Psychoonkologie in der palliativen Versorgung -  - E-Book

Psychoonkologie in der palliativen Versorgung E-Book

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Beschreibung

Psycho-oncology has a central place in palliative care and has become established internationally as a specialist field within medicine. It represents an integrative and patient-oriented treatment approach that focuses on both quality of life and the psychosocial needs of patients and their families. This book is the first standard clinical work to present current findings in psycho-oncology in the care of patients in palliative treatment situations. The renowned authors discuss specific disease situations in a practical manner and provide general advice on collaboration within a multiprofessional team.

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Die Herausgeber

Anja Mehnert-Theuerkauf (Univ.-Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych.)

Psychologische Psychotherapeutin, 1993–1999 Studium der Psychologie, Universität Hamburg, 2005 Promotion, 2007–2008 Postdoctoral Fellowship, Dept. of Psychiatry and Behavioral Sciences, Memorial Sloan-Kettering Cancer Center (MSKCC), New York, USA, 2010 Habilitation und Venia Legendi, 2012–2015 Leitung der Sektion für Psychosoziale Onkologie und seit 2015 Leitung der Abteilung für Med. Psychologie und Med. Soziologie, Universitätsklinikum Leipzig.

Antje Lehmann-Laue (Dr. rer. med., Dipl.-Psych.)

Psychologische Psychotherapeutin, 1990–1995 Studium der Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Leipzig, seit 2007 Leitung der Psychosozialen Beratungsstelle für Tumorpatienten und Angehörige, seit 2013 Leitung der medizinpsychologischen Versorgung an der Abteilung für Med. Psychologie und Med. Soziologie, Universitätsklinikum Leipzig, 2020 Promotion, Kursleitung der Weiterbildung Psychosoziale Onkologie (WPO e. V.)

Annina Seiler (Dr. phil.)

Klinische Psychologin, 2008–2012 Studium der Psychologie, Universität Zürich, 2013 Beginn der Weiterbildung in psychodynamischer Psychotherapie, 2015 Doktoratsabschluss an der Universität Fribourg, 2016–2018 Postdoctoral Research Fellowship; Department of Psychology, Rice University/Department of Symptom Research, MD Anderson Cancer Center, Houston, Texas.

Josef Jenewein (Prof. Dr. med. univ.)

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychoonkologe, 1988–1995 Medizinstudium an der Universität Innsbruck, 2009 Habilitation an der Universität Zürich, 2008–2018 Leitung der Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie am Universitätsspital Zürich, 2018–2021 Chefarzt der Klinik Zugersee, Triaplus AG, Zug, seit 2021 Ordinarius an der Medizinischen Universität Graz und Vorstand der Universitätsklink für Medizinische Psychologie und Psychotherapie am LKH-Universitätsklinikum Graz.

Anja Mehnert-TheuerkaufAntje Lehmann-LaueAnnina SeilerJosef Jenewein (Hrsg.)

Psychoonkologie in der palliativen Versorgung

Ein Praxishandbuch

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten, d. h. u. a. Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen, verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autoren haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, können Verlag und Autoren hierfür jedoch keine Gewähr und Haftung übernehmen. Jeder Benutzer ist daher dringend angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

Dieses Werk enthält Hinweise/Links zu externen Websites Dritter, auf deren Inhalt der Verlag keinen Einfluss hat und die der Haftung der jeweiligen Seitenanbieter oder -betreiber unterliegen. Zum Zeitpunkt der Verlinkung wurden die externen Websites auf mögliche Rechtsverstöße überprüft und dabei keine Rechtsverletzung festgestellt. Ohne konkrete Hinweise auf eine solche Rechtsverletzung ist eine permanente inhaltliche Kontrolle der verlinkten Seiten nicht zumutbar. Sollten jedoch Rechtsverletzungen bekannt werden, werden die betroffenen externen Links soweit möglich unverzüglich entfernt.

1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-038724-9

E-Book-Formate:

pdf:           ISBN 978-3-17-038725-6

epub:        ISBN 978-3-17-038726-3

Autorenverzeichnis

Benze, Gesine, Dr. med.

Oberärztin, Klinik für Palliativmedizin

Universitätsmedizin Göttingen

Georg-August-Universität

Robert-Koch-Str. 40

37075 Göttingen

E-Mail: [email protected]

 

Bohny, Philipp, med. pract.

Stv. Chefarzt, Leiter Behandlungszentrum für Akut- und Allgemeinpsychiatrie

Triaplus Klinik Zugersee

Widenstr. 55

CH-6317 Oberwil bei Zug

E-Mail: [email protected]

 

Eckstein, Sandra, Dr. med.

FMH Innere Medizin, IdS Palliativmedizin

Leitung Abteilung für Palliative Care

Universitätsspital Basel

Petersgraben 4

CH-4031 Basel

E-Mail: [email protected]

 

Götze, Heide, Priv.-Doz. Dr. rer. med. habil.

Diplompsychologin, Lehrbeauftragte

Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie

Universitätsklinikum Leipzig

Philipp-Rosenthal-Str. 55

04103 Leipzig

E-Mail: [email protected]

 

Güzelsoy, Leyla, Dr. med.

Psychoonkologin, Medizinethikerin

Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Universitätsklinikum Nürnberg Nord

Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1

90419 Nürnberg 

E-Mail: [email protected]

 

Hertler, Caroline, PD Dr. med.

Stv. ärztliche Leitung Palliative Care

Kompetenzzentrum für Palliative Care

Klinik für Radio-Onkologie

Rämistr. 100

CH-8091 Zürich

E-Mail: [email protected]

 

Hofmann, Hanna, M. Sc.

Psychologin, Psychoonkologin (DKG)

Klinikum Nürnberg

Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität

Psychoonkologischer Konsil- und Liaison-Dienst

Palliativstation, Frauenklinik

Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1

90419 Nürnberg

E-Mail: [email protected]

 

 

Jenewein, Josef, O. Univ.-Prof., Dr. med. univ.

Vorstand der Universitätsklinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie

Medizinische Universität Graz – Universitätsklinikum Graz

Auenbruggerplatz 3

AUT-8036 Graz

E-Mail: [email protected]

 

Koranyi, Susan, Dr. phil., Dipl.-Psych.

Psychoonkologin, Psychologische Psychotherapeutin

Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie

Universitätsklinikum Leipzig und Medizinische Fakultät, Universität Leipzig

Philipp-Rosenthal-Str. 55

04103 Leipzig

E-Mail: [email protected]

 

Krones, Tanja, Prof. Dr. med., Dipl.-Soz.

Leitende Ärztin Klinische Ethik/Geschäftsführerin Klinisches Ethikkomitee

Universitätsspital Zürich/Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte, Universität Zürich

WERK G 8

Rämistr. 100

CH-8091 Zürich

E-Mail: [email protected]

 

Lehmann-Laue, Antje, Dr. rer. med., Dipl.-Psych.

Psychologische Psychotherapeutin

Leiterin der Medizinpsychologischen Versorgung

Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie

Universitätsklinikum Leipzig und Medizinische Fakultät, Universität Leipzig

Philipp-Rosenthal-Str. 55

04103 Leipzig

E-Mail: [email protected]

 

Maio, Giovanni, Prof. Dr.

Inhaber des Lehrstuhls für Ethik in der Medizin

Institut für Ethik und Geschichte der Medizin

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Stefan-Meier-Str. 26

79104 Freiburg i. Br.

E-Mail: [email protected]

 

Mehnert-Theuerkauf, Anja, Prof. Dr. phil., Dipl.-Psych.

Psychologische Psychotherapeutin

Leiterin der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie

Universitätsklinikum Leipzig und Medizinische Fakultät, Universität Leipzig

Philipp-Rosenthal-Str. 55

04103 Leipzig

E-Mail: [email protected]

 

Münch, Urs, Dipl.-Psych.

Psychologischer Psychotherapeut

Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie

DRK Kliniken Berlin | Westend

Spandauer Damm 130

14050 Berlin

E-Mail: [email protected]

 

Nau, Hans

Mitglied der Charta-Initiative Stuttgart

Leitung Soziale Arbeit am Klinikum Stuttgart a. D.

Forsthausstr. 11a

70469 Stuttgart

E-Mail: [email protected]

 

Nauck, Friedemann, Prof. Dr. med.

Direktor Klinik für Palliativmedizin

Georg-August-Universität Göttingen

Robert-Koch-Str. 40

37075 Göttingen

E-Mail: [email protected]

 

Pape, Eva, Dr. med.

Oberärztin Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie

Psychiatrische Universitätsklinik Zürich

Lenggstrasse 31

CH-8032 Zürich

E-Mail: [email protected]

 

Peng-Keller, Simon, Prof. Dr. theol.

Professor für Spiritual Care

Universität Zürich

Kirchgasse 9

CH-8001 Zürich

E-Mail: [email protected]

 

Philipp, Rebecca, M. Sc. Psych.

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Klinik

Martinistr. 52 - W26

20246 Hamburg

E-Mail: [email protected]

 

Quintero Garzón, Leonhard, Dipl.-Psych.

