Warum immer mehr nicht immer richtig ist - Ilona Bürgel - E-Book

Warum immer mehr nicht immer richtig ist E-Book

Ilona Bürgel

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Beschreibung

Die Kunst, seine Kraft richtig einzusetzen

Kann es uns gut gehen, so mitten im Stress und bei all den Anforderungen? Unbedingt! Sagt die erfolgreiche Autorin und Psychologin Dr. Ilona Bürgel und zeigt gleich noch charmant und lebensnah ihren persönlichen Gegenentwurf zu unserem Kult um Überforderung und Erschöpfung.
Sie entlarvt Anstrengungsfallen und lädt ihre Leser mit dem Prinzip Wohlbefinden zum Umdenken ein. Sie zeigt, wie wir in einer komplexen Welt mit wirksamen Tricks selbst dafür sorgen können, dass es uns gut geht, anstatt uns andauernd fremden oder eigenen Maximierungsansprüchen auszusetzen, die uns nicht gut tun.
Herausforderungen anzunehmen ist wichtig für unsere persönliche Weiterentwicklung und für unseren Lebenserfolg. Doch wer ständig nur höher-schneller-weiter will, ist schnell verbraucht und einsam. Wir fühlen uns wohl, wenn wir auf die richtige Art und Weise gefordert sind. Und wenn wir uns wohl fühlen, leisten wir, was wir wollen und sollen – ganz ohne gestresst zu sein.

»Dieses Buch ist ganz nah dran an unserem Alltag. Charmant, offen und die Garantie, endlich den ersten Schritt aus den Anstrengungsfallen zu gehen.« Kerstin Kotlar, Focus online

»Ein hervorragender Reiseführer zu einem Leben im richtigen Gleichgewicht zwischen Anstrengung und Wohlbefinden.« Dr. Claudia Becker, Die Welt / Welt am Sonntag

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Seitenzahl: 241

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Ilona Bürgel

Warum immer mehr nicht immer richtig ist

Neue Wege zu Erfolg und Wohlbefinden

Kösel

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Copyright © 2017 Kösel-Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag/Illustration: Weiss Werkstatt, München

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-19927-2V001www.koesel.de

Inhalt

Einleitung

1 Wenn Anstrengung Wohlbefinden kostet

Die Hintergründe der Anstrengung

Anstrengung wird falsch verstanden

Die neuen Katalysatoren der Anstrengung

Wie Überanstrengung entsteht

Die täglichen Anstrengungsfallen

Vorgelebte Anstrengung: die Prioritätsfalle

Gefährlichste Anstrengung: die Verantwortungsfalle

Unsichtbare Anstrengung: die Maßlosigkeitsfalle

Verführerische Anstrengung: die Glücksfalle

Automatische Anstrengung: die Stressfalle

Ansteckende Anstrengung: die Burnout-Falle

Täuschende Anstrengung: die Zukunftsfalle

Gelernte Anstrengung: die Grübelfalle

Mangelnde Anstrengung: die Disziplinfalle

Fühlbare Anstrengung: die Stimmungsfalle

Das Anstrengungsfazit

2 Die Wahrheit über Wohlbefinden

Warum ich keinen Burnout hatte

Die Entdeckung des Wohlbefindens in der Forschung

Die Weiterentwicklung der Positiven Psychologie

Gute Nachrichten in Sachen Alter

Das Recht auf und die Pflicht zum Wohlbefinden

Wohlbefinden ist eine Entscheidung

Wohlbefinden braucht passende Aktivität

Das Beste aus dem Wohlbefinden machen

Was den Erfolg verbessert

Wer profitiert wann?

Die Wohlbefindensirrtümer

Kurzfristige Belohnungen

Vergnügen, das uns betrügt

Wohlbefindenstheorien auf dem Praxisprüfstand

Das Konzept für den Arbeitsalltag

Die eigene Arbeit in Zahlen

Das Wohlbefindensfazit

Mehrdimensionales Wohlbefinden

Die Neudefinition von Wohlbefinden

3 Anstrengung, die Wohlbefinden garantiert

Lösung 1: Gutes kommt von Gutem

Lösung 2: Das rechte Maß

Lösung 3: Selbst bestimmen

Respektvolle Selbstwertschätzung

Freiwillige Selbstverantwortung

Wohlwollende Selbstdefinition

Positive Selbstausrichtung

Beglückendes Selbstmanagement

Heilende Selbsterkenntnis

Unschlagbare Selbstmotivation

Dienende Selbstdisziplin

Süße Selbstfürsorge

Ausblick

Dank

Quellen

Einleitung

Ich hatte noch nie einen Burnout. Und ich möchte, dass er Ihnen ebenfalls erspart bleibt. Erfreulicherweise hatte ich auch sonst nie eine größere Krankheit. Ich gestehe weiter, ich bin noch nie einen Marathon gelaufen und habe noch nie 20 Kilogramm abgenommen. Ich war auch noch nie auf einem sehr hohen Berg, weder mit noch ohne Sauerstoff. Ich habe also keine Leistung zu bieten, die Sie ehrfürchtig erschauern lässt. Vielleicht bin ich aber gerade deshalb genau die richtige Ansprechpartnerin für Sie. Weil Sie und ich ein normales Leben haben, bei dem es ganz einfach darum geht, es gut zu meistern.

