Psychoanalyse und Revolution - Ian Parker - E-Book

Psychoanalyse und Revolution E-Book

Ian Parker

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Beschreibung

Hier geht es um die Wechselbeziehung zwischen der oft krisenhaften äußeren Wirklichkeit und unserem »inneren« Leben. Zu gern werden Probleme, die uns handlungsunfähig machen, auf die Ebene individueller Psychologie reduziert. Wie können wir solche Probleme politisieren? »Psychoanalyse und Revolution« wendet sich an Personen und Gruppen, die gegen eine ausbeuterische und entfremdende Realität kämpfen. Die Beziehung zwischen persönlicher »Innenwelt« und gesellschaftlicher »äußerer« Welt ist für Befreiungs­bewegungen höchst relevant. Das Buch steht der Psychoanalyse weder unkritisch noch ablehnend gegenüber, sondern es macht ihre Kernkonzepte – das Unbewusste, Wieder­holung, Trieb, Übertragung – politisch nutzbar, um die Welt zu ­verändern.

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Ian Parker & David Pavón-Cuéllar

Psychoanalyse & Revolution

Kritische Psychologie für Befreiungsbewegungen

 

Deutsch von Robert Hamm

 

 

Argument Verlag

Titel des englischen Originaltexts:

Psychoanalysis and Revolution:

Critical Psychology for Liberation Movements

© Ian Parker & David Pavón-Cuéllar, 2021

 

 

Deutsche Erstausgabe

Alle Rechte vorbehalten

© Argument Verlag 2023

Glashüttenstraße 28, 20357 Hamburg

Telefon 040/4018000 – Fax 040/40180020

www.argument.de

Umschlag: Martin Grundmann

Lektorat: Iris Konopik

ISBN 978-3-86754-794-9 (E-Book)

ISBN 978-3-86754-524-2 (Buch)

Inhaltsverzeichnis

 

Vorwort zur deutschen Ausgabe
Vorwort
Psychoanalyse
Revolution
1. Einführung: Elend, Dialektik und Befreiung
Symptome des Leids als geschichtliche Phänomene
Anpassung
Geschichte
Subjekte
Psychoanalyse ist dialektisch, weder Psychologie noch Psychiatrie
Psychologie
Konflikt
Befreiung in der psychoanalytischen Praxis und in der Kultur
2. Unbewusstes: Entfremdung, Vernunft und Andersheit
Entfremdung und Alltagsverstand
Alltagsverstand
Macht
Rationalität in der Falle des Ichs
Wissenschaft
Ethik
Andersheit (in) der Psychoanalyse
Spaltung
3. Wiederholung: Geschichte, Zwang und Freiheit
Geschichten des Scheiterns
Genuss
Leiden
Zwang und Symptom
Nachbildung
Widerspruch
Freiheit, zu wiederholen und besser zu scheitern
Zeichen
4. Trieb: Körper, Kultur und Begehren
Körper – Leben und Tod
Leben
Tod
Kultur – Sex und mehr
Verbot
Interpretation
Sex
Begehren – von anderen
Märkte
Machismo
5. Übertragung: Macht, Widerstand und Analyse
Macht (in) der psychoanalytischen Praxis
Objektivität
Familien
Fantasie
Wahrheit
Widerstand (in) der Praxis
Praxis
Strukturlosigkeit
Analyse – Macht und Widerstand
6. Subjektive Veränderung: Zeit zum Begreifen und Gelegenheiten zum Handeln
Geschichte und revolutionäre Zeit
Erkrankung
Falsche Zukunftsversprechen durch die therapeutischen Psy-Berufe
Psychotherapie
Gruppen
Übergänge – in der Welt und in der Psychoanalyse
Forderungen
Freiheit
Hintergrundliteratur
Psychoanalyse
Kritische Psychologie
Politik
Die Mitwirkenden

Vorwort zur deutschen Ausgabe

 

Auf zwei Sesseln und der Couch sitzen Eltern und Kinder

nebeneinander und einander gegenüber. […]

Steil aufgerichtet blicken sie lächelnd aneinander vorbei,

in die vier Ecken des Herrenzimmers.

Niemals wird man beweisen können,

dass Millionen solcher Familienfotos, übereinandergelegt,

etwas mit dem Ausbruch eines Krieges zu tun haben könnten.

Christa Wolf, Kindheitsmuster (236f.)

