Psychopathologie - Martin Aigner - E-Book

Psychopathologie E-Book

Martin Aigner

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Beschreibung

Dieser optisch anschauliche Leitfaden zur psychiatrischen Exploration soll zur Orientierung in der Praxis und als Lernhilfe für die Ausbildung dienen. Im allgemeinen Teil der Psychopathologie werden die praktische Gesprächsführung, die Erhebung einer Anamnese, das Erstellen eines psychopathologischen Status, wichtige psychopathologische Symptome und die diagnostische Zuordnung zu einem Krankheitsbild erläutert. Im speziellen Teil werden 19 Leitsyndrome (z.B. Depressives, Manisches, Angst-, Zwangssyndrom) beschrieben und durch Schwarzweißfotografien veranschaulicht. Für die 2. A. wurde das Buch vollständig überarbeitet und um Fallvignetten zu den Leitsyndromen ergänzt. Dieses Buch zur Psychopathologie vereint somit das relevante Wissen zum Thema in kompakter Form. Die Darstellung von Syndromen bzw. Leitsymptomen und eine übersichtliche Gliederung der Kapitel auf Doppelseiten bieten eine rasche Orientierung. Eine kostenlose App mit ca. 60 Multiple Choice Fragen ergänzt das Buch.

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Seitenzahl: 163

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Martin Aigner / Klaus PaulitschDaniel Berg / Gerhard Lenz

Psychopathologie

Anleitung zur psychiatrischen Exploration

2., vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage

Martin Aigner, Prim. Assoc. Prof. Priv. Doz. Dr., ist Facharzt für Psychiatrie und Neurologie sowie Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Abteilungsleiter der Klinischen Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin und Leiter der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tulln.

Klaus Paulitsch, Dr., ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Oberarzt an der Psychiatrischen Abteilung des Kaiser-Franz-Josef-Spitals in Wien und lehrt im Gesundheits- und Sozialbereich.

Daniel Berg, Dr., ist Facharzt für Psychiatrie und selbstständiger Fotograf.

Gerhard Lenz, Univ.-Prof. Dr., ist Facharzt für Psychiatrie und Neurologie sowie Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin und war vor seiner Pensionierung an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Universität Wien. Er ist jetzt in Wien in freier Praxis tätig (www.zentrum-psychische-gesundheit.at).

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr, eine Haftung der Autoren oder des Verlages ist ausgeschlossen.

2., vollständig überarbeitete und ergänzte AuflageCopyright © 2020 Facultas Verlags- und Buchhandels AGfacultas, Universitätsverlag, Stolberggasse 26, 1050 Wien, ÖsterreichAlle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie das der Übersetzung, sind vorbehalten.Umschlagbild und Fotografien im Innenteil: Dr. Daniel Berg, WienCovergestaltung: d-licious, Koeck & Rastbichler Grafik Design OEG, WienLektorat: Astrid Fischer, BerlinSatz: Wandl Multimedia-AgenturDruck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, UlmPrinted in Germany

ISBN 978-3-8252-8767-2UTB-Nummer 8567ISBN Online-Leserecht 978-3-8385-8767-7eISBN 978-3-8463-8767-2

  Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur 1. Auflage

Vorwort zur 2. Auflage

I. Allgemeiner Teil

1. Allgemeine Richtlinien der psychiatrischen Gesprächsführung

2. Bestandteile der Exploration

3. Typische Settings

4. Status psychicus, psychopathologischer Befund

5. Hilfsmittel der Exploration – Psychometrische Instrumente

II. Spezieller Teil

1. Bewusstseinsveränderung/Delir

2. Kognitive Störung/Demenzielles Syndrom

3. Denk- und Ich-Störungen

4. Wahnhaftes Syndrom

5. Halluzinatorisches Syndrom

6. Störungen des Antriebs und der Psychomotorik

7. Depressives Syndrom

8. Manisches Syndrom

9. Angstsyndrom

10. Zwangssyndrom

11. Belastungssyndrome

12. Dissoziatives Syndrom

13. Somatoformes Syndrom

14. Abhängigkeitssyndrom

15. Suizidalität

16. Aggressivität/Erregungszustand

17. Störungen des Essverhaltens – Anorexie/Bulimie

18. Schlafstörungen und andere Biorhythmusstörungen

19. Störung des Sexualverhaltens

III. Fallvignetten

Fallvignette 1: Bewusstseinsveränderung/Delir

Fallvignette 2: Kognitive Störung/Demenzielles Syndrom

Fallvignette 3: Denk- und Ich-Störungen

Fallvignette 4: Wahnhaftes Syndrom

Fallvignette 5: Halluzinatorisches Syndrom

Fallvignette 6: Störung des Antriebs und der Psychomotorik

Fallvignette 7: Depressives Syndrom

Fallvignette 8: Manisches Syndrom

Fallvignette 9: Angstsyndrom

Fallvignette 10: Zwangssyndrom

Fallvignette 11: Belastungssyndrom

Fallvignette 12: Dissoziatives Syndrom

Fallvignette 13: Somatoformes Syndrom

Fallvignette 14: Abhängigkeitssyndrom

Fallvignette 15: Suizidalität

Fallvignette 16: Aggressivität/Erregungszustand

Fallvignette 17: Störungen des Essverhaltens – Anorexie/Bulimie

Fallvignette 18: Schlafstörungen und andere Biorhythmusstörungen

Fallvignette 19: Störung des Sexualverhaltens

Leitfaden zu den Fallvignetten: Lösungen

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Vorwort zur 1. Auflage

Mit der „Anleitung zur psychiatrischen Exploration“ haben wir vier Jahre lang Erfahrungen im klinischen Unterricht gemacht und diese nun für die Neugestaltung des Buches aufbereitet. Wir haben dafür einerseits den Screeningcharakter des Status psychicus betont und auch neue psychopathologische Syndrome eingearbeitet.

In der Psychiatrie ist das Gespräch als Mittel der Untersuchung auch bereits die Einleitung der Behandlung. Während sich am Ende des 19. Jahrhunderts Psychiater als distanzierte Beobachter und rein naturwissenschaftlich eingestellte „Beschreiber“ sahen, hat sich im Laufe der Zeit, nicht zuletzt unter dem Einfluss der Sozialwissenschaften und der Psychotherapie, ein Paradigmenwechsel vollzogen. Nun werden nicht nur Krankheitssymptome, sondern auch die Lebenssituation und Lebensgeschichte im sozialen und beruflichen Kontext beachtet. Die Beziehung zwischen Arzt*Ärztin und Patient*in rückt näher ins Blickfeld und die Bedeutung, die der*die Patient*in seiner*ihrer Lebensgeschichte gibt, kommt als subjektive Information hinzu. Der lang schwelende Konflikt zwischen „Beschreibern“ und „Analysierern“ ist heute längst überwunden. Die Beobachtung und Beschreibung von psychopathologischen Phänomenen und das Verstehen sind keine Gegensätze, sondern notwendige Ergänzungen. Die psychiatrische Exploration ist dabei ein zentrales Instrument zur Beurteilung des psychischen Zustandes und Erlebens. Man versteht darunter ein strukturiertes Gespräch bzw. Interview, das eine aktive Vorgehensweise des*r Untersuchers*in erfordert und zum Ziel hat, psychopathologische Symptome wie Stimmung, Denkinhalte, kognitive Funktionen im Einzelnen, aber auch in ihrer Gesamtheit zu erfassen.

In dem vorliegenden Buch geht es einerseits um allgemeine Grundlagen und Richtlinien der psychiatrischen Gesprächsführung und andererseits um spezifische Anleitungen zur Exploration bestimmter psychiatrischer Symptome und Syndrome. Der Band stellt kein Lehrbuch der Psychiatrie dar, sondern versteht sich als Ergänzung und Unterstützung für die klinische Arbeit oder für ein Praktikum.

Im ersten Teil werden Grundlagen, Rahmenbedingungen, Bestandteile und der Ablauf einer psychiatrischen Exploration erläutert und Hilfsmittel wie Fragebögen, Checklisten oder standardisierte Interviews beschrieben. Der zweite Abschnitt beinhaltet die wichtigsten psychopathologischen Syndrome.