Dabei ist es schon eine besondere Leistung, all die Dinge unter einen Hut zu bekommen, die wir täglich stemmen müssen: den ständigen Neuerungen und höheren Anforderungen in Beruf und Privatleben gerecht zu werden; die nächste Umstrukturierung der Abteilung zu bewältigen ebenso wie das nächste Softwareupdate und den wachsenden Zeitdruck; nicht mehr nur schön, intelligent und gesund sein zu wollen, sondern trotz Dauerbelastung energievoll und vor allem gelassen und glücklich.

Die Selbstantreiber »Streng dich an«, »Sei tapfer und diszipliniert« haben uns, was unsere Produktivität betrifft, weit gebracht. Doch im neuen Jahrtausend reicht dies leider nicht mehr aus. Schlimmer noch, wir schaden uns dadurch sogar selbst. Der Grund dafür ist, dass wir das Konzept Anstrengung missverstehen. Um dies zu ändern, gibt es dieses Buch.

Uns stehen so viele Möglichkeiten offen, aber wir haben wenig Zeit dafür. Eigene und fremde Maximierungsansprüche setzen uns unter Dauerdruck. Wir fürchten, etwas zu verpassen, nicht gut genug zu sein oder die falschen Entscheidungen zu treffen. Parallel dazu haben wir in den letzten Jahrzehnten unsere Erwartungen in allen Lebensbereichen immer weiter nach oben geschraubt. Wir erreichen immer mehr und kommen trotzdem nicht mehr an. Noch schlimmer: Wir werfen auf diesem Weg unsere Kraft mit vollen Händen zum Fenster hinaus – als Gefangene unserer Maßstäbe und unserer Anstrengungskultur. Und wir merken es nicht einmal.

Gleichzeitig ist da die Sehnsucht, dass es doch auch anders gehen müsste. Dieses leise Ticken der Uhr des Lebens, die, je mehr wir in unseren Tag hineinpacken, immer schneller zu laufen scheint. Das macht uns Angst, doch wie reagieren wir darauf? Indem wir noch mehr tun und dabei hoffen, das Glück nach Feierabend oder spätestens im Ruhestand zu finden.

Anstrengung wird doppelt missverstanden: Für das ersehnte Wohlbefinden strengen wir uns nicht genug an, für die falschen Ziele umso mehr. Das kostet Wohlbefinden.

Ich weiß, wovon ich spreche. Aus einer Unternehmerfamilie stammend, bin ich mit zwei Lebensmaximen aufgewachsen: Bildung und Leistung. Sätze wie »Von nichts kommt nichts« oder »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen« waren mir schon früh vertraut, und meine Großeltern und Eltern lebten dies vor. Allerdings war ich die Erste, die nach der Schule studieren konnte und auf direktem und kürzestem Weg Karriere gemacht hat. Dabei ist mir der Erfolg keineswegs einfach zugefallen, im Gegenteil. Um die sehr guten schulischen Leistungen zu bringen, die man selbstverständlich von mir erwartete, musste ich von Jahr zu Jahr mehr arbeiten. In der Abiturstufe hatte ich zum Beispiel Mathenachhilfe. Gleichzeitig lernte ich Klavier und Stenographie und startete mit einer dritten Fremdsprache, was mir aber schnell zu viel wurde. Ich sang im Chor und gab selbst Nachhilfe. Man könnte sagen, eine typische gutbürgerliche, vielseitige Bildungsbiografie.

Bereits sehr früh war mir klar, dass ohne Anstrengung nichts geht. Anstrengung an sich ist eigentlich gut für unser Gehirn. Es bringt nämlich die besten Leistungen, wenn wir ein klein wenig über unsere Möglichkeiten gefordert werden. Problematisch wird es dann, wenn wir das Prinzip Anstrengung ohne Einschränkung anwenden und außerdem in allen Lebensbereichen. Ein Beispiel: Sobald das Thema Partnersuche für mich aktuell wurde, ging ich nach genau dem gleichen Prinzip vor. Liebenswert und attraktiv zu sein knüpfte ich an immer höhere Bedingungen. Und wenn eine Beziehung nicht funktionierte, lag es nahe, die »Schuld« in der eigenen unzureichenden Leistung zu suchen. Was nehmen wir im Interesse der Liebe nicht alles in Kauf? Wie oft passen wir uns an und versuchen, fremde Wünsche auf unsere Kosten zu erfüllen. Das kann nie gut gehen und hat oft doppelten Frust zur Folge.