 

Als ich Freuds gesammelte Werke zum ersten Mal aufschlug und in die Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse hineinschaute, verschlug es mir fast die Sprache. Weder hatte ich in meiner – damals erst relativ kurzen – akademischen Laufbahn etwas ähnlich Indiskretes gehört, noch konnte ich mir vorstellen, dass diese Vorlesungen 1916/17 tatsächlich gehalten wurden. Die Themen waren nahezu ungeheuerlich: kindliche Perversion und Sexuallust, inzestuöses Begehren, Neurosen als Folge verdrängter und verpönter sexueller Wünsche – solche Vorlesungen parallel zum Ersten Weltkrieg? Die Zuhörenden müssen doch empört den Hörsaal verlassen haben … Nun ja, sicher nicht alle. Denn einigen muss es so ergangen sein wie mir: Freuds Worte wirkten wie ein Sog, Psychoanalyse hat immer fasziniert. Freud holte das Irrationale, das Triebhafte, das Unbändige wieder zurück in das Wesen des Menschen. Themen, denen sich die universitäre Psychologie bis heute verschließt. Das war Freuds Radikalität, das ist die Radikalität der Psychoanalyse bis heute. In ihr kehrt das Unabgeschlossene, Widersprüchliche, Fragmentierte, Verdrängte im Menschen zurück. Freut lehrte: Unterdrückte Wünsche und verdrängte Phantasie verschwinden nicht aus dem Subjekt, vielmehr wird es dadurch starr und unbeweglich. Die unverarbeitete Schuld eines Krieges, der verdrängte Sadismus und die kollektiv unterdrückte Scham haben ihre rigiden Spuren bei bedeutenden Teilen deutscher Generationen hinterlassen. Christa Wolf versucht im eingangs zitierten Roman ihrer eignen Verantwortung nachzugehen und die vielschichtigen und verschütteten Spuren der Erinnerung aufzubrechen.

Wenn Parker und Pavón-Cuéllar ein Manifest über Psychoanalyse und Revolution verfassen, denken sie zwangsläufig über das Verhältnis von Selbstbefreiung und gesellschaftlicher Befreiung nach. Doch wie ist die Relation von innerer und äußerer Befreiung? Viele von uns haben selbst die Erfahrung gemacht, dass linke Befreiungsbewegte nicht befreiter sind als andere. Dass gerade die Tiefenstruktur der Psyche merkwürdig widerständig ist gegenüber progressiven Einsichten. Dass feministische Männer stalken, belästigen, vergewaltigen, dass linke Solidarität gegenüber Obdachlosen und Armen begrenzt bleibt, dass progressive soziale Bewegungen immer wieder erstaunlich weiß sind. Dies geschieht häufig wider besseres Wissen, entgegen der Ratio, und die Mechanismen, die Herrschaft auch in Befreiungsbewegungen immer wieder reproduzieren und aufrechterhalten, bleiben dabei unbekannt und unerkannt. Ihre Aufdeckung ist bzw. wäre viel Arbeit, Arbeit gegen innere und äußere Widerstände. Dass Moral und Bedürfnis regelmäßig auseinanderklaffen, auszuhalten lernen, wäre die Aufgabe progressiver Bewegungen. In diesem Sinne ist Psychoanalyse ein Werkzeug zur Befreiung: Sie kann dann revolutionär sein, wenn sie auch zum Instrument wird, uns selbst zu durchdringen, wenn wir ihr Angebot annehmen, uns mit unseren (auch verpönten) Bedürfnissen, mit unserer eigenen inneren Bodenlosigkeit zu befassen. Das sind, wie es später die Objektbeziehungstheoretiker:innen um Melanie Klein benannten, die beiden großen urzeitlichen Instinkte des Menschen: Hunger und Liebe (Klein & Riviere, 1983 [1937]). Dieses Buch kann als Einladung dazu verstanden werden.

 

Psychoanalytisch betrachtet befindet sich der Mensch in einem permanenten Konflikt, in einem inneren zwischen Trieb und Moral, und einem äußeren, zwischen Trieb und den Anforderungen der Kultur zu ihrer Beherrschung. Ein unlösbarer Konflikt, ein Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft, das niemals aufgelöst werden kann. Spannungsfreiheit ist Stillstand und Stillstand ist Tod. Insofern ist es das Drängende des Triebes, was uns lebendig hält, und gleichzeitig jenes, was nach Abfuhr verlangt, damit wir zur Ruhe kommen. Es ist grundlegende Aufgabe über die gesamte Lebensspanne hinweg, zwischen diesen beiden Polen zu tarieren.

