Spuren entdeckte ich das Konzept des Psychologischen Kapitals. Es entsprang der Idee, die Positive Psychologie in der Wirtschaft zu etablieren. Der Faktor Mensch rückte in den Mittelpunkt des unternehmerischen Erfolgs.

Wenn sich England mit dem Wirtschaftsfaktor Glück befasst, Japan die Mitarbeiter mittags schlafen lässt, Unternehmen wie Google Spielecken im Haus einrichten und sich Angela Merkel seit 2013 mit dem Bruttoinlandsglück-Index befasst, dann nicht deshalb, weil es sonst nichts zu tun gäbe. Sie alle tun es, weil die Effekte überzeugen und händeringend nach neuen Lösungen für die Zukunft der Arbeit und Gesellschaft gesucht wird.

! Wir müssen für ein neues Morgen vorbereitet sein, auch wenn wir lieber alles beim Alten ließen.

Die Zukunft wartet mit neuen Anforderungen auf uns Menschen. Gefragt sind Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, Selbstorganisation und ständige Weiterentwicklung. In immer kürzerer Zeit sollen wir immer mehr leisten, sollen engagiert, leistungs- und lernfähig bis ins immer höhere Alter in Beruf und Privatleben sein. Doch wie soll das gehen? Wir haben schon viele Jahre über unsere Kräfte gelebt. Mit Sorge betrachten viele Menschen ihre Zukunft. Wie können wir dieser neuen Welt weiter gerecht werden, wie unseren Lebensstandard halten?

Es geht nicht mehr um Wellness wie in den 80ern und 90ern, nicht mehr um Illusionen wie um den Jahrtausendwechsel, sondern um Existenzielles. Wer gut für sich selbst sorgt und seine psychischen Ressourcen versteht, kann von der neuen Welt enorm profitieren. Das eigene Wohlbefinden kristallisiert sich dabei immer wieder als Mediator zwischen Anforderungen und individuellen Potentialen heraus. Menschen arbeiten genauso gut oder schlecht, wie sie sich fühlen.

Leistungsfähige, engagierte Mitarbeiter sind der Mittelpunkt jedes Unternehmens. Sie werden immer kostbarer im »Schneller, höher, weiter« unserer Arbeitswelt. Die Dynamik der Märkte und der Welt nimmt zu und mit ihr der Druck, dem die Menschen im Unternehmen und zu Hause ausgesetzt sind. Globalisierung, Flexibilisierung, demografischer Wandel.

Was treibt uns wirklich an, mehr zu leisten und uns einzubringen? Geld? Ansehen? Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass persönliches Wohlbefinden unsere Leistungsfähigkeit mehr fördert als die pure Freude an der Aufgabe. Experten haben festgestellt: Ein Mitarbeiter, dem es gut geht, erledigt seine Arbeit besser als einer, dem es schlecht geht. Selbst dann, wenn ihm die entsprechende Aufgabe keinen Spaß bereitet.

Positive Emotionen helfen uns dabei, unsere psychischen Ressourcen vollständig auszuschöpfen. Dies führt zu mehr Wohlbefinden, und mehr Wohlbefinden zu einer nachhaltigen Aufwärtsspirale von Selbstmotivation und Spitzenleistung.

Können Sie sich mit dieser Sichtweise schon anfreunden? Erfolge wurden in Deutschland bislang doch eher über die klassischen Tugenden wie Disziplin und Anstrengung erzielt. Damit haben wir viel erreicht. Doch wir kommen allein damit nicht mehr weiter. Wie gelingt es, Wohlbefinden dauerhaft und möglichst unabhängig von anderen Menschen und den Umständen zu erreichen? Der bewusste Einsatz unserer psychischen Ressourcen ist der Schlüssel dazu.

! Psychische Ressourcen wurden bislang unterschätzt.

Der Ressourcenbegriff ist uns aus dem täglichen Umgang vertraut. Meistens verwenden wir ihn im Sinne der französischen Herkunft als »Mittel« oder der lateinischen als »Quelle«. Erst in den 50er- bis 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts begann die Wirtschaftswissenschaft, sich mit dem »Humankapital« als Produktivitätsfaktor zu beschäftigen. Der Fokus lag dabei auf dem Wissen und der Ausbildung der Menschen. Interessanterweise wurde lange übersehen, dass Wissen kopier- und replizierbar ist. So ist der Wettbewerbsvorteil erfahrener Mitarbeiter und Experten im Haus zwar ein kostbares Gut, sein Gewicht wird von Haltungen und Stärken der Menschen im Unternehmen aber noch übertroffen. Das Engagement, die Begeisterung, die Kreativität von Mitarbeitern machen sich täglich positiv oder negativ bemerkbar und sind unvergleichlich in der Wirkung.