Auch im Studium setzte sich meine Anstrengungskarriere fort. Der scheinbare Beweis dafür, dass meine Art zu leben richtig war, waren die guten Noten und der gute Abschluss. Ich habe als Jahrgangserste promoviert und schnell eine attraktive Anstellung in der Wirtschaft gefunden. Die Kehrseite der Medaille war, dass ich die Anzahl der Feiern mit Kommilitonen an zwei Händen abzählen konnte. Bin ich damals überhaupt in den Urlaub gefahren? Ich weiß es nicht mehr. Ich war früh die Erste und abends die Letzte in der Bibliothek. Ja, ich habe durch strebsames Arbeiten meine Ziele, zum Beispiel die Promotion, erreicht, und ich finde das nach wie vor richtig. Doch man sollte sich immer klarmachen, dass alles seinen Preis hat. Die Gefahr am Prinzip Anstrengung ist nicht nur die Überanstrengung. Sondern dass ständige Anstrengung als etwas ganz Normales angesehen wird, gesellschaftlich nicht nur akzeptiert, sondern sogar erwünscht ist, und dass wir durch gute Ergebnisse belohnt werden. So fällt uns oft gar nicht auf, dass wir dabei etwas verpassen. Dieses Leben macht zum Beispiel einsam. Vielleicht haben Sie beim Lesen auch schon gedacht: »Was für eine Streberin«. Genau. Strebsamkeit ist zwar ein hoher Wert, aber mit einem Streber möchte man nichts zu tun haben!

Die Kunst ist es, eine Balance zu finden. Die Balance zwischen der Anstrengung, die wir aufwenden müssen, um das zu erreichen und aufzubauen, was wir uns im Leben wünschen, und auf der anderen Seite genug Zeit und Raum für uns und andere Menschen, für Hobbys und vor allem Erholung. Dass wir die Balance leider meist nicht finden, ist die Ursache dafür, dass immer mehr Menschen, vor allem psychisch, erschöpft sind. Nicht weil wir älter werden und weniger aushalten, sondern weil wir uns zu lange überfordert und bei dem Prinzip Anstrengung den Genuss und die Erholung vergessen haben.

In kaum einem anderen Land gibt es ein so dramatisches Missverhältnis zwischen den guten Arbeits- und Lebensbedingungen einerseits und dem als schlecht erlebten eigenen Befinden andererseits. Die Lösung scheint in einem besseren Umgang mit den Stressoren unserer Zeit zu liegen. Doch ist das wirklich so? Auf die Frage, was uns denn so stresst, sagen wir laut Statistik am häufigsten »die Arbeit«. Doch wir übersehen dabei die eigentliche Quelle unserer Probleme: unser Denken. Es beeinflusst, was wir erwarten, was wir tun und was wir demzufolge erleben. Nicht allein die Arbeit, die ständige Erreichbarkeit oder die Schnelllebigkeit unserer Zeit lasten auf uns, sondern die Haltung, die wir haben, die Gedanken, die wir uns machen und mit denen wir uns gegenseitig anstecken.

In den kommenden Jahren wird es immer mehr darauf ankommen, sich bei dem, was man tut, wohlzufühlen, besonders während der Arbeit. Das hilft, in Zeiten der Instabilität, Stagnation oder des Ausbleibens von Wachstum durchzuhalten. Außerdem kann uns das aus dem Hamsterrad des vorwiegend an Quantität orientierten »Höher-Schneller-Weiter« heraus und hin zu mehr Lebens- und Arbeitsqualität führen. Und schließlich wirkt es sofort wohltuend und kann dadurch Produktivität und Leistungsfähigkeit im Beruf sowie Lebensfreude und Gesundheit im Privatleben steigern.

Wohlbefinden, egal ob beruflich oder privat, das sind die vielen kleinen täglichen guten Dinge, und das ist zudem ein generelles Gefühl der Zufriedenheit mit dem Leben, nicht etwa die seltenen außergewöhnlichen Erlebnisse wie eine Beförderung oder eine Weltreise. Es geht also darum, die täglich guten Dinge erst einmal zu sehen und zu schätzen. Und dann auch darum, unser Verhalten zu ändern: Täglich treffen wir Hunderte Entscheidungen, bei denen wir unaufmerksam sind. Dabei wäre es doch einfach, sich immer wieder einmal zu fragen, ob man sich etwas Gutes tut.

Die meisten Menschen fühlen sich allgemein wohl. Nicht immerzu und in riesigem Ausmaß, aber als Tendenz. Dies zu erhalten, egal was Ihr Leben noch bringt, oder es sogar auszubauen, darum geht es in diesem Buch.

Sie können es von vorn lesen, Sie können aber auch einzelne Abschnitte auswählen, die Sie besonders interessieren. Ich habe kleine Einheiten für Sie gestaltet, damit Sie selbst nach einem anspruchsvollen Arbeitstag noch Lust und genug Kraft für ein solches Häppchen haben. Auf diese Weise können Sie hoffentlich schon beim Lesen anwenden, worüber ich schreibe: Wir fühlen uns wohl, wenn wir auf die richtige Art und Weise gefordert sind, und wenn wir uns wohlfühlen, leisten wir, was wir wollen und sollen – ganz ohne gestresst zu sein.