Es war vor allem die Frankfurter Schule, die dieses Spannungsverhältnis in Relation zur Konstitution der Gesellschaft setzte. Einerseits, das stellte Freud (1930) schon fest, geht Zivilisation notwendig mit der Anforderung einher, die innere Natur zu kontrollieren. Jede Gesellschaftsform erfordert Triebverzicht. Die Kritische Theorie der Gesellschaft brachte diese Einsicht mit dem Spannungsverhältnis der Klassen in Zusammenhang: Die Spannung »zwischen den Bedürfnissen und den zu ihrer Befriedigung zur Verfügung stehenden Mitteln« wird unter kapitalistischen Verhältnissen »noch verstärkt durch diejenige zwischen dem höheren Maß an Bedürfnisbefriedigung der herrschenden Klasse und den geringeren der beherrschten« (Fromm 1936, 94). Revolution strebt also eine gesellschaftliche Produktion an, die so eingerichtet ist, dass sie möglichst viele Bedürfnisse ihrer Mitglieder deckt. Oder anders herum: Der notwendige Verzicht ist auf allen Schultern gleich verteilt. Eine vernünftige Gesellschaft verlangt ihren Mitgliedern nicht mehr Triebunterdrückung ab als zu ihrer Reproduktion nötig. In vielerlei Hinsicht galt und gilt die Revolution als Glücksversprechen, als Weg hin zu einer Gesellschaft, in der »alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen« (MEW 19, 21). Jeder nach seinen Fähigkeiten also, jedem nach seinen Bedürfnissen. Aber auch Marx spricht von der materiellen Basis des Reiches der Freiheit: dem Reich der Notwendigkeit (MEW 25, 828).

Parker und Pavón-Cuéllar leisten einen Beitrag dazu, sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Notwendigkeit auseinanderzusetzen – aktuell und zukünftig. Vor diesem Hintergrund kann der bestehende Zustand dahingehend befragt werden, an welchen Punkten die jetzige Gesellschaft Verzicht dort erfordert, wo er nicht nötig wäre, Tod dort produziert, wo er nicht sein müsste. Spätkapitalismus hat trotz des technischen Fortschritts kaum zur Verbesserung des Lebens beigetragen. Der westlichen Arbeiter:innenklasse wurden Zugeständnisse eingeräumt. Parallel dazu aber finden sich die Entwicklungen im globalen Süden, die jenen der westlichen Arbeiterklasse zu Beginn des letzten Jahrhunderts weiterhin ähneln – bis hin zu Phänomenen moderner Sklaverei. Und dennoch scheint die Revolution weit entfernt. In den Studien über Autorität und Familie (Horkheimer 1987 [1936]) rückten die Frankfurter die Institution der Familie und die Autorität des Vaters in den Vordergrund: Hier lag der Schlüssel zum Verständnis des Weges von den äußeren Anforderungen der Härte und Selbstbeherrschung hin zu verinnerlichten Werten. Je autoritärer die Gesellschaft, desto rigider das Über-Ich und die Individuen, die in ihr leben. Die Familie ist die zentrale Vermittlungsinstanz. Rückschlüsse sind aber auch in die andere Richtung möglich: Autoritäre Subjekte bleiben Ausdruck einer autoritären Gesellschaft. Die Unterwerfung hat sich nicht verringert, sondern verschoben. Nicht mehr der Vater verkörpert die Autorität, sondern das kapitalistische Glücksversprechen durch Leistung (Decker 2015). Unter dem Diktat des globalen Spätkapitalismus wird nicht nur die Arbeitskraft, sondern alles zur Ware: unsere Freizeit, unsere Sexualität, unsere Beziehungen. Anrufungen zu Selbstbeherrschung, Anpassung und Unterwerfung machen dabei das Lebendige und Unkontrollierbare im Subjekt zu einer ständigen inneren (und äußeren) Bedrohung. Denkbar bleibt so der Umsturz dann nur als Einsturz, Revolution als Destruktion. Sie wird Ausdruck einer inneren Welt nicht zugelassener Affekte in einer von Anpassung und Unterwerfung geprägten äußeren Welt. Psychoanalyse ist ein Werkzeug, Zugang zu finden zum Verdrängten, die Gewalt des Über-Ichs zu begreifen und möglichst zu mildern. Sie steht somit auf der Seite der individuellen Befreiung. Sie ist aber auch ein Weg, den anderen und die Welt besser zu verstehen. Beide Aspekte bezieht die Lektüre ein.

Psychoanalyse und Revolution werden dabei von den Autoren aufgegriffen, da sie beide das Gegenwärtige aus seiner Geschichtlichkeit heraus verstehen. Der Marxismus hilft uns, die Geschichtlichkeit des Bestehenden zu durchdringen, zu begreifen: So wie es ist, kann es nicht bleiben. Und auch in der Psychoanalyse können wir unserem Schicksal nicht entkommen. Für manche bedeutet dies ein Unheil, und sich von diesem Unheil zu lösen, ein selbstbestimmtes Leben zu leben, dazu kann Psychoanalyse einen Beitrag leisten. Aber auch Revolution ist unentrinnbar, bei Marx war sie sogar historisches Gesetz. Sie war das notwendige Resultat geschichtlicher Entwicklung. In diesem Sinne wirken beide aus der Zeit gefallen, obwohl ihrer beider Notwendigkeit ohne Zweifel anhält. Und was anachronistisch wirkt, ist manchmal einzig sinnvoll, das wusste schon der Schriftsteller und Kommunist Roland M. Schernikau:

»Wie anachronistisch wirkt ein Zentralkomitee gegen die Weltbank, wie einzig sinnvoll aber auch.« (Schernikau 2009 [1990])

Ein Buch über Psychoanalyse und Revolution erscheint da nicht nur als erfreulicher Anachronismus, sein Wesen bleibt bedrückend aktuell.