Zahlreiche Untersuchungen haben inzwischen nachgewiesen, dass Einsatz und Ausbau der psychischen Ressourcen Gesundheit, Arbeitszufriedenheit, Engagement, Einzelleistung und Teamleistung verbessern. Voraussetzung dafür ist, dass wir unsere Ressourcen kennen, nutzen, pflegen und entwickeln. Wir stärken uns und andere, sind Vorbild und Modell. So wird es uns auch gelingen, das negative Stimmungsruder bei der Arbeit herumzureißen.

Zurück zu meinem Interview: Als ich nach meinen Erfahrungen mit dem Thema Burnout gefragt wurde, konnte ich schildern, dass mein Leben in Balance auf feste Rituale wie Yoga oder Meditation baut. Auf regelmäßiges Essen und klare Tagesstrukturen, an die ich mich – zum Beispiel bei den Schlafenszeiten – diszipliniert halte. Ich habe es gelernt, mich nur noch drei Minuten zu ärgern und mir selbst Freude zu bereiten. Ich konnte also viel Positives berichten. Das ist nicht selbstverständlich. Nur zu oft lesen und hören wir schlechte Beispiele, Katastrophen und Schwierigkeiten.

Ich nehme eine Tendenz sowohl in den Medien als auch in unserer persönlichen Kommunikation war, Negativem größeren Raum zu geben und es sogar zu erwarten. Dies führt so weit, dass in Umfragen zu Stress und Arbeit allein die Stellung der Fragen so suggestiv ist, dass eher negativ als positiv geantwortet wird. Immer wieder, immer öfter, bis wir irgendwann glauben, dies sei die Realität.

Ein Beispiel: Zum Thema Stress veröffentlichte die Techniker Krankenkasse 2013 eine imposante Studie. Die meisten Fragen sind Belastungsfragen, auch wenn es vereinzelt den Versuch gibt, auch einmal etwas Positives zu fragen, ob die Arbeit Spaß mache zum Beispiel. Im DGB-Index der Gewerkschaften 2012 kommen sogar nur negative Fragen vor, zum Beispiel: »Wie oft ist es in den letzten vier Wochen vorgekommen, dass Sie sich nach der Arbeit leer und ausgebrannt gefühlt haben?« Wenn 44Prozent der Befragten antworten: »Sehr häufig oder häufig«, ist das immer noch eine Minderheit. Doch in der medialen Berichterstattung heißt es dann, dass die deutschen Beschäftigten leer und ausgebrannt sind.

Ein anderes Beispiel: Im Gesundheitsreport 2013 der DAK wurde endlich einmal genauer hingeschaut, wie das Thema Erreichbarkeit in der Realität gehandhabt wird. Ergebnis war, dass nur 20Prozent der Beschäftigten häufiger als einmal pro Woche geschäftliche E-Mails in der Freizeit lesen, fast 70Prozent nie oder fast nie. Fast 80Prozent bejahten die Aussage »Mein Arbeitgeber akzeptiert es, wenn ich außerhalb der Arbeitszeit nicht erreichbar bin«. Doch worüber klagen wir im Alltag immer wieder? Den Druck, der aus der permanenten Erreichbarkeit entsteht. Was für ein Widerspruch!

Wie oft wurden Sie hingegen schon gefragt, wo Ihre Potentiale oder Ressourcen liegen? Haben Sie sich das schon einmal selbst gefragt? Ganz ungewohnt ist es für uns, sich darauf zu besinnen, dass wir alles in uns haben. Dass wir schon richtig und potent sind, so wie wir sind.

Eine erste umfassende Studie, die sich neben Belastungsfaktoren bei der Arbeit auch mit Ressourcen befasste, fand ich bei der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, die sich mit Erziehern in Kindergärten und der Jugendhilfe befasste. Im Hinblick auf die Ressourcen wurden von den Teilnehmern vor allem Weiterbildung, die gute Stimmung, Lachen mit anderen und der Austausch im Team genannt, die Bestätigung durch die Kinder und der emotionale Austausch, ein hoher Gestaltungs- und Handlungsspielraum sowie selbstbestimmtes Arbeiten.