Psychoonkologe, Stationspsychologe der Palliativstation

Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie

Universitätsklinikum Leipzig und Medizinische Fakultät, Universität Leipzig

Philipp-Rosenthal-Str. 55

04103 Leipzig

E-Mail: [email protected]

 

Schettle, Markus, Dr. med.

Oberarzt

Kompetenzzentrum für Palliative Care

Klinik für Radio-Onkologie

Rämistr. 100

CH-8091 Zürich

E-Mail: [email protected]

 

Schwermann, Meike, M.A.

Co-Studiengangsleitung M.A. Palliative Care

Fachhochschule Münster - University of Applied Sciences 

MSH Münster School of Health 

Johann-Krane-Weg 21

48149 Münster

E-Mail: [email protected]

 

Seiler, Annina, Dr. phil. (PhD)

Klinische Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin

Universitätsspital Zürich

Klinik für Konsiliarpsychiatrie und Psychosomatik

Klinik für Radio-Onkologie, Kompetenzzentrum Palliative Care

Rämistr. 100

CH-8091 Zürich

E-Mail: [email protected]

 

Stein, Barbara, Dr. phil., Dipl. Psych.

Psychologische Psychotherapeutin, Psychoonkologin (DKG)

Leitende Psychologin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Klinikum Nürnberg

Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität

Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1

90419 Nürnberg

E-Mail: [email protected]

 

Stoklossa, Cindy, M.A., Dipl. Sozialarbeiterin/-pädagogin (FH)

Leitung Sozialdienst Charité und Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen

Charité – Universitätsmedizin Berlin

Charité Platz 1

10117 Berlin

E-Mail: [email protected]

 

Vehling, Sigrun, Priv.-Doz., Dr. phil.

Nachwuchsgruppenleiterin

Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Martinistr. 52 - W26

20246 Hamburg

E-Mail: [email protected]

 

Walter, Silke, M. Sc.

Pflegeexpertin Palliative Care

Abteilung für Palliative Care

Abteilung Praxisentwicklung Pflege

Universitätsspital Basel

Petersgraben 4

CH-4031 Basel

E-Mail: [email protected]

 

Witt, Claudia M., Prof. Dr. med., MBA

Direktorin

Institut für komplementäre und integrative Medizin

Universitätsspital Zürich

Sonneggstr. 6

CH-8091 Zürich

E-Mail: [email protected]

Geleitwort

 

 

Das vorliegende Buch führt die beiden Onkologie-nahen Fachdisziplinen Psychoonkologie und Palliativmedizin zusammen, die ohnehin eng miteinander vernetzt sind und die heute beide als integraler Bestandteil einer modernen Krebsbehandlung verstanden werden. Der Anspruch der Palliativmedizin besteht darin, Patienten mit einer hohen Symptombelastung und einer begrenzten Lebenserwartung durch eine auf die Patientenbedürfnisse fokussierende supportive Behandlung und Begleitung unter Einbezug der Angehörigen ein hohes Ausmaß an Lebensqualität bis zum Lebensende zu ermöglichen. Die Palliativmedizin umfasst ein weites Spektrum an Erkrankungen, ihr Schwerpunkt liegt epidemiologisch bedingt auf Krebserkrankungen. Die supportiv-palliative Versorgung setzt dabei ein ganzheitliches Verständnis von Medizin voraus und erfordert neben palliativmedizinischen Behandlungsmaßnahmen und einer qualifizierten und zugewandten pflegerischen Betreuung eine angemessene psychosoziale Begleitung der Patienten und ihrer Angehörigen.

Sowohl die Psychoonkologie als auch die Palliativmedizin haben in den letzten drei Jahrzehnten international und im deutschsprachigen Raum eine sehr dynamische Entwicklung durchlaufen. Diese zeichnet sich durch Professionalisierung, interdisziplinäre und integrative Positionierung sowie das Streben nach Evidenzbasierung aus. Diesen Orientierungen verdanken beide Bereiche ihre inzwischen sowohl in der medizinischen Versorgung wie auch in der Öffentlichkeit festzustellende Akzeptanz und die Weiterentwicklung bei der Implementierung entsprechender Dienste.

Im vorgelegten Werk werden zunächst das Arbeitsfeld und das Setting der palliativmedizinischen Versorgung beschrieben, in diesem Kontext wird die Psychoonkologie als Teil des multiprofessionellen palliativen Teams verortet. Es erfolgt eine Beschreibung sowohl der körperlichen und psychischen Belastungen sowie der Kommunikations- und Bewältigungsprozesse auf der Ebene des Patienten, der Partner und der Angehörigen. Ein besonderer Schwerpunkt des Buches sind die situationsspezifischen psychotherapeutischen/psychoonkologischen Angebote (u. a. Krisenintervention, Sinn- und Würdezentrierte Interventionen und familienzentrierte Trauertherapie). Weiterhin werden schwere psychische Komplikationen, die psychiatrische Kompetenz und die pharmakotherapeutische Mitbehandlung erfordern, die Aufgaben der Sozialarbeit und der Seelsorge sowie Patientenrechte und Ethik behandelt.

Die Autorinnen und Autoren stammen aus der Versorgungspraxis und/oder wissenschaftlichen Einrichtungen der Psychoonkologie und der Psychosozialen Medizin sowie der Palliativversorgung. Dass es einen großen Bedarf für ein solches Handbuch der Psychoonkologie in der palliativen Versorgung bei denen in diesen Bereichen tätigen Expertinnen und Experten verschiedener Berufsgruppen gibt, steht außer Frage. Was das Buch so lesenswert macht, ist die Differenziertheit, bei gleichzeitiger Anschaulichkeit in der Gestaltung der einzelnen Beiträge. Ich wünsche den Herausgeberinnen und Herausgebern viel Erfolg und den Leserinnen und Lesern eine erkenntnisreiche Lektüre!

Uwe Koch-Gromus

Vorwort

 

 

Eine fortschreitende Krebserkrankung und begrenzte Lebensdauer stellen für Patienten, Angehörige und das soziale Umfeld eine einschneidende Veränderung ihres Lebens dar – verbunden mit zahlreichen psychosozialen Belastungen und Herausforderungen. Dazu gehören der Umgang mit schwierigen Behandlungsentscheidungen und der körperlichen wie psychischen Symptombelastung, Veränderungen der partnerschaftlichen und familiären Beziehungen, die Bewältigung des Alltags- und Berufslebens sowie die Auseinandersetzung mit existenziellen Fragestellungen und dem Abschied vom Leben.

Gerade vor dem Hintergrund der Fortschritte in der Medizin und der stationären wie ambulanten palliativen Versorgungspraxis, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten weltweit wie auch im deutschsprachigen Raum spürbar weiterentwickelt hat, hat sich auch eine zunehmend ganzheitlichere Sicht auf die Versorgung der Patienten und ihres familiären wie sozialen Umfelds etablieren können. Neben einer verbesserten Symptomkontrolle nimmt der Erhalt oder die Verbesserung der Lebensqualität einen wichtigen Stellenwert ein.

Die Psychoonkologie gehört heute zu einer qualitativ hochwertigen Versorgung in der Onkologie und Palliativmedizin dazu. Dazu hat u. a. auch die zunehmende Professionalisierung der Psychoonkologie als interdisziplinäre Fachdisziplin sowie auch ein gestiegenes Souveränitätsbedürfnis der Patienten beigetragen. Die wissenschaftliche Evidenzbasierung in der Psychoonkologie hat in den letzten Jahren enorm zugenommen u. a. in Bezug auf epidemiologische Fragestellungen, Modelle der Krankheits- und Belastungsverarbeitung oder mit Blick auf die Interventions- und Versorgungsforschung. Gleichzeitig spiegelt sich das Bedürfnis des aufgeklärten und mündigen Patienten nach Kommunikation auf Augenhöhe, die Formulierung und Einhaltung des Patientenwillens sowie eine stärkere Berücksichtigung psychosozialer Aspekte bei Behandlungsentscheidungen, im Therapieverlauf und in der Nachsorge zunehmend in einer veränderten Versorgungspraxis wider.

Mit dem vorliegenden Buch möchten wir Klinikern wie Wissenschaftlern einen empirisch gut fundierten Überblick über die psychoonkologischen Tätigkeitsfelder in der palliativen Versorgung onkologischer Patienten und ihrer Angehörigen geben. Das Werk richtet sich an unterschiedliche psychosoziale Berufsgruppen, unter anderem an Psychologen/Psychoonkologen, psychologische wie auch ärztliche Psychotherapeuten, Psychosomatiker, Gesundheitspsychologen, Pflegende, Seelsorger und Sozialarbeiter. Uns ist bewusst, dass die psychosoziale Versorgung auch andere Patientengruppen umfasst, die an einer unheilbaren Erkrankung leiden, dass sich viele diagnostische und therapeutische Handlungsempfehlungen übertragen lassen, aber durch unterschiedliche Krankheitsverläufe und Symptombeschwerden zuweilen auch andere Anforderungen an die psychosoziale Versorgung bestehen. Dennoch haben wir uns in der Konzeption des Buches auf die Psychoonkologie beschränkt, da hier aus unserer Sicht die größte wissenschaftliche Evidenz vorliegt.