 

Fiona Kalkstein

Berlin, im Februar 2023

 

Literatur

Decker, Oliver (2015): Narzisstische Plombe und sekundärer Autoritarismus, in: O. Decker, J. Kiess & E. Brähler (Hg.), Rechtsextremismus der Mitte und sekundärer Autoritarismus (S. 21–34). Gießen: Psychosozial.

Freud, Sigmund (2010 [1917]): Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse 1916–1917. Gesammelte Werke XI. Frankfurt/M.: Fischer.

Freud, Sigmund (2010 [1930]): Unbehagen in der Kultur. Gesammelte Werke Band XIV (S. 421–508). Frankfurt/M.: Fischer.

Fromm, Erich (1987 [1936]): Theoretische Entwürfe über Autorität und Familie, in: Max Horkheimer (Hg.), Studien über Autorität und Familie. Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialforschung (S. 77–135). Lüneburg: Zu Klampen.

Horkheimer, Max (1987 [1936]) (Hg.): Studien über Autorität und Familie. Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialforschung. Lüneburg: Zu Klampen.

Klein, Melanie, & Joan Riviere (1983 [1937]): Seelische Urkonflikte. Liebe, Hass und Schuldgefühl. Frankfurt/M.: Fischer.

MEW 19: Marx, Karl (1962): Kritik des Gothaer Programms, in: Marx Engels Werke (Bd. 19, S. 13–32). Berlin: Dietz.

MEW 25: Marx, Karl (1964): Das Kapital, Bd. 3, in: Marx Engels Werke (Bd. 25). Berlin: Dietz.

Schernikau, Ronald (1990): Rede auf dem Kongress der Schriftsteller der DDR 1990. Druckfassung in taz, 9.3.1990. Quelle: https://taz.de/und-ich-bin-Kommunist/!1777261/ [6.2.2023]

Wolf, Christa (1979): Kindheitsmuster. Berlin: Aufbau.

Vorwort

Dies ist ein Manifest für Befreiungsbewegungen, für eine bessere Welt. Es wendet sich an Einzelne und an Gruppen, die gegen die unterdrückende, ausbeuterische und entfremdende Realität unserer Zeit kämpfen. Es handelt von der Wechselbeziehung zwischen der elenden äußeren Wirklichkeit unseres heutigen Lebens und unserem »inneren« Leben, was man als unsere »Psychologie« bezeichnen kann; das, was sich anfühlt wie »tief in uns« und sich entweder allzu oft mit der Realität abfindet oder, wie wir hoffen, dagegen rebelliert. Wir müssen rebellieren, um der anderen wie um unserer selbst willen.

Manchmal fühlen wir, dass unsere eigene Rebellion nicht aus uns herauskommen, freigesetzt und in Handeln überführt werden kann. Es ist, als wäre sie etwas, das uns von innen her auffrisst, und das kann unserem Leben ernstlich schaden. Möglicherweise bekommen wir dann gesagt, dass wir eine psychische Funktionsstörung haben.

Viele Probleme werden auf die Ebene individueller Psychologie reduziert, durch die Gesellschaft, die Massenkultur und durch Fachleute, die darauf trainiert sind, genau das zu tun: Psycholog:innen, Psychiater:innen und andere Angehörige der »Psy«-Berufe. Die Probleme fühlen sich an, als seien sie »psychisch«. Aber das sind sie nicht. Wie können wir sie politisieren? Wie können wir »außen« gegen die Wurzeln dessen kämpfen, was wir »innen« fühlen?

Die Beziehung zwischen der persönlichen »inneren« und der gesellschaftlichen »äußeren« Welt ist entscheidend für Befreiungsbewegungen. Deshalb können diese Bewegungen von der Psychoanalyse profitieren. Ursprünglich als klinische Herangehensweise entwickelt, erfasst sie seit mehr als hundert Jahren die enge Verschränkung zwischen der Realität und dem, was wir tief in uns fühlen. Wir müssen das Wesen dieser Verschränkung mit Hilfe unterschiedlicher Herangehensweisen verstehen, inklusive jener der Psychoanalyse. Wir tun dies, um zu bekämpfen, was uns unterdrückt, ausbeutet und entfremdet, aber auch um eine praktische Alternative zu Kapitalismus, Sexismus, Rassismus und neuen Formen des Kolonialismus zu erschaffen.