Fällt Ihnen etwas auf? Soziale Unterstützung und Handlungsspielraum sind tatsächlich Ressourcen für gesundes und befriedigendes Arbeiten. Doch sie sind externe Faktoren, die man nicht unbedingt beeinflussen kann. Selten liegt der Fokus bei uns, bauen wir auf das, was wir immer und überall selbst steuern können.

Lassen Sie uns gemeinsam neue Wege gehen. Weil unsere Zukunft präventives Handeln im Heute erfordert. Sie finden hier das Beste aus der Positiven Psychologie, dem positiven Kapital und den Stärken- und Ressourcenkonzepten, ausgewählt nach den Kriterien wissenschaftlich erwiesene Wirksamkeit, Praktikabilität und Freude bei der Anwendung im persönlichen Berufsalltag. Sie halten einen genussvollen, vielleicht unerwarteten Denkansatz in den Händen, der den Fokus auf die unkomplizierte Nutzung Ihrer schon vorhandenen psychischen Ressourcen legt. Durch das Buch begleiten Sie Reflektionsfragen, die zu Ihrem konkreten Ressourcenpass führen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwende ich nur die männliche Form der Substantive, spreche aber natürlich Männer wie Frauen an. Sie können sich einzelne Kapitel herauspicken oder der Reihe nach lesen. Dieses Praxisbuch möchte Ihnen Lust auf die eigenen Chancen und Möglichkeiten bei der Arbeit im Heute und Morgen machen. Damit Sie sich auf Ihre Zukunft freuen können.

1.Warum es sich lohnt, heute schon an morgen zu denken

Werfen wir doch einmal einen Blick in die Zukunft, um uns auf deren Anforderungen heute schon einzustellen. Natürlich werden wir erst wissen, wie sie ist, wenn wir sie erleben. Doch je mehr wir sie uns vorstellen können, umso besser fühlen wir uns vorbereitet. Und je besser wir vorbereitet sind, umso sicherer fühlen wir uns. Welche Erwartungen haben Sie denn an die Zukunft? An die der Menschheit, unseres Landes, Ihre eigene?

Viele Menschen haben Sorgen oder Ängste, wenn sie an die Zukunft denken. Wird das Geld reichen? Wird uns jemand unseren Arbeitsplatz streitig machen? Die ersten gesundheitlichen Warnschüsse lassen erahnen, dass unsere Träume darüber, was wir alles unternehmen wollen, wenn wir erst mal alt sind, doch nicht so einfach umzusetzen sein könnten.

Da unser Gehirn sich von allein eher auf Probleme und Katastrophen als auf Angenehmes fokussiert, möchte ich mit Ihnen ganz bewusst einen optimistisch-realistischen Blick in die Zukunft werfen. Der Vorteil ist, dass wir uns dann so verhalten, dass es zu unseren Chancen passt und wir die Zukunft erleben, die wir uns wünschen.

Was uns erwartet

Nie zuvor hatte die Menschheit so viel Wissen und so viele technische Möglichkeiten für ein langes, gesundes, erfülltes Leben. Der Lebensstandard hat sich für viele Menschen auf der Welt verbessert und wird dies auch weiter tun. Biotechnologie und Stammzellforschung, die Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes, neue Errungenschaften der Medizin werden es ermöglichen, die Selbstheilungskräfte des Körpers besser zu unterstützen, Krankheiten früher zu erkennen, Organe zu ersetzen und damit generell gesünder und länger gesünder zu leben. Es steht mehr Nahrung als je zuvor zur Verfügung.

Computer, intelligente Autos oder digitale Dolmetscher reduzieren den Stress im Alltag. Das Auto, das selbst fährt, gibt es schon lange. Der Staubsaugerroboter kostet heute schon nur noch wenige hundert Euro. Interaktive Kühlschränke werden Lebensmittel selbst nachordern.

Wirtschaft, Kultur, Medien und vor allem Wissen sind weltweit vernetzt. Musik, Kleidung, Essen, Sportereignisse werden rund um die Welt immer ähnlicher und sind überall verfügbar. Wohlstand basiert auf Wissen, und dieses wird in absehbarer Zeit immer mehr Menschen zugänglich sein.

Trotzdem gibt es gegenläufige Trends: Wir Europäer befassen uns mit asiatischen Meditationstechniken und beginnen, als Teil eines gesundheitsbewussten Lebensstils vegetarisch zu essen. In den asiatischen Ländern beginnt man mehr Fleisch zu essen und mehr Auto zu fahren. In Afrika werden immer mehr Handys und Fernseher verkauft.