Der Inhalt des Buches umfasst sowohl klassische Themen der Psychoonkologie wie zum Beispiel Symptombelastung oder Krankheitsverarbeitung, psychische Belastungen der Partner und Angehörigen, psychotherapeutische Interventionen und komplementärmedizinische Aspekte, als auch spezifische Inhalte der palliativen Versorgung einschließlich aktueller Versorgungsmodelle und internationaler Perspektiven, gelungene Kommunikation mit Patienten und Angehörigen, Patientenrechte und -pflichten oder ethische Herausforderungen wie zum Beispiel die Behandlung des Delirs am Lebensende.

Die Kapitel reflektieren die hohen Anforderungen an das interdisziplinäre palliative Team und illustrieren die komplexen Aufgaben der psychoonkologischen Behandlung in der palliativen Versorgung.

Die Beiträge sind so verfasst, dass sie dem neuesten wissenschaftlichen Stand entsprechen, die Komplexität des theoretischen und praktischen Spektrums psychoonkologischer Aspekte in der palliativen Versorgung wiedergeben und klinische Beiträge enthalten. Besonderen Wert haben wir auf die didaktischen Besonderheiten gelegt. In unserem Werk wurden die verschiedenen Kapitel mit klaren Lernzielen und übersichtlichen Merkboxen mit den wichtigsten Lerninhalten versehen sowie mit anschaulichen Falldarstellungen ergänzt. Zudem haben wir darauf geachtet, das Buch auch für den klinischen Alltag leserfreundlich zu gestalten1.

Wir möchten uns für die wertvollen und anregenden Beiträge bei allen Autorinnen und Autoren bedanken, ohne deren Engagement und Bereitschaft zur kritischen Diskussion mit den Herausgebern dieses Buch nicht zustande gekommen wäre. Die Autorinnen und Autoren haben ihre langjährige Kompetenz als ausgewiesene Fachexperten, Kliniker, Wissenschaftler und Dozenten in der Psychoonkologie, der Palliative Care und der biomedizinischen Ethik in ihren Beiträgen eingebracht. Wir hoffen, dass Leser aus unterschiedlichen Disziplinen der Palliative Care für ihre beruflichen Belange von dem Werk profitieren können.

Unser Dank gilt auch den Verlagsmitarbeiterinnen Carmen Rapp und Anita Brutler wie auch dem Kohlhammer Verlag für die kompetente und angenehme Zusammenarbeit. Durch ihr fachliches Wissen haben sie zu einem guten Anteil zur Fertigstellung dieses umfangreichen Werkes beigetragen.

Prof. Dr. phil. Anja Mehnert-Theuerkauf, Prof. Dr. med. Josef Jenewein

Dr. rer. med. Antje Lehmann-Laue, Dr. phil. Annina Seiler

1     Zugunsten einer lesefreundlichen Darstellung wird das generische Maskulinum verwendet, das alle biologischen Geschlechtsformen umfasst.

Inhalt

 

 

Autorenverzeichnis

Geleitwort

Vorwort

1   Arbeitsfeld und Arbeitskontext palliativer Versorgung: Strukturen der palliativen Versorgung

Silke Walter und Sandra Eckstein

1.1   Internationale und nationale Entwicklungen

1.2   Ebenen der palliativen Versorgung

1.3   Strukturen und Prinzipien der spezialisierten Palliative Care-Versorgung

Literatur

2   Psychoonkologie im palliativen Team

Hanna Hofmann, Leyla Güzelsoy und Barbara Stein

2.1   Das interdisziplinäre Team: Anforderungen und Abgrenzungen der Berufsgruppen

2.2   Rollen und Aufgaben psychoonkologischer Expertise in der palliativen Versorgung

2.2.1   Psychoonkologische Interventionen im palliativen Kontext

2.3   Psychische Gesundheit bewahren

Literatur

3   Symptomlinderung bei lebenslimitierenden Erkrankungen

Gesine Benze und Friedemann Nauck

3.1   Symptomhäufigkeit und Symptomerfassung bei Palliativpatienten

3.2   Genese und Symptomlast lebenslimitierender Grunderkrankungen

3.3   Grundlagen der symptomorientierten Therapie

3.4   Fazit

Literatur

4   Kommunikation

Anja Mehnert-Theuerkauf und Susan Koranyi

4.1   Zielsetzungen und Merkmale gelungener Kommunikation

4.1.1   Gemeinsame Entscheidungen treffen

4.1.2   Befunde ehrlich vermitteln und Hoffnung fördern

4.2   Was kann durch eine gelungene Kommunikation erreicht werden?

4.3   Kommunikationstrainingsprogramme

4.4   Kommunikation im Team

Literatur

5   Psychische Belastungen der Patienten

Eva Pape und Urs Münch

5.1   Diagnostik

5.1.1   Einsatz von Diagnostik und Indikationsstellung

5.1.2   Screeningverfahren

5.1.3   Vertiefende klinische Exploration

5.2   Belastende Emotionen, Zustände und Symptome

5.2.1   Distress

5.2.2   Ängste und Angststörungen

5.2.3   Depressive Verstimmungen und Major Depression

5.2.4   Verzweiflung, Frustration, Wut und Verbitterung

5.2.5   Hilf- und Hoffnungslosigkeit

5.2.6   Trauer

5.2.7   Schuld und Scham

5.2.8   Existenzielles Leiden

Literatur

6   Psychische Belastungen der Partner und Angehörigen

Heide Götze und Annina Seiler

6.1   Anforderungen und Aufgaben der Partner und Angehörigen

6.1.1   Pflegende Angehörige in der palliativen Versorgung

6.1.2   Die besondere Belastungssituation pflegender Frauen

6.1.3   Partner in der palliativen Versorgung

6.1.4   Kinder als Angehörige in der palliativen Versorgung

6.1.5   Positive Effekte durch die Pflege eines Angehörigen

6.2   Gesundheitsbezogene Lebensqualität von Angehörigen in der palliativen Versorgung

6.3   Psychische Belastungen von Angehörigen in der palliativen Versorgung

6.3.1   Ängstlichkeit und Depressivität

6.3.2   Erschöpfung und Überlastung von pflegenden Angehörigen

6.3.3   Hilf- und Hoffnungslosigkeit, Schuldgefühle

6.3.4   Frustration, Verzweiflung und Wut

6.3.5   Demoralisierung und Verlust an Lebenssinn

6.3.6   Antizipierte Trauer

6.3.7   Trauer

6.4   Psychosoziale Unterstützung für Angehörige

Literatur

7   Psychologische Anpassung bei fortschreitender Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung

Sigrun Vehling und Rebecca Philipp

7.1   Charakteristik psychologischer Herausforderungen am Lebensende

7.2   Konzepte adaptiver und maladaptiver psychischer Entwicklungsprozesse bei schwerer und lebensbedrohlicher Erkrankung

7.2.1   Überforderung der Verarbeitungsressourcen: Demoralisierung, Anpassungsstörungen und Todeswünsche

7.2.2   Psychische Verarbeitung der Angst vor dem Sterben und dem Tod

7.2.3   Dynamische und integrierte Zustände

7.3   Wichtige Formen der psychologischen Verarbeitung: Wie findet Anpassung statt?

7.3.1   Schmerzhafte Gefühle teilen und Trauer zulassen

7.3.2   Vorbereitungen für das Lebensende treffen und planen

7.3.3   Ablenkung und Normalität aufrechterhalten

7.3.4   Realistische und unrealistische Hoffnungen, Sinnfindung und Generieren persönlich bedeutsamer positiver innerer Zustände

7.4   Fazit und Implikationen für die psychoonkologische Unterstützung in der palliativen Versorgung

Literatur

8   Psychotherapeutische Interventionen

Susan Koranyi, Leonhard Quintero Garzón, Anja Mehnert-Theuerkauf und Antje Lehmann-Laue