Daraus leitet sich der Status psychicus ab, der als „Screeningtool“ für das ICD-10 verstanden werden soll. Um ein rasches und effizientes Lernen zu ermöglichen, werden diese Syndrome nach einem einheitlichen Prinzip auf jeweils einer Doppelseite dargestellt: Neben einer allgemeinen Begriffserklärung werden Vorschläge für Fragen, das mögliche äußere Erscheinungsbild eines*r Patienten*in, Zusatzuntersuchungen, Maßnahmen, Differenzialdiagnosen sowie Möglichkeiten zur Zuordnung nach ICD10 beschrieben. Die Angabe der ICD-10-Codes soll das klinische Arbeiten erleichtern und auch als Referenz für eine weiterführende Information zum jeweiligen Störungsbild dienen. Ergänzend sind Fotografien zur Veranschaulichung von psychischen Störungen angefügt.

Die von Daniel Berg gemachten stilisierten Fotos sollen verschiedene psychische Zustände symbolisieren und dadurch das Lernen erleichtern. Denn neben einer notwendigen Operationalisierung und Kategorisierung von psychischen Symptomen ist die ganzheitliche Erfassung von klinischen Syndromen von großer Bedeutung. Dazu können Bilder einen wichtigen Beitrag liefern, obwohl sie natürlich kein Ersatz für „reale“ Patient*innen in der klinischen Ausbildung sind. Die Abgebildeten sind die Schauspieler*innen Eva Linder, Gabriela Hütter und Hagnot Elischka, die über Jahre hinweg die Darstellung einiger psychiatrischer Krankheitsbilder anhand der Lebens- und Krankengeschichte und des realen Kontaktes mit Patient*innen erarbeitet haben und ihr Können u. a. im Rahmen eines Explorationspraktikums an der Universitätsklinik in Wien zur Verfügung stellen. Wir danken ihnen ganz herzlich, sich der Herausforderung gestellt zu haben, Fotomodelle für psychiatrische Syndrome zu sein. Wir können zum Ergebnis nur gratulieren! Ebenso möchten wir uns beim facultas. wuv Universitätsverlag für die Publikation des Bandes bedanken, bei der Lektorin Frau Andrea Eder und vor allem bei Frau Sigrid Nindl, die unserem Projekt von Anfang an Optimismus entgegengebracht hat und die in der Arbeit eine stimulierende Begleiterin war.

Wien, im Oktober 2013

Martin Aigner, Klaus Paulitsch, Daniel Berg, Gerhard Lenz

Vorwort zur 2. Auflage

Weitere sechs Jahre an Erfahrung sind in die 2. Auflage eingeflossen. Das didaktische Prinzip, die psychopathologischen Syndrome strukturiert mit Erklärungsteil, Fragen, Beispielfotos, Beobachtbarem, Zusatzuntersuchungen/Maßnahmen und Differenzialdiagnosen darzustellen, wurde beibehalten.

Ergänzt wurden Fallgeschichten und typische Settings sowie Hinweise auf die neuen Klassifikationssysteme DSM-5 und ICD-11.

Neu ist auch eine kostenlose App zum Buch, über welche Fragen zur Selbstkontrolle durchgearbeitet werden können (siehe dazu die Hinweisseite zur FacultasApp am Ende des Buches).

Wir hoffen, damit die Anleitung zur psychiatrischen Exploration aktualisiert und noch spannender gemacht zu haben.

Wien, im April 2020

Martin Aigner, Klaus Paulitsch, Daniel Berg, Gerhard Lenz

I. Allgemeiner Teil

1 Allgemeine Richtlinien der psychiatrischen Gesprächsführung

1.1 Einleitung

Die wichtigste psychiatrische Untersuchungsmethode ist das Gespräch mit den Patient*innen. Neben dem Informationsaustausch zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken ist dabei auch der Aufbau einer positiven therapeutischen Arzt-Patient-Beziehung von zentraler Bedeutung, weil das Untersuchungsgespräch oft gleichzeitig die Einleitung der Behandlung darstellt. Dadurch soll ein Vertrauensverhältnis hergestellt werden, das als notwendige Voraussetzung für die weitere Behandlung anzusehen ist. Zusätzlich zur sprachlichen Kommunikationsebene ermöglicht es in seinem Verlauf auch eine Verhaltensbeobachtung in einer Kommunikationssituation.

Im Gespräch mit den Patient*innen geht es einerseits um Kontaktaufnahme (die Untersuchenden stellen sich namentlich vor und gehen in einfühlender Weise auf die Wünsche und Beschwerden des*r Patienten*in ein), andererseits aber auch um Informationsgewinnung (das bedeutet, dass auch aktiv Fragen gestellt werden müssen, um die nötigen Informationen zur Diagnose bzw. Differenzialdiagnose zu erhalten).