Im Sinne der einfachen Lesbarkeit verwende ich im Text nur die männliche Form der Substantive.

Viel Freude wünscht Ihnen

1 Wenn Anstrengung Wohlbefinden kostet

Selbstbestimmung, Unabhängigkeit, Chancengleichheit sind für uns heute wichtige Werte. Ständige Entwicklung, altersunabhängige Flexibilität und Mobilität im Außen und Innen werden durch die neuen Lebensbedingungen immer nachdrücklicher eingefordert. Die Chancen dieses neuen Zeitalters benötigen auf der Nutzerseite eine passende Haltung, Wissen und Handlungsmöglichkeiten, die oft gar nicht vorhanden sind, nicht wahrgenommen oder genutzt werden. Es gab bislang kein Schulfach »Glück« oder »Umgang mit sich und anderen«. Wir verhalten uns daher so, wie wir es von klein auf in unserer Familie gelernt haben. Vieles von dem, was wir da tun, hat unseren Eltern genützt und sie gut durchs Leben gebracht – manches auch nicht, trotzdem haben sie es uns mitgegeben. Doch die digitalisierte Wissensgesellschaft stellt andere, ganz neue Anforderungen. Deshalb erleben wir oft schmerzlich die Diskrepanz zwischen Sollen und Wollen.

Die Frage ist: Wollen wir uns weiterhin zu viel und für das Falsche anstrengen? Glück und Wohlbefinden mit immer mehr Aufwand dem Leben abtrotzen? Sind wir bereit, die Unangemessenheit der eingesetzten Kraft mit Erschöpfung, verlorener Lebensfreude und Gesundheit zu bezahlen? Beginnen wir bei der Anstrengung, die uns nicht guttut. Wer die Gefahr kennt, kann bessere Entscheidungen treffen!

Die Hintergründe der Anstrengung

Ich habe einen freien Tag geschenkt bekommen. Es ist Mittwoch und ich war mit einer neuen Marketingagentur zum Erfahrungsaustausch verabredet. Leider ist eine wichtige Gesprächspartnerin erkrankt und wir verschieben den Termin. Plötzlich habe ich Zeit, die nicht verplant ist. Was mache ich damit? Selbst an einem Samstag oder Sonntag fällt es mir schwer, mich zu entscheiden, mal gar nichts zu tun, oder »nur« spazieren zu gehen oder ins Kino. Doch noch viel größer ist die Herausforderung an einem Mittwoch.

Zu Beginn meiner Selbstständigkeit hatte ich Schwierigkeiten, überhaupt freie Zeit für mich zu schaffen. Als Psychologin und Referentin sind meine Hauptarbeitszeiten abends, wenn meine Klienten Feierabend haben, und am Wochenende, wenn Kongresse, Schulungen und Seminare stattfinden. Ich muss mir also zu anderen Zeiten freinehmen. Zum Beispiel montags. So begann ich an Montagen oder Dienstagen vormittags zum Sport und in die Sauna zu gehen. Die inneren Dialoge hätten Sie mal hören sollen. »Hoffentlich sieht mich keiner.« »Dienstags 11 Uhr in Sportsachen? Alle anderen arbeiten, nur ich nicht.« Dass sich im Gegenzug keiner fragt, warum ich samstags arbeite, galt nicht. Ein mulmiges Gefühl, ein schlechtes Gewissen waren meine Begleiter. Bis ich umdenken konnte und mein Auftanken und mein Wohlbefinden über diese gefährlichen Selbstgespräche stellen konnte.

Also was tun an einem plötzlich freien Mittwoch? Am besten etwas, was mir Freude bereitet. Und damit sind wir auch gleich bei einem wichtigen Kriterium für unsere Arbeit. Es geht nämlich nicht darum, wie oft und wie lange wir arbeiten, sondern mit welchem Motiv und welchem Einsatz.

Inzwischen wissen wir zum Beispiel, dass die sogenannten »Genussarbeiter«, also Menschen, die gern arbeiten und etwas bewirken wollen, eine bessere Gesundheit haben. In der TK-Stressstudie 2013 konnte nachgewiesen werden, dass »Genussarbeiter« gegenüber »Broterwerbarbeitern«, denen es nur um das Einkommen geht, weniger erschöpft sind. Nämlich jeder Vierte statt jeder Zweite. Und sie sind weniger depressiv, 7 Prozent im Vergleich zu 23 Prozent.