 

Psychoanalyse

Was ist Psychoanalyse? Psychoanalyse ist eine therapeutische Praxis, die in Europa gegen Ende des 19. Jahrhunderts von Sigmund Freud als Alternative zu etablierten medizinisch-psychiatrischen Verfahren im Umgang mit Leidenserfahrungen entwickelt wurde. Anstatt die leidenden Menschen wegzusperren, sie grässlichen körperlichen Behandlungen zu unterziehen oder unter Medikamente zu setzen, treffen Psychoanalytiker:innen ihre Patient:innen, »Analysierende«1 genannt, in ihrer Praxis. Aufgabe der Analytiker:innen ist es, diesen sprechenden Subjekten zuzuhören und einen besonderen, vertraulichen Raum bereitzustellen, in dem die Analysierenden über ihr Leiden sprechen und dabei hören können, wie in ihren eigenen Aussagen Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart hergestellt werden, Verbindungen, die sie nie zuvor gehört haben.

Das klassische Bild in Filmen, in denen die Analysierenden in der Praxis auf der Couch liegen, ist zutreffend; eher irreführend ist dagegen die Darstellung der Psychoanalytiker:innen als Notizen machend und Diagnosen stellend und weise Ratschläge erteilend. Psychoanalyse öffnet den Analysierenden als sprechenden Subjekten einen Raum, um perspektivisch neue Interpretationen zu finden, die ihnen schlagartig als wahr einleuchten und in der Folge als Antrieb für »Begreifen« und Veränderung dienen. Psychoanalyse kann die Analysierenden dazu befähigen, schlicht das »Symptom« zu behandeln, das sie zur Psychoanalyse gebracht hat – oder sie kann lebensverändernd wirken. Wir sind in diesem Manifest bescheiden in unseren Postulaten über Psychoanalyse, aber wir glauben, sie ist eine fortschrittliche therapeutische Alternative zu Psychiatrie und Psychologie, und wir werden erklären, warum.

In den folgenden Kapiteln beschreiben wir wesentliche Elemente der Psychoanalyse. Dabei legen wir den Fokus auf den Begriff des Unbewussten und zeigen, wie unser Leben Muster unbewusst wiederholt, die dann in der psychoanalytischen Praxis ebenfalls wiederholt werden. Wir zeigen, wie diese Wiederholung von manchmal selbstzerstörerischen und schmerzvollen Mustern Ausdruck eines Triebes ist, der dem Leben oder dem Tod dienen kann, und wie diese Wiederholung durch die Psychoanalytiker:innen als Übertragung behandelt wird. Wir bestehen auf der klinischen Fundierung dieser vier Elemente, weil Psychoanalyse als eine klinische Methode entstand und sich entwickelte, und nicht etwa, weil wir die psychoanalytische Behandlung propagieren oder unseren Leser:innen empfehlen wollen. Unser Anliegen ist vielmehr, aufzuzeigen, was wir an der Psychoanalyse als potenziell revolutionär ansehen und inwiefern sie Befreiungsbewegungen in ihren gegenwärtigen Kämpfen dienen kann.

Unser Interesse gilt hier der fortschrittlichen und revolutionären politischen Schlagkraft der Psychoanalyse und nicht der Verbreitung psychoanalytischer Theorie oder klinischer Praxis, wenngleich wir den Konnex zwischen psychoanalytischer Praxis als potenziell fortschrittlichem Raum und politischer Praxis diskutieren. Dieses Manifest ist keine weitere Einführung in die Psychoanalyse unter vielen anderen, sondern ein Argument für die Verbindung von Psychoanalyse und Revolution. Unsere Leser:innen können bei Bedarf in anderen Einführungstexten mehr über die Methode und die Theorie nachlesen, allerdings mit unserer Warnung im Hinterkopf, inwiefern die Psychoanalyse angepasst und entstellt wurde.

Eine andere Welt ist möglich, und Psychoanalyse ist eins der wertvollen Werkzeuge, die wir jetzt brauchen, um sie zu verwirklichen. Psychoanalyse als ein solches Werkzeug zu benutzen bedeutet nicht, psychoanalytische Ideologie in unsere Kampfformen einzuführen oder davon auszugehen, dass sie uns für immer erhalten bleiben wird. Psychoanalyse entstand in einer bestimmten Form, die wir für uns arbeiten lassen können, und sie wird verschwinden, wenn ihre Arbeit getan ist.

Unsere Aufgabe in diesem Manifest besteht darin, Psychoanalyse als authentische »kritische Psychologie« und als effektive Ressource für Befreiungsbewegungen wiederherzustellen. Ihr werdet sehen, dass wir Psychologie als solcher wie sämtlichen Psy-Berufen äußerst kritisch gegenüberstehen. Ein dialektisches Verständnis von Psychoanalyse, das ihre Fehler anerkennt und ihre Stärken hervorhebt, bringt uns sehr viel weiter als diese anderen Ansätze.