Weltweit entwickelt sich der Konsum zur Lebensphilosophie. Dass dieses permanente »Mehr von allem« nicht dauerhaft funktioniert, haben wir in den letzten Jahren schmerzhaft erfahren. Umgedacht haben wir noch nicht, auch wenn es schon viele Überlegungen zur Gestaltung einer Post-Wachstumsgesellschaft gibt.

Gern wird damit argumentiert, dass das Streben nach Wachstum zum Fortschritt gehört. Zu Zeiten, in denen Zug, Glühlampe und Penizillin erfunden wurden, war dies sicher überwiegend vorteilhaft. Doch die Errungenschaften der Technik sind heute in den Industrieländern nicht mehr überlebenswichtig, sondern zum Teil Selbstzweck. Und wir Menschen haben uns über all dem technischen Fortschritt in den letzten Jahren selbst vergessen. Wir haben uns nicht mitentwickelt. Wir haben immer weniger auf unsere menschlichen Bedürfnisse geachtet. Wir werden zwar durch unsere eiweißhaltige Ernährung größer und schwerer, die Pubertät setzt statistisch gesehen früher ein. Aber unser Gehirn ist noch auf dem Stand von vor tausend Jahren.

Früher dauerte es ein Jahrhundert, bis sich das Wissen der Menschheit verdoppelte; heute fünf Jahre. Das heißt nicht, dass unsere Intelligenz oder sonstige Gehirnkapazitäten wachsen, vielmehr verlagern wir das Wissen nach außen. Das Gehirn entwickelt sich nicht weiter, weil wir zu spezialisiert sind und in externen Netzwerken auf Wissen zugreifen, das wir nicht haben. Statt uns zu entwickeln, passen wir uns an technische Systeme an. Der genetische Bauplan des Menschen hat sich aber kaum verändert und deshalb macht uns die von uns selbst geschaffene Entwicklung Stress und Angst. Das Außen passt nicht zum Innen.

Entscheidungen für unsere Zukunft

Deshalb hören wir in unserer Gesellschaft immer häufiger Fragen nach der Zweckmäßigkeit dieser Entwicklung, dem Preis dafür. Leben wir die richtigen Werte? Gern sind wir zu Reformen bereit, solange es um die anderen geht. Je mehr unsere Gewohnheiten und unser Komfort zur Disposition stehen, umso schwerer tun wir uns, etwas zu verändern. Im Ergebnis sind wir unzufrieden mit dem Bestehenden und haben auch noch ein mulmiges Gefühl für die Zukunft. Je älter wir werden, umso mehr spüren wir am eigenen Körper, was uns diese divergente Entwicklung zwischen innen und außen kostet.

Coca-Cola hat in der Happiness-Studie 2014 die Trends unserer Gesellschaft im Hinblick auf die Chancen für ein glückliches Leben von bekannten Wissenschaftlern zusammentragen lassen. Das Ergebnis der Studie lautet: Lebensfroh ist, wer sich entscheiden kann. Und zwar weil er weiß, was ihm persönlich guttut.

So einfach, so gut, so schwierig umzusetzen. Denn der geforderten Autonomie steht unser Urinstinkt, dazugehören und so wie die anderen sein zu wollen, im Weg. Kaum jemand hat es gelernt, selbst Verantwortung für das Leben zu übernehmen. Ganz zu schweigen davon, dass wir gar nicht wissen, was uns selbst guttut.

Die Gesellschaft wird immer individualisierter. Wir haben mehr Möglichkeiten, aber weniger Zeit dafür. Das setzt uns unter Dauerdruck. Im Privat- und Berufsleben steigt mit der Chance auf Selbstbestimmung das Erfordernis der Selbstorganisation. Die Freizeit wird zunehmend professionalisiert und geplant. Berufliches und Privates vermischen sich immer mehr. Der Stress wächst – Abgrenzung wäre nötig, erzeugt aber ein Verlustgefühl. Auch für unsere Gesundheit fühlen wir uns zunehmend selbst verantwortlich. Das ist zwar allerhöchste Zeit, erhöht aber den Zwang, informiert zu sein, um kluge Entscheidungen zu treffen. Zu viel Verantwortung, Entscheidungsdruck und mangelnde soziale Einbindung sind fühlbare Belastungsfaktoren.