Genauso ist es mit dem Engagement. Hohes Arbeitsengagement führt nicht zu emotionaler oder physischer Erschöpfung, die das Privatleben negativ beeinflussen. Vielmehr gehen Menschen nach einem engagierten Tag mit einem besseren Energieniveau nach Hause als nach einem wenig engagierten. Offenbar bestimmt die Art der Anstrengung die Wirkung. Das heißt: Unser Gehirn liebt Anstrengung, wenn sie angemessen ist. Wenn wir uns Aufgaben widmen, die nur etwas schwerer sind, als unser gegenwärtiges Leistungsniveau es zulässt, die uns im Bereich des Möglichen herausfordern, dann kommen wir in einen optimalen Leistungszustand, der »Flow« genannt wird. Wir vergessen die Zeit, geben uns ganz dem augenblicklichen Tun hin und »bleiben dran«, bis wir etwas erreicht haben. Dabei fühlen wir uns leistungsfähig und sind danach glücklich. So ist es auch beim Sport. Wenn wir etwas geschafft haben, das mit ein wenig Mühe verbunden ist, befriedigt uns das am meisten.

Anstrengung wird falsch verstanden

Ein weiterer Gradmesser dafür, wie Anstrengung auf uns wirkt, ist das Ergebnis. Haben wir erreicht, was wir uns vorgenommen haben? Das Abschließen von Tätigkeiten, egal wie anstrengend sie sind, führt dazu, dass wir uns wohlfühlen. Wenn nicht, kann das sehr belastend sein, weil unser Gehirn sich besonders gut an das erinnert, was offen oder unerledigt ist. Das ist der sogenannte Zeigarnik-Effekt.

Wir alle kennen diesen Effekt von übervollen Tagen, an denen wir von einer Aufgabe zur nächsten springen und nichts abschließend erledigt bekommen. Abends ist man völlig unzufrieden, weil man trotz aller Anstrengung scheinbar nichts geschafft hat. In diesem Fall haben wir uns wieder einmal falsch angestrengt: Wir haben vieles halb, statt wenig ganz erledigt.

Ist das, wofür ich mich gerade anstrenge, sinnvoll? Sinn wird heute als ein wichtiger Bestandteil psychischer Gesundheit verstanden. Die Beschäftigung mit der Sinnhaftigkeit setzt jedoch individuelle Reflektion und damit Zeit und Muße zum Nachdenken voraus. Die Frage »Was nützt mein heutiges Tun, wofür ist es gut?« richtet das Denken und Fühlen auf andere Zusammenhänge als den rein materiellen Gewinn aus und relativiert damit die Anstrengung. Sinn finden wir auch ganz einfach dann, wenn wir etwas für andere tun oder eine Aufgabe erfüllen, die wir bejahen. Ebenso ist das der Fall, wenn wir uns etwas erschlossen und also verstanden haben. Hier potenzieren sich dann »Flow« und Sinn und gleichen die Anstrengung aus.

In der Glücksforschung begegnen wir dem Thema in den drei Säulen des Glücks: positive Gefühle (durch Ereignisse wie ein gutes Essen oder den Kauf eines neuen Autos), Selbstverwirklichung (bei der Arbeit, einem anderen Tun oder einer Beziehung) sowie Sinn, den ich durch mein Tun für mich und andere erfahre. Menschen, denen alle drei Säulen zur Verfügung stehen, sind die glücklicheren. Es kommt zu intra- und interpersonellen positiven Aufwärtsspiralen, zu sich selbst verstärkenden Kreisläufen des Glücks.

Überanstrengung bei der Arbeit

Mit welchen Ermahnungen oder Wegweisungen sind Sie groß geworden? Einige dürften uns bewusst sein, wie »Ohne Fleiß kein Preis« oder »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen«. Andere sind wohl eher unbewusst und wirken doch in allen Lebensbereichen. Wofür wurden Sie gelobt oder bestraft? In der Regel wurden wir für gute Leistung gelobt: für das Stillsitzen, ohne Fehler zu rechnen, sauber zu schreiben, höflich zu grüßen usw. Sanktionen verstärken das gewünschte Verhalten. Nur sehr wenige Menschen sind selbst als Erwachsene davon unabhängig. Fragen Sie sich doch einfach einmal, ob es Ihnen reicht, einen guten Job zu machen oder als Vater oder Freundin zuverlässig zu sein. Oder wollen Sie, dass dies gesehen und anerkannt wird, suchen Sie nach Feedback und Bestätigung?

Haben Ihre Eltern viel gearbeitet oder wenig, und wie sind sie damit umgegangen? War es ihnen Freude oder Last?

Die Kultur unseres Landes ist eine Anstrengungskultur. Wir lernen bewusst und unbewusst sehr früh, dass man sich Erfolg erarbeiten, ja sogar erkämpfen muss. Wenn uns etwas zufällt, Freude macht oder leicht von der Hand geht, ist das eigentlich nicht vorgesehen und stößt eher auf Misstrauen. Als ich mich 2005 als Psychologin selbstständig machte, fragte mich ein Bekannter nach meinem Motiv dafür. Auf meine Erklärung, dies sei eine Tätigkeit, die mir Freude bereite, bekam ich die entsetzte Antwort, dass dies ein völlig unsinniges, ja gefährliches Motiv für die Selbstständigkeit sei.