8.1   Settings, Aufgaben und Anforderungen für Psychotherapeuten in der palliativen Versorgung

8.2   Zielsetzungen psychotherapeutischer Interventionen bei Patienten mit einer terminalen Erkrankung

8.3   Konzepte und Inhalte psychotherapeutischer Interventionen in der palliativen Versorgung

8.3.1   Kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen (KVT)

8.3.2   Entspannungs- und Imaginationsverfahren

8.3.3   Achtsamkeitsbasierte Interventionen

8.3.4   Sinnzentrierte Interventionen

8.3.5   Würdeorientierte Interventionen

8.3.6   Family Focused Grief Therapy – Familienzentrierte Trauertherapie

8.4   Exemplarischer Behandlungsablauf und Elemente des therapeutischen Prozesses

8.5   Evidenz für die Wirksamkeit psychotherapeutischer Interventionen in der palliativen Versorgung

Literatur

9   Schwere psychische Komplikationen, die psychiatrische Expertise erfordern

Philipp Bohny und Josef Jenewein

9.1   Delir

9.2   Depression und Suizidalität

9.3   Substanzabhängigkeit

9.4   Betreuung von Patienten mit schweren psychischen Vorerkrankungen in der Palliativsituation

Literatur

10 Total Care – Palliativpflege für Menschen in der letzten Lebensphase

Meike Schwermann

10.1 Einleitung

10.2 Das Pflegeleitbild der Palliativpflege

10.3 Umsetzung einer evidenzbasierten Pflege für ein gezieltes Symptommanagement

10.4 Total Care – Dimensionen der Palliativpflege

10.5 Fazit

Literatur

11 Soziale Arbeit – ein zentraler Bestandteil der Betreuung von Schwerstkranken und Sterbenden

Cindy Stoklossa und Hans Nau

11.1 Ethische Grundlagen

11.2 Handlungsansatz und Auftrag sozialer Arbeit

11.3 Psychosoziale Anamnese und psychosoziale Begleitung in der Sozialen Arbeit

11.4 Zentrale Aufgaben und Leistungen der Fachkräfte der Sozialen Arbeit

11.4.1 Patientenorientierte Interventionen

11.4.2 Interventionen für Bezugspersonen

11.4.3 Interventionen im Team

11.5 Entlassmanagement

11.6 Strukturelle Voraussetzungen

Literatur

12 Interprofessionelle und spezialisierte Spiritual Care

Simon Peng-Keller

12.1 Spiritualität im Kontext von Palliative Care

12.2 Empirische Grundlagen

12.2.1 Relevanz und Wandelbarkeit spiritueller Einstellungen und Erfahrungen am Lebensende

12.2.2 Wirksamkeit und Hindernisse interprofessioneller Spiritual Care

12.3 Spiritual Care als interprofessionelle Aufgabe

12.4 Klinikseelsorge als spezialisierte Spiritual Care

12.5 Einbezug der spirituellen Dimension bei Entscheidungen rund ums Lebensende

12.6 Gebete und Rituale

Literatur

13 Mind Body Medicine und andere komplementäre Methoden

Claudia M. Witt

13.1 Der Kontext

13.2 Möglichkeiten und Grenzen von komplementären Methoden

13.3 Mind Body Medicine

13.4 Ein Gespräch zu komplementären Methoden führen

Literatur

14 Patientenrechte und -pflichten

Tanja Krones

14.1 Patientenrechte und Behandlungspflichten bei schwerstkranken Patienten

14.1.1 Allgemeine Behandlungsgrundsätze

14.1.2 Patientenverfügungen und Stellvertreterentscheide

14.1.3 Sterbehilfe und assistierter Suizid

14.1.4 Sozial- und Gesundheitsrechte

14.2 Ethische Probleme und ethische Dilemmata in der palliativen Versorgung

14.3 Lösungsmöglichkeiten ethischer (und rechtlicher) Fragen auf der individuellen und strukturellen Ebene

Literatur

15 Besondere (schwierige) Patientengruppen

Caroline Hertler und Markus Schettle

Einleitung

15.1 Ältere Patienten (Demenz-Patienten)

15.2 Junge Patienten

15.3 Eltern mit minderjährigen Kindern

15.4 Alkoholabhängige Patienten

15.5 Substanzabhängige Patienten

Literatur

16 Das Leiden, der Krebs und die Ethik der Sorge

Giovanni Maio

16.1 Der Begriff des Leidens

16.2 Leidensmomente der Krebserkrankung

16.2.1 Leiden am Halteverlust

16.2.2 Leiden am Verlust der leiblichen Geborgenheit

16.2.3 Leiden am Abschied von der Verlässlichkeit der Zukunft

16.2.4 Leiden an der Erfahrung einer Erschütterung

16.3 Ethik der Sorge als Antwort auf das Leiden in der Psychoonkologie

16.3.1 Sorge als inneres Anliegen

16.3.2 Sorge als eine Gemeinschaft im Wollen

16.3.3 Sorge als Ermöglichen von Wachstum

16.3.4 Sorge als Unmittelbarkeitsarbeit

16.3.5 Sorge als Ausdruck von Beistand

Literatur

Sachwortregister

1          Arbeitsfeld und Arbeitskontext palliativer Versorgung: Strukturen der palliativen Versorgung

Silke Walter und Sandra Eckstein

Die Strukturen der palliativen Versorgung sollen allen schwerkranken und sterbenden Menschen sowie ihren Angehörigen eine flächendeckende Versorgung mit adäquaten Angeboten ermöglichen. Zunehmend werden dynamische Modelle benötigt, um die Kontinuität über Versorgungssettings hinweg gewährleisten sowie die Veränderungen des Gesundheitssystems berücksichtigen zu können.

Lernziele: Kennenlernen und Verstehen …

•  … des Wandels im Verständnis von Palliative Care

•  … der internationalen und nationalen Perspektiven und Entwicklungen bzgl. Palliative Care

•  … der verschiedenen Ebenen der Palliative Care-Versorgung und deren Charakteristika

•  … der Strukturen spezialisierter Palliative Care-Versorgung und ihrer Prinzipien

WHO Definition Palliative Care

Palliative Care soll frühzeitig im Krankheitsverlauf zur Anwendung kommen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierte Palliative Care 1990 als »total care of patients with progressive, far advanced disease and limited life expectancy whose disease is not responsive to curative treatment« (WHO 1990, S. 11). 2002 wurde die Definition überarbeitet, um den Veränderungen von Palliative Care gerecht zu werden. Demnach ist »Palliative Care ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugen und Lindern von Leiden durch frühzeitige Erkennung, sorgfältige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen Problemen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.« (DGP 2002, S. 1). Diese Anpassungen verdeutlichen den Wandel im Verständnis von Palliative Care. Gemäß der angepassten Definition soll Palliative Care frühzeitig im Krankheitsverlauf zur Anwendung kommen, parallel zur Behandlung der Grunderkrankung. Weiterhin schließt der Ansatz die An- und Zugehörigen explizit mit ein und beschreibt klar die multidimensionale Perspektive. Diskutiert wird zudem, dass es keine zeitliche oder prognostische Begrenzung für Palliative Care geben sollte, dass Palliative Care sowohl für chronische als auch für lebensbedrohliche Krankheiten erforderlich ist und dass Palliative Care auf allen Ebenen des Gesundheitssystems von der Primärversorgung bis zur spezialisierten Versorgung und in allen Settings geleistet werden sollte (WPCA 2011; WPCA 2014). Unser heutiges Verständnis von Palliative Care stellt demnach eine multidimensionale Herangehensweise für den fragilen Patienten und sein Umfeld in einer lebensbedrohlichen Situation dar, die früh in der Ergänzung zur Behandlung der Grunderkrankung erfolgen kann/soll.

Das Aufgabengebiet der palliativen Versorgung hat sich durch das veränderte Verständnis deutlich ausgeweitet. Neben der multidimensionalen Symptomkontrolle umfasst das heutige Aufgabengebiet die Entscheidungsfindung mit der Evaluation der Behandlungswünsche und der gesundheitlichen Vorausplanung, die interprofessionelle Zusammenarbeit im Netzwerk und Unterstützung des individuellen Netzwerkes des Patienten bzw. seines Umfelds sowie die Unterstützung der Angehörigen (Luckett et al. 2014).

Aufgabengebiet der palliativen Versorgung

1.1       Internationale und nationale Entwicklungen

Palliative Care-Bedarf

Schätzungen zufolge benötigen jedes Jahr über 20 Millionen Menschen am Ende ihres Lebens eine palliative Versorgung. Die Mehrheit (69 %) hiervon sind Erwachsene über 60 Jahre und leidet an chronischen Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen (38,5 %), Tumorerkrankungen (34 %), chronischen Atemwegserkrankungen (10,3 %), AIDS (5,7 %) und Diabetes (4,6 %). Aber auch Menschen mit anderen Erkrankungen, wie z. B. nephrologischen oder neurologischen Erkrankungen, brauchen Palliative Care (WPCA 2014; WHO 2018). 78 % der Erwachsenen, die Palliative Care benötigen, gehören Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen an. Die höchsten Raten pro 100.000 Erwachsener finden sich jedoch in den höheren Einkommensgruppen, also in den Regionen Europa und Westpazifik (WPCA 2014). Zudem zeigt sich in den Ländern ein unterschiedlicher Palliative Care-Bedarf bezogen auf die Erkrankungen. Menschen mit progressiven, nicht malignen Erkrankungen machen in allen Regionen den höchsten Anteil aus. In Afrika überwiegt HIV/AIDS. Und der Anteil der Erwachsenen mit einer Tumorerkrankung, die Palliative Care benötigen, reicht von 19,6 % in der afrikanischen Region bis zu 41,5 % in der westpazifischen Region (WPCA 2014).

Für Europa wird geschätzt, dass über 4,4 Millionen Menschen, die 2014 in Europa gestorben sind, schweres gesundheitliches Leid erfahren haben und Palliative Care benötigten (Arias-Casais et al. 2019). Zudem wird davon ausgegangen, dass der Bedarf für Palliative Care voraussichtlich in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird. Erste weltweite Vorausschätzungen des zukünftigen Palliative Care-Bedarfs ergeben, dass bis 2060 schätzungsweise 48 Millionen Menschen (47 % Todesfälle weltweit) mit schwerem gesundheitlichem Leiden sterben. Das entspricht einem Anstieg um 87 % im Vergleich zu 26 Millionen Menschen im Jahr 2016 (Sleeman et al. 2019).