Es ist daran zu denken, dass viele Patient*innen die Beschwerden in ihrer eigenen Sprache formulieren und oft körperliche Symptome wie Schlafstörungen als Eingangsbeschwerden mitbringen, während sie über schwierigere oder tabuisierte Bereiche, wie z. B. psychotische Erlebnisse, bestimmte Zwänge, Essstörungen oder sexuelle Probleme, häufig erst viel später – wenn genügend Vertrauen und Verständnis aufgebaut wurde – ausführlich sprechen können. Dennoch ist es wichtig, auch diese Tabubereiche im Erstgespräch zu thematisieren.

In vielen Fällen können bereits durch Beobachtung der Patient*innen wichtige Informationen gewonnen werden (z. B. schizophrene Sprachstörung, distanzlos-enthemmtes Verhalten in der Manie, Medikamentennebenwirkungen wie Parkinson-Syndrom, Akathisie oder Spätdyskinesien, ängstliche oder depressive Körperhaltung).

Neben der Information über die wichtigsten psychopathologischen Bereiche umfasst die psychiatrische Exploration auch eine ausführliche Krankheitsanamnese, die Erfassung biografischer und soziodemografischer Sachverhalte, psychosozialer Belastungssituationen und des Vorkommens psychischer Erkrankungen in der Familie (siehe auch das Kapitel „Bestandteile der Exploration“, S. 15). Es folgen die Erhebung von somatischem und neurologischem Status sowie, bei Bedarf, die Einholung von Zusatzbefunden. Ein Gespräch mit Angehörigen ist wichtig, wenn eine Information durch den*die Patienten*in nicht ausreichend möglich ist, z. B. bei akut psychotischen Patient*innen, bei bewusstseinsgetrübten Patient*innen, bei starker Erregung oder Stupor, bei Kindern ...). Es dient auch dazu, das engere soziale Umfeld näher kennenzulernen und dieses im Bedarfsfall in die weitere Behandlung einzubeziehen.

1.2 Rahmenbedingungen

Das Erstgespräch sollte möglichst frei von äußeren Störungen verlaufen (dazu gehören vor allem Telefonate oder das Hinzukommen von dritten Personen). Im Spital, speziell in Notfallsituationen, kann es manchmal schwierig sein, das Erstgespräch in einem separaten Zimmer zu führen, während eines Spitaldienstes müssen oft zwischendurch Telefonate angenommen werden. Ein ruhiger Raum mit bequemen Sitzmöglichkeiten bietet am ehesten eine entspannte Atmosphäre für das Gespräch. Die Ärzte*innen können die Patient*innen zu Beginn des Gesprächs auf die zur Verfügung stehende Zeit hinweisen. Es hat sich auch als hilfreich erwiesen, zu Beginn der Kontaktaufnahme den Patient*innen zu versichern, dass alle an der Behandlung Beteiligten an die Schweigepflicht gebunden sind.

1.3 Schwierige Situationen und psychiatrische Exploration unter speziellen Bedingungen

Bestimmte psychopathologische Zustände oder die Aktivierung kognitivemotionaler Schemata beim*bei der Patienten*in können den Verlauf des Gesprächs erschweren, ebenso die mangelnde Freiwilligkeit bzw. Einsicht des*r Patienten*in. So werden schwer depressive Patient*innen kognitiv nicht sehr belastbar sein, man wird das Gespräch kürzer halten und durch gezielte Fragen stärker strukturieren. Bei sehr kommunikationsgestörten (z. B. bei akut denk- und sprachgestörten schizophrenen) Patient*innen wird es ebenfalls sinnvoll sein, die Dauer des Gesprächs einzuschränken, ebenso bei akut manischen Patient*innen, weil hier schon die Beobachtung der Sprachstörung bzw. der manischen Verhaltensstörung wichtige diagnostische Hinweise gibt. Bei sehr unsicheren und ängstlichen Patient*innen wird man eher mit ressourcenorientierten bzw. neutralen Fragen beginnen, um das Wohlbefinden in den Gesprächssituationen zu steigern.