Bei www.openthesaurus.de finden wir unter dem Suchbegriff Anstrengung: Mühe, Fleiß, Ausdauer für eine Leistung. Im Duden: (Über)Beanspruchung, Strapaze. Das Wort Beanspruchung kommt uns doch bekannt vor: ja genau, aus der Arbeitswelt.

Ebenso ist es mit dem Begriff Belastung. Auch er wird häufig verwendet und ist in unserem Sprachgebrauch eher negativ besetzt. Zunächst beschreibt er bei der Arbeit lediglich eine Anforderung von außen, der Arbeitssituation oder -umgebung sowie den organisatorischen Rahmenbedingungen. Es kommt zu einer Beanspruchung des Menschen durch die Belastungen, die zu Reaktionen auf körperlicher und psychischer Ebene führen. Sie können sowohl positiv als auch negativ sein. Positiv wären der Erhalt und Ausbau der Leistungsfähigkeit, die Steigerung von Motivation, Arbeitszufriedenheit und Gesundheit. Dem stehen negative gegenüber, wie das Gefühl der Überforderung, Fehler, Minderleistung, Beeinträchtigung der Fähigkeiten und Gesundheit.

Externe Anforderungen am Arbeitsplatz treffen immer auf individuelle, vor allem innere Leistungsvoraussetzungen. Dies wird beim Betrachten der Veränderungen in der Arbeitswelt gern außer Acht gelassen. Ist eine größere Arbeitsmenge ein Problem? Oft geht es eher darum, dass die Arbeitsorganisation nicht angepasst wird, Perfektionismus zu viel Zeit kostet oder die betreffende Person nicht »Nein« sagen kann, wenn ihr zu viel Arbeit angetragen wird. Eine negative Summe auf beiden Seiten, also zum Beispiel zu hohe Anforderungen bei nicht angemessenen Fähigkeiten, erleben wir als sogenannten negativen Stress. Wenn wir uns nicht weiterbilden, körperlich nicht fit sind oder schlecht geschlafen haben, können sogar geringste Anforderungen eine Überforderung für uns sein.

Anstrengung ist in unseren Köpfen oft negativ besetzt, weil wir sie nicht nur mit Aufwand, Fleiß und Ausdauer, sondern vor allem mit Überforderung und Strapaze gleichsetzen. Dabei ist es nicht entscheidend, wie oft und wie lange wir etwas tun, sondern mit welchem Motiv, welchem Gefühl, welchem Ergebnis und zu welchem Preis.

Die neuen Katalysatoren der Anstrengung

In meiner Wahrnehmung führen und verführen auch die vielen neuen Beratungsangebote zum Thema beruflicher und persönlicher Erfolg dazu, dass wir uns noch mehr anstrengen.

Unsere Großeltern, selbst unsere Eltern haben sich kaum gefragt, ob sie glücklich sind oder ob sie ihrer Berufung im Leben folgen. Es galt eine Familie zu ernähren, gesund zu bleiben, Kriege zu überleben. Vor lauter Arbeit kam man gar nicht auf solche Gedanken. Natürlich waren Menschen mehr oder weniger zufrieden oder glücklich, wenn sie Lehrerin, Bäcker oder Buchhalter waren. Doch so ausgiebig, wie wir uns heute Berufungsfragen widmen, haben sich wohl die wenigsten damit befasst. Für manchen sind dies aber ganz existenzielle Fragen mit entsprechendem Druck. Bei dem Berliner Geldcoach Christoph Simon fand ich eine Umfrage darüber, welche Ängste Menschen haben. Ganz erstaunt las ich, dass die Angst davor, die eigene Lebensaufgabe nicht zu erfüllen, genauso groß ist wie die Angst vor Armut.

Der Optimierungsdruck

Ich arbeite in einem Umfeld, in dem viele Menschen heute ihr berufliches Glück suchen. Der Gesundheits- oder Persönlichkeitsentwicklungsmarkt boomt und ist eine Reaktion auf den Übergang von einer Industrie- und Produktionsgesellschaft zu einer Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft. Die Anforderungen ändern sich, die Ausbildung dafür kommt so schnell nicht nach. Deshalb ist Selbsthilfe gefragt.

Vor wenigen Jahren reichte es, wenn ein Automechaniker sich mit Autos, Kraftstoffen und Straßen auskannte. Heute soll er nicht nur selbst Angebote und Rechnungen auf transportabler Technik schreiben, sondern er soll auch wirtschaftlich denken, verkaufen und sogar Kunden betreuen. Plötzlich ist seine Person gefragt: Wie sehe ich aus, wie trete ich auf, wie wirke ich? All dies beeinflusst die Reaktion des Kunden.

Im Beratungs- und Vortragsbereich treffe ich immer mehr Menschen, die über eine eigene Krisenerfahrung die Nützlichkeit oder Notwendigkeit von psychologischem oder ganzheitlichem Denken erfahren haben und dies anderen vermitteln wollen.