Wir sind überzeugt, dass die Psychoanalyse sich selbst kritisieren und umgestalten muss, um für Befreiungsbewegungen von Nutzen zu sein. Eingedenk der spezifischen Bedarfe dieser Bewegungen untersuchen wir hier die Rolle des Unbewussten, der Wiederholung, des Triebes und der Übertragung in psychoanalytischer und politischer Analyse und Praxis, um Fragen zu subjektiver Veränderung und Umgestaltung der Realität anzugehen. Zwar klammern wir theoretische Fragen nicht aus, trotzdem ist Praxis der Schlüssel, und was wir von der Praxis der Psychoanalyse lernen können, verbindet sich mit der Praxis der Befreiung.

 

Revolution

Das Ziel der Befreiung, wie es antikapitalistische, antipatriarchale, antirassistische und antikoloniale Bewegungen anstreben, wird jederzeit den Horizont dieses Manifests bilden. Die folgenden Seiten sind für die Befreiungsbewegungen bestimmt und wurden mit Blick auf sie geschrieben. Diese Bewegungen wenden sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung, und wir sind ihnen solidarisch verbunden. Unsere Psychoanalyse ist auch auf das ›Negative‹ eingestimmt, auf das, was ›anti‹ ist, jenes in uns, das uns zu rebellieren ermöglicht. Und wie diese politischen Bewegungen, so erschließt auch unsere Psychoanalyse etwas Positives in der Natur der menschlichen Subjekte; die Fähigkeit, Bilanz zu ziehen und zu reflektieren und die Welt zu verändern, so dass sie tauglicher wird für Kreativität und Transformation.

Dieses Manifest wurde in einer Zeit tiefer politisch-ökonomischer Krise verfasst, in der die symbolische Welt2, die wir als menschliche Wesen allesamt bewohnen, in Unruhe und erschüttert ist. Und die zukünftigen Welten, die aufzubauen wir uns vorstellen können, sind behindert und bedroht durch mysteriöse real-materielle Kräfte, die komplett außerhalb unserer Kontrolle wirken. Das unergründliche biologische Substrat unseres Seins, unsere unbegreifliche Natur, bricht in Zeiten wie diesen in unser symbolisches Universum ein. Und wenn es das tut, verschärft es die gesellschaftlichen Widersprüche, denen wir unterworfen sind, Widersprüche, die wir begreifen und überwinden müssen, wenn wir standhalten und überleben wollen. Im Angesicht einer solchen Gefahr sind wir schwächer, wenn wir gespalten sind.

Ein tödlicher Virus zum Beispiel ist eine Bedrohung für uns alle auf dieser Welt, aber sein Auftreten zeigt sehr deutlich, dass wir nicht alle in gleicher Weise davon betroffen sind. Jene in den sogenannten »Entwicklungsländern« leiden stärker, jene, die schon unter Rassismus leiden, sterben in größerer Zahl, und in ihre Wohnung gesperrte Frauen, sofern sie eine haben, sind stärker von Gewalt bedroht. Jede unterdrückte Gruppe, alle durch diese Gesellschaft Behinderten und die, die die Gesellschaft bereits geschwächt, bereits krank gemacht hat, sterben mit höherer Wahrscheinlichkeit.

Dieses Manifest wurde während des Lockdowns geschrieben, hin- und hergeschickt zwischen uns Autoren und unter Einbeziehung von Genoss:innen weltweit. Es beinhaltet einige Ideen, die oft als »kompliziert« gelten und deshalb vermieden werden. Diese Ideen lassen sich nicht leicht in die lockere Erzählform populärer Texte überführen, und ihr werdet erleben, wie wir um zentrale Ideen kreisen, um sie klarer zu machen. Wir wiederholen zentrale Aussagen in leicht veränderter Form an verschiedenen Stellen im Text, um sie nochmals klarer zu machen. Jede Sprache ist eine Form von Übersetzung, und wir wollen jetzt, dass ihr sie in die Praxis zurückübersetzt.

Der größte Teil der Menschheit ist durch den »Katastrophen-Kapitalismus« gefährdet, den neoliberale Kapitalisten favorisieren, weil er sie favorisiert. Diese Form des Kapitalismus kann genau wie seine Vorgänger, jedoch in höherem Maße, nicht ohne selbst herbeigeführte Krisen funktionieren. Für die Profiteure ist jeder Grund willkommen, um in den Krisenmodus zu gehen.