Neben positiven Gefühlen und Vertrauen können beim*bei der Patienten*in aus einer bestimmten Lebens- und Beziehungsgeschichte unter Umständen auch sehr schnell negative Gefühle gegenüber dem*r Therapeuten*in ausgelöst werden, die eigentlich auf frühere Bezugspersonen gerichtet sind. Hier kann es sinnvoll sein, den*die Patienten*in rechtzeitig auf seine*ihre Gefühle in der Gesprächssituation anzusprechen („Wie geht es Ihnen mit mir im Gespräch?“). Gefühle, die beim*bei der Therapeuten*in entstehen, können wichtige Hinweise, z. B. in der Diagnostik der Persönlichkeitsstörungen, liefern: Sie sind oft ein Hinweis darauf, welche Gefühle der*die Patient*in bei anderen Menschen gewöhnlich auslöst und wie er*sie damit in Schwierigkeiten kommt.

Eine spezielle Bedingung stellt das Gespräch mit einem*r Patienten*in dar, der*die unfreiwillig zum*r Psychiater*in kommt (auf Druck von Angehörigen, Behörden etc.) bzw. wenn ein Gespräch im Rahmen einer Unterbringung stattfindet. Hier sollte der Psychiater vor dem Kontakt mit dem*r Patienten*in über die Gründe dieser erzwungenen Untersuchung und die Fragen, die er beantworten soll, informiert sein, das Gespräch mit dem*r Patienten*in mit einer kurzen Schilderung dieser Gründe eröffnen und versuchen, Interesse und Mitarbeit beim*bei der Patienten*in zu erlangen, die es ermöglichen, auch den Standpunkt des*r Patienten*in zur Geltung zu bringen. Neutrale Fragen, z. B. bezüglich aktueller Lebensumstände, oder eine körperliche Anamnese können Gelegenheit bieten, Einblick in Denkvorgänge, Affektivität oder intellektuelle Funktionen zu bekommen. Kommt ein Gespräch in Gang, wird es so geführt wie bei einem*r freiwilligen Patienten*in. Sollte es zu einer Unterbringung kommen bzw. eine solche bestätigt werden, müssen dem*r Patienten*in die Gründe dafür dargelegt werden.

Bei der konsiliarpsychiatrischen Untersuchung von körperlich Kranken sollten die Umstände der Überweisung besonders beachtet werden. Meist wird der*die Psychiater*in um fachlichen Rat in Bezug auf Diagnostik und Behandlung gefragt, oft geht es aber auch um Probleme des*r zuweisenden Arztes*Ärztin mit dem*r Patienten*in. Die Gründe für die Überweisung sollten vor dem Gespräch mit dem*r Patienten*in geklärt werden, idealerweise erfolgt eine persönliche Kontaktaufnahme mit dem*r Überweiser*in. Der*die Patient*in sollte am Beginn des Gesprächs erfahren, warum der*die Psychiater*in gerufen wurde. Die räumlichen Rahmenbedingungen für das Gespräch auf einer somatischen Krankenabteilung können oft schwierig sein. Ein Gespräch in einem nicht benutzten Zimmer oder in einer stillen Ecke auf dem Gang ist geeigneter als eine Unterhaltung im Krankenzimmer in Gegenwart anderer Patient*innen oder des Krankenhauspersonals. Abschließend sollte ein Bericht an den*die Überweiser*in verfasst und der*die Patient*in in geeigneter Weise über die Inhalte informiert werden.

Nach Schulz von Thun können in einem üblichen Kommunikationsprozess vier Kanäle unterschieden werden: (1) die Sachebene, (2) die Selbstoffenbarungsebene, (3) die Beziehungsebene und (4) die Appellebene. Selbst bei Gesunden kann es durch Verwechslung der Kanäle zu erheblichen Kommunikationsproblemen kommen.