Es gibt zahlreiche Ausbildungsmöglichkeiten, und es ist ein Geschenk der heutigen Zeit, dass wir, zumindest theoretisch, in jedem Lebensalter eine neue Karriere beginnen können, z. B. als Unternehmensberater oder Heilpraktiker.

Angenommen, ein frisch ausgebildeter Berater begibt sich nun mit seinem Dienstleistungsangebot auf den Markt. Am Anfang denkt erfreulicherweise jeder, die Welt wartet genau auf das eigene Angebot. Das ist auch gut so, denn sonst würde man diesen Schritt wohl kaum wagen. Doch dann wird es schwieriger als gedacht, Kunden zu finden und Aufträge zu bekommen. Meist ist die Reaktion darauf noch mehr Arbeit und Krafteinsatz für weniger Geld und Freude, und es wird nach Erklärungen für den mangelnden Erfolg gesucht. Hier kommt die Vision ins Spiel. Ich habe z. B. viele Jahre mit immer neuen Marketingfirmen an meiner Positionierung gefeilt, am Markenimage. Ich habe Berufungscoaching, Leuchtturmcoaching und Heldenreise gebucht. Je größer das erlebte Defizit, umso größer ist die Bereitschaft für Investitionen. Immer war ich auf der Suche nach meiner Vision, meiner Berufung, weil die, die ich hatte, scheinbar nicht reichte.

Könnten es nicht einfach die falschen Maßstäbe sein, die dazu führen, dass Sie und ich in ständiger Selbstoptimierung meinen, dass etwas oder wir nicht gut genug oder weit genug sind?

Die Orientierung im Außen

Als neue Anstrengungsgefahr sehe ich außerdem, dass wir die Lösungen unserer Probleme im Außen erhoffen. Wie oft habe ich Seminare besucht oder Bücher gelesen in dem Glauben, den einen Tipp zu finden, den einen Satz oder Gedanken, der alles erklärt, mich dorthin bringt, wo ich noch nicht bin. Sei es beim Dauerthema Wunschfigur, bei der Leichtigkeit des Geldverdienens, der perfekten Webseitengestaltung o. Ä.

Ich bin kein Designer und auch kein Marketingexperte, deshalb folgte ich immer der Annahme, dass ich nur die richtige Agentur, den richtigen Berater finden müsse, der mir sagt, wie ich mich zeigen, ausdrücken, meine Webseiten gestalten soll. Noch schlimmer war der Irrtum, dass die Agenturen nur größer und bekannter sein müssten, dann erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit meines Erfolges. Das war ein schmerzhafter und teurer Irrtum. Solange ich in mir keine Klarheit darüber hatte, was ich will und was mich besonders macht, konnte ich das außerdem nicht so vermitteln, dass eine Marketingagentur damit hätte arbeiten können.

Wir zahlen für die Suche im Außen mit wachsender Frustration und damit einhergehendem Kräfteverlust. Auch ich neigte dazu, mich immer dann noch mehr anzustrengen, wenn etwas nicht lief wie gewünscht. Kann ich etwas noch besser erklären? Muss ich noch weiter an mir arbeiten?

Getrieben wird dieses Hamsterrad von dem Vergleich mit anderen. Natürlich gibt es Kollegen, die über hundert Vorträge im Jahr halten, die Millionen verdienen oder zwei Aufträge am Tag realisieren. Solange ich mich mit ihnen vergleiche, bin ich immer unglücklich. Selbst wenn ich weiß, dass ich mit diesen Menschen und deren Leben nicht tauschen möchte.

Ich habe die Sätze gelesen, die ich gesucht habe. Zum Beispiel: »Du bist längst da.« Das stimmt. Ich muss es nur sehen und schätzen. Was ich leiste, was ich aufgebaut habe, was ich anderen Menschen bedeute. Es gibt so viel mehr und besser passende Antworten in uns selbst. Wir müssen uns dafür nur Zeit nehmen und Vertrauen haben.

Die Orientierung an anderen, falsche Maßstäbe und pausenlose Selbstoptimierung sind Anstrengungsgefahren, denen wir mit der Rückbesinnung auf uns selbst begegnen können.

Wie Überanstrengung entsteht

Woran erkennen Sie, dass Anstrengung Ihnen schadet? Auf jeden Fall immer dann, wenn Sie übertreiben, sich aufreiben und abrackern. Häufig geht das mit ausbleibenden Ergebnissen einher. Langfristig frisst das Ihre körperlichen und geistigen Kräfte auf und führt, wenn Sie lange genug durchhalten, zu Erschöpfung oder Burnout.

Sie erkennen das auch daran, dass Sie keine oder keine der Anstrengung angemessene Freude empfinden und Ihr Tun trotzdem fortsetzen oder wiederholen. Achten Sie außerdem auf das Gefühl der körperlichen oder/und geistigen Überforderung. Bei den Stress- und Burnout-Fallen gehe ich detaillierter darauf ein.