Lebensfroh ist, wer sich entscheiden kann, und zwar auf der Grundlage dessen, was für einen selbst gut ist. Um dies zu erreichen, haben die Forscher die wichtigsten Tipps zum Selbstmanagement zusammengestellt:

Keiner kann mehr alles haben – identifizieren Sie eigene Werte, Ziele und Bedürfnisse, um sich dann darauf zu fokussieren.

Das eigene Leben braucht eine Vision – wohin soll es gehen, was hat Wert? Das ist die Entscheidungsbasis.

Soziale Beziehungen sind unersetzbar – verschenken Sie Anerkennung, Wertschätzung und Aufmerksamkeit und finden Sie Mitstreiter mit ähnlichen Werten.

Erreichbarkeit soll bewusst gestaltet werden – definieren Sie Auszeiten, Ichzeiten und Offlinezeiten.

Achtsamkeit und Konzentration brauchen Übung – lenken Sie den Fokus auf einige wenige Prioritäten, vermeiden Sie Ablenkungen.

Das Leben muss aktiv gelebt werden – ziehen Sie Ihre Lebensfreude aus verschiedenen Quellen, nicht nur aus der Arbeit. Nutzen Sie Spielräume und wagen Sie Experimente.

Voraussetzung für diese moderne Anleitung zum Glück ist Selbstbestimmung. Die erste gute Nachricht: Das ist primär eine Sache des Kopfs. Innere Autonomie ist unabhängig von Alter, Lebensumständen und Fitness. Die zweite gute Nachricht: In Deutschland verfügen wir im Schnitt über 3Stunden und 49Minuten Freizeit am Tag. Hier kann es losgehen mit der Autonomie. Was machen Sie daraus? Was wir in der Freizeit können, gelingt dann auch leichter im Beruf. Lassen Sie uns gleich konkret werden und selbstbestimmte Entscheidungen üben: Hier kommen die ersten beiden Fragen, die in Ihren Ressourcenpass einfließen.

Die Eckdaten der zukünftigen Arbeitswelt

Haben wir uns bis hierher die Zukunftstrends in unserer Gesellschaft generell angesehen, geht es nun explizit um die Zukunft der Arbeit. Die Studie »Deutschland 2020 – Die Arbeitsplätze der Zukunft« kommt zu folgendem Schluss: Die Globalisierung der Arbeitsmärkte, der wirtschaftliche Strukturwandel und der technologische Wandel stellen ständig neue Ansprüche im Arbeitsalltag. Besser ausgebildete Arbeitskräfte werden gefragt sein und sind nicht so leicht zu ersetzen.

Die Studie »Die Zukunft der Arbeitswelt auf dem Weg ins Jahr 2030« verweist auf die Durchdringung wirtschaftlicher Prozesse mit Informations- und Kommunikationstechnologien. Dies führt zur Beschleunigung, Verdichtung und Wissensintensivierung von Prozessen, denen gering qualifizierte Kräfte nicht folgen können. Auch bei der Arbeit kommt es zur Individualisierung und Feminisierung der Gesellschaft. Im Auftrag der Bundesregierung wurden Szenarien errechnet, wie unser Lebensniveau trotz geänderter Voraussetzungen erhalten werden kann:

Die Zahl der Erwerbstätigen wird gesteigert (mehr Köpfe, mehr Lebensarbeitszeit, höhere Beschäftigtenquote, Zuwanderung, Arbeitsmarktzugang von Migranten)

Das Arbeitsvolumen wird erhöht (mehr Zeit, mehr Jahresarbeitszeit)

Die Produktivität wird erhöht (Qualifizierung, lebenslanges Lernen, Innovationsproduktivität steigt)

Die Kombination aus Verringerung der Erwerbslosenquote und einer längeren Arbeitszeit wäre nach Meinung der Experten der beste Weg. In jedem Fall wird es darum gehen, anders zu arbeiten, um länger und mehr leisten zu können.

Der Zukunftsforscher Peter Wippermann beklagt, dass in unserer Gesellschaft Vorstellungen fehlen, wie wir in Zukunft leben wollen. Wir sind auf dem Weg von der Industrie- zur Netzgesellschaft. Gleichzeitig sagt er digitale Abstinenz als neuen Statuswert voraus. Die Individualisierung der Arbeitswelt führt dazu, dass die Eigenverantwortung steigt und jeder sich selbst organisieren, vernetzen und vermarkten muss. Erfolg wird weniger über Geld, sondern über eine selbstbestimmte und gesunde Lebensweise definiert. Daraus entsteht die Herausforderung, sich selbst ständig weiterzuentwickeln, Ziele zu setzen und Grenzen zu ziehen. Die Unternehmen müssen daher persönliche Freiheit, Freizeit und Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung bieten.