Bei der psychiatrischen Exploration ist zu beachten, dass es durch die psychischen Störungen zu weiteren Verzerrungen kommen kann, die über das übliche Ausmaß hinausgehen. Bei Theory-of-Mind-Störungen (ToM-Störungen) haben die Betroffenen Probleme, sich in andere hineinzudenken (soziale Kognitionen). Um sich bei Verdacht ein Bild von einer schweren ToM-Störung zu machen, kann der Maxi-Test angewendet werden. Den Patient*innen wird die Geschichte vom Maxi, einem kleinen Buben, erzählt, der eine Tafel Schokolade bekommen hat. Er geht in die Küche und legt die Tafel Schokolade auf den Küchentisch, dann geht er in sein Zimmer spielen. Inzwischen räumt die Mutter die Tafel Schokolade in eine Küchenlade. Die Patient*innen werden nun gefragt, wo der kleine Maxi hinschauen würde, wenn er in die Küche zurückkommt, um die Tafel Schokolade zu suchen. Die Antwort „In der Küchenlade“ lässt den Verdacht aufkommen, dass hier möglicherweise eine ToM-Störung vorliegt. Die Patient*innen können die Wissenszustände von Maxi, Mutter und sich selbst möglicherweise nicht ausreichend unterscheiden. Auf die Nachfrage „Warum in der Küchenlade?“ gibt es unterschiedliche Antwortmuster: „Weil sie dort ist!“ erhärtet den Verdacht der ToM-Störung. Die Antwort „Weil die Mutter die Süßigkeiten immer in die Lade legt!“ deutet eher auf ein Missverständnis und nicht auf eine ToM-Störung hin. Für eine genauere Abklärung gibt es weitere validierte ToM-Untersuchungen.

1.4 Ablauf und Struktur

In der Einleitungsphase des Gesprächs wird sich der*die Untersucher*in vorstellen und dem*r Patienten*in die eigene Funktion und den Zweck des Gesprächs erklären. Es sollte auch ein ungefährer Zeitrahmen für das Gespräch mitgeteilt werden (bei einer psychiatrischen Erstexploration idealerweise 30–50 Minuten). Der*die Patient*in wird eingeladen, die Probleme, die ihn*sie zur stationären Aufnahme bzw. zum ambulanten Arztbesuch bewegt haben, darzustellen.

Der*die Untersucher*in wird aufmerksam und empathisch zuhören und beobachten. Fragen des*r Untersuchers*in werden sich darauf beschränken, das Gespräch in Gang zu halten bzw. eventuelle Unklarheiten zu beseitigen. Offene Fragen („Können Sie mir mehr darüber erzählen?“) werden mehr Informationen bringen als geschlossene Fragen („Haben Sie sich in der Kindheit besser mit Ihrem Vater oder mit Ihrer Mutter verstanden?“). Geschlossene Fragen sind vor allem dann sinnvoll, wenn Patient*innen durch ein längeres Gespräch mit offenen Fragen überfordert wären, wie z. B. bei schwer Depressiven. In dieser Phase sollte auch die aktuelle Lebenssituation des*r Patienten*in (beruflich, Beziehungen, soziale Situation) als wichtige Grundlage für das Verständnis der Beschwerden des*r Patienten*in erfragt werden.

Die mittlere Phase (Status psychicus, Erfassen psychopathologischer Symptome) wird strukturierter ablaufen, hier wird der*die Untersucher*in, abhängig von bisher zur Sprache gekommenen Informationen, gezielte Fragen stellen, die für Diagnostik und Behandlungsplanung wichtig sind. Unklare Punkte der Einleitungsphase werden hier nachexploriert bzw. bisher nicht thematisierte Aspekte angesprochen. Die psychopathologischen Symptome werden im Rahmen des Status psychicus zu Syndromen zusammengefasst. Dabei ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass wir uns im Rahmen der psychiatrischen Diagnostik meist auf der Ebene der Syndromdiagnosen bewegen. Selbst Begriffe wie Schizophrenie oder bipolare Störungen sind auf einer Syndromebene anzusiedeln. Die Ebene der Krankheit kann in der Psychiatrie selten erreicht werden (z. B. Alzheimer-Demenz, vaskuläre Demenz).

In der Störungs-/Krankheitsanamnese wird die aktuelle Episode mit den aktuellen Beschwerden, möglichen Auslösern, dem zeitlichen Verlauf, den Auswirkungen auf den Alltag und eventuellen bisherigen Behandlungen nochmals genauer abgeklärt. Es sollte beachtet werden, ob ein Zusammenhang der Beschwerden mit gegenwärtigen Lebensumständen, inneren oder äußeren Konflikten oder körperlichen Erkrankungen besteht. Wichtig sind die Beurteilung eventueller Komorbidität (Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen etc.) und gegebenenfalls die Einschätzung der Suizidalität.

In der weiteren Folge sollen eventuelle frühere psychiatrische Störungs-/Krankheitsepisoden erfragt werden (Art der Episoden, episodischer vs. chronischer Verlauf, freie Intervalle, Art und Umfang bisheriger Therapien), anschließend frühere körperliche Erkrankungen, Operationen, Unfälle, einschließlich Kinderkrankheiten.