Eine Krise, die aus der Realität hervorbricht, ist in der Tat erschreckend, sie erschreckt uns bis ins Mark. Und es ist die Psychoanalyse, die die enge Verbindung zwischen dieser Realität, unseren Versuchen zu ermessen, was uns widerfährt, und dem gemeinsamen symbolischen Universum am besten erfassen kann. Eine Einsicht in diese Verbindung verlangt nach einer Ideologiekritik, die mit unseren Erfahrungen verknüpft sein muss, mit dem, was wir als Subjekte erleiden, so dass wir im Verändern der Realität handlungsfähiger werden. Es ist eine Aufgabe für die Psychoanalyse, aber es muss eine kollektive politische Arbeit sein und keine individuelle psychologische.

Unsere Individualität und ihre Psychologie sind Teile des Problems. Wir müssen sie infrage stellen. Wir brauchen eine spezielle Art der Psychologiekritik, eine »kritische Psychologie«, die psychoanalytisch ist. Wir brauchen jetzt Psychoanalyse.

 

 

1. Einführung: Elend, Dialektik und Befreiung

Was sagen uns Symptome über eine kranke Gesellschaft, die sie verstärkt und in manchen Fällen erzeugt? Alle, die unter Druck arbeiten – in der Fabrik, im Büro, im Geschäft, auf dem Feld, auf der Straße oder im Haushalt –, brauchen an irgendeinem Punkt ihres Lebens praktische und emotionale Unterstützung, und umso mehr die Aktivist:innen, die für eine Veränderung der Welt kämpfen. Aktivismus in Befreiungsbewegungen ist für die Menschen oft eine harte Prüfung: Sie müssen mit ihrer Vergangenheit brechen, die ihnen zugewiesenen Rollen verlassen, ihrer Umgebung entgegentreten, sich hinterfragen, sich von ihren früheren Identitäten lösen und abschütteln, was sie an ihrem Platz hält, ihre Privilegien aufgeben, die dazu verlocken, an dem festzuhalten, was sie schon haben.

In manchen Fällen sind unsere Privilegien immens, wie bei dem einen Prozent der Superreichen. Aber oft sind die Privilegien, die uns voneinander trennen, überraschend klein. Es ist erstaunlich, dass sie uns so wichtig sein können, obwohl sie so unbedeutend sind. Ihr Zugriff ist materiell, aber auch »psychologisch«, etwas, das Psychoanalyse versteht und verändern kann.

Wir müssen unsere psychologischen Fesseln lösen, wenn wir verstehen wollen, was wir als Arbeiter:innen unterschiedlichster Art sind. So groß die Unterschiede zwischen uns auch sein mögen, was uns vereint ist die Arbeit, die wir verrichten, um zu leben. Das müssen wir begreifen, damit wir uns zusammenschließen und die Welt gewinnen können. Wir werden die Welt weiterhin verlieren, bis hin zum kompletten Verlust, solange wir gefangen bleiben in dem, was wir als Individuen zu sein gezwungen wurden, oder in Identitätskategorien, die an uns tradiert wurden.

Wir alle müssen nicht nur uns selbst befreien, sondern auch von uns selbst befreit werden, von dem individuellen Selbst, das in einer traurigen Welt Zuflucht bietet, in dem wir aber gleichzeitig eingesperrt sind. Dieser Prozess verursacht innere Brüche bis hin zu Formen von Trauma, die bedacht, untersucht und behandelt werden können. Es ist nicht möglich, sie vollständig aufzulösen, aber sie lassen sich verstehen und transformieren mittels der psychoanalytischen Theorie und Praxis des Wiener Arztes Sigmund Freud – einer Theorie und Praxis, die von seinen Schüler:innen und Anhänger:innen über die letzten hundert Jahre verfeinert und weiterentwickelt wurde.

Die Geschichte des freudschen Vermächtnisses ist die einer einzigartigen, beispiellosen Behandlung innerer Brüche moderner Subjektivität. Es ist auch die Geschichte eines komplexen, ambivalenten und widersprüchlichen Verhältnisses zu Befreiung als ultimativem Ziel. Diese Geschichte beinhaltet Fortschritte, Abwege, Umwege und Rückschläge. Freud war ein Kind seiner Zeit, von Anfang an geprägt durch sexistische und rassistische Ideologie und durch seine eigene psychiatrische Ausbildung, aber er löste sich von herrschenden Ideen über Psychologie und die menschliche Natur, um einer potenziell fortschrittlicheren »kritischen Psychologie« den Weg zu bereiten.

Freud bezog sich kritisch, ja skeptisch auf den Bereich des Psychologischen. Er akzeptierte es nicht als etwas Gegebenes, Reales und vollkommen Greifbares, als objektiven Wissensgegenstand. Ebenso wenig betrachtete er es als etwas Einheitliches, das sich stets gleich bliebe und in allen Personen gleich wäre. All das erlaubte ihm wertvolle Einsichten in die geschichtliche Natur menschlichen Leids, in den dialektischen Prozess, durch den wir dieses Leid als etwas in Symptomen Verdichtetes erkennen können, und in die Beziehung zwischen Begreifen und Befreiung.