Weil es so fundamental ist, möchte ich hier noch einmal wiederholen, dass nicht das Älterwerden uns unsere Kräfte raubt. So, wie wir uns heute hegen und pflegen, mit den Möglichkeiten, die Gesundheitssystem und Wellnessmarkt bieten, können wir körperlich viel jünger bleiben und kraftvoller und gesünder älter werden als Generationen vor uns. Die Müdigkeit oder Energielosigkeit, die verlorene Lebensfreude, die immer mehr Menschen um die Lebensmitte und manche sogar schon eher spüren, haben mit anhaltender Überforderung und dem Verbrauchtsein unserer Ressourcen bzw. dem fehlenden Aufladen der Batterien zu tun.

Die Krafträuber

Wir merken es genau, wenn uns etwas Kraft raubt. Ein Beispiel ist die Übertreibung von Anstrengung, die wir zu oft und zu lange aushalten. Oder ein Leben gegen unsere Werte. Oft lassen wir die Kraft auch dort, wo es uns gar nicht wirklich wichtig ist, aus Angst, dass wir sonst nicht das Leben leben können, was wir uns wünschen.

Die Partnersuchplattform ELITE.de hat 2014 eine Umfrage dazu durchgeführt, welche Werte Erwachsenen am wichtigsten sind. Das Ergebnis war nicht überraschend: Familie, Freunde und Freizeit führten die Hitliste an, die Arbeit kam auf Platz 5. Ich zitiere diese Studie, weil sie das Problem der Fehlinvestition zeigt. Wenn uns Familie oder Freunde so wichtig sind, dann sollten wir unsere Kraft und Zeit auch dort investieren. Tun wir das? Ich fürchte, nein. Vielmehr lassen wir die meiste Kraft und Zeit bei der zum Teil auch noch ungeliebten Arbeit. Diesen Konflikt kennen ganz besonders Mütter, die immer einer Seite gegenüber ein schlechtes Gewissen haben. Bringt dies etwas? Ganz im Gegenteil. Das schlechte Gewissen ist ein großer Krafträuber. Besser wären Entscheidungen für ein bestimmtes Lebensmodell, die dann nicht mehr angezweifelt werden, bis es Zeit für eine neue Entscheidung ist.

Die Verausgabung unserer Kräfte ist ein gesellschaftlich akzeptiertes, ja erwünschtes Phänomen geworden. Deshalb ist es so schwer, sich selbst anders zu verhalten.

Wenn Sie sich die statistische Verteilung von Burnout bzw. psychischen Erkrankungen ansehen, trifft es als erstes Menschen, die viel mit Menschen zu tun haben, zum Beispiel in medizinischen und sozialen Berufen. Das Phänomen Burnout wurde übrigens erstmals an Krankenschwestern untersucht. Was zeichnet diese Berufsgruppe aus? Engagement für den Wunschberuf, das Bedürfnis, zu helfen, und der ständige Umgang mit Menschen. Schauen wir uns diese Eigenschaften an, dann sind sie zunächst einmal sehr positiv. Doch dann kommt die Frage des Maßes dazu. Es gibt kein »genug« und zu wenig Selbstschutz. Dann kippt die positive Anstrengung in negative Überanstrengung. Wenn eine Woche oder einen Monat lang Überstunden gemacht werden, ist dies die Rettung mancher Pflegestation. Wenn dies aber immer weitergeht, ohne dass die eigenen Grenzen aufgezeigt werden, wird es zu einem Normalzustand. Die Unternehmen gehen davon aus, dass es ja so funktioniert. Es gibt kein »Der Chef müsste doch sehen, was hier los ist«. Er sieht es oft nicht, weil er mit anderen Dingen beschäftigt ist und keine Signale bekommt, dass etwas nicht klappt.

Und: Wir müssen uns daran gewöhnen, dass niemand mehr, absolut niemand, allen Anforderungen und Erwartungen der heutigen Welt gerecht werden kann. Das ist so, weil sie in Summe und Ausmaß zu viel, zu groß und noch ständig im Wachsen begriffen sind. Das heißt, wir müssen lernen, dass Ziele wie alle Arbeiten erledigt oder alle Mails beantwortet zu haben, unrealistisch sind. Es kommt sofort Neues nach, und dies ist von uns nicht steuerbar. Die Anerkennung von Teilzielen und Teilerfolgen, das Setzen von Prioritäten und klare Definitionen, was machbar ist und was nicht, können unsere Rettung sein.

In nahezu allen Umfragen zum Thema Stress am Arbeitsplatz tauchen auf den vorderen Plätzen mangelnde Anerkennung und Wertschätzung auf. Diese Probleme rühren von Altlasten her, die wir mit uns herumschleppen: Die wenigsten von uns haben als Kinder genug Anerkennung bekommen. Kaum jemand wurde ermuntert, sich zu entdecken, und bekam wirkliche Wertschätzung für seine Person auch bei schlechten Leistungen oder unerwartetem Verhalten, bei irgendwie von der Norm oder sonstigen Erwartungen abweichenden Partner- oder Berufswahlen. Diesen Mangel an Wertschätzung haben wir übernommen.