In der mittleren Phase wird auch – je nach zur Verfügung stehender Zeit – auf wichtige Aspekte der Lebensgeschichte des*r Patienten*in eingegangen, eine Familienanamnese erhoben und eventuell auch die prämorbide Persönlichkeit beurteilt. Hier sollten auch positive Ressourcen und Bewältigungsstrategien des*r Patienten*in besondere Beachtung finden.

In der Abschlussphase teilt der*die Untersucher*in dem*r Patienten*in zusammenfassend seine*ihre Sichtweise der Probleme des*r Patienten*in mit (Diagnose, Störungs-/Krankheitsmodell mit ätiologischen Aspekten) und auch der*die Patient*in soll die Möglichkeit bekommen, dazu Stellung zu nehmen bzw. ergänzende Informationen nachzutragen. Es werden mögliche Schritte im Hinblick auf weitere diagnostische (eventuell die Erhebung von Zusatzbefunden oder Gespräche mit Angehörigen) und/oder therapeutische Maßnahmen gemeinsam besprochen. Ein gemeinsames Krankheitsmodell wird entworfen. Damit ist auch der nächste Schritt der psychotherapeutischen Wirkfaktoren nach Grawe, die Klärung, eingeleitet (Tabelle 1).

Tabelle 1: Psychotherapeutische Wirkfaktoren nach Grawe (2004)

1. therapeutische Beziehung

2. Klärung

3. Ressourcenaktivierung

4. Problemkonfrontation

5. Bewältigung

2 Bestandteile der Exploration

Die Exploration (lat. explorare: auskundschaften, erkunden) gilt als zentrales Instrument zur Beurteilung des psychischen Zustandes und Erlebens eines*r Patienten*in. Man versteht darunter ein strukturiertes Gespräch bzw. Interview, das im Gegensatz zu einem psychotherapeutischen Gespräch eine aktive und strukturierte Vorgehensweise des*r Untersuchers*in erfordert und zum Ziel hat, die verschiedenen psychischen Bereiche wie Stimmung, Denkinhalte und kognitive Funktionen im Einzelnen (psychischer Status), aber auch in deren Gesamtheit zu erfassen. Vonseiten des*r zu Untersuchenden ist ein Mindestmaß an Mitteilungsbereitschaft und sprachlicher Klarheit erforderlich. Das Gespräch selbst ist ein dialogisch konfigurierter Prozess (siehe Kapitel „Allgemeine Richtlinien der psychiatrischen Gesprächsführung", S. 11 f.) und beschränkt sich nicht nur auf den äußerlichen Objektbezug (3. Person-Perspektive, quasiobjektives Beobachten), sondern bezieht auch das persönliche Erleben des*r Patienten*in (1. Person-Perspektive, Übertragung) und die Beziehungsperspektive (2. Person-Perspektive, Gegenübertragung) in die Diagnostik mit ein.

Obwohl ein psychiatrisches Gespräch ein sich wiederholender Prozess in der Behandlung ist, unterscheidet man didaktisch bezüglich der Gesprächsführung und inhaltlich zwischen einem Erstgespräch und einem Wiederholungsgespräch.

Im Erstgespräch geht es darum, innerhalb eines kurzen Zeitraumes möglichst viele Informationen zu erhalten, wobei eine vollständige Informationserhebung innerhalb einer Stunde meist nicht erreicht werden kann. Der*die Patient*in soll zu Beginn des Gesprächs seine*ihre Probleme bzw. Schwierigkeiten darstellen, die ihn*sie zur Untersuchungssituation (stationäre Aufnahme oder ambulanter Besuch) gebracht haben. An diesen offenen Teil schließt sich für gewöhnlich ein strukturierter Teil (Status psychicus) an, der, wie eingangs beschrieben, ein aktives und lenkendes Element seitens des*r Untersuchers*in enthält und auch als Exploration im engeren Sinne (siehe unten) bezeichnet werden kann. Am Ende des Gesprächs soll der*die Patient*in noch die Gelegenheit erhalten, wichtige Dinge anzusprechen, die im Gespräch eventuell nur gestreift wurden oder nicht vorgekommen sind. Im Wiederholungsgespräch geht es einerseits um Ergänzungen, andererseits um eine neuerliche Erfassung des psychopathologischen Befundes.

Zu erwähnen ist auch die Außenanamnese