Internationale Entwicklung der Palliative Care-Versorgung

Die Darstellung der Entwicklung der Palliative Care ist schwierig, da die Datenlage aufgrund einer fehlenden klaren Definition des Begriffs »Entwicklung« und fehlende Informationen über das methodische Vorgehen begrenzt valide und reliabel ist (Loucka et al. 2014). Trotzdem sollen einige ausgewählte Entwicklungen beschrieben werden. 2011 haben 136 der 234 Länder der Welt (58 %) ein oder mehrere Palliative Care-Versorgungsangebote eingerichtet. Das sind 9 % mehr im Vergleich zu 2006 (49 %). Die regionale Analyse zeigt, dass es vor allem Regionen in Afrika, dem Mittleren Osten und Amerika/Karibik waren, die von Gruppe 1/2 zu Gruppe 3a wechselten (Lynch et al. 2013).

Tabelle 1.1 gibt einen Überblick, wie die Ebenen des Palliative Care-Versorgungsangebots (Gruppen 1–4b) in einer sechsteiligen Typologie kategorisiert wurden ( Tab. 1.1). Anhand dieser Typologie stellen Lynch et al. (2013) die Entwicklung des Palliative Care-Versorgungsangebots dar.

Tab. 1.1: Ebenen der Palliative Care-Versorgung (Lynch et al. 2013)

EbeneMerkmale

Beachte

Obwohl mehr als die Hälfte der Länder weltweit über Palliative Care Angebote verfügen, gibt es in vielen Ländern noch immer kein Angebot. Eine fortgeschrittene Integration von Palliative Care mit umfassenden Angeboten ist international nur in 20 Ländern (8,5 %) erreicht. Es ist also weiterhin ein bedeutender Zuwachs der Angebote notwendig, um Palliative Care weltweit allgemein zugänglich zu machen (Lynch et al. 2013).

Europäische Entwicklung der Palliative Care-Versorgung

Für Europa stellen Centeno et al. (2016) ähnliches fest: Obwohl es in Europa eine positive Entwicklung in der Palliativversorgung gibt, reichen in den meisten Ländern die verfügbaren Dienste noch immer nicht aus, um den Bedarf der Bevölkerung an Palliative Care zu decken. 21 der 53 Länder zeigten eine signifikante Entwicklung des Palliative Care-Versorgungsangebots (Daten von 46 Ländern, 87 % konnten ausgewertet werden). So gab es 2012 mehr als 5.000 spezialisierte Palliative Care-Versorgungsangebote in Europa. Das bedeutet eine Zunahme von 1.449 seit 2005 (Centeno et al. 2016). In der Aktualisierung des EAPC Atlas of Palliative Care in Europe 2019 ist die Zahl erneut um 1.357 angestiegen. Hier sind es insgesamt 6.387 spezialisierte Palliative Care-Versorgungsangebote (Arias-Cascais et al. 2019). 2012 sind vor allem in den westeuropäischen Ländern erhebliche Veränderungen eingetreten. In Zentral- und Osteuropa nimmt der Trend ebenfalls zu, aber langsamer. Die Schätzungen, inwieweit das Palliative Care-Versorgungsangebot den Palliative Care-Bedarf der jeweiligen Bevölkerung deckt, lagen für Westeuropa für Palliativstationen/Hospize bei 62 %, für ambulante, mobile spezialisierte Palliative Care-Dienste bei 52 % und für mobile spezialisierte Palliative Care-Dienste im Krankenhaus bei 31 %. Für die Schätzungen werden die Richtlinien der European Association of Palliative Care (EAPC) zugrunde gelegt. Für Zentral- und Osteuropa lagen 2012 die Werte bei 20 % für Palliativstationen/Hospize, bei 14 % für ambulante, mobile spezialisierte Palliative Care-Dienste und bei 3 % für mobile spezialisierte Palliative Care-Dienste im Krankenhaus (Centeno et al. 2016). Durch die erneute Zunahme der spezialisierten Palliative Care-Versorgungsangebote haben sich diese Zahlen nochmals verändert.

European Association of Palliative Care (EAPC): Atlas of Palliative Care in Europe

Neben dem Versorgungsangebot der spezialisierten Palliative Care werden im EAPC Atlas of Palliative Care in Europe 2019 noch weitere Indikatoren verwendet, um die Entwicklung von Palliative Care in Europa darzustellen. Diese wurden an die WHO-Dimensionen angelehnt und sind u. a. in Politik und Bildung geclustert. Die meisten Länder (63 %) haben einen rechtlichen Rahmen für die Bereitstellung von Palliative Care geschaffen, wobei in acht Ländern spezifische Gesetze erlassen wurden (Frankreich, Belgien, Luxemburg, Italien, Portugal, Albanien, Deutschland und Armenien). 29 Länder haben einen offiziellen Akkreditierungsprozess für Ärzte zum Facharzt Palliativmedizin. Allerdings variiert die Anerkennung von Palliative Care von der Anerkennung als separates Fachgebiet (5/51 Länder) bis hin zu einer Subspezialität (11/51 Länder) oder einem speziellen Kompetenzbereich (13/51). In 43 % der Länder wurde Palliative Care in die Curricula des Studiengangs Humanmedizin und der Krankenpflegeschulen aufgenommen, wobei die Anzahl der Unterrichtsstunden und die klinische Praxis unterschiedlich sind. Nur in neun Ländern ist Palliative Care spezifisches Pflichtfach in den Curricula der Humanmedizin (Österreich, Vereinigtes Königreich, Belgien, Estland, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Republik Moldau und Schweiz). In der Krankenpflegeausbildung ist Palliative Care normalerweise als Modul in anderen Fachgebieten enthalten und nur in Frankreich, Österreich und Polen wird es als spezifisches Pflichtfach gelehrt. Ordentliche Professoren gibt es in 15 Ländern an medizinischen Fakultäten und in fünf Ländern an Krankenpflegeschulen (Arias-Cascais et al. 2019).

1.2       Ebenen der palliativen Versorgung

Der palliative Versorgungsbedarf ist vielfältig und reicht von einem allgemeinen Unterstützungsbedarf, der durch die Fachpersonen der Primärversorgung erfolgen kann, bis hin zu einem komplexen und aufwändigen Bedarf, der Fachpersonen mit spezialisierter Ausbildung und ein spezialisiertes Setting voraussetzt.

Es werden verschiedene Ebenen der Palliativversorgung unterschieden. Die Basis ist das »Palliative Care-Verständnis« oder der »palliative Versorgungsansatz«. Die zweite Ebene ist die »allgemeine Palliative Care« oder »allgemeine Palliativversorgung«, die dritte ist die Ebene der »spezialisierten Palliative Care« oder »spezialisierten Palliativversorgung« und die »palliativen Kompetenzzentren« bilden die vierte Ebene (Radbruch und Payne 2011; BAG 2014).

Palliative Care-Verständnis

Das Bundesamt für Gesundheit in der Schweiz (BAG 2014) schreibt in seinem Rahmenprogramm, dass die erste Ebene die Bedürfnisse der Gesellschaft nach Information, Beratung und Befähigung im Hinblick auf das Lebensende umfasst. Grundlage für den palliativen Versorgungsansatz ist ein einheitliches Verständnis von Palliative Care (siehe oben). Radbruch und Payne (2011) formulieren, dass dieser Ansatz eine Möglichkeit ist, die Arbeitsweise und die Methoden der Palliativversorgung in nicht spezialisierte Strukturen zu integrieren. Für die Praxis bedeutet dies, dass Betroffene und Primärbehandler Zugang zu Informationen über die Möglichkeiten der Palliativversorgung haben. Dies beinhaltet Maßnahmen zur Symptomkontrolle, Kommunikation mit dem Patienten, der Familie und anderen Versorgungsanbietern sowie Entscheidungsfindung und Zielsetzungen gemäß den Prinzipien der Palliativversorgung. Hierfür muss Palliative Care Bestandteil in den Curricula der Grundausbildungen aller Berufsgruppen sein, die im Gesundheitswesen arbeiten (Radbruch und Payne 2011).

Allgemeine Palliative Care

Allgemeine Palliative Care wird durch Leistungserbringer der Grundversorgung, d. h. von niedergelassenen Ärzten, von Fachpersonen in den ambulanten Pflegediensten, in Alters- und Pflegeheimen oder in Krankenhäusern bzw. von den primär behandelnden ärztlichen und pflegerischen Spezialisten beispielsweise in der Onkologie, Geriatrie, Kardiologie, Neurologie erbracht. Ihr Haupttätigkeitsfeld ist nicht die Palliativversorgung, sie behandeln jedoch häufiger Patienten in palliativen Situationen. Die Leistungen, die erbracht werden, umfassen vier Bereiche:

•  Symptommanagement (körperlich, psychisch, sozial, spirituell),

•  Entscheidungsfindung auf Grundlage individueller Präferenzen und Vorausplanung für eine kommende Krise,

•  Netzwerkorganisation, insbesondere wenn die Betroffenen ihre Selbstversorgung nicht gewährleisten können und

•  die Unterstützung der Bezugspersonen, die von der Erkrankung mitbetroffen sind (BAG 2014; Radbruch und Payne 2011).