 

Symptome des Leids als geschichtliche Phänomene

Freud verstand das, was aussah wie medizinische Symptome, die Menschen in ihrem Griff halten, psychologisch als »Symptome« ganz anderer Art. Diese »Symptome« waren nicht länger medizinisch zu erklären oder zu behandeln. Sie verlangten nach gänzlich anderen theoretischen und praktischen Zugängen. Obwohl Freud eine traditionelle Ausbildung als Neurologe hatte, entwickelte er die Psychoanalyse in völligem Bruch mit medizinischer Psychiatrie und den Arten von Psychologie, die das Leiden mit eher mechanistischen medizinischen Modellen behandeln. Wie wir sehen werden, betrachtet die Psychoanalyse »Symptome« nicht bloß als sichtbare Zeichen. Vielmehr entsprechen sie Worten, die nach Gehör verlangen, die sprechen. Diese Symptome sprechen von Leid und Widerstand, und sie eröffnen Möglichkeiten für Veränderung.

Symptome so zu behandeln, wie die Psychoanalyse es tut, indem ihnen zugehört wird, sie ernst genommen werden und entsprechend gehandelt wird, kann die Welt verändern. Transformatives, subversives und potenziell revolutionäres politisches Handeln kann aus dem symptomatischen Sprechen über unser Leiden entspringen; wenn wir darüber sprechen, was nicht weitergehen kann wie bisher, was sich ändern muss. Deshalb wählen wir solche Symptome als Ausgangspunkt für dieses Manifest.

Unser besonderes Augenmerk liegt auf der psychoanalytischen Verbindung von Sprechen und Handeln, politischem Handeln, das die fundamentalsten gesellschaftlichen Gründe unseres Leidens anzugehen und zu überwinden versucht. Der Druck und die inneren Brüche, unter denen wir leiden, geben Zeugnis von der spezifischen Art des Leidens in dieser elenden Gesellschaft, die wir so sehr verändert sehen wollen. Und die Psychoanalyse ist eine potenziell machtvolle Verbündete in diesem Prozess.

Unsere Aufgabe ist es, gesellschaftliche Kämpfe mit jenen unvermeidlichen inneren Kämpfen zu verknüpfen, die durch psychoanalytische Theorie beschrieben werden. Die praktische Absicht dahinter ist nicht das übliche therapeutische Ziel der Befriedung und inneren Aussöhnung mit uns selbst und mit der Gesellschaft, sondern das radikale politische Ziel, zur Wurzel unserer inneren Kämpfe vorzudringen. Das unterscheidet die Psychoanalyse, die uns hier interessiert, deutlich von jeder psychoanalytisch inspirierten und auf Anpassung ausgerichteten individuellen Therapie.

Psychoanalyse, eine Theorie unseres zerrissenen, gespaltenen »inneren seelischen Lebens«, hat sich oft mit der Macht verbündet. Eigentlich jedoch stellt sie eine klinische und politische Kritik des Leidens dar. Man braucht vor ihr keine Angst zu haben. Sie wurde nicht dazu erdacht, uns zu unterwerfen, indem sie unsere Existenz an die bestehende Ordnung anpasst, uns an unseren auf Veränderung zielenden Idealen zweifeln lässt, uns von unseren kollektiven Kämpfen abbringt, uns in unseren vereinzelten Seelen einsperrt oder unseren inneren Widerstand gegen Herrschaft blockiert.

Was Freud uns hinterlassen hat, ist kein Instrument der Vereinzelung, Resignation und Unterwerfung. Es stimmt, dass Psychoanalyse manchmal diese Funktion hat, so wie jedes professionelle Herangehen an unser psychisches Leben. Das kann nicht überraschen in einer Klassengesellschaft, die professionelle Heiler:innen vom Rest der Menschen trennt und ihnen eine spezielle, mit Macht verbundene Funktion zuweist.

Psychoanalyse lehrt uns zudem, dass alle professionellen Heiler:innen, seien sie Mediziner:innen, Psychiater:innen oder nicht-klinische Psycholog:innen oder Psychotherapeut:innen, ebenfalls zerrissen, gespalten sind durch ihr widersprüchliches Leben. Sie mögen einer erfolgreichen Karriere nacheifern, aber von Zeit zu Zeit erinnern sie sich, was sie ursprünglich zu einer Ausbildung brachte, die darauf zielt, für andere zu sorgen. Wir alle leben mit diesen Spannungen, kommen auf die eine oder andere Weise mit ihnen zurande und überdecken sie üblicherweise. Die Kernfrage ist, wie wir mit diesen Konflikten und Widersprüchen umgehen, ob wir sie für uns oder gegen uns arbeiten lassen.