Im Focus Spezial zeigt eine Studie zur Bewerbungspraxis 2004 im Vergleich mit 2014, wie sich die Ansprüche der Mitarbeiter zu den Trends entsprechend ändern. Aktueller Favorit ist das gute Arbeitsklima mit 94,9Prozent (vorher 53Prozent), gefolgt von Weiterbildungsangeboten mit 86,5Prozent (vorher 36Prozent), flexiblen Arbeitszeiten mit 85,9Prozent (28Prozent) und der Möglichkeit zur Work-Life-Balance mit 83,4Prozent (27Prozent).

Der Managementberater Niels Pfläging arbeitet schon lange an einem zukunftsfähigen Verständnis von Führung, das auf der Annahme basiert, dass Menschen bei der Arbeit keine Schlafkojen, sondern Herausforderungen suchen. Seine Forderungen, um Trends, Wünsche und Möglichkeiten unter einen Hut zu bringen lauten unter anderem:

Handlungsfreiheit für jeden in seinem Arbeitsbereich

Arbeitszeit als Entwicklungszeit– Manager dürfen nicht alle Probleme selbst lösen wollen

»Verantwortungszellen« statt Abteilungen

Eine neue Definition von Leistungsklima als Ergebniskultur statt Pflichterfüllung

Die Sache mit der Rente

Zur Zukunft der Arbeit gehört auch die Frage, wer wie lange arbeiten möchte. Ich zum Beispiel gehe davon aus, dass ich mit 80 noch schreiben und Vorträge halten werde. Ganz klar, ich werde so viel Erfahrung haben wie nie. Mein Geist wird durch die Arbeit fit für die Arbeit sein. Freude an dem, was ich tue, habe ich immer. Es gibt also keinen Grund für mich, aufzuhören. Doch mit dieser Planung stehe ich fast allein da.

In Australien fand Diana Warren von der Universität in Melbourne heraus, dass Frauen und Männer verschiedene Gründe haben, in Pension zu gehen. Männer machen die Entscheidung eher von Finanzen und dem Gesundheitszustand abhängig. Frauen treffen eine soziale Entscheidung. Sie wollen mehr Zeit mit der Familie verbringen oder pflegen Angehörige. Trotzdem hören Paare oft gemeinsam auf zu arbeiten, 66Prozent binnen zwei Jahren. Tendenziell hören Frauen eher auf zu arbeiten, wenn sie in einer Partnerschaft leben.

Hier gilt es, die Perspektive auf unsere Lebenszeit zu verändern. Denn nicht die Arbeit an sich, sondern wie wir heute arbeiten und uns selbst überfordern ist das Problem. Tom Rath hat in weltweiten Studien herausgefunden, dass das Wohlbefinden bei der Arbeit einen doppelt so hohen Einfluss auf unser Gesamtwohlbefinden hat wie zum Beispiel Geld oder Gesundheit.

Mit jedem Jahr eines frühen Renteneintritts steigt das Risiko für Männer, vor 67Jahren zu sterben um 13,4Prozent. Unter Frührentnern steigt außerdem die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Als Ursache wird zum einen ein ungesünderer Lebensstil gesehen. Zum anderen fanden die Ökonomen an der Universität Göteborg Marcus Eliason und Donald Storrie heraus, dass der Verlust der Arbeit wie ein Schicksalsschlag erlebt wird und das Todesrisiko in den ersten vier Jahren nach dem Verlust der Arbeit um 44Prozent ansteigt. Dies wurde bei der Schließung einer Fabrik erforscht – der Verlust der Arbeit war hier nicht freiwillig. Andere Untersuchungen zeigen, dass zum Beispiel die Strukturierung des Tages, das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, oder der Kontakt mit anderen Menschen gern übersehene Vorteile der Arbeit sind. Im Longevity-Projekt von Howard Friedmann und Leslie Martin waren diejenigen älteren Menschen die gesündesten, die noch arbeiteten.

Erschrocken bin ich über die Ergebnisse der Umfrage der »berufundfamilie gGmbH« aus dem Jahr 2013 zum Thema Alter und Arbeit. Es wurden 45- bis 60-Jährige befragt. Von ihnen wollten nur 28Prozent voll bis zum gesetzlichen Rentenalter arbeiten. 26Prozent wollten weniger arbeiten und 34