Spezialisierte Palliative Care

Palliative Kompetenzzentren

Die Ebene der spezialisierten Palliative Care wird durch interprofessionelle Teams erbracht, die eine anerkannte Weiterbildung in spezialisierter Palliativversorgung absolviert und die ihren Tätigkeitsschwerpunkt in der Palliativversorgung haben. Zu den Versorgungsstrukturen gehören mobile Palliative Care-Teams im ambulanten Setting sowie mobile Palliative Care-Teams in Krankenhäusern, Palliativstationen, stationäre Hospize und Tageskliniken für Palliative Care. Die Leistungen umfassen ein breites Spektrum an therapeutischen Interventionen zur Symptomkontrolle, Entscheidungsfindung, Netzwerkorganisation und Unterstützung der Bezugspersonen (siehe oben) und richten sich an Patienten mit komplexen Bedürfnissen, in instabilen Situationen und ihr Umfeld (Radbruch und Payne 2011). Palliative Kompetenzzentren bieten spezialisierte Palliative Care in einer breiten Vielfalt von Settings an, einschließlich stationärer Betreuung auf einer Palliativstation und ambulante Betreuung durch mobile, spezialisierte ambulante Palliative Care-Teams sowie fachliche Beratung und Mitbetreuung stationärer Patienten in einem Krankenhaus durch ein mobiles Palliative Care-Team. Darüber hinaus sollten akademische Möglichkeiten zur Forschung sowie zur Aus-, Fort- und Weiterbildung vorgehalten werden (Radbruch und Payne 2011).

Beachte

Grundvoraussetzung ist es, den Spezialisierungsgrad des Versorgungsbedarfs des individuellen Patienten zu erkennen und dem Patienten zu dem benötigten Angebot Zugang zu ermöglichen. Dabei ist zu beachten, dass der Versorgungsbedarf im Verlauf der Behandlung variieren kann und ein Wechsel zwischen den Versorgungsstrukturen ermöglicht wird. Dies verdeutlicht die Wichtigkeit der Durchlässigkeit und Verzahnung der allgemeinen und spezialisierten Palliative Care. Nicht alle Menschen mit einer unheilbaren, fortgeschrittenen Erkrankung benötigen spezialisierte Palliative Care, jedoch sollte ein palliativer Versorgungsansatz oder allgemeine Palliative Care überall verfügbar sein.

1.3       Strukturen und Prinzipien der spezialisierten Palliative Care-Versorgung

Mobile Palliative Care-Teams im ambulanten Setting

Das mobile, spezialisierte ambulante Palliative Care-Team(SAPV) leistet spezialisierte Palliativversorgung für Patienten im häuslichen Umfeld und unterstützt sowohl den Patienten und seine Familie als auch Professionelle der allgemeinen Palliativversorgung wie Hausärzte, ambulante Pflegedienste oder andere Professionen. Es ist beratend, koordinierend und/oder behandelnd tätig und ergänzt vorhandene Versorgungsstrukturen, wenn diese keine angemessene und ausreichende Betreuung des Patienten am Ort seines Wunsches in der häuslichen Umgebung gewährleisten können (Radbruch und Payne 2011; LLP Onkologie 2020). Der Einbezug spezialisierter ambulanter Palliative Care-Teams verbessert die Linderung von belastenden Symptomen und erhöht die Wahrscheinlichkeit, zu Hause zu sterben (Gomes et al. 2013).

Mobile Palliative Care-Teams in Krankenhäusern

Mobile Palliative Care-Teams im Krankenhaus leisten zum einen palliativmedizinische Beratung und Unterstützung für Professionelle anderer Fachdisziplinen, die nicht in Palliative Care spezialisiert sind. Zum anderen behandeln sie Patienten mit einer nicht heilbaren Erkrankung und begrenzter Lebenszeit, die nicht auf einer Palliativstation betreut werden. Dies erfolgt in enger Absprache mit dem primär behandelnden Team (LLP Onkologie 2020; Radbruch und Payne 2011). Elemente dieses Modells sind ein multidimensionales Symptommanagement, Gespräche über Prognose und Ziele der Behandlung, die Evaluation der Behandlungswünsche, Unterstützung in der Entscheidungsfindung und bei der gesundheitlichen Vorausplanung sowie Unterstützung der Angehörigen und bei der Entlassungsplanung (Luckett et al. 2014). Um die Prozessqualität zu sichern, sollte das Team die Therapie individuell für jeden Patienten planen, das Therapieziel und die Behandlungsmaßnahmen regelmäßig evaluieren und sich mit zuweisenden und weiterführenden Behandelnden austauschen sowie mit stationären und ambulanten Versorgungs- und Therapieangeboten abstimmen (LLP Onkologie 2020). Palliativdienste im Krankenhaus zeigen positive Effekte z. B. in Bezug auf Symptomlinderung, Lebensqualität, Dauer des Krankenhausaufenthalts und andere Outcomes (Higginson und Evans 2010, S. 433).

Palliativstationen

Eine Palliativstation ist eine spezialisierte Abteilung innerhalb eines Krankenhauses (Radbruch und Payne 2011). In manchen Ländern sind es auch eigenständige Institutionen (BAG 2014). Hier werden Patienten und ihre Angehörigen behandelt und betreut, die komplexe Bedürfnisse, Probleme und Belastungen im Zusammenhang mit einer unheilbaren Erkrankung haben und in einer instabilen Krankheitssituation sind. Die Komplexität wird sowohl von der Intensität einzelner Symptome oder psychosozialer, spiritueller und ethischer Probleme als auch von deren gleichzeitigen Auftreten beeinflusst. Neben schwer kontrollierbaren Symptomen sind Unsicherheiten bzgl. des Therapieziels, eine schwierige soziale Situation und eine Überforderung oder Unsicherheit der häuslichen Versorgung Beispiele für eine hohe Komplexität. Das Ziel einer Behandlung auf einer Palliativstation besteht darin, die Verbesserung der Lebensqualität für die Patienten und ihre Angehörigen zu erreichen und dabei ihre Wünsche und Vorstellungen zu berücksichtigen (LLP Onkologie 2020). Das Behandlungsteam besteht aus verschiedenen Professionen, die sich durch spezifische Kompetenzen und eine hohe fachliche Expertise in Palliative Care auszeichnen (Radbruch und Payne 2011; BAG 2014).

Stationäre Hospize

Ein stationäres Hospiz nimmt Patienten in ihrer letzten Lebensphase auf, wenn die Behandlung in einem Krankenhaus nicht mehr notwendig und die Betreuung zu Hause oder in einem Pflegeheim nicht möglich ist. Ziele sind die palliativmedizinische Versorgung, eine bestmögliche Lebensqualität, Unterstützung in der Trauer sowie eine hospizliche Begleitung in der letzten Lebensphase bis zum Tod. In Deutschland und der Schweiz sind Hospize selbstständige Institutionen mit einem eigenständigen Versorgungsauftrag, die der allgemeinen und spezialisierten Palliativversorgung zugeordnet werden (Radbruch und Payne 2011). Hospizprogramme in den USA sind in der Regel Angebote, die eine häusliche Versorgung, oft kurz vor dem Lebensende, unterstützen. Im Vereinigten Königreich entstanden die meisten Hospize als unabhängige Organisationen, die weitgehend durch lokale Spenden finanziert werden. Ihre Gründung und ihr Wachstum fand außerhalb der zentralen Gesundheitsplanung statt (Payne et al. 2017).

Tageshospiz/ Tageskliniken für Palliative Care

Tageshospize für Palliative Care sind an Palliativstationen oder stationäre Hospize angegliedert, um kreative und therapeutische Aktivitäten bei Patienten in palliativen Situationen zu fördern. In Deutschland gibt es sie jedoch nur selten. Das zentrale Anliegen ist eine soziale und therapeutische Betreuung, um die soziale Isolation zu verhindern sowie die Belastung der Angehörigen zu verringern. In manchen Tagekliniken können die Patienten auch Behandlungen, wie z. B. Bluttransfusionen oder Punktionen erhalten, während sie dort sind (Radbruch und Payne 2011).

Palliative Care-Ambulanz

Eine Palliative Care-Ambulanz bietet Sprechstunden und eine Beratung für Patienten, die zu Hause oder in einem Pflegeheim leben und denen es möglich ist, zu einer Sprechstunde in die Klinik zu kommen. Normalerweise sind sie an weitere spezialisierte Palliative Care-Versorgungsangebote wie Palliativstationen, mobile Palliative Care-Teams in Kliniken oder stationäre Hospize angegliedert (Radbruch und Payne 2011).

Kernelemente/ Prinzipien einer spezialisierten Palliative Care- Versorgung

Eine personenzentrierte, individuelle Versorgung ist die Basis einer guten Palliativversorgung. Sie orientiert sich an den Werten und Bedürfnissen des Patienten und seiner Angehörigen und bedarf regelmäßig einer Neubewertung (LLP Onkologie 2020).

Palliative Care-Interventionen sind komplex und beinhalten

•  ein multidimensionales Symptommanagement,

•  die Evaluation der Behandlungswünsche,

•  die Unterstützung bei der Entscheidungsfindung am Lebensende,

•  die gesundheitliche Vorausplanung,

•  die Organisation und individuelle Ausgestaltung der Versorgung und

•  die Unterstützung der Angehörigen.

Neben der Verbesserung der Lebensqualität ist es das Ziel, die Patienten darin zu unterstützen, Entscheidungen bzgl. ihrer medizinischen Behandlung sowie bzgl. intensivmedizinischer Maßnahmen zu treffen, die ihren Werten und Bedürfnissen entsprechen (Fliedner et al. 2019). Um diesen komplexen Anforderungen gerecht zu werden, bedarf es eines multiprofessionellen Teams, bestehend aus Ärzten, Pflegenden, Sozialarbeitern/-pädagogen, Physiotherapeuten, Seelsorgern, Psychologen, Musik- und/oder Kunsttherapeuten, Ernährungsberatern, Logopäden und Ehrenamtlichen. Die Mitarbeitenden der Teams sollten eine spezialisierte Palliative Care-Qualifikation haben, das heißt palliativmedizinische Kenntnisse, Haltungen und Fertigkeiten mit praktischer Erfahrung (LLP Onkologie 2020). Je nach Versorgungssetting (stationär, ambulant) besteht das Kernteam aus einigen wenigen Berufsgruppen (jedoch mindestens aus Ärzten und Pflegenden). Es sollte jedoch rasch andere Berufsgruppen hinzuziehen können (Radbruch und Payne 2011).

Kontinuität der Versorgung und Kompetenzentwicklung

Neben der spezifischen Kompetenz ist eine gute interprofessionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit unabdingbar. Kommunikation ist hierfür ein zentrales Element. Sie ist nicht nur für eine gute Patientenversorgung bedeutsam, sondern auch für die Teamarbeit und die Zusammenarbeit im Versorgungsnetz wesentlich (LLP Onkologie 2020) (siehe  Kap. 4). Patienten und ihre Angehörigen wünschen sich Kontinuität in ihrer Behandlung. Hierfür ist es hilfreich, die einzelnen Versorgungsangebote innerhalb eines zusammenhängenden Netzwerks zu organisieren (Radbruch und Payne 2011). Ein weiterer wichtiger Auftrag der spezialisierten Palliative Care ist die Kompetenzentwicklung. Gerade die mobilen Palliative Care-Teams leisten hier einen wichtigen Beitrag, indem sie formell und informell die Professionellen, die in den Versorgungsstrukturen der allgemeinen Palliative Care arbeiten, fort- und weiterbilden (Radbruch und Payne 2011; Luckett et al. 2014).

Frühe Integration von Palliative Care

Die passende Palliative Care-Versorgungsstruktur kann dem Patienten erst angeboten werden, wenn seine Bedürfnisse und die seiner Angehörigen erfasst wurden. Empfohlen wird eine frühzeitige und routinemäßige Integration (LLP Onkologie 2020; Ferrell et al. 2017; ESC 2016). In der Literatur zeigen sich Vorteile bei Modellen, die eine spezialisierte Palliative Care-Versorgung frühzeitig anbieten (Gärtner et al. 2017; Haun et al. 2017; Kavalieratos et al. 2016). Bisher am besten untersucht ist die frühe Integration von Palliative Care in die Behandlung von Patienten mit Tumorerkrankungen (Haun et al. 2017). Auch die Metaanalyse von Kavalieratos et al. (2016) zeigte eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität und der Symptombelastung bei Patienten mit einer Tumorerkrankung oder chronischer Herzinsuffizienz, aber nicht ein verbessertes Überleben. Auch die Ergebnisse für die Angehörigen waren uneinheitlich. Zudem wurde die Integration von Palliative Care mit einer verbesserten gesundheitlichen Vorausplanung und einer größeren Zufriedenheit von Patienten und Angehörigen mit der Versorgung in Verbindung gebracht (Kavalieratos et al. 2016). Insgesamt muss bei der frühen Integration von Palliative Care berücksichtigt werden, dass diese Intervention bei den Patienten starke Emotionen hervorrufen kann, weil zum ersten Mal offen über das eigene Lebensende gesprochen wird. Dennoch wird die Intervention in der Untersuchung von Fliedner et al. (2019) von den Patienten als vorteilhaft bewertet und sie waren der Meinung, dass sie in die Routineversorgung aufgenommen werden sollte.

Eine integrierte Versorgung von Patienten mit einer unheilbaren Erkrankung bietet Möglichkeiten, die Übergänge von Patienten zwischen den Versorgungsstrukturen zu verbessern, traditionelle Grenzen der Leistungserbringung zu überwinden und die Kontinuität der Versorgung zu verbessern (Payne et al. 2017). Das übergeordnete Ziel besteht darin, die Versorgung zwischen den Anbietern und zwischen den verschiedenen Einrichtungen so zu koordinieren, dass Patienten und ihre Familien Zugang zu der von ihnen benötigten Versorgung haben, wenn sie diese benötigen.

Merke

•  Grundlage für eine angemessene Versorgung von Patienten mit einer nicht heilbaren und progredienten Erkrankung ist ein zeitgemäßes und einheitliches Palliative Care-Verständnis.

•  Eine frühe und koordinierte Integration der Palliativversorgung ist eine notwendige Voraussetzung für eine bedürfnisorientierte Behandlung.

•  Primäre Behandlungsteams spielen eine zentrale Rolle in der allgemeinen Palliativversorgung, indem sie den palliativen Unterstützungsbedarf eines Patienten erkennen und die Versorgung einleiten, Symptome und Probleme niedriger bis mittlerer Komplexität behandeln und die Versorgung koordinieren.

•  Zur Einschätzung des Behandlungsbedarfs und der Komplexität kann eine Beratung durch den Palliative Care-Spezialisten hilfreich sein, weswegen diese verfügbar sein sollte.

•  Weist die Patientensituation eine hohe Komplexität auf, sollten die primären Behandlungsteams Palliative Care-Spezialisten hinzuziehen.

•  Strukturen der spezialisierten Palliativversorgung sind spezialisierte ambulante Dienste, spitalinterne Palliative Care-Konsiliardienste, Palliativstationen und Hospize.

•  Eine integrative Versorgung gilt wechselseitig. So ist die Integration von Expertise der Grunderkrankung in die Palliativversorgung von hoher Wichtigkeit und sollte bei der Entscheidungsfindung zur Behandlung mit einbezogen werden.

Literatur

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BAG (Bundesamt für Gesundheit), Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren GDK und palliative ch (2014) Rahmenkonzept Palliative Care Schweiz. (https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/strategie-und-politik/nationale-gesundheitsstrategien/strategie-palliative-care/grundlagen-zur-strategie-palliative-care/rahmenkonzept-palliative-care.html, Zugriff am 13.10.2021).

Centeno C, Lynch T, Garralda E et al. (2016) Coverage and development of specialist palliative care services across the World Health Organization European Region (2005–2012): Results from a European Association for Palliative Care Task Force survey off 53 Countries. Palliative Medicine 30(4): 351–362.

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Ferrel B, Temel S, Alesi E et al. (2017) Integration of Palliative Care Into Standard Oncology Care: American Society of Clinical Oncology Clinical Practice Guideline Update. Journal of Clinical Oncology 35(1): 96–112.

Fliedner M, Zambrano S, Schols J et al. (2019) An early palliative care intervention can be confronting but reassuring: A qualitative study on the experience of patients with advanced cancer. Palliative Medicine 1–10.

Gärtner J, Siemens W, Meerpohl J et al. (2017) Effect of specialist palliative care services on quality of life in adults with advanced incurable illness in hospital, hospice, or community settings: systematic review and meta-analysis. BMJ 358:j2925.

Gomes B, Calanzani N, Curiale V et al. (2013) Effectiveness and cost-effectiveness of home palliative care services for adults with advanced illness and their caregivers. Cochrane Database of Systematic Reviews, Issue 6, Art.No.: CD007760.

Haun M, Estel S, Rücker G et al. (2017) Early palliative care for adults with advanced cancer (Review). Cochrane Database of Systematic Reviews, Issue 6. Art. N0.: CD011129. 1–107.

Higginson I, Evans C (2010) What is the Evidence That Palliative Care Teams Improve Outcomes for Cancer Patients and Their Families? The Cancer Journal 16(5): 423–435.

Kavalieratos D, Corbelli J, Zhang D et al. (2016) Association Between Palliative Care and Patient and Caregiver Outcomes. A systematic Review and Meta-analysis. JAMA 316(20): 2104–2114.

Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF) (2020) Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung, Langversion 2.1, AWMF-Registernummer: 128/001OL. (https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Palliativmedizin/Version_2/LL_Palliativmedizin_2.1_Langversion.pdf, Zugriff am 13.10.2021).

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Payne S, Eastham R, Hughes S et al. (2017) Enhancing integrated palliative care: what models are appropriate? A cross-case analysis. BMC Palliative Care 16(64): 2–10.

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Sleeman K, de Brito M, Etkind S et al. (2019) The escalating global burden of serious health-related suffering: projections to 2060 by world regions, age-groups, and health conditions. Lancet Glob Heahlth 7: 3883–92.

WHO (World Health Organization) (1990) Cancer pain relief and palliative care. S. 1–76. (https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/39524/WHO_TRS_804.pdf?sequence=1&isAllowed=y, Zugriff am 13.10.2021).

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2          Psychoonkologie im palliativen Team

Hanna Hofmann, Leyla Güzelsoy und Barbara Stein

Lernziele: Kennenlernen und Verstehen …

•  … der Bedeutsamkeit multiprofessioneller Zusammenarbeit im palliativen Team

•  … der psychoonkologisch relevanten Fertigkeiten in der Palliativversorgung

•  … der Herausforderungen in der therapeutischen Beziehung im palliativen Kontext

•  … von Strategien, für das eigene Wohlbefinden zu sorgen

Wechselwirkungen von somatischen und psychosozialen Faktoren spielen bei Tumorerkrankungen eine erhebliche Rolle, sodass psychoonkologische Interventionen von besonderer Bedeutung sind und einen hohen Stellenwert in der Akutmedizin sowie auf Palliativstationen einnehmen. Die psychoonkologischen Maßnahmen haben u. a. zum Ziel, Patienten bei der Bewältigung ihrer Erkrankung und der Neubewertung ihrer Lebensqualität zu unterstützen. Krankheits- und therapiebedingte Belastungen und die sich daraus ergebenden individuellen Bedürfnisse von Patienten und Angehörigen stehen im Mittelpunkt (Leitlinienprogramm Onkologie 2014, 2020). Ein besonderes, seit über einem Jahrzehnt in Nürnberg etabliertes Modell ist das Projekt »Familien leben mit Krebs«, das einen besonderen Fokus auf die psychosoziale Begleitung minderjähriger Kinder Krebserkrankter richtet (Söllner et al. 2012, S. 79). Ausgehend von der Erfahrung, dass eine Krebserkrankung nicht nur den einzelnen Patienten betrifft, sondern Einfluss auf die gesamte Familie hat, und dass insbesondere Familien mit minderjährigen Kindern durch solch eine Erkankung einer hohen Belastung ausgesetzt sind, beraten Mitarbeiter zu psychosozialen und sozialrechtlichen Themen. Die Beratung erfolgt in Kooperation der drei Abteilungen der Medizinischen Klinik für Onkologie und Hämatologie, der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin sowie der Abteilung Sozialarbeit und Patientennachsorge. Es handelt sich um ein niederschwelliges Angebot, das sich an den Bedürfnissen und Fragen der Betroffenen orientiert. In Einzel- und Familiengesprächen, Kontakten mit Ämtern und Behörden sowie in enger Absprache mit dem Behandlungsteam auf Station arbeiten die Betreuer lösungsorientiert, präventiv oder auch im Rahmen einer Krisenintervention. Ziele sind

Die Bedeutsamkeit psychoonkologischer Interventionen im palliativen Kontext

Kinder krebskranker Eltern: unerlässlicher Bestandteil psycho- onkologischer Arbeit

•  die Stabilisierung des Familiensystems,

•  die Stärkung der elterlichen Kompetenzen bzgl. des Umgangs mit der Erkrankung,

•  die Mobilisierung von Ressourcen,

•  die Förderung der Kommunikation in der Familie,

•  die Einleitung von geeigneten Nachsorgemaßnahmen oder

•  Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

Zusammenarbeit zwischen Palliativstation und Psychoonkologie

Die Kooperation innerhalb der stationären palliativen Versorgung und Psychoonkologie ist lokal geprägt und kann in Form von Liaisondiensten bzw. integrierten Fachabteilungen umgesetzt werden (Leitlinienprogramm Onkologie 2014). Das Klinikum Nürnberg, eines der größten kommunalen Krankenhäuser Europas, weist eine langjährige Zusammenarbeit zwischen den beiden Fachdisziplinen Palliativmedizin und Psychoonkologie auf, so wie es mittlerweile Standard in vielen Kliniken der Maximalversorgung im deutschsprachigen Raum ist. Auf organisatorischer Ebene können Palliativstationen sowohl im Rahmen eines Liaisondienstes durch Fächer der Psychosozialen Medizin als auch durch in der Palliativmedizin angestellte Psychoonkologen betreut werden. Im Falle eines Liaisondienstes ist eine feste, mitarbeiterbezogene Zuordnung zur Palliativstation erforderlich. Dieser integrative Ansatz gewährleistet unter anderem eine im Vertretungsfall durchgängige psychoonkologische Versorgung und somit eine bessere Ressourcenverteilung.

2019 wurden insgesamt 428 Patienten (193 Männer, 235 Frauen) auf der Palliativstation des Klinikum Nürnbergs psychoonkologisch betreut. Über 90 % litten an einer Krebserkrankung, gefolgt von Herz-/Kreislauf- und chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen. 314 Patienten erhielten eine Diagnose aus dem Kapitel der psychischen und Verhaltensstörungen nach ICD-10 (vgl. Kapitel V, F-Diagnose), am häufigsten Anpassungsstörungen und depressive Erkrankungen. 58 Patienten hatten keine deutsche Nationalität, was ein Hinweis sein könnte, dass palliative Angebote nach wie vor nur zögerlich von migrantischen Gruppen angenommen werden (Jansky und Nauck 2015, S. 8). Neben der psychoonkologischen Betreuung des Patienten und seiner Angehörigen nimmt die interprofessionelle Zusammenarbeit einen hohen Stellenwert ein. Etwa 40 % der Arbeitszeit fließt in unmittelbare Patienten- und Angehörigengespräche und 20 % in die interdisziplinäre Arbeit, wie bspw. Teilnahme an Visiten, Team- und Fallbesprechungen sowie Supervisionen.

Merke

Psychoonkologisches Arbeiten erfordert auch immer einen interprofessionellen Austausch. Es braucht Raum, um sich sowohl bezüglich der Patienten als auch der eigenen Belange im Team zu besprechen.

2.1       Das interdisziplinäre Team: Anforderungen und Abgrenzungen der Berufsgruppen

Multiprofessionelle Teams und Kooperation

Multiprofessionelle Teams, d. h. Teams, in denen die Mitglieder eine unterschiedliche professionelle Ausbildung und Qualifikation haben, sind in der Palliativmedizin ein zentraler Baustein der Versorgung, wenn es darum geht, den umfangreichen und oft komplexen Versorgungsbedürfnissen der Patienten angemessen zu begegnen. Multiprofessionelle Teams unterscheiden sich in der Anzahl der Mitglieder, in der Art der beteiligten Professionen und hinsichtlich des Ausmaßes der Integration einzelner Berufsgruppen und entsprechend auch hinsichtlich des Ausmaßes gemeinsamer Verantwortung oder der Aufteilung von Verantwortlichkeiten im Team. Weitere Merkmale multiprofessioneller Teamarbeit sind die Koordination und Ausgestaltung der Prozesse der Patientenversorgung im Team, Abstimmungsprozesse bei Entscheidungen, Teamkommunikation und Teamkultur, klare Rollenabgrenzungen sowie der Umgang mit Teamkonflikten. Übergreifend sind gemeinsame Teamziele zentral für eine gelungene multiprofessionelle Arbeit. Dazu gehören eine evidenzbasierte Diagnostik, Behandlung und Versorgung sowie eine effektive Kommunikation mit dem Patienten, seinen Angehörigen und im Team untereinander.

Fallbeispiel: Anforderungen an das palliative Team bei unterschiedlichen Bedürfnissen von Patient und Angehörigen

Das Team der Palliativstation bittet um eine Supervision bezüglich des Patienten Herrn A., der an einem peritoneal metastasierten Darmkrebs leidet und sich seit einer Woche auf der Station befindet.

Die Behandler sind aufgrund der Krankheitsverarbeitung und des verdrängenden Umgangs des Patienten mit seiner Erkrankung in Sorge. In der Gegenübertragung reagieren große Teile des Teams mit Gefühlen von Überforderung und Abwehr – die Pflegenden berichten, ungern in das Zimmer zu gehen. Hr. A. vermittelt ein diffuses Gefühl von Vermeidung und Abwehr, da er das Thema wechselt, sobald es um die Progredienz seiner Erkrankung geht. Hr. A‘s Familie, Ehefrau, zwei Kinder (vier und sieben Jahre), Mutter und Schwester kommen regelmäßig zu Besuch. Jedes Familienmitglied wird vom multiprofessionellen Team betreut, aber profitiert von den unterschiedlichen Professionen: Die Ehefrau und Kinder stehen in engem Kontakt mit der Psychoonkologin der Station, welche die Familie gleichzeitig im Rahmen des Projekts »Familien leben mit Krebs« betreut. Daneben sind auch das Pflege- und Ärzteteam wichtige Ansprechpartner für die Ehefrau. Hr. A.‘s gläubige Mutter lässt sich seelsorgerisch begleiten, die Schwester wiederum steht in engem Kontakt mit dem Sozialdienst bezüglich der weiteren Versorgungsmöglichkeiten, die poststationär geboten wären. Hr. A. selbst nimmt regelmäßig das musik- und kunsttherapeutische Angebot in Anspruch. Zudem werden seine Mobilität und Muskelkraft durch Physiotherapie und Massagen gefördert, da er von dem Wunsch, geheilt entlassen zu werden, nicht Abstand zu nehmen